Tumgik
medbooster · 6 years
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Spiel mir das Lied vom Tod
Die Taktart ist 30:2. Es sterben immer noch zu viele Menschen, weil Beistehende und Ersthelfer sich nicht trauen, Reanimationsmaßnahmen einzuleiten. Deswegen vor allem an die Nichtmediziner unter den Lesern hier nochmal eine allgemeingültige Erklärung mit Augenzwinkern, wie das ganze vonstatten geht.
Auch, wenn es überwindung kostet und ich die letzten Einträge über ausgiebig darüber gesprochen habe, wie unangenehm und anstrengend reanimieren ist... Mit jeder Minute Verzögerung der Herzdruckmassage sinken die Überlebenschancen beim Herzstillstand drastisch.
Ich zitiere daher die drei goldenen Regeln der Reanimation, die mir in der Uni von dem grandiosen Intensivpfleger beigebracht wurden, welcher die Rea-Fortbildungen für Medizinstudierende gemacht hat.
Drücken, Drücken, Drücken “Der Mensch ist tot. Toter wird er nicht. Du kannst es nicht schlimmer machen, außer wenn du nichts tust. Wenn er nicht mehr reanimiert werden will, wird er sich gegen dich wehren.”
30:2 Für medizinisches Fachpersonal gilt die Regel, dass auf 30x Drücken während der Herzdruckmassage 2 Beatmungen folgen und dann der Zyklus neu beginnt, d.h. wieder 30x gedrückt und anschließend 2x beatmet wird. Dies gilt nicht für Laien oder Notfälle auf der Straße ohne medizinisches Equipment: Wenn kein Equipment für die Beatmung zur Verfügung steht, ist die Herzdruckmassage die wichtigste, lebensrettende Maßnahme. Dann wird nicht beatmet, sondern nur gedrückt.
Keine Unterbrechung der Herzdruckmassage Außer für die Defibrillation oder auf Anweisung eines die Reanimation leitenden Arztes. Die Herzdruckmassage ist das Einzige, was das Leben im Körper zurückhält.
Vergiss alles, was du im Fernsehen über Reanimation gesehen hast. In Filmen und Serien ist das meistens Grütze. Solltest Du draußen auf der Straße in so eine Notfallsituation kommen... Nutz die Gelegenheit und sei der Held des Tages. Wähl die 112, leg dich mit dem Tod an und reanimiere. Vielleicht rettest du damit ein Leben.
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medbooster · 6 years
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Der Weg alles Irdischen
Ich musste beim Eintrag von gestern so schaudern, dass ich vergessen habe, zu Ende zu schreiben. Ich war auch ganz schön alle, wir haben nämlich richtig lange reanimiert und dann am Ende doch den Tanz mit dem Tod verloren.
Nach erfolgloser Reanimation herrscht immer eine ganz komische Stimmung im Raum. So eine Mischung aus verschiedensten Emotionen. Frust, weil es trotz aller Mühe nichts gebracht hat. Ärger, weil man jetzt ganz viel Zeit verloren hat für die Arbeit, die sich im Hintergrund aufgestaut hat. Trauer, weil gerade ein Mensch gestorben ist. Angst und Schuldgefühle, wenn man der behandelnde Stationsarzt gewesen ist.
Letzteres traf zum Glück nicht auf mich zu, aber auf Paulzz. Paulzz ist so wie ich frisch gebackener, idealistischer Assistenzarzt und kümmert sich mit viel Herzblut und ausgezeichnetem Wissen und Fähigkeiten um seine Patienten. Nach der Reanimation verkrümeln sich nach und nach alle und wir ziehen schließlich ins Arztzimmer weiter. Paulzz ist schneller als ich, weil ich schon wieder was liegengelassen habe. Ich sehe ihn von weitem mit etwas leerem Blick an die Wand starren. - "War das seine erste Rea?", fragt Schwester Alte-Weise. - "Jo", sage ich und nicke. "Und dann auch noch die eigene Patientin…" - "Und dann auch noch erfolglos", seufzt sie. "Ich hab euch nen Kaffee aufgesetzt und inner Küche sind noch Brötchen vom Geburtstag heute Mittag. Hunger?" Ich nicke. Reanimieren ist richtig, richtig anstrengend und jetzt, wo ich drüber nachdenke, verhungere ich. Ich gehe in die Küche, schenke uns Kaffee ein und packe ein paar belegte Brötchen auf nen Teller. Danke gehe ich ins Arztzimmer zu Paulzz.
Es ist gespenstisch ruhig hier, wenn die Tür zu ist. Nur das Rattern der Computer und ab und zu das nervige Fiepen der Klingel, sonst nichts. - "Danke", sagt Paulzz irgendwann und greift nach der Tasse. "Ich glaub, ich… Boah. Ich krieg irgendwie nichts runter. Ich glaub ich wärme mich erstmal an dem Kaffee." Ich klopf ihm auf die Schulter. - "Die erste Rea vergisst man nie", sage ich und trinke selber einen Schluck Kaffee. "Brennt sich ein wie kaum was Anderes. Aber mach dir bitte keine Vorwürfe. Mit neunundachtzig darf ein schwerkranker Mensch sterben. Du hast sie nicht umgebracht, soviel ist sicher." - "Sicher?", fragt Paulzz. "Die letzten Tage war das mit dem Kalium so…" - "Sicher", unterbreche ich ihn. "Du und dein Oberarzt ihr habt gemeinsam ihre schwere Lungenentzündung behandelt. Ein kranker, alter Mensch mit Herzkrankheit ist ein Kartenhaus. Ein zufälliger Luftstoß und das System bricht zusammen." Blick auf die Uhr. Zwanzig vor acht. Seit über drei Stunden Feierabend. Handy blinkt. Achtzehn ungelesene Nachrichten. - "Das Datum werde ich wohl wirklich nicht vergessen", sagt Paulzz. - "Welcome to Inner Medicine", sage ich und stoße mit ihm und seiner Kaffeetasse an. "Auf Frau Neumann. Ihr Gott habe sie selig, welcher auch immer es sein mag." - “Mhm”, macht Paulzz wenig überzeugt.
