Arbeitstag
Zwischen den Jahren im Büro: noch besser als sonst schon.
Ich saß also in meinem nicht gerade bescheiden zu nennenden Arbeitszimmer in den Mauern des neobarocken ehemaligen Bankhauses »Preußische Hypotheken- und Actienbank« und konferierte per Fernsprecher mit dem Künstler Renny Cempanillo, welcher mir zum Weihnachtsfest ein Werk für die Wände besagten Arbeitszimmer geschenkt hatte, ein Porträt des jungen Mark E. Smith, des Musikers also, dem ich als junges Mädchen einige Jahre hinterhergereist war. Smith war da freilich schon ein Greis, und wenig später starb er. Mir blieben nur seine Songs und die alten Fotos, auf denen er ultimativ cute ausgesehen hatte, aber auch handsome, aber auch fetching. Jetzt aber besaß ich die Zeichnung, mit Kuli gemacht, und es gab einiges zu besprechen, aber wir schweiften ab und dann war schon Konferenz.
Später sortierte ich die Weihnachtskarten, die ich erhalten hatte. Meine Top drei waren die eines FDP-Abgeordneten aus dem Allgäu, dessen Karte ein Panorama-Motiv seines Heimatortes bei verschneiter Nacht zeigte, die Alpen glosten saphirblau, sodann die Karte eines weiteren FDP-Mannes, der eine Zeichnung von sich in Auftrag gegeben hatte, die ihn in ampelfarbener Kluft – gelbes Jackett, grünes Hemd, rote Krawatte, Weihnachtsmannmütze – zeigte, für mich aber als Bekenntnis zum Reggae zu lesen war, und schließlich die des Bundespräsidialamtes, die eine wie schnell mit Edding gezeichnete Ansicht von Schloß Bellevue im Schnee zeigte, davor ein kleiner Fuchs und ein Weihnachtsbaum. Was wohl die Leute, die mir schrieben, für Büros hatten?
Später ging ich ins »Ishin«, bestellte wie fast immer den Sake Ikura Don mit rohem Lachs, Lachs-Kaviar und Tamago-Streifen, dazu eine Portion Kimchi und den obligatorischen Jasmintee und studierte die News aus dem Reich der Myxogastria, die San-Francisco-Bilder des jüngst verstorbenen Wayne Thiebaud und natürlich die »Yamagata Shimbun«.
Im Büro war Ruhe. So arbeitete ich extrem viel in kurzer Zeit. Dann bereitete ich noch meinen morgigen Kinobesuch vor (»House of Gucci«, hier musste ich als Gucci-Ultra – aber nur bis zum Abschied von Tom Ford – schließlich im Film sein) und schloss dann die Tür hinter mir. Homeoffice war auch schön, aber eben anders schön.
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25.04.2019: Nimm ihm nicht die Möglichkeit, selbst zu entscheiden
(vorheriger Post)
Donnerstag, 20:34 Uhr
David/Laura:
*sitzt in seinem Zimmer am Schreibtisch mit dem Handy in der Hand und starrt auf die zwei blauen Haken, die anzeigen, dass Matteo die Zeichnung, die er ihm zwei Tage vorher geschickt hat, gesehen hat*
*hat nicht wirklich eine Antwort erwartet und weiß im Grunde genommen überhaupt nicht, was er erwartet hat, weiß nur, dass er Matteo unglaublich vermisst und hofft, dass es ihm ein bisschen besser geht*
*legt sein Handy beiseite und starrt nun auf sein Skizzenbuch bzw. auf die Zeichnung, die er vor zwei Stunden beendet und bei Instagram hochgeladen hat – wenn man ihn kennen würde, wenn man sein Geheimnis kennen würde, könnte man einiges in die Zeichnung hinein deuten. Es könnte aber auch eine ganze normale Zeichnung ohne Bedeutung sein*
*mag es irgendwie, dass dem Betrachter die Deutung offen gelassen wird*
*blättert ein paar Seiten zurück und neben seiner Geschichte über den Fuchs und anderen Alltagsmomenten, die er festgehalten hat, starrt er immer wieder auf Zeichnungen von Matteo: Matteo mit geschlossenen Augen, entspannt, Matteo lachend, Matteo mit seinen wilden Haaren, die ihm ins Gesicht hängen, Matteo leicht abwesend, Matteo lächelnd, Matteos und seine Hände (wobei er es hasst, Hände zu zeichnen und darin auch nicht wirklich gut ist, aber der Moment, in dem er Matteos Hand gehalten hat, war einfach so wichtig und groß)*
*bekommt nur am Rande mit, dass Laura ins Zimmer kommt und blickt auch nicht auf, als sie ihm einen Kakao auf den Schreibtisch stellt, sondern murmelt nur ein leises „Danke“*
*weiß, dass sie ihm über die Schulter schaut, hat aber momentan keine Energie, die Seiten zu verbergen*
*spürt irgendwann Lauras Hand auf seiner Schulter und hört ihre leise Stimme: „Du bist verliebt in ihn.“*
*keine Frage, sondern eine Feststellung und er weiß, dass sie Recht hat. Darum widerspricht er nicht, sondern seufzt nur einmal leise*
*sie greift über ihn hinweg, blättert um und er weiß, dass sie sofort aufhören würde, wenn er sie davon abhalten würde*
*so sieht sie nur noch mehr Zeichnungen von Matteo*
*hört sie einmal tief einatmen , während sie sich mit dem Po gegen seinen Schreibtisch lehnt, um ihn ansehen zu können*
*weiß, dass sie gerade die richtigen Worte sucht und wahrscheinlich auch findet, weiß aber nicht, ob er sie wirklich hören will*
*schließt kurz die Augen, als sie zu sprechen beginnt: „Sag es ihm doch einfach, David!“*
*zuckt mit den Schultern und muss sich räuspern, damit seine Stimme nicht so belegt klingt, sie hört sich trotzdem erbärmlich und dünn an*
