Tumgik
#god fucking damnit antonia
weirdnessxmagnet · 3 years
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25/04/2021
It was a surprise that Antonia’s shriek didn’t alert all of purgatory to her predicament. With so many of the realm’s residents busy with the most recent developments, however, there was no one presently at that end of the palace, save for Antonia and her sons. Quickly as she could, she swatted the blood vial away from the warded area and scrambled away from the line herself. In the same moment Eli lunged at his brother in retribution. “No! Eli, wait!” <Stop!> “Go get help. Find Will, or Remiel, or anyone, but go. Now, please, go.” There was a moment’s hesitation where he stared down his brother, before choosing to do as asked. 
Only once he was clear away did Toni look to her injury and realise the extent of it. Immediately she covered her mouth with her good - and now only - hand, as bile rose up in her throat. She forces it back down again, taking one deep breath and then another. She has been through worse than this. She has been through worse than this. She was bleeding from shredded arteries, alone, and there was every chance Eli wouldn’t find anyone in time. She could lose her head over this later, but not now. Not if she wanted to live. Laying down, she made the mistake of turning back towards Asher only to see and hear him tearing into what he hadn’t swallowed on the first bite, and had to roll onto her side quickly as lunch makes a reappearance. It took a few moments to control her breathing again. There was no way to elevate her legs to stave off shock, with nothing nearby to rest them on, but as she returned to her back she bent her knees and hoped it might have a similar effect. Elevating her arm is difficult, the limb feels heavier somehow, but it has to be done. Searching for a way to stem the bleeding, she gave a frustrated growl when anything she thought of would need two hands to pull off. She settled for pressing her good hand over the highest solid part of her arm where she thought the arteries should be, and took a few seconds to real from the pain the pressure brings and the sickening feeling of her mangled flesh under her fingers.
Help, she thinks, call for help. Her phone is in her pocket, but she has to take pressure off her arm to get it. Quickly, then. She pulls the phone out of her pocket, moves it to where she can see the screen on the ground beside her, then wipes her hands on her pants before putting pressure back on her arm, and only realises the last two steps were in a poor order after she began deciding what to do next.
She had no way in or out of purgatory alone, even if (and today, that was a big if) Ig picked up someone would need to transport one of them. So then, better to call Zeke first. She let go of her arm again, wiped the blood from her fingers again, and quickly taps her phone through to recording a voice message before returning pressure to her arm.
"Zeke, get back to purgatory. Call Ignatius Gryder from my phone. Now. Right now. Shit damnit fuck shit oww ow.” She gasped as the recording ran out, sounds of crunching bone echoing in the background. Sending it off she switched recipients to the one overworked supernatural doctor. "Going to faint. Meet me at your clinic. Sorry. Iknowtoday..." She did not, in fact, faint, but a bout of dizzyness took her over and the message ran out before she could finish it. Quick as she could, she sent it off, not risking a second attempt, and returned to slowing her bleeding as best as she was able.
By the time help arrived, it was a struggle to focus on anything at all.
She woke in the clinic some time later, how much remained to be seen, arm still burning, but at least clean and dressed, to a message from Ig that she would address immediately - god she hoped he made it back on time - and another from Han that would have to wait. Zeke sat in the visitors chair, with Eli on his lap.
“Are you sure you didn’t have these kids with werewolves?”
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redrosesinc · 9 years
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Tatort Stuttgart teacher au for anon
I’m like really really sorry
Kapitel 1: In dem Sebastian Bootz loszieht, um Maja Bootz' Klassenlehrer das Fürchten zu lehren
Es regnet schon den ganzen Tag.
Doch Sebastian hat Maja versprochen, dass er mit ihrem Klassenlehrer reden wird, und das Versprechen kann er nicht so einfach brechen. Also macht er sich auf den Weg zur Schule, obwohl Julia das Auto hat und er keinen einzigen Regenschirm finden kann.
Als er ankommt, ist seine Hose etwas feucht, seine Jacke voll mit Tropfen und sein Haar klatschnass, aber er bringt sich trotzdem dazu, im Sekretariat nach Herrn Lannert zu fragen, anstatt einfach wieder nach Hause zu laufen und zu hoffen, dass er sich nicht erkältet.
Die Sekretärin scheint eher unbeeindruckt von seinem Zustand, und erklärt, dass Herr Lannert gerade eine Freistunde habe, und deswegen in Raum 407 sitzt. Sebastian bedankt sich, rutscht vor dem Sekretariat erst einmal auf den nassen Fliesen aus und macht sich dann leise fluchend (und die amüsierten Blicke einer Gruppe Fünftklässler ignorierend) auf den Weg in den vierten Stock.
Raum 407 ist am Ende des Flurs, und bevor Sebastian klopft, atmet er tief durch und versucht, seine Haare doch noch ganz passabel aussehen zu lassen.
"Herein", sagt eine Stimme, die, wie Sebastian sieht, als er das kleine Zimmer betritt, einem Mann gehört, der an einem Schreibtisch sitzt und ihn neugierig anblickt.
"Herr Lannert?", fragt er, nur um sicher zu sein, und der Mann nickt.
"Sie müssen Majas Vater sein", sagt er dann. "Setzen sie sich."
Sebastian setzt sich wie aufgefordert auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch, an dem Herr Lannert einige Sekunden lang unbeirrt weiterschreibt, nur, um dann aufzublicken und zu grinsen. "Kommafehler", sagt er entschuldigend, und Sebastian nickt, als würde er genau verstehen, was er meint.
"Also, ich nehme an, dass sie hier sind, um mit mir über Majas Verhalten im Unterricht zu sprechen", sagt Herr Lannert dann.
"Äh. Ja", antwortet Sebastian, eine Sekunde lang verwirrt, weil die Augen, die ihn plötzlich ansehen, wirklich sehr blau sind. Er räuspert sich. "Also, was macht Maja denn genau im Unterricht? Mir erzählt sie's ja nicht."