Ich gehe wieder auf den Flur und arbeite mich durch die restlichen Kurven, um die liegengebliebene Arbeit aufzuholen. Schließlich kommt Paulzz in meine Richtung und steht erst eine Weile zögernd hinter mir, bis er sich neben mich stellt. - "Ähm", sagt er. "Du, Brainzz…." - "Hm?", entgegne ich. Ich stehe am Visitenwagen. Es ist halb neun und die letzten Anordnungen müssen noch gemacht werden. Paulzz steht mit dem flatterigen und verwirrenden Papierwust eines Totenscheins vor mir. Seine Augen sind ein bisschen glasig, seine Schultern hängen. - "Brainzz… Ich verstehe den Totenschein nicht. Und ich habe noch nie eine Leichenschau gemacht." Ich lächle ihn an und nicke. - "Kein Problem. Ich komme mit." Wir gehen ins Arztzimmer und füllen das Ding aus. Einen Totenschein muss man an verschiedenen Stellen umklappen und wieder zurückklappen und dann hier und da schreiben aber da nicht schreiben, weil das im Durchschlagverfahren im Wesentlichen vier Formulare gleichzeitig ausfüllt. Eigentlich gar nicht dumm. Aber sehr deutsch und sehr kompliziert. Ich erkläre ihm das Ganze und wie man das richtig so ausfüllt, dass die Kausalkette von der Krankheit bis zum Tod lückenlos nachvollzogen werden kann. Sonst kommt der Totenschein zurück und es gibt Nachfragen - viel Lärm um nichts und unnötige Arbeit. - "Und die sicheren Todeszeichen?", fragt Paulzz. - "Die müssen wir jetzt in der Leichenschau feststellen", sage ich mit vollem Mund und kaue den Rest eines Käsebrötchens weg. "Kommst du?" Mit vollem Mund gehen wir zum Untersuchungszimmer, wo der Körper von Frau Neumann geparkt wurde. - "Warte", sage ich und ziehe mir Handschuhe an. "Ich will vorher aufkauen." Schwester Jung-Schlau bleibt stehen und guckt mich völlig entgeistert an. - "Isst du gerade?", fragt sie. - "Mhm", mache ich. - "Und die Leichenschau?" - "Die machen wir jetzt", antwortet Paulzz für mich. "Ich gehe schonmal vor." Jung-Schlau guckt mich schräg an mit einer Mischung aus Schock, Amüsement, Abscheu und Bewunderung. - "Du, Brainzz", fragt sie, als Paulzz im Raum ist. "Wie lange bist du schon Arzt?" - "Halbes Jahr", antworte ich. "Wieso?" - "Nur so", sagt sie und geht kopfschüttelnd weiter, um mit der Arbeit fortzufahren.
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medbooster · 6 years
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Durch Mark und Bein
- "Doktors!", ruft jemand auf dem Gang aufgeregt. "Brainzz, Paulzz!" Der Tonfall gefällt mir nicht. Wenn Schwester Alte-Weise laut nach Arzt ruft, ist das selten gut. Schwester Alte-Weise macht diesen Job hier seit hundert Jahren und sie hat so viel klinische Erfahrung, dass man als junger Assistent gut beraten ist, ihrer Einschätzung großes Gewicht zu verleihen. Mein Telefon klingelt. - "Die Mitpatientin von Frau Neumann hat gerade gesagt, dass die nicht atmet!", ruft eine Schwester aufgeregt in den Hörer. "Wo seid ihr?" Wir machen uns auf den Weg und eilen über den Flur. Witziger Nebeneffekt ist immer der schockierte Blick von anderen Patienten, wenn im Krankenhaus jemand zu rennen beginnt.
<ungutes Bauchgefühl hier einfügen>
- "Frau Neumann!", ruft der Kollege nervös beim Betreten des Zimmers und ruppelt an der Frau. "Frau Neumann!!!" Er guckt mich erleichtert an, als er sieht, dass er nicht mehr alleine ist. Dazu muss man sagen, dass Paulzz gerade seinen dritten Monat als Arzt hat und noch ein kleines Stück grüner hinter den Ohren ist als ich. - "FRAU NEUMANN!!!", rufe ich und kneife ihr kräftig in die Nase. Als keine Reaktion kommt, die Patientin eine Schnappatmung loslässt und der Puls nur ein paar unregelmäßige Salven zu spüren lässt, drehe ich mich zur Mitpatientin um. - "Gehen Sie bitte nach draußen", sage ich. "Hier wird es jetzt wuselig."
Ich belle ein paar Anordnungen und Materialanfragen in den Raum, dann herrscht Grabesstille unter meinen Fingerkuppen. - "Okay, wir drücken", entscheide ich, steige ins Bett und verschränke meine Hände über dem Brustbein von Frau Neumann.
Was als nächstes passiert, wird mich bis ans Ende meiner Tage verfolgen. Ohne Witz. Man härtet ja echt ab als Arzt, aber das hier hat mich kalt erwischt. Ich drücke beherzt den Brustkorb zusammen und es macht KNACKEDIKNACKEDIKRACKKRACKRACK. Das Geräusch fährt mir durch Mark und Bein. Die Rippen von Frau Neumann bersten der Reihe nach durch und geben nach. Das zweite Drücken ist schon viel leichter. Erneut knackt es unter mir, der Widerstand wird geringer und der rechte Rippenbogen geht Fratze. Die nächsten paar Male drücken knistert es nur, dann fühlt sich Frau Neumann an wie eine Reanimationspuppe.
Ich fasse zusammen: Der erste, der reanimiert, hat die Arschkarte. Der muss die Rippen brechen. Das war mir so bewusst irgendwie nicht, denn ich war noch nie der Erste beim Reanimieren. Klar, wenn man drüber nachdenkt, ist es logisch. Aber die Realität ist dann doch irgendwie fieser als das Trainingszentrum der Uniklinik.
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medbooster · 6 years
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Morbus Renitenzus
Wo immer man mit Menschen zu tun hat, schleicht sich gelegentlich jemand ein, der einen schlichtweg wahnsinnig macht. Manchmal kann man die Schuld dafür bei bestimmten Diagnosen suchen. Relativ Charakteristisch für manche psychiatrische Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen ist z.B. die Tatsache, dass Erkrankte über das Talent besitzen, einen in den Irrsinn zu treiben. Und manchmal… Spotten die Leute ohne jegliche psychiatrische Diagnose trotzdem einfach jeder Beschreibung. So wie Herr Grmbl.
Herr Grmbl ist blutjung. Ein Jahr jünger als ich. Er ist aus Bettennot auf der Geriatrie gelandet und senkt den Altersdurchschnitt unter all diesen Geronten hier um etwa 250 Jahre.
Herr Grmbls Problem ist eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Die macht Schmerzen und manchmal akute Bauchspeicheldrüsenentzündungen. Das macht noch mehr Schmerzen und außerdem den Bauch von innen kaputt, was sehr ungesund ist und vermieden werden sollte. Sinnvollerweise tut man dies durch ausgeglichene Ernährung, Rauchstopp (sehr wirksam!) und nebenher eine gute Schmerztherapie.
- "Ich würde Ihnen gerne neben dem Schmerzmittel noch was Anderes aufschreiben, ein Opiat. Das ist ein sehr starkes…" - "Das sind Drrogen!", ruft Herr Grmbl. "Von die Scheiße wirrd man abhängig, Sie wollen mich zum Junkie machen!"