Ich verlier ihn…
*hört seine Schwester nun bestimmter: „Aber so verlierst du ihn auch!“*
*weiß, dass sie Recht hat, fügt trotzdem hinzu: „Aber so denkt er wenigstens nicht abwertend von mir.“*
*hört seine Schwester einen frustrierten Laut von sich geben und spürt dann ihre Hände an seinen Wangen, die ihn zwingen, sie anzusehen: „Jetzt hör mir mal zu, David Schreibner! Niemand denkt abwertend von dir! Und wenn es doch jemand tut, dann nur, weil sein geistiger Horizont zu klein ist, um zu begreifen, dass es eben noch mehr gibt, als das, was man täglich vor die Nase gesetzt bekommt. Und ich glaube nicht, dass du dich in einen Jungen verliebt hast, der nicht die Sensibilität besitzt, zu verstehen, was in dir vorgeht! Es kann sein, dass er vielleicht sagt, dass er damit nicht umgehen kann und es kann auch sein, dass er sagt, dass er unter diesen Umständen dann doch nicht mit dir zusammen sein kann oder will. Aber ich glaube nicht, dass er abwertend von dir denken wird. Wenn du ihn verlierst, dann weil er ein Problem hat. Das bist aber nicht du, verstehst du! Du bist kein Problem!“*
*hat das schon öfter von seiner Schwester gehört, hat aber leider auch schon oft die Erfahrung gemacht, dass es eben doch so ist und könnte in Bezug auf Matteo einfach nicht ertragen, das nochmal durchzumachen*
*weiß, dass es keinen Sinn macht, ihr zu widersprechen und schweigt darum, was sie nicht davon abhält, weiter zu sprechen: „Du hast jetzt im Grunde genommen zwei Möglichkeiten: Entweder du verkrümelst dich weiter hier drin und starrst auf die Zeichnungen und vermisst ihn – dann wirst du ihn über kurz oder lang sowieso verlieren, weil er dich vergisst und sein Leben weiter geht. Und um ehrlich zu sein, könnte ich es ihm dann auch nicht verübeln, irgendwann abwertend von dir zu denken, weil er nie eine richtige Erklärung dafür bekommen hat, warum du dich von ihm zurückziehst…“*
*presst die Lippen zusammen und spürt, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildet*
*hat noch nie wirklich darüber nachgedacht, dass sein Kontaktabbruch tatsächlich dazu führen könnte, dass Matteo schlechter als befürchtet über ihn denkt*
*ist versucht, sich in seinen Gedanken zu verlieren, zwingt sich aber, Laura weiter zuzuhören: „… oder du klärst das endlich! Dann bist du entweder bald an dem Punkt, an dem du gerade sowieso bist, hast dann aber Gewissheit. Oder aber du hast eine Chance, mit ihm glücklich zu werden. Hast du dir das auch mal ausgemalt?“*
*sieht sie leicht lächeln und den Kopf schütteln, wahrscheinlich, weil sie ihn so gut kennt und hört ihr weiter zu: „Wie ich dich kenne, spielst du im Kopf alle möglichen Horrorszenarien durch… Aber hast du dir mal ausgemalt, wie es wäre, wenn er dich versteht? Wie es wäre, wenn er sagt, es ist ihm egal? Wie es wäre, wenn ihr tatsächlich eine Beziehung führen würdet? Vielleicht braucht er seine Zeit, um es zu verstehen. Vielleicht hat er im Leben auch noch nie was von Transgender gehört und muss sich erst einlesen oder hat tausend Fragen. Aber es besteht die Möglichkeit, dass du ihm so viel bedeutest, dass es ihm egal ist! Es besteht die Möglichkeit, dass ihr glücklich werdet.“*
*hat sich tatsächlich noch nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, dass auch alles gut werden könnte und hat Angst davor, sich Hoffnung zu machen, die dann hinterher enttäuscht wird*
*nun hat Laura aber diesen Gedanken ausgesprochen und er sitzt in seinem Kopf und irgendwie hat er das Gefühl, ihn erstmal sacken lassen zu müssen*
*zuckt darum nur mit den Schultern und seufzt leise*
*weiß nicht, was er sagen soll*
*Laura scheint irgendwann zu merken, dass er nichts sagen will, denn er spürt wieder ihre Hand, die leicht seine Schulter drückt*
*weiß, dass wahrscheinlich noch ein Schlusssatz kommt, bevor sie ihn alleine lässt und genauso ist es auch: „Nimm ihm nicht die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob er dich will oder nicht. Du würdest auch nicht wollen, dass jemand anderes für dich entscheidet! Wenn er so toll ist, dass du dich innerhalb von kürzester Zeit so in ihn verliebst, dann hat er es verdient, Bescheid zu wissen!“*
*spürt, wie sie ihm noch einen Kuss auf die Stirn gibt und dann sein Zimmer verlässt*
*fühlt in seinem Kopf die Gedanken rasen und starrt währenddessen auf die Skizzen von Matteo*
*hat irgendwann das Gefühl, keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können, klappt das Skizzenbuch zu und legt sich aufs Bett*
*ist irgendwann leicht genervt davon, dass jetzt immer wieder Bilder in seinem Kopf auftauchen, die ihm vorspielen, Matteo und er könnten irgendwann glücklich zusammen sein*
*hat das Gefühl, dass diese Bilder ihm eine vollkommen unrealistische Hoffnung einpflanzen, die gegen die Angst kämpft, die bisher so allgegenwärtig war*
(nächster Post)
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