Herr Lannert seufzt. "Es ist nicht so, als würde sie den Unterricht stören. Aber sie hört nicht zu. Schaut entweder aus dem Fenster oder malt in ihr Heft. Ich mache mir da irgendwie schon Gedanken. Ist bei ihnen zu Hause alles in Ordnung?"
Herr Lannert blickt ihn fragend an, und Sebastian spürt, wie sich ihm die Kehle zuschnürt und tausend Sorgen in ihm aufsteigen.
Dass Julia nie zu Hause ist. Dass sie, wenn sie doch mal da ist, andauernd streiten. Dass sie, als sie das letzte Mal zu Hause war, gesagt hat, dass sie die Scheidung will. Dass er nicht weiß, wie ernst sie es meint, aber dass er irgendwie schon lange damit gerechnet hat, und dass es weniger weh tut, als er gedacht hatte. Dass Maja darunter zu leiden scheint. Dass Henri nur noch an seinem Handy rumspielt. Dass er, Sebastian, bis jetzt zu Hause gearbeitet hat, und sich das wohl bald ändern wird.
Er schüttelt den Kopf, will sagen, dass es keine Probleme gibt, denn schließlich ist alles nicht so wirklich ernst, aber überlegt es sich dann doch anders. "Meine Frau möchte sich scheiden lassen", gibt er zögerlich zu. "Wahrscheinlich geht es Maja deswegen nicht so gut?"
Herr Lannert sieht ihn an, aber es liegt kein Urteil in seinem Blick, nur Wärme. "Das könnte ein Grund sein.", sagt er.
Dann bemerkt er die Uhr und stöhnt leise. "Mist. Ich hab Unterricht."
Er steht auf, um seine Sachen zusammenzupacken (vor allem Hefte, wie Sebastian feststellt), und fügt dann hinzu: "Aber Sie sollten mit Ihrer Tochter darüber reden."
Sebastian nickt.
"Und Sie könnten mich danach anrufen", sagt Herr Lannert und beginnt, in den Taschen seines Mantels herumzukramen.
"Ich würde Ihnen ja meine Nummer auf die Hand schreiben, doch irgendwie bezweifle ich, dass sie das Wetter überleben würde", verkündet er fröhlich und schreibt sie schließlich stattdessen auf die Rückseite eines Kassenzettels.
"Machen Sie's gut!", sagt er noch, bevor er loszieht, und Sebastian bleibt allein in Raum 407 zurück.
Kapitel 2: In dem Sebastian Bootz ein unangenehmes Gespräch führen darf
Es ist schwerer als erwartet, einen guten Moment zu finden, um mit Maja zu reden, schließlich ist sie oft in ihrem Zimmer, und Sebastian hat gelesen, dass für Teenager ihre Zimmer so etwas wie ihr Königreich sind, und sie sich deswegen sofort angegriffen fühlen, wenn man dort eindringt, um etwas mit ihnen zu besprechen, und er will es auch nicht vor Julia tun, und beim Essen unangenehme Dinge zu bereden ist immer eine risikoreiche Angelegenheit, die ganz gerne mal eskalierte.
So kommt es, dass er sich gezwungen fühlt, Maja nach dem Abendessen in sein Arbeitszimmer zu bestellen, und davon ist seine Tochter natürlich auch nicht sonderlich begeistert.
"Und?", fragt sie, als sie bei ihm auf dem Sofa sitzt und ungeduldig mit dem Bein wippt.
Sebastian setzt sich neben sie und versucht, es nicht merkwürdig zu finden, dass sie ihn nicht ansieht, wenn sie sich unterhalten.
"Ich hab heute mit deinem Klassenlehrer gesprochen", fängt er also an, und Maja scheint nicht sonderlich beeindruckt.
"Er sagt, ich soll mal mit dir darüber sprechen, was du so im Unterricht machst."
Maja lacht leise auf. "Ach echt? Was mach ich denn so im Unterricht?"
Sebastian zuckt mit den Schultern. "Also, aus dem Fenster schauen und zeichnen, sagt er. Und, dass er sich Sorgen macht."
Maja prustet leise. "Oh Mann, dass ist so typisch für den Lannert. Was sagt er sonst noch so?"
Sebastian ist eine Sekunde lang erschrocken darüber, wie wenig seine Tochter ihre Lehrer respektiert, doch dann reißt er sich zusammen. "Er meint, wir sollen mal darüber reden, wieso das so ist. Maja..."
Sie schaut immer noch weg.
"Ist es, weil Mama die Scheidung will, oder was?"
Jetzt dreht sie sich doch zu ihm um.
"Nee. Also, ich mein, natürlich ist das scheiße, wenn sich meine Eltern trennen, aber ganz ehrlich, ich hab auch eigene Probleme."
"Und welche?", fragt Sebastian hoffnungsvoll, doch Maja verlässt ohne ein weiteres Wort den Raum.
Sebastian reibt sich die Augen und blickt auf die Uhr. Kurz nach zehn. Da kann man nicht mehr bei Leuten anrufen, denkt er, egal, wie sehr man es will. Und irgendwie will er es schon. Herr Lannert scheint nett zu sein. Freundlich, hilfsbereit. Und er hat ein hübsches Lächeln. Nur zur Sicherheit tastet Sebastian noch einmal nach der Telefonnummer in seiner Hosentasche.
Kapitel 3: In dem Sebastian Bootz ein angenehmes Gespräch führen darf
Es regnet immer noch, oder schon wieder, als Sebastian am nächsten Tag beschließt, Herrn Lannert anzurufen.
Tolles Juliwetter, denkt er. Aber irgendwie beruhigt ihn der Gedanke, dass noch nicht einmal die Natur genau an ihre eigenen Vorgaben hält.
Der Nachmittagsunterricht geht nie länger als 16.15 Uhr, das weiß er von Maja, und jetzt ist es 17.00 Uhr. Das kommt hin, denkt Sebastian, und ist plötzlich irgendwie nervös.
Es tutet drei Mal, bevor sich jemand meldet.
"Lannert?".
Professionell, ernsthaft, herausfordernd.