<Erklärung darüber, dass Schmerztherapie nicht zum Junkie macht trifft auf wenig Gegenliebe, Morphin ist also böse>
- "Außerdem ist es so, dass die Schmerzen ja auch eine chronische Reizung der Nerven darstellen. Ich möchte Ihnen deswegen außerdem ein Medikament geben, das die Reizung der Nerven ein bisschen abfängt. Das Medikament heißt Amitriptylin und wird auch als Antidepressivum…" - "Ehhh Doktor isch bin doch kein Psyscho! Isch bin seit drei Tagen hier und Sie haben misch schon als Bescheuert abgeschtempelt!"
<Seufzer. Erwartbare Reaktion. Erklärung darüber, dass Antidepressiva an den Nerven wirken und die Schmerzwahrnehmung verändern. Keine Gegenliebe, ich halte den Patienten angeblich für verrückt.>
- "Nun gut…", sage ich lustlos. "Chronische Schmerzen sind außerdem etwas, das man mit einer begleitenden Gesprächstherapie gut beeinflussen kann. Wenn man sie schon nicht wegbekommt, kann man lernen, sie besser zu verarbeiten. Dafür habe ich Ihnen einen Termin in unserer Psychosomatik gem…." - "Verfickte Scheiße Doktor Du machst hier nur so als wäre isch bekloppt! Mach mal Dein Arbeit und finde raus was mein Problem ist verfickte Scheiße, alter!"
Ich seufze, breche die Visite ab und sage Herrn Grmbl, dass ich mich gerne wenn er sich beruhigt hat und mich nicht mehr beleidigt weiter mit ihm über seine Therapie unterhalte. Auf den Schrecken muss er jetzt aber dringend erstmal nach unten und eine rauchen. Ich schaue ihm hinterher und frage mich, ob die Bauchspeicheldrüse wirklich sein Hauptproblem ist. Oder ob die eigentliche Hauptproblematik nicht eher unter der Schädelkalotte sitzt…?
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medbooster · 6 years
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2,43 Promille
Wir haben da einen Patienten auf Station, der ist alt und dement und COPDistisch und echt schlecht mit der Luft. Der hat uns gestern Nacht schon beschäftigt und heute wird es nicht besser. Im Tagdienst wurde sich nicht so richtig drum gekümmert, ihn besser zu machen und jetzt hat er auch noch aspiriert. Antiböse war den Stationsärzten aber irgendwie zu schade und deswegen fiebert der Herr Klops jetzt pünktlich um zwei Uhr morgens auf. Versorgung und so weiter, alles für nen Anfänger wie mich schon relativ spektalulär und geht auch gut. Dann funkt die ZNA mich an, ich möge doch sehr dringend mal nach unten kommen.
Die Tür des kleinen Schockraums (wir haben mehrere) geht auf. Schwester Greta kommt raus und ruft mich her. Greta ist eine erfahrene Schwester und so leicht nicht aus der Ruhe zu bringen. Als kleiner Assistent ist man gut beraten, die Beine in die Hand zu nehmen, wenn sie einen dezent zur Eile auffordert. - "Komm mal!", ruft sie und winkt. Ich eile über den Flur. Beim Betreten des Schockraums schlägt mir eine Welle Biergeruch entgegen, gemischt mit dem süßlichen Parföng von Erbrochenem. - "Geburtstag mit Twist", sagt Greta. "Junger Kerl, 23 Jahre alt, hat Geburtstag etwas zu heftig gefeiert. Cannabis und Alkohol, Drogentest noch nicht fertig. Atmet nicht." Ein kurzer Moment des Schreckens. Nicht atmen geht nicht so schrecklich lange gut. Hier zahlt sich meine Zeit in der Anästhesie wiederum aus. Ein Handgriff zum Kinn, die Zunge ist gelöst und verlegt nicht mehr den Rachen, plötzlich schnarcht Jeremy-Dennis wieder laut. - "Wendeltubus", sage ich laut. Sekunden später schiebe ich dem Deppen einen fetten Plastikschlauch in die Nase, woraufhin er wieder normal zu atmen beginnt. Den Rest der Nacht muss ich mir anhören, wie doll ihm die Nase wehtut.
Vielleicht hätte ich Gleitgel benutzen sollen. Aber so richtig Mitleid habe ich auch nicht mit ihm. Bis 23 hatte ich mein Limit schon bis zum Erbrechen (im Wortsinne…) ausgetestet, ohne mich dabei krankenhausreif zu saufen…….
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medbooster · 6 years
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Ups
- "Was führt Sie denn her?" Betretene Blicke zu Boden. Zwei junge Kerle, Mitte Zwanzig. Ich erkenne meinen Patienten lediglich daran, dass er eine Viggos im Arm hat. Sonst sehen sie beide normal aus. Wirkt auf den ersten Moment nichts so, als würde es rechtfertigen, mich um halb fünf zu wecken. - "Bauchschmerzen", antwortet einer der beiden Männer. - "Bauchschmerzen", wiederhole ich. "Seit wann denn? Übelkeit und Erbrechen aufgetreten? Durchfälle?" - "Nein", antworte Herr Ups. Das Gespräch kommt zum Erliegen. Irgendwas stimmt hier nicht. Ich werfe einen Blick auf das EKG und stelle fest, dass das Herz knuspergut ist.  - "Haben Sie vielleicht was Schlechtes gegessen?" - "…. Nein", antwortet der Mann. - "Okey", mache ich. "Mal oben rum frei machen." Ich nehme wohlwollend zur Kenntniss, dass der erste Patient seit drei Tagen nicht fett, alt und labberig, dement oder mit seiner eigenen Kotze beschmiert ist. Durchtrainierter Junger Mann, sehr muskulös. Wenn da nicht der größte Abturner der Welt wäre - die Tatsache, dass es sich um einen Patienten handelt - wäre dieser Herr hier ein klarer Fall von Meow. Ich interpretiere das als Entschädigung für meine Schlaflosigkeit und mache mich ans Werk, kann aber nirgendwo etwas Schmerzhaftes finden. - "Also so richtig weh tut Ihnen der Bauch ja nicht", stelle ich fest und hüpfe kräftig darauf herum. - "Hm", macht er. "Ne, nicht so richtig." Wir gucken uns an. Die beiden Männer gucken sich an. - "Okay!", rufe ich. "Raus mit der Sprache. Was ist hier los?! Es ist vier Uhr in der Früh, ich habe keine Lust auf Spielchen!" - "Ich habe die Schmerzen etwas weiter… Unten am Bauch." Ich hebe die Augenbrauen. - "Hier im Mittelbauch?", frage ich. - "Weiter unten", antwortet Herr Ups. - "Im Unterbauch?", frage ich und hüpfe auf Divertikel- sowie Blinddarmdruckpunkten rum. - "Ne", sagt er. "Noch viel weiter unten." Mir geht ein Licht auf und ich schaue mir die beiden nochmal genauer an. Regenbogenarmband, tuckiger Habitus. Es formt sich eine Verdachtsdiagnose. - "Ihnen tut nicht der Bauch weh, sondern der Auspuff!", stelle ich fest. Beide nicken und schauen wieder betreten zu Boden. - "Okay, ich verstehe. Sie beide hatten heute Nacht viel Spaß zusammen und dabei ist irgendwas passiert, was Ihnen die Schamesröte ins Gesicht treibt!" Keine Antwort ist auch eine Antwort. Vor Angst weite Augen, als ich eine digital-rektale Untersuchung ankündige. Diese ist mega schmerzhaft und sehr blutig und ich finde jetzt, wo die Katze aus dem Sack ist auch heraus, woran das liegt! Das Pärchen hat sich einen neuen Vibrator gekauft und der ist wohl eine Nummer zu groß gewesen. Eingerissene Hämorrhiden oder Schließmuskelriss oder so diagnostiziere ich, wünsche eine gute Nacht und informiere den Chirurgen.
Kurios. Und irgendwie putzig. Die armen Jungs… I feel you!
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medbooster · 6 years
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Des Menschen Wille
- "Ehhhh Doktor, wasse schreibe du für Scheiße!?" Da war diese Patientin, Frau Schnauf. Frau Schnauf hat ein schwere allergisches Asthma. Das ist auf bestem Wege dabei, zu einer COPD zu werden - im zarten Alter von dreißig Jahren überhaupt nicht witzig.
COPD ist nämlich eine chronische Entzündung der Lunge, die schwer zu behandeln und nicht richtig zu heilen ist. Sie ist in fast allen Fällen auf jahrelanges Rauchen zurückzuführen. Ganz selten erwischt es mal einen Bergarbeiter, der unter Tage viel Staub schlucken musste. Aber mengenmäßig führend sind die Raucher. Mit Abstand. Wenn dann noch sowas wie Asthma und Allergie sowie genetische Faktoren als Risikofaktoren dazukommen, ist der Cocktail des Unheils komplett.
- "Hm?", frage ich und gucke sie gespannt an. Frau Schnauf hat vor einer Viertelstunde von mir ihren Arztbrief in die Hand gedrückt bekommen. Wir sind nicht so richtig im Guten auseinander, weil ich leider nicht zaubern und ihre Lunge wieder ganz machen kann. Das findet sie doof. Und dass sie mit dem Rauchen aufhören soll auch. - "Nikotinabusus?", fragt sie und schnippt mit dem Finger nervös auf das Blatt in ihrer Hand. "Was soll das denn heißen?" - "Das bedeutet, dass sie rauchen", erkläre ich. - "Herr Doktor, ehhh!", ruft sie laut. "Isch rauche fünf bis fünfzehn Zigaretten am Tag! Das ist ja wohl kein Abusus! Was soll denn Abusus heißen?" - "Ist bedeutet Missbrauch." - "Was?! Ehh, Doktor! Das ist doch kein Missbrauch. Wasse denkst Du, Doktor, was Missbrauch ist! Erklär mir mal, was Missbrauch ist, eh, alter!" Ich zucke mit den Schultern. - "Zigaretten sind eine Droge. Sie konsumieren diese Droge. Eine Zigarette am Tag ist streng genommen schon ein Missbrauch." - "Ehhh, Doktor! Alter! Zehn Kippen pro Tag ist voll normal, eh!" Ich schüttele den Kopf. - "Nein, das ist eine Abhängigkeit und ein Tabakkonsum. Ich hab ihnen das lang und breit erklärt… Sie müssen ganz bald aufhören mit dem Rauchen. Dann haben Sie gute Chancen, dass es nicht noch schlimmer wird und sie auf Dauer wieder von den Medikamenten weg können!" Frau Schnauf holt Luft, um etewas zu sagen. Guckt mich dann aber nur mit aufgesetztem Lächeln an und sagt gekünstelt: - "Danke, Doktor. Wenn Sie mir nicht helfen wollen, kann ich ja gehen." Ich nicke und bedeute ihr den Weg nach draußen. - "Ich habe ihnen alle Therapieoptionen gezeigt und ihnen angeboten, Sie auf dem Weg zu begleiten. Wenn Sie nicht wollen… Das ist ein Krankenhaus, kein Gefängnis." Frau Schnauf stampft wütend hinaus und knallt die Tür so doll, dass diese wieder aufspringt. - "Wer SOLCHE Ärzte hat!!!", schreit sie wütend. "Der braucht keine FEINDE mehr!!!" Ich zucke mit den Schultern und dokumentiere den Verlauf des Gesprächs in der Kurve. Etwas geschockt steht ein PeeJay neben mir und weiß nicht so ganz, was man sagen soll. - "Wow", sagt die Nebenpatientin schließlich und nickt mir anerkennend zu. "Sie müssen ja ein ganz schön dickes Fell haben." Ich zucke wieder mit den Schultern. - "Des Menschen Wille ist sein Himmelreich", sage ich.
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medbooster · 6 years
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Ich komme in ein Alter
Neulich hatte eine Kollegin von mir Geburtstag. Die hat nen richtig richtig geilen Kuchen gemacht, von dem meine Reaktion in etwa so war: - "Boah alta Renate, waff hafft du denn im dem Kuchen gemacht? Daff fffmeckt ja sowaff vong geil!"
Habe mir prompt das Rezept geben lassen und als ich das Wochenende danach zum Spieleabend bei Freund war, habe ich den auch direkt gebacken und meine Fresse hat der wieder geil geschmeckt. Aber einen etwas faden Beigeschmack hatte der Spieleabend dann doch. Denn während sich in unserer wirklich lustigen Runde mit Weißweinschorle und Rotkäppchen die Kante gegeben wurde (naja zumindest bist zum zweiten Glas, du weißt ja, morgen habe ich Tagdienst), wurde es irgendwann philosophisch. Während ich so an meinem Bier nuckelte und dem Gespräch zuhörte, musste ich mich an einen Song von <3 Lumpenpack erinnern, der meine Gefühle so richtig auf den Punkt bringt.
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medbooster · 6 years
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Ich sterbe
Wirklich!
Vor Schreck. Angst. Und sonstwas. Und Wut. Heute hätte ich das erste Mal in meinem Leben um ein Haar jemanden verprügelt vor lauter Zorn.
Die Woche war bisher echt eher eine der bescheidenen Sorte. Die Patienten sind nach wie vor alle dement oder wahnsinnig oder beides und machen sogar mich Frohnatur so langsam mürbe. Da wartet dann heute auch noch ein Spätdienst auf mich. Spätdienste sind so eine Sache. Sie sind mittelmäßig bezahlt und ätzend, weil man seine Station am frühen Nachmittag halb fertig liegen lässt, um vier Stunden lang die Notaufnahme zu bedienen und dabei hoffentlich niemanden umzubringen. Mittelmäßig begeistert war ich auch, als ich den nicht enden wollenden Hauptkorridor des Klinikums Meckerstadt durchquerte, um mich mit etwas Verspätung in Richtung Notaufnahme zu begeben.
Dabei gehe ich meine Liste nochmal durch und überlege, ob ich irgendetwas unterschlagen habe, was wirklich wichtig war und nicht bis morgen früh warten kann. Nix gefunden. Ich schaue also wieder geradeaus und
TRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖT Das wars. Die Welt geht unter. Das war das Donnern der Hyperraumaggregate eines Sternenzerstörers, der in den nächsten fünf Sekunden Meckerstadt und Mäh-auf-der-Mecker dem Erdboden gleich machen wird. Ich mache einen Satz, werfe Klemmbrett, Kaffeebecher und Wasserflasche von mir schreie vor lauter Schreck.
<schrecksekundehiereinfügen>
Es fiept in meinen Ohren und ich öffne wieder die Augen. Kein zweites Dröhnen kommt hinterher, es ist also offensichtlich nicht der Feueralarm. Und zum Glück auch kein Sternenzerstörer. Ich atme auf und schaue mich um, wo dieses Geräusch herkam und
TRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖTTÖÖÖÖÖTTÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖT
Ich mache wieder einen Satz und habe genug Orientierung, um die Quelle zu orten. Es ist eine große, rote Tröte. Sie wird von einer Hand um die Ecke der nächsten Korridorbiegung gehalten. Aus dieser Richtung höre ich, kaum dass das Scheppern in meinen Ohren aufgehört hat, hysterisches Gelächter. Ich bleibe stehen und beobachte das Geschehen. Da schieben sich drei Gesichter übereinander um die Ecke und schauen nach mir. Wie die Daltons kauern dort drei Halbstarke, einer von ihnen eine Drucklufttröte in der Hand.
Erwischt fühlen sich die drei Teenager und rennen lachend los. Ich kenne mich aber im Krankenhaus besser aus (ich wohne ja quasi hier), nehme eine Abkürzung und fange sie vor dem Ausgang hinter einer Ecke ab. Sie rennen ineinander und stolpern alle drei auf den Boden. Irgendwie witzig.
Vor versammelter Runde der im Foyer des Krankenhauses chillenden Angehörigen und Patienten greife ich mir die Drucklufttröte und scheppere den drei Idioten eine gehörige Ladung krach entgegen. Sie halten sich die Ohren zu und stellen fest, dass so ein Ding doch ziemlich laut ist. So richtig cool fühlen sie sich nicht mehr, wie ich ihnen vor diesem Publikum die Leviten lese und ihnen sage, dass das echt eine miese Idee ist, sich ins Krankenhaus zu schleichen und dort Leute zu erschrecken!
Ich spreche ein Hausverbot aus und drohe mit der Polizei, wenn sie nicht in zehn Sekunden draußen sind. Voller Genugtuung tröte ich ihnen noch einmal hinterher und knalle dann dem Portier die Drucklufttröte auf den Tisch.
Mit wehendem Kittel schaffe ich es gerade rechtzeitig zur Übergabe in die Notaufnahme und darf anschließend nochmal ins Haus, weil ja mein kaffeegetränkter To-Do-Zettel noch auf dem Gang liegt.
Immerhin war der Dienst dann, nachdem er angefangen hatte, ruhig. Aber klingeln tut es in meinen Ohren immernoch. Was für kleine Spastis.
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medbooster · 6 years
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Anarchy lives
Ich mich so wieder mal meiner Naivität hingegeben und gehofft, auf den Freitag mal pünktlich rauszukommen.
Denkste. Freitag der 13. halt.
Ein weises Sprichwort besagt: "Seien wir nicht abergläubisch, das bringt Unglück!"
Als ich klein war, sah mein Zimmer aus wie der hinterletzte Platz auf Erden. Mit Beginn meines Studiums wurde es dann aber ordentlicher und ordentlicher und mittlerweile bin ich echt ziemlich organisiert. Nicht so die Geriatrie unseres wunderbaren Krankenhauses.
Meine Visite war sehr zerstückelt, was ich ja sowieso nicht leiden kann. Mindestens eine halbe Stunde bin ich Patienten oder Patientenkurven hinterhergelaufen, weil diese irgendwo durch die Gegend flatterten und nicht zur Arztvisite zur Verfügung standen. Ordnung sei ja angeblich das halbe Leben, aber davon halten die Kollegenden aus der Pflege nicht viel und sortieren uch gerne einfach mal die Kurven und Akten anders ein, weil es besser zu ihrer Aufteilung der Patienten passt. Dass ich dann dreimal so lange brauche, um meine Arbeit zu tun, ist ja eigentlich egal.
Ich bin dann auf die grandiose Idee gekommen, alle Kurven einfach auf einem Stapel zu sammeln und mit einem Wagen auf Visite zu gehen. Es hat mich nur schlappe 20 Minuten gekostet, die Kurven alle zu finden. Der letzten Kurve muss ich leider bis in den Medikamentenraum hinterherrennen. Als ich zurückkehre, ist der Wagen wieder leer. Freundlicherweise hat die Stationsleitung alle Kurven, die ich durcheinandergebracht habe, wieder einsortiert und motzt mich für das Chaos an, das ich verursache............
Nunja. Letzten Endes habe ich dann doch bei allen Patienten Visite machen können. Habe bei zweien von ihnen falsch gestellte Medikamente aus dem Verkehr gezogen und gegen Nachmittag noch ein Donnerwetter veranstaltet, weil ein in der Kurve angeordnetes und als erledigt abgezeichnetes Labor nicht gestellt wurde.
Gegen 19:00 wurde ich von meinem Oberarzt nach hause gescheucht und habe auf dem Rückweg dann mal Bilanz gezogen. Mindestens 2h heute habe ich damit verbaselt, dem Chaos auf dieser Station hinterherzurennen.
Was das alles kostet……..
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medbooster · 6 years
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Policital Correctness
Warnung 1: Dieser Post enthält politisch inkorrekte, diskriminierende und beleidigende Sprache. Für den Gelegenheitsleser möchte ich festhalten, dass nichts davon meinen Ansichten entspricht und ich lediglich einen Dialog aus der Realität wiedergebe.
Warnung 2: Menschen ohne Sinn für Sarkasmus und Ironie sind für das Lesen dieses Posts nicht geeignet. Bitte geht zum Lachen in den Keller, wenn ihr das hier skandalös findet.
- "Du, Brainzz", sagt Schwester Ditty und taucht im Türrahmen auf. "Der Krüppel und der Neger aus der 78, die kloppen sich gleich." - "DITTY!", rufe ich, rolle auf meinem Stuhl durch das Arztzimmer und ziehe die Tür zu. "Ich weiß ja, dass du echt ruppig drauf bist, aber sowas kannst du einfach nicht sagen, wenn auf dem Flur Patienten unterwegs sind! Wenn DAS einer hört…" - "Beruhig dich, kleiner Doktor. Die nennen sich gerade gegenseitig so. Komm mal mit raus, sonst muss gleich der Unfallchirurg ran." Ich ziehe mir meinen Kittel über und komme mit raus. Tatsächlich. Herr Schwung (mittfünfziger Rollstuhlfahrer mit Harnwegsinfekt) hat gerade Schwung geholt und fährt Herrn Hust, seinem Zimmernachbarn (mittdreißiger Burundi mit Lungenentzündung), mit dem Rollstuhl voll gegen das Schienbein. - "AUA DU VERDAMMTES KRÜ**ELSCHWEIN!", ruft er. - "SCHEISS NE*ER!", erwidert Herr Schwung. "ICH WERD DIR BEIBRINGEN IM STEHEN ZU PINKELN!" - "ERSTMAL IM STEHEN PINKELN KÖNNEN!", brüllt Herr Hust. "ICH MUSS MIR DEN GANZEN TAG DEIN BEHINDERTES BAUER SUCHT FRAU ODER WAS AUCH IMMER REINZIEHEN!" - "ACH JA?!?", schreit Herr Schwung und setzt zurück. "JETZT IST SOGAR SCHON DAS FERNSEHEN BEHINDERT! SO SO!" Bevor er wieder Schwung holen kann, packt sich Schwester Ditty beherzt seinen Rollstuhl und setzt die Bremsen fest. Ein Pflegepraktikant stellt sich Herrn Hust in den Weg, der auf Herrn Schwung losgehen will. - "Ich glaub ich spinne!", rufe ich und gehe dazwischen. "Sofort aufhören, alle beide! Das hier ist ein Krankenhaus und kein Kindergarten und nebenbei bemerkt war in meiner Kindergartengruppe niemand so asozial, aus Behinderung oder Hautfarbe eine Beleidigung zu machen - fürs Protokoll, Angriffsfläche hätte es bei uns allen damals genug gegeben!" Ich gucke beide wutentbrannt an. - "Wenn ich diese diskriminierende und rassistische Scheiße noch ein einziges Mal hören muss, dann fliegen sie heute noch beide hochkant aus dem Krankenhaus und können sehen, wo Sie Ihre Antibiotika herbekommen! Ende der Diskussion!" Ich mache auf dem Absatz kehrt und verziehe mich mit wehendem Kittel zurück ins Arztzimmer. Eine halbe Stunde später kommt Ditty nochmal wegen was Anderem zurück. - "Ach und Ditty, wie ist mit den beiden Bekloppten?", frage ich. "Haben sie sich vertragen?" Ditty rollt mit den Augen und schüttelt den Kopf. - "Denen ist wirklich nicht zu helfen. Wir haben sie jetzt getrennt. Der Neger schläft auf der 83 und der Krüppel bleibt im Zimmer." - "… Ditty!", protestiere ich, aber da hat sie mir schon frech zugezwinkert und ist zur Tür raus verschwunden. Etwas perplex sitzt der PJler hinten im Arztzimmer. - “Sowas erlebst du nur in Jobs mit Menschen”, seufze ich.
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medbooster · 6 years
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Viva la Irritation
Der Patient hatte also einen Schlaganfall. Nicht nur, dass er knickeknacke dement war, nein! Der Gute hatte auch noch einen Schlaganfall gehabt. Wie der jetzt genau bei uns in der Inneren gelandet war, will ich gar nicht beginnen zu erzählen. Die Neurologen hatten einen sehr eleganten Turf konstruiert und sich deswegen seiner entledigt, auf dass wir uns um ihn kümmern mögen. Nach einem Tag fand ich heraus, dass es wohl an den schrecklichen Angehörigen lag. Die Tochter war Gerichtsmedizinerin und der spaßbefreiteste Mensch, den ich in meinem Leben jemals getroffen hatte. In jedem Wort wehte ein Hauch einer Kunstfehlerklage mit und der Anblick ihrer fahlen Haut ließ mich schaudern.
Es dauerte nicht lang, da stritten wir uns schon über die notwendige Diagnostik. Schließlich war ich in der wundervollen Situation, am Krankenbett eine Unterbrechung bestimmter Nervenbahnen demonstrieren zu dürfen. Das sogenannte Babinski-Zeichen kennt jeder Medizinstudent, es besteht aus der Beobachtung der Fußbewegung beim Bestreichen der Fußsohle mit… Nunja, für Gewöhnlich mit der Rückseite eines Reflexhammers. Habe ich als Internist aber nicht, für meine Belange reicht ein Stethoskop als Reflexhammer.
Ja, da guckste! Patellar- und Achillessehnenreflexe kann man mit dem Gummiring eines handelsüblichen Stethoskops auslösen. Ruhig mal probieren, funktioniert ausgezeichnet!
Weil ich so schnell wie irgend möglich von dieser Schreckschraube weg wollte, nahm ich mir einen Kugelschreiber und demonstrierte das Babinski-Zeichen damit. Der Rest des Gesprächs war dann eher unspektakulär und nur noch mittelschwer zum Kotzen. Am nächsten Morgen äußerte Schwester Ditty in der Frühbesprechung ihre Verwirrung über den Patienten. - "Ja in der 73 ganz komisch. Also sowas hab ich noch nicht gesehen, der hat ganz seltsame Hautveränderungen an den Fußsohlen, ist uns beim Waschen aufgefallen. Wir haben das mal nicht mitgeschrubbt, damit ihr euch das angucken könnt. Das sieht fast so aus, als hätte den jemand mit einem Kugelschreiber angemalt!?" Der PJler kann sich ein Grinsen nicht verkneifen und schaut zu Boden. - "Angemalt!", wiederhole ich entrüstet. "Wer macht denn sowas? Das gucke ich mir gleich an. Aber das MRT für heute klappt?" Etwas an meinem Tonfall stört Ditty. Sie wirft mir einen misstrauischen Seitenblick zu und zögert eine Sekunde. Dann nickt sie und macht weiter mit ihrer Frühbesprechung.
… Zusammenfassend ein klarer Fall für die Kategorie "Ups"
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medbooster · 6 years
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Weit im Abseits
- "BRAIIIIINZZZZ!" Die Tür springt auf. Mir kommt torkelnd mein Kollege Herr Dr. Skully entgegen. Auf dem Weg zwischen der Kneipentür und mir rempelt er bestimmt vier Leute an und lässt sein Bier fallen. - "SchÖn dIcH zU SEheN!!!", glubbert er. Bei mir angekommen packt er meine Schulter, hält sich fest und beugt sich kopfüber in die Öffnung des Mülleimers. Ein Döner, eine halbe Pizza und mindestens ein Liter Bier suchen ihren Weg nach draußen. Wir amüsieren uns ein bisschen über ihn und halten ihm die halblangen Haare fest. Schließlich kommt nichts mehr und er beugt sich zu uns hoch. - "Standard", grunzt er erschöpft und sackt an einer Straßenlaterne zu Boden. - "Hey!", rufe ich, nicht viel weniger betrunken. "Skully! Mach Augen auf!" Keine Reaktion. Wir einigen uns auf eine GCS von maximal 9 und darauf, dass Skully unbedingt in medizinische Versorgung gehört. Und weil wir alle betrunkene Ärzte sind, einigen wir uns darauf, dass er in unsere Hände gehört. - "Lass Klinik gehen", ächze ich und helfe Skully hoch. "Alleine schafft er das nich" Dr. Blitz, Dr. Mrs-Sporty und ich schleifen Skully etwa einen Kilometer weit von der Fußgängerzone bis zu unserer Klinik. Dort angekommen geht Dr. Blitz vor und winkt uns hinter sich her, sobald die Luft rein ist. Das funktioniert zwei Treppenhäuser gut, dann stehen wir plötzlich vor der diensthabenden Oberärztin. - "Einen schönen guten Abend!", sagt sie und hat direkt ein Grinsen im Mundwinkel. "Was verschlägt Sie drei denn zu so nächtlicher Stunde in die Klinik?" Ich gucke erst uns an, dann sie. Leugnen ist zwecklos. - "Wir sind in Richtung Ambulanz unterwegs." - "Keine Überraschung an der Front", grinst Frau Dr. Sunshine und geht weiter. Beim Laufen dreht sie sich um und ruft über ihre Schulter: "Ich empfehle einen halben Liter Stero im Schuss und einen langsam hinterher, eine Ampulle Vomex und zwei Brechschalen. Natürlich aus klinischer und nicht eigener Erfahrung!" In der ZNA angekommen verkrümeln wir uns sofort in einen kleinen Untersuchungsraum und legen Skully ab. Er lebt noch. - "WAS IST DENN HIER LO….", brüllt Schwester RaufPackAn und fängt hysterisch an zu lachen, als sie uns erkennt und die Lage peilt. "Okay, keine weiteren Fragen. Ich tue jetzt so, als hätte ich euch nicht gesehen!" Mrs. Sporty kramt im Schrank und holt alles für einen Zugang heraus. Ich staue und desinfiziere den Arm, nehme eine Viggo in die Hand und will sie in Skullys riesigen Biervenen versenken. - "Was los?", ruft Dr. Blitz und zieht eine Kurzinfusion mit Vomex auf. "Rein damit!" Ich zögere. - "Ich sehe zwei Viggos und zwei Venen", sage ich. "Das macht es nicht einfacher. Moment…" Ich beiße mir auf die Zunge und haue dem sowieso völlig ins Abseits geschossenen Skully die graue Viggo in den Arm.
Für alle Nichtmediziner: Grau ist echt groß und gemein, weil AUA.
- "Treffer, Versenkt!", rufe ich. Wir trinken ab jetzt Cola und feiern die Party in der erstaunlicherweise menschenleeren Notaufnahme weiter. Wechselweise kommen Pflege und irgendwann zwischendurch sogar die Kollegen aus dem Nachtdienst dazu. Sie alle freuen sich über unsere Betrunkenheit und darüber, dass Skully erst fast zwei Stunden aus seinem Koma aufwacht. Er guckt dabei wirklich bedröppelt und verwirrt aus der Wäsche und schaut sich um, um sich zu orientieren. Schließlich erkennt er, wen er vor sich hat und wo er sich befindet. - "Oh ne", stöhnt er und schlägt die Hand vors Gesicht. "Hoffentlich kann ich mich hierdran morgen nicht erinnern."
PS: Er konnte sich erinnern. Und wir erinnern ihn zuverlässig auch immer wieder an diese Nacht.
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medbooster · 6 years
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Selber Tippse
Das Pflegetelefon klingelt. Und klingelt. Und klingelt. Und keiner geht ran. Es liegt nämlich im Arztzimmer. Frei nach dem Motto: "Wenn es bei den Docs ist, können wir es nicht hören!". Wie auf anderen Stationen ein zweites Telefon zu haben wäre ja völlig verrückt, deswegen herrscht tatsächlich mehr oder weniger Stillstand auf der Geriatrie. Irgendwann habe ich die Faxen dicke und schnappe mir das Telefon, denn die Radiologie ist dran und will bestimmt einen unserer Patienten anfordern. - "Ja Sekunde", sage ich. "Ich reiche weiter" Der Pflege, die gerade in der Übergabe ist, reiche ich das Telefon rein. - "Hier, für euch", sage ich. "Euer Telefon" Schwester Ditty guckt mich mit großen Augen an. - "Geh doch selber ran" Ich bin völlig irritiert und laufe kopfschüttelnd davon. - "Bin ich jetzt hier die Stationstippse?", murmel ich in mich rein und laufe auf der Korridorecke in eine Patientin hinein. - "Tippse?", ruft sie irritiert und wedelt mit ihrem Gehstock. "Was bilden Sie sich ein! Mich Tippse zu nennen! Selber Tippse! Flegel!" Ich seufze. - "Ditty! Frau Meyerdingsebumse ist wieder aus dem Zimmer ausgebückst!" Um dem wütenden Gezeter von Ditty zu entkommen, flüchte ich mich unter dem Gemecker von Frau Meyerdingsebumse ins Arztzimmer und ziehe die Tür zu.
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medbooster · 6 years
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Vom Regen in die Traufe
- "Nein", sage ich. "Das ist alles kein Problem. Du kannst auch einfach…." Ich höre mitten im Satz auf zu sprechen und unterbreche das klischeehafte, wilde Rumgestikuliere - zu spät. Die halb mit lauwarmem Kaffee gefüllte Tasse kippt mit erschreckend wenig Theatralik um und ergießt sich über meinen Bauch und in meinen Schritt. Der PJler schaut mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Belustigung an und weiß nicht so genau, was er jetzt tun soll. - "Oh", sage ich und gucke an mir runter. Es sieht offengestanden so aus, als hätte mir ein Goomer Clostridien-Durchfall entgegengeschossen. Nach ein paar Sekunden der Fassungslosigkeit beginnt der Kaffee, in meine Hose zu sickern. Ich stehe auf und ziehe mich rasch aus, bevor ich auch neue Unterbutzen brauche. In diesem Moment geht die Tür auf und eine Kollegin, Frau Dr. Miss-Sporty, betritt das Arztzimmer. - "Was ist denn hier los!?", ruft sie und schaut an mir rauf und wieder runter. - "Brainzz läuft immer gerne nackt durch das Arztzimmer", ruft Dr. Blitz. "Wusstest du das nicht?" Ich ziehe mich um und setze mich wieder hin. Die Unterkante des Tisches ist aber noch mit Kaffee-Tropfen versifft. Ich muss mich direkt wieder umziehen. Um Hohn und Spott meiner Kollegen zu entfliehen, wage ich mich in ein Patientenzimmer und habe ein produktives Gespräch mit einer jungen Frau, die wegen Lungenentzündung bei uns liegt. Beim Verlassen des Zimmers will ich mir die Hände desinfizieren und hämmere wie wild auf den klemmenden und quietschenden Hebel des Desinfektionsmittelspenders. - "Nein", sage ich. "Das ist kein Problem. Wir machen mit den Antibiotika weiter bis…." Es knackt laut in dem Spender. Der Hebel bricht ab und die eingehängte Flasche rutsch aus ihrer Verankerung. Sie kippt nach vorne, ein Viertelliter Sterilium schwapp mir über den Bauch. Anschließend fällt sie zu Boden und eine wahre Fontaine an Desinfektionsmittel spritzt wie aus der Kanone geschossen durch die Öffnung der Flasche IN MEINE VOR SCHRECK WEIT GEÖFFNETEN AUGEN WAS FÜR ALLE DIE IN DIESEN GENUSS NOCH NICHT GEKOMMEN SIND ZUR INFORMATION EINE SEHR SCHMERZHAFTE ANGELEGENHEIT IST DIE NICHT SO OHNE WEITERES ZU LÖSEN IST WEIL ALKOHOL IM AUGE EBEN EINE WEILE ECHT BRENNT. Etwas brummelig setze ich mich zurück ins Arztzimmer und will die Labor durchklicken. - "Wieso bist du so nass?", fragt der PJler. - "Ich bin nicht nass", antworte ich. "Das bildest du dir ein." Irritiert nickt der PJler und traut sich nicht, weiter in die Tiefe zu gehen.
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medbooster · 6 years
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Schwester Dietlinde
In Goomertown hat genau einer das Ruder in der Hand: Schwester Dietlinde.
Ditty, wie sie hier genannt wird, ist ca. 1,50m groß, knackt bald die 50 Jahre, hat kurze graue Haare (knallrot gefärbt) und mehrere Piercings in beiden Ohren. Frühbesprechung und Patienten allgemein sind nicht so ihr Ding. - "16, Frauen Meyer und Müller. War da wat? <kurze Pause> - "Glaub nicht. Hat nicht geklingelt, war nicht drin. Alles gut, gell? 17 das Stinkezimmer, beide noch am Kacken wie eh und je. Wird nicht mehr aufhören, wenn du mich fragst. Wann werden wir die los?" Ich hole Luft, aber kann nicht antworten. - "18, 19, 20 waren ruhig. Ach von der 18 die haben angerufen der hat Clostridien, gell? Das wissen wir aber erst seit gestern Abend, deswegen noch keine Iso. Machen wir gleich, gell?" - "21 der Peter. Hatte Luftnot. Sauerstoff und gut, gell? 22, 23, 24 war nix war nix war nix und sowieso die Klingel auf der 23 ist kaputt, da muss heute nen Techniker her, gell? 25, 26, 27, hier und da Blasenentzündung, müsster mal Pipi gucken, wir haben gesammelt. Ansonsten war nix."
Ich gucke Ditty an und nicke etwas fassungslos. Informativer kann eine Frühbesprechung nicht sein. Der Hammer. Schwester Ditty nickt und spurtet los, ist eine Sekunde später weg. - "Geil, oder?", sagt mein Oberarzt, nachdem sie weg ist. "Ditty ist eine One-Girl-Show." - "Jepp", bestätige ich. "Ich bin viel schlauer als vorher..."
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medbooster · 6 years
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Goomertown
Es musste so geschehen. Nachdem meine Rotationen über die Stationen unserer Schwarzwaldklinik im schönen Motzenhausen mich bisher verschont hatten, sollte es dann endlich geschehen: Der Weg führte mich nach Goomertown. Am Freitag Nachmittag packte ich auf den hochglanzpolierten Stationen des Neubaus meine sieben Sachen und machte mich auf den Weg in Richtung Geriatrie. Vorbei an all den gutaussehenden McDreamys und den super heißen… Okay, carried away. Schwarzwaldklinik ist es bei uns in Motzenhausen nicht, ich übertreibe. Aber ist schon schön und ich harrte der Dinge, die mich jetzt am anderen Ende des Hauses im "alten" Neubau aus den Siebzigern erwarten würde.
Als die Türen des Aufzugs sich vor mir öffneten (ich hatte mich unterwegs verlaufen und musste mich durchfragen), blieb ich wie angewurzelt stehen. So lange, dass sie sich wieder schlossen. Ich musste nochmal auf den Knopf drücken, um hinaus auf den Flur treten zu können. - "Meine Fresse!", murmelte ich. "Ist DAS hässlich…." Grasgrün melliertes Linoleum auf dem Boden. Verblichen und abgeschabbert. Blasse, ockergelbe Wände. Kanariengelbe Türen. Und diese unsäglich hässlichen, abgerundeten Plastik-Türklinken, die man auch in KiTas findet.
- "Kann ich watt für sie tun?", fragt mich ruppig eine ältere Schwester und guckt despektierlich an mir rauf und runter. "Oder wollen Sie noch weiter hier im Weg stehen?" - "Hallo", sage ich. "Brainzz mein Name. Ich arbeite ab Montag hier." - "Ach du lieber Himmel. Ich hätt Sie für nen Studenten gehalten. Sie sehen ja total verloren aus. Arztzimmer ist da drüben. Haben Sie Wochenende? Die Frau Meyer auf der 83 will schon wieder flüchten." - "Nein", sage ich tonlos. "Ich habe Feierabend. Bitte mit dem Dienst absprechen." - "Auch gut. Willkommen auf dem Traumschiff, bis Montag!"
Ich muss zwischendrin mit auf Kopfhöhe angebrachtem Summer eine Tür öffnen, um mich durchzukämpfen zum völlig überfüllten und zugemüllten Arztzimmer. Dort treffe ich endlich auf vertraue Gesichter. - "Brainzz!", ruft ein Kollege. "Du rotierst hier Montag hin, oder? Wolltest du dir schonmal einen Vorgeschmack besorgen?" Ich werde debil angegrinst. - "Willkommen in Goomerania! Wir haben die Ältesten, Dementesten und Kränksten nur für dich reserviert!" - "Das ist SO nett von euch!", antworte ich und grinse die beiden Kollegen an. "Da freue ich mich total drüber!" - "Ne, mal ohne blöd", sagt der Ältere der beiden Assistenten. "Alles nicht so schlimm. Man darf kein Innenarchitekt sein, um hier zu arbeiten. Aber alles halb so wild. Wir freuen uns auf dich!" - "Ruhiges Wochenende", sage ich nach einigem weiteren Gequatsche und mache mich auf den Weg nach Hause.
Das wird hart. Der Kontrast zum Rest des Hauses ist brutal.
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