#rockovy slunovrat | Explore Tumblr Posts and Blogs

itchyofficial · 5 years

Text

31.05.2019 CZ - Revnice - Rockovy Slunovrat

Unser Bus ist, während wir friedlich geschlafen haben, die ganze Nacht durchgefahren ohne dass der Anhänger durchgebrochen, ein Reifen geplatzt oder der Motor implodiert ist. Das ist ja schonmal ein gutes Zeichen. Als ich den Vorhang meiner Koje zur Seite ziehe sehe ich, dass wir auf einem Parkplatz irgendwo in der Tschechischen Pampa stehen. Vor dem Bus gammeln fünf skurril aussehende, teils tätowierte und mit fragwürdigen Frisuren ausgestattete Personen herum. Machen alle einen äußerst zwielichtigen Eindruck. Erst beim zweiten Hinschauen checke ich, dass das alles Leute von meiner Band oder Crew sind.

Endlich mal wieder Tschechien! Heute auf einem großen Festival in einem Mischwald. EIn Mischwald zeichnet sich dadurch aus, dass dort sowohl Laubbäume als auch Nadelbäume beheimatet sind, aber das wusstet ihr ja sicherlich alle schon weil unser Publikum ja generell zu den intelligentesten in der heutigen Musikszene zählt. Da wir mit unserem sperrigen Bus nicht durch den Wald rasen können, parken wir in einem Industriegebiet und werden später von den Festivalpeople abgeholt und etwas rudimentär aber sehr sympathisch hinter die Bühne gekarrt. Unser Abholbus ist wunderschön, aber auch wunderalt und sollte im laufe des Tages auch noch kaputtgehen. Es ist einfach kein Automobilwochenende. WIr haben damit diesmal nix zu tun. Ich schwör.

Das Festivalglände ist riesig und wir spielen hier heute zur Primetime auf der großen Hauptbühne. Warum wissen wir nicht, aber man muss ja auch nicht immer gleich alles hinterfragen. Das unfassbar nette Festivalpersonal kümmert sich den ganzen Tag ganz reizend um unsere Reisegruppe und trotzdem merken wir so nach und nach, dass zwar immer eine äußerst kompetente Person dafür sorgt, dass frisches Bier gezapft wird und der Grill immer gut belegt ist, zeitgleich auf der Bühne aber kein einziges Kabel richtig gesteckt ist und sich der Spielplan bereits nach wenigen Bands um 60Minuten verzögert hat.

Da wir daran ja aber irgendwie jetzt auch konkret nichts ändern können, lassen wir uns eben noch ein paar Bier zapfen, essen bunte Paprikastängel und beobachten Backstage ein ca. 5 Jähriges Kind, dass erst 30Minuten lang auf das Schlagzeug seines Vaters einschlägt und danach weitere 45Minuten damit verbringt, bis zum Ellenbogen in der Nase zu popeln. Beide Tätigkeiten verrichtete der Junge mit so einer Leidenschaft, dass uns bis heute nicht ganz klar ist, welchen der beiden Karrierewege er am Ende einschlagen wird.

Die tschechische Band die vor uns spielen soll, steht mittlerweile seit einer dreiviertel Stunde auf der Bühne und versucht Soundcheck zu machen, was aber nicht funktioniert, weil der Bühnentechniker mit einem riesigen Knäul Kabelsalat hinter seinem Mischpult steht und dabei wirkt wie der Kapitän der Titanic beim erblicken des Eisberges. Der Sänger der Band, die eigentlich längst spielen sollte, rennt irgendwann laut brüllend und fluchend durch den Backstagebereich und schreit alle Menschen an, die irgendeine Funktion beim Festival haben. Ich glaube er hat sogar den Bierzapfer angeschrien. Auch der popelnde Junge unterbricht kurz sein Handwerk um nachzusehen was auf der Bühne los ist, ehe er mit der Förderung des Naseninhalts fortfährt.

Eine gefühlte Ewigkeit später spielen sie dann aber doch und wir bereiten uns auch endlich auf das anstehende Konzert vor, indem wir noch einen Pfannkuchen mit Zuckersträusel essen.

Als wir später auf die Bühne rennen, können wir es eigentlich kaum glauben, dass wir irgendwo in Tschechien mitten in irgendeinem Wald stehen und sich vor der Bühne so viele enthuasiastische und gut gelaunte Menschen befinden, die mit uns feiern als wäre morgen Weltuntergang. Richtig richtig viel Spaß hat das gemacht und wir können uns einfach nur für nen krass schönen Abend in Revnice bedanken.

Den Rest der Nacht verbringen wir dann aber doch sicherheitshalber wieder in der Nähe der Bierzapfanlage, wo auch der Teller mit den bunten Paprikastängeln platziert ist. Und spätestens als unser Tourmanager Stephan endlich wieder seinen gemütlichen One-Piece-Schlumpfanzug anzieht, wissen wir, dass die Welt komplett in Ordnung ist.

Danke liebes Festivalteam und danke liebes Publikum. Morgen gehts wieder weiter in Deutschland.

7 notes · View notes