"Äh. Hier ist Sebastian Bootz. Der Vater von Maja...?"
Er hat sich noch gar nicht gefragt, ob Herr Lannert sich überhaupt an ihn erinnert, doch jetzt ist die Frage plötzlich da. Vielleicht gibt Herr Lannert ja allen Eltern seine Telefonnummer, früher oder später, und er hat es einfach nicht mitbekommen. Schließlich hat er ja bis jetzt immer vermieden, bei Elternabenden zu erscheinen.
"Sie haben sich Zeit gelassen", sagt Herr Lannert, aber er klingt fröhlich, und Sebastian ist so erleichtert, dass er sich erst einmal hinsetzen und nach einem Stift und einem Blatt Papier greifen muss. Kritzeln hilft beim Entspannen.
"Äh... ja. Ich habe mit Maja geredet", sagt er sehr geistesgegenwärtig, und spricht schnell weiter. "Sie war beleidigt, dass ich angenommen habe, dass sie so wenig eigene Probleme hat, dass sie sich mit unseren beschäftigen muss, also war's das mit der Scheidung wohl nicht."
Am anderen Ende der Leitung lacht Herr Lannert leise. "So welche Argumentationen bringt sie auch ganz gerne mal in ihren Aufsätzen. Und sie sind ja im Prinzip auch nichts Schlechtes, aber leider sind wir jetzt genau so weit wie vorher", stellt er fest.
Sie schweigen sich einige Sekunden an, dann fragt Sebastian: "Meinen Sie, ich soll sie einfach fragen, was ihre Probleme sind?"
"Das können Sie auf jeden Fall tun, ob sie es Ihnen auch sagen wird, ist ne andere Frage", sagt Herr Lannert.
Sebastian seufzt.
"Haben Sie eigentlich auch Kinder?", fragt er.
Herr Lannert zögert einen Moment, dann antwortet er: "Nein. Leider." Es raschelt, und dann fährt er fort: "Dafür habe ich jede Menge Klassenarbeiten zu korrigieren."
Sebastian zuckt zusammen. "Oh", sagt er.
"Aber es würde mich sehr freuen, wenn Sie nochmal anrufen würden, wenn sie mit Maja gesprochen haben. Oder einfach heute Abend", fügt Herr Lannert hinzu, und Sebastian muss grinsen.
"Wird gemacht", sagt er.
Er kann Herrn Lannerts Lächeln fast spüren. "Na dann, bis später", sagt er.
"Tschüss".
Dann bricht die Verbindung ab.
Sebastian blickt auf den Zettel, den er während des Gesprächs vollgekritzelt hat. Viele kleine Häuser und eine aufgehende Sonne. Er muss wieder grinsen.
Kapitel 4: In dem Sebastian Bootz mehrere Gespräche führt und plötzlich etwas tun will, gegen das er sich zuvor gesträubt hat
Als es Zeit zum Abendessen ist, hat sich Henri schon wieder zu einem Freund verzogen, und da Julia immer noch nicht da ist, beschließt Sebastian, Maja einfach beim Essen auf ihre Probleme anzusprechen.
Beiläufig, als sei es keine große Sache. Irgendwann mitten im Gespräch, wenn Maja es nicht vermutet, und dann redet sie einfach weiter, und er findet endlich heraus, wie er ihr helfen kann, so hat Sebastian sich das gedacht, doch Maja schweigt schon die ganze Zeit, und irgendwie können sie schlecht über's Wetter sprechen, denn das ist immer noch so unglaublich schlecht, schon seit einer Woche, und Sebastian hat immer noch keinen Regenschirm auftreiben können.
"Sag mal, Maja", beginnt er schließlich, und stöhnt innerlich, denn als Anfang war das wirklich nicht gut.
Maja macht nur einen kleinen Hm-Laut und kaut weiter auf ihrem Brötchen herum.
"Also, du sagst doch, dass du eigene Probleme hast", fährt Sebastian fort.
Maja scheint irgendwie in ihrem Brötchen zu versinken.
"Weißt du, wenn du darüber reden willst, also ich kann dir zuhören. Und dir helfen. Aber nur, wenn du mir davon erzählst", sagt Sebastian, und blickt Maja erwartungsvoll an, doch sie schaut weg und schweigt nur noch.
"Maja", beginnt Sebastian wieder.
"Ja, klar", sagt Maja. "Weil du auch total verstehst, wie ich mich fühl, was?"
Und dann spuckt sie ein Wort aus, das sie nur in der Schule gelernt haben kann, und verschwindet in ihrem Zimmer.
Sebastian könnte heulen.
Und vielleicht heult er sogar ein bisschen, während er die Spülmaschine einräumt, ein paar einzelne Tränen, weil er frustriert ist, dass er seiner Tochter nicht helfen kann, und weil es Julia so sehr egal ist.
Wenigstens ist es Herrn Lannert nicht egal. Sebastian setzt sich ins Wohnzimmer und zieht die Füße hoch, um ihn anzurufen. Er fröstelt ein bisschen, als er die Nummer eintippt, und er weiß nicht, ob es wegen der Kälte liegt, oder er einfach nur aufgeregt ist.
"Lannert?"
"Hier ist Sebastian Bootz."
"Guten Abend. Wie ist es mit Maja gelaufen?", kommt es prompt zurück, fröhlich wie immer.
Sebastian seufzt. "Sie sagt, ich verstehe nicht, wie sie sich fühlt."
"Teenager", sagt Herr Lannert in einem so entnervten Tonfall, dass Sebastian lachen muss. "Sie sind Lehrer", sagt er, und Herr Lannert seufzt. "Da haben Sie auch wieder recht."
"Wie ist's eigentlich mit den Klassenarbeiten gelaufen?", fragt Sebastian, obwohl ihn das eigentlich gar nichts angeht, und er das auch weiß, und Herr Lannert seufzt erneut. "Ich habe das Gefühl, dass sie gar nicht eigenständig denken", sagt er.
"Klingt ja nicht so gut", meint Sebastian bestürzt.
"Na, so schlimm ist es auch wieder nicht, viele schreiben auch sehr gute Arbeiten", versucht Herr Lannert sofort, seine Schüler zu verteidigen.
"Was für Fächer unterrichten Sie eigentlich? Maja hat Sie ja in Geschichte und Deutsch...", fragt Sebastian.
"Latein und evangelische Religion", sagt Herr Lannert und klingt merkwürdig begeistert, obwohl Sebastian an den Fächern nicht wirklich etwas Besonderes sieht. Im Gegenteil, in Latein ist er immer besonders schlecht gewesen, aber das wird er Herrn Lannert ja wohl jetzt nicht gerade erzählen.
"Aber Deutsch ist als Fach am interessantesten. Vor allem in den jüngeren Klassen, wenn noch viel kreatives Schreiben auf dem Lehrplan steht, kommen zum Teil wirklich faszinierende Dinge raus", fügt Herr Lannert hinzu, und klingt dabei immer noch so aufgeregt, dass Sebastian lächeln muss.
"Aber natürlich ist es auch anstrengend, die ganzen Texte zu korrigieren", erzählt er weiter, und fängt an, irgendetwas über Kürzel zu erklären, die seine Schüler nie verstehen, und darüber, dass es interessant ist, wie viele gute Argumente in Erörterungstexten tatsächlich gebracht werden, einfach, weil man sich auf diese weniger vorbereiten kann und man dazu gezwungen ist, selbstständig zu denken, und Sebastian denkt, dass er diesem Mann immer zuhören könnte, und manchmal sagt er etwas, er weiß selbst nicht genau, was, und Herr Lannert lacht leise und sagt "Da haben sie recht, aber...".
Sie reden eine gefühlte Ewigkeit über dies und das, bis Herr Lannert fragt: "Müssen ihre Kinder nicht mal ins Bett?"
"Oh. Mist", sagt Sebastian, und Herr Lannert lacht wieder. "Ich muss eigentlich auch ins Bett", erklärt er dann und gähnt wie auf Kommando, und irgendwie muss Sebastian auch gähnen. "Jetzt haben sie mich angesteckt", sagt er, jetzt auch lachend.
"Das spricht für Sie. Menschen, die sich vom Gähnen anderer Menschen anstecken lassen, sind oft sehr empfindsam und können Anderen so besser helfen. Was hoffentlich auch bei Ihrer Tochter wirkt", erklärt Herr Lannert und gähnt erneut. "Sie kommen doch auch zum Sommerfest?", fragt er dann.
"Äh", sagt Sebastian, denn er hat bis jetzt nicht vorgehabt, zum Sommerfest zu kommen, aber plötzlich hat er schon Lust darauf bekommen. "Äh, ja", entscheidet er schließlich.
"Gut", sagt Herr Lannert. "Denn dann sehen wir uns sicher da. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ich nicht den ganzen Nachmittag von Eltern belagert werden will. Da kommen Sie mir ganz recht."
"Gut", sagt auch Sebastian, überlegt, ob er ihn darauf hinweisen soll, dass er, Sebastian, ja auch der Vater einer Schülerin ist, entscheidet sich dann aber dagegen. "Bis dann", fügt er hinzu, obwohl etwas in ihm nicht auflegen will.
"Bis bald", sagt Herr Lannert, plötzlich ernst.
Dann ist die Verbindung unterbrochen und Sebastian muss losgehen und Maja ins Bett bringen.
Diese protestiert nicht, als er sie zum Zähneputzen schickt, doch für Sebastian ist es nur ein weiteres Zeichen dafür, dass sie in letzter Zeit still geworden ist, und als er später allein in seinem Arbeitszimmer sitzt, ertappt er sich dabei, wie er sehnsüchtig das Telefon anstarrt.
Kapitel 5: In dem Sebastian Bootz ein paar überraschende Entdeckungen macht
Wettertechnisch ist es fast unmöglich, dass es so lange ununterbrochen regnet, und Sebastian ist davon überzeugt, dass es aufhört, sobald er einschläft, und weitergeht, sobald er aufwacht, doch er kann es nicht beweisen, und so versucht er, es einfach nicht so beachten. Trotzdem fragt er sich manchmal, ob die Sonne hinter den Wolken überhaupt noch existiert.
Maja spricht selten über die Schule, und Sebastian kommt es manchmal so vor, als müsste er ihr jeden Satz einzeln aus der Nase ziehen, aber er kann ja schlecht einfach fragen, wie es Herrn Lannert geht, und noch weniger kann er sich erklären, wieso es ihm so wichtig ist.
Maja schweigt, und Sebastian macht sich nur noch größere Sorgen, jetzt, wo er niemanden mehr hat, mit dem er reden kann, denn Julia hat er immer noch nichts gesagt, schließlich ist sie ja immer so beschäftigt, sie kann nicht noch mehr um die Ohren gebrauchen. Außerdem kann es ja auch sein, dass es nichts wirklich schlimmes ist, und sich alles über die baldigen Sommerferien klärt.
Trotzdem macht Sebastian sich seine Gedanken, und er ist erleichtert, als es wieder Zeit für den Wocheneinkauf ist, denn es gibt ihm einen Grund, das Haus zu verlassen, in dem Henri immer nur in seinem Zimmer hockt und irgendwelche Computerspiele spielt und Maja laut Musik hört, die zwar fröhlich klingt, aber Sebastian trotzdem irgendwie traurig macht, und Julia nur in der Küche sitzt und ihn vorwurfsvoll anblickt, wenn sie ihn sieht.
Wenigstens kann er das Auto nehmen, was erstens heißt, dass er dieses Mal wohl nicht so nass werden wird, und ihm zweitens ermöglicht, anstatt zu dem näher gelegenen Edeka zu dem etwas weiter entfernten Aldi zu fahren, der günstiger ist und eine größere Auswahl hat.
Auf dem Weg dorthin hört er Radio und als er ankommt, hat er schon fast gute Laune und lächelt alten Damen zu, während er durch die Gänge marschiert und möglichst viel Gemüse einsammelt, denn nur, weil ihre Familie so langsam den Bach runtergeht, müssen sie ja nicht ihre Ernährung vernachlässigen.
Erst, als er die Schlange an der einzigen geöffneten Kasse sieht, und ihm auffällt, dass auch sonst kein Angestellter im Laden ist, der eine weitere öffnen könnte, erhält seine Laune einen leichten Dämpfer, aber er überlegt sich, dass es ja nicht so schlimm sein kann, ein bisschen anzustehen: Er weiß zwar, dass Julia sich beschweren wird, wenn er spät dran ist, aber jetzt hat er wenigstens einen Grund, etwas länger wegzubleiben.
Er reiht sich also ganz am Ende ein, fast am Ende des Ladens, und ist gerade dabei, die Yogurtauswahl zu begutachten, und zu überlegen, ob er vielleicht doch noch einen für Henri mitnehmen soll, als er eine Stimme hinter sich hört, die seinen Namen sagt.
"Herr Bootz?"
Sebastian dreht sich so schnell um, dass er sich an seinem Einkaufswagen festhalten muss, um nicht umzufallen.
Herr Lannert sieht überrascht aus, aber auch so eindeutig erfreut, dass Sebastian grinsen muss, als sie sich die Hand schütteln, und dann nochmal, als er sich fragt, wie er den Lehrer nicht vorher bemerkt hat, denn er trägt eine leuchtend türkise Regenjacke, die man eigentlich nicht so einfach übersehen kann.
"Wohnen sie hier in der Nähe?" fragt Sebastian, um Konversation zu betreiben und auch, weil es ihn wirklich interessiert, aber Herr Lannert schüttelt den Kopf. "Sonderangebote", erklärt er und macht eine vage Handbewegung in Richtung des Ladens.
Sie schweigen beide eine Weile, und Sebastian spürt, wie aufgeregt er ist, so aufgeregt, dass er sich beherrschen muss, um nicht loszukichern.
"Wie geht's eigentlich Ihrer Frau?", fragt Herr Lannert schließlich. "Die sieht man ja noch seltener bei Elternabenden als Sie", fügt er hinzu.
"Wird bei Elternabenden überhaupt was Sinnvolles besprochen?", fragt Sebastian zurück, denn er hat wirklich keine Lust, über Julia zu sprechen, und Herr Lannert muss lachen. "Wenn Sie mich als Lehrer fragen - ja. Aber als neutraler Beobachter..." Er schüttelt den Kopf.
"Haben Sie eigentlich noch einmal mit Maja gesprochen?", fragt er dann.
Sebastian schüttelt den Kopf und fühlt sich plötzlich schuldig.
"Sie sitzt immer nur in ihrem Zimmer", murmelt er, und Herr Lannert wird ernst.
"Könnte es Liebeskummer sein?", fragt er, doch Sebastian zuckt nur mit den Schultern. Er weiß es nicht. Er weiß wenig über seine Tochter, fällt ihm jetzt auf, so, als hätten sie irgendwann, vor vielen Jahren, aufgehört, miteinander zu reden, und ihm wäre es nie aufgefallen. Vielleicht ist ja genau das passiert.
"Es ist nicht Ihre Schuld", sagt Herr Lannert leise, und Sebastian weiß nicht, auf was genau er sich bezieht, aber er ist ihm dankbar.
"Wie ist es mit Ihren Klassenarbeiten noch gelaufen?", fragt er, um das Thema zu wechseln.
Herr Lannert verdreht die Augen. "Nicht gut. Man sollte meinen, dass sich die meisten nach acht Jahren Schule daran gewöhnt haben, Arbeiten zurückzubekommen. Und doch ist es jedes Mal ein Theater."
Sebastian muss grinsen, als er sich an seine eigene Schulzeit erinnert. "Frau Lehrerin, sie haben mir sechs Punkte gegeben, dabei hätte ich für diese Aufgabe noch einen halben Punkt mehr verdient! Können sie mir nicht doch eine fünf plus geben?", zitiert er einen Ex-Klassenkameraden, und Herr Lannert nickt gespielt ernsthaft. "Genau".
Jetzt wirft Sebastian doch einen Blick in Herrn Lannerts Einkaufswagen - und macht dort eine überraschende Entdeckung.
"Sie mögen Sushi?", fragt er aufgeregt, und bereut es sofort, als Herr Lannert nur mit den Schultern zuckt und etwas verwirrt nickt.
"Ähm... also Julia, meine Frau... mag Sushi nicht, und deswegen essen wir es so gut wie nie. Und ich freue mich halt, wenn ich andere Leute finde, die's auch mögen", erklärt Sebastian, und jetzt ist es ihm auch noch peinlich, dass Julia sein Leben so sehr bestimmt, doch Herrn Lannert scheint das nicht zu stören.
"Meinen Sie, Ihre Frau hat etwas dagegen, wenn ich sie in ein Sushi-Restaurant einlade?", fragt er und schenkt ihm ein strahlendes Lächeln, und Sebastian möchte dahinschmelzen.
Doch stattdessen lächelt er auch und sagt "Äh" und "Ja" und "Nein?" und dann steht er auch schon an der Kasse und muss sein Gemüse aufs Band stapeln, und dann, nachdem er bezahlt hat, alles in die von zu Hause mitgebrachten Stofftaschen packen. Er lässt sich Zeit, denn wenn er etwas wartet, kann er vielleicht noch ein paar Worte mit seinem neuen Lieblingslehrer wechseln, bevor er endgültig nach Hause muss.
Als er sich umdreht, wechselt Herr Lannert gerade noch ein paar Worte mit der Kassiererin, lächelt sie an, und Sebastian weiß, er sollte nicht eifersüchtig sein, aber irgendwie...
Sie treffen sich auf dem Parkplatz wieder, weil Sebastian nur wenige Plätze entfernt von Herrn Lannerts Porsche geparkt hat.
Es regnet immer noch, aber Sebastian stört es nur noch wenig, er ist in seinen Gedanken versunken, und schreckt erst auf, als Herr Lannert ihm "Bis Montag!" zuruft.
Sebastian lächelt und winkt und setzt sich dann in sein Auto und fragt sich, wie er Maja davon überzeugen kann, doch zum Sommerfest zu gehen.
Kapitel 6: Wie der Vater, so die Tochter
Julia ist da, Henri ist da, Maja ist da, und Sebastian hat Nudeln gekocht, um die Tatsache zu feiern, dass sie alle mal wieder gleichzeitig zu Hause sind, doch jetzt sitzen sie alle zusammen am Tisch, und keiner scheint seine gute Laune zu teilen.
Julia schweigt verbissen. Die Kinder mampfen.
"Wie läuft's in der Schule?", fragt Sebastian Henri, um das Eis zu brechen, doch dieser zuckt nur mit den Schultern und sagt "Ganz gut" und wendet sich wieder seinem Teller zu.
Es ist still und man hört nur den Regen, der immer noch gegen die Fenster klopft.
"Am Montag ist doch das Sommerfest", sagt Sebastian betont fröhlich.
Maja verdreht die Augen. "Wird sicher abgesagt. Bei dem Wetter...", sagt sie mit vollem Mund.
"Wird's bei Regen nicht in die Aula verlegt?", fragt Sebastian, und Maja murmelt irgendetwas in ihren Teller, was verdächtig nach "Trotzdem keine Lust" klingt.
"Ich kann mit dir hingehen, wenn du willst", bietet er an, ihren Kommentar absichtlich überhörend, und sie stöhnt.
"Mensch, Papa", sagt sie. "Ich will da echt nicht hin. Das ist doch voll beschissen."
Sebastian wird klar, dass er so nicht weiter kommt.
"Hast du keine Freundin, die mit dir hingeht?", fragt er und versucht krampfhaft, sich an die Namen von Majas Freundinnen zu erinnern. "Was ist mit Franziska?"
Maja wirft ihre Gabel so ruckartig in ihre Nudeln, dass Soße überall hin spritzt, dann steht sie auf und stürmt in ihr Zimmer. Bald darauf ertönt auch wieder Musik, doch nicht die üblichen Popsongs, sondern irgendetwas Wütendes, Tobendes.
Er bemerkt, wie Julia aufsteht und den Raum verlässt, aber er erkennt an der konstanten Lautstärke der Musik, dass sie nicht zu Maja gegangen ist.
Henri isst unbeirrt weiter.
Sebastian sitzt am Tisch und entschließt, allein zum Sommerfest der Schule seiner Tochter zu gehen.
Kapitel 7: In dem Sebastian Bootz einen heiligen Ort entweiht
Das Fest findet tatsächlich innen statt, in der Aula, der Cafeteria und dem überdachten Teil des Schulhofes. Der Regen trommelt gegen die Fenster, in den Räumen drängen sich Schüler, Eltern und Lehrer, und Sebastian fühlt sich unwohl.
Irgendjemand hat Musik angemacht, es riecht nach Kuchen, Waffeln, Pommes und Menschenmengen, die Luft ist feucht, und sonst scheint es keinen zu stören, also entschließt Sebastian, sich einfach ein bisschen umzuschauen, schließlich gibt es ja so viele Stände, dass auch etwas Interessantes dabei sein muss. Er treibt also mit dem Strom, durch die Flure und die Hallen, von einem Crepes-Stand zu einem Cocktail-Stand zu einem Schmink-Stand, und beginnt, sich zu fragen, ob er sich jetzt überfordert fühlen sollte, als ihn jemand am Arm anstupst.
"Ich dachte schon, Sie hätten sich verlaufen", sagt Herr Lannert und lächelt ihn an, und Sebastian wird so warm, dass er überlegt, ob er seine Lederjacke ausziehen könnte, obwohl vor der Tür gerade ein Gewitter losbricht.
Nachdem sie sich die Hand geschüttelt haben, wechseln sie ein paar Worte über das Fest, landen irgendwann bei den Ständen, dann fragt Herr Lannert: "Ich wollte gerade frische Luft schnappen gehen, haben Sie Lust, mitzukommen?"
Sebastian nickt.
Vor der Schule ist die Hölle los, aber der Hintereingang wird nur von Lehrern genutzt, und so setzen sie sich dort auf eine Bank und schauen in den Regen, erst schweigend, dann beginnt Sebastian, von seinem Gespräch mit Maja zu erzählen, und Herr Lannert sieht ihn nachdenklich an.
"Liebeskummer?", fragt er wieder, und Sebastian weiß es immer noch nicht.
Sie schweigen weiter, bis Sebastian sich irgendwann einen Ruck gibt und fragt: "Was machen Lehrer eigentlich am Wochenende?"
Herr Lannert starrt noch einen Moment weiter den Regen an, bevor er grinst. "Nicht viel. Zum Beispiel, mit Eltern von Schülerinnen Sushi essen gehen."
Sebastian muss lachen, und eine Frau lässt sich neben Herrn Lannert auf die Bank fallen.
"Abend zusammen", sagt sie, schüttelt ihre langen, braunen Locken und reibt sich die Stirn. "Meine Klasse hat einen Stand mit Slushies. Vier Stunden, sechs Euro Umsatz. Nie wieder", sagt sie, und wirft den Kopf zurück.
Sebastian beobachtet, wie Herr Lannert verkrampft versucht, nicht zu lachen.
"Sebastian Bootz", stellt er sich schließlich vor, und die Frau schüttelt ihm die Hand. "Alvarez. Englisch, Spanisch und Sport. Und sie?", fragt sie.
Sebastian ist eine Sekunde lang verwirrt, aber Herr Lannert versteht sofort, was sie meint, und schüttelt den Kopf. "Er ist der Vater von Maja", erklärt er, und Frau Alvarez macht ein "Ah"-Geräusch und mustert ihn weiterhin neugierig. "Und was machen Sie dann hier?", fragt sie. "Denn wissen sie, eigentlich kommen nur Lehrer hierher", fügt sie dann erklärend hinzu und sieht Herrn Lannert dabei streng an.
Sebastian würde am liebsten im Boden versinken, und zu seinem Unglück kommt noch hinzu, dass die beiden jetzt auch noch beginnen, sich einen Schlagabtausch über Privatsphäre und Schulstände zu liefern, und er seine verzweifelten Blicke nur noch dem Regen zuwerfen kann, bis Herr Lannert irgendwann aufsteht, sich streckt und "Ich geh dann mal wieder rein" sagt.
"Ich komm mit", sagt Sebastian und springt auch auf, und Frau Alvarez lacht.
"Dann viel Spaß noch", sagt sie und zwinkert ihm zu, und plötzlich wünscht er sich, er hätte beim Gespräch zwischen den beiden doch zugehört.
Sie schlängeln sich wieder durch die Menge, bleiben manchmal stehen, wenn Herr Lannert Sebastian etwas zeigen möchte, und sind irgendwann wieder am Haupteingang angekommen, und Sebastian bemerkt, dass er verdammt spät dran ist.
"Also", sagt er, merkwürdig verlegen, "ich muss dann mal los."
Herr Lannert nickt verständnisvoll, lächelt und schüttelt ihm die Hand.
"Ich hab das mit dem Sushi übrigens ernst gemeint. Also, wenn sie mal Lust haben..."
Dann ist er verschwunden, und Sebastian steht allein an der Bushaltestelle und kann nicht aufhören zu grinsen.
Sebastian lässt sich Zeit mit dem Anruf. Es ist die letzte Schulwoche, da haben Lehrer sicher noch mehr zu tun als sonst, und er muss ja den Urlaub planen. Er ist sich immer noch nicht sicher, ob sie überhaupt irgendetwas machen werden, ob Julia sich überhaupt Urlaub nehmen wird, ob Maja und Henri überhaupt wegfahren werden wollen, aber er macht sich schon mal seine Gedanken, nur für den Fall.
Der letzte Schultag ist ein Mittwoch, und Sebastian nimmt an, dass Herr Lannert mindestens ein paar Tage braucht, um zu feieren, dass er jetzt erst einmal ein paar Wochen nichts mehr mit Teenagern zu tun haben wird, also ruft er am Freitag an, und versucht, alle Nervosität zu verdrängen, während es in der Leitung tutet.
"Lannert?". Immer der gleiche Tonfall.
"Hier ist Sebastian Bootz", sagt Sebastian.
"Herr Bootz!". Herr Lannert klingt, als würde er lächeln, und Sebastian kann es sich wundervoll vorstellen.
Jetzt, wo es so weit ist, fällt Sebastian ein, dass er sich ja ruhig mal hätte überlegen können, was er sagen will, schließlich ist die Aussage "Sie wollten mich doch mal zum Sushi-Essen einladen" nicht gerade höflich, und etwas besseres fällt ihm im Moment auch nicht ein, doch zum Glück übernimmt Herr Lannert erst einmal das Gespräch.
"Wie geht es Ihnen?", fragt er, und Sebastian ist zwar froh, dass er jetzt einen Anschluss hat, fühlt sich aber trotzdem leicht überrumpelt. "Gut", sagt er aus Instinkt. "Und Ihnen?"
Herr Lannert geht auf die Frage nicht weiter ein. "Sie rufen wegen des Sushi-Essens an, oder?", fragt er weiter, und Sebastian nickt, obwohl er weiß, dass das am Telefon natürlich niemand sehen kann. "Ja."
"Gut", sagt Herr Lannert, so, als wäre es nicht nur ein "Verstanden" sondern auch ein "Ich freue mich, dass sie tatsächlich mit mir essen gehen wollen". "Wann würde es Ihnen denn passen?"
Ganz förmlich, denkt Sebastian plötzlich, und sagt: "Diese oder nächste Woche wäre am besten. Danach fahren wir vielleicht in Urlaub." Wenn er es irgendwann schafft, seine Familie darauf anzusprechen, fügt er im Gedanken hinzu.
Zum Glück fragt Herr Lannert nicht weiter nach. "Diese Woche würde auch für mich gut passen", sagt er, und es klingt gedankenverloren, bis er schließlich fragt: "Hätten sie zufällig morgen Zeit?"
Sebastian geht rasend schnell alles durch, was er an Terminen haben könnte, doch ihm fällt nichts ein. Samstage verbringt er meistens mit seinen Kindern und schaut sich abends irgendetwas im Fernsehen an, aber das muss er ja nicht unbedingt machen. "Äh, ja", sagt er also, greift nach einem Stift und schlägt hektisch seinen Terminkalender auf.
"Soll ich Sie dann einfach abholen?", fragt Herr Lannert.
Sebastian überlegt kurz, dann fällt ihm ein, dass Klassenlisten existieren. "Okay", sagt er schließlich, und Herr Lannert klingt erleichtert, als er "Dann so um sieben?", sagt. Sebastian stimmt zu, und dann wechseln sie noch ein paar Worte, über den Regen, der immer noch nicht aufgehört hat, an die Scheiben zu klopfen, über das Ende des Schuljahres, über die Zeugnisse, und Herr Lannert beklagt sich, dass es schwer ist, Noten zu machen, und dann verabschieden sie sich voneinander.
"Tschüss", sagt Sebastian.
"Bis morgen", sagt Herr Lannert mit einem Lächeln in seiner Stimme.
Sebastian sitzt im Wohnzimmer, wieder allein.
Und er bemerkt, wie aufgeregt er ist, und dass es sich trotzdem gut anfühlt. Er hat ein gutes Gefühl, zum ersten Mal seit Jahren, und alles ist schön.
Alles, außer der Tatsache, dass er nur noch einen Tag hat, um sich vorzubereiten.
Es regnet immer noch, als sie am Samstag beim Mittagessen sitzen, und irgendwie ist die Stille ansteckend, denn auch Sebastian sagt diesmal kein Wort. Stattdessen versucht er, den Blumenkohl möglichst langsam zu essen, denn bekanntlich dauert es ja zwanzig Minuten, bis das Sättegefühl eintritt, und er will ja nicht zu viel essen.
Als Maja die Stille bricht, verschluckt er sich fast vor Schreck.
"Heut Abend läuft so'n Film im Fernsehn", sagt sie, und schaut dabei weiter auf ihren Teller, als sei es für sie keine große Angelegenheit. "Braucht ihr den Fernseher heute abend oder kann ich...?"
Julia zuckt mit den Schultern. "Was ist das denn für ein Film?", fragt sie.
Maja läuft ein bisschen rot an, schaut immer noch nicht von ihrem Teller auf. "Heißt 'Eine Hochzeit zu dritt'", murmelt sie. "Ist ein Liebesfilm."
Julia lächelt. "Dann kann ich ja mitschauen", verkündet sie fröhlich, und wendet sich dann Sebastian zu. "Was ist mit dir?"
Sebastian betrachtet seinen Blumenkohl intensiver, als es eigentlich notwendig ist. "Äh", sagt er. "Also ja, könnt ihr ja machen. Ich bin verabredet." Er sieht nicht hin, aber er hört, dass Julia ihre Gabel hinlegt.
"Aha", sagt sie, als hätte sie vor, den Blumenkohl wieder einzufrieren. "Und wann hattest du vor, mir das mal zu sagen?"
Sebastian spürt, wie ihm heiß wird. "Na, ich treff mich mit Majas Klassenlehrer", sagt er, und Maja sieht jetzt doch auf. "Papa, das Schuljahr ist zu Ende."
Julia sieht wütend aus. "Also nur, weil ich von der Scheidung spreche, gehst du jetzt los und triffst dich mit Leuten, oder was?", fragt sie, lauter als notwendig, und Sebastian seufzt langgezogen, weil er wirklich nicht weiß, was er sagen soll. "Julia, müssen wir unbedingt...", beginnt er, wird aber von ihrem "Ja, müssen wir!" unterbrochen, und seufzt wieder, weil sie dann auf ihn einredet, bis er gar nicht mehr zuhören kann. Maja schiebt betreten ihren Blumenkohl auf dem Teller hin und her, und Henri scheint alles egal zu sein.
Als sie schließlich beginnen, die Teller abzuräumen, redet Julia nicht mehr, doch Sebastian weiß, dass sie immer noch wütend ist, obwohl er nicht wirklich verstehen kann, wieso.
Um 18.30 Uhr sitzt Sebastian im Wohnzimmer und starrt die Uhr an. Es ist viel zu früh, das weiß er, und er weiß auch, dass er etwas tun sollte, allein, um sich abzulenken, aber...
Maja spielt wieder ihre Musik, aber diesmal leiser, und sie ist auch nicht mehr wütend, sondern hoffnungsvoll, irgendetwas Deutsches, das Sebastian meint, aus seiner eigenen Jugend zu kennen. "Warum bleibst du nicht hier, heut Nacht?"
Er steht auf, beginnt, durch's Zimmer zu wandern, bleibt an einem Regal stehen, arrangiert uralte, vertrocknete Kastanientierchen neu, zieht schließlich irgendein Buch aus dem Regal und setzt sich wieder aufs Sofa, blättert hindurch.
Einer von Julias Romanen, die er nie gelesen hat, doch jetzt, wo er nichts besseres zu tun hat, schlägt er doch die erste Seite auf, überfliegt sie, lacht, als die charmante, doch manchmal sarkastische Protagonistin einen Spruch loslässt, und vergisst die Zeit, bis es plötzlich an der Tür klingelt.
Sebastians Blick fällt auf die Uhr. Der Mann ist pünktlich, denkt er, während er versucht, vor Julia zur Tür zu kommen, ohne rennen zu müssen.
Er schafft es gerade noch, und Herr Lannert sieht zum ersten Mal, seit sie sich kennen, etwas verlegen aus. "Ich wollte eigentlich zu Fuß kommen, aber...", sagt er und zeigt in den Himmel, der immer noch Regen von sich gibt, als würde er dafür bezahlt. Er trägt wieder seine absolut furchtbare türkise Regenjacke, aber Sebastian ist so froh, sie zu sehen.
"Das ist ok", sagt er also, lächelt Herrn Lannert an, der erleichtert, aber auch irgendwie durchnässt wirkt, und ruft ein "Bis später" nach oben. Er meint, ein leichtes Gemurmel von Julia zu hören, ist sich aber nicht sicher, also schließt er die Tür hinter sich und rennt die wenigen Schritte zu Herrn Lannerts Auto, um nicht allzu nass zu werden - was nicht so unbedingt gelingt, da er trotzdem den ganzen Beifahrersitz nasstropft.
Herr Lannert sieht nicht gerade besser aus. Obwohl - seine Haare kringeln sich, wenn sie feucht sind, bemerkt Sebastian, und muss sich zusammenreißen, um nicht verzückt zu seufzen, denn es sieht auf merkwürdige Weise verdammt süß aus.
Herr Lannert lässt den Motor an und dann brettern sie rückwärts aus der Ausfahrt. Sebastian klammert sich erst einmal am Sitz fest, und ihm entfährt ein "Sie fahren ja gefährlich", das er sofort bereut. Er wirft Herrn Lannert einen vorsichtigen Blick zu, doch dieser behält die Straße im Auge und grinst nur leicht.
Soweit Sebastian es einschätzen kann, ist der Weg zum Restaurant wirklich kurz, doch immer noch zu lang, um ihn an einem regnerischen Tag zu Fuß zu gehen, aber das Restaurant ist wirklich nett, klein, aber hell und modern, und die Kellnerin zeigt sich wirklich geduldig, als sie etwas länger warten muss, bis sie die Bestellung aufnehmen kann, weil Herr Lannert einen Witz gemacht hat, und Sebastian nicht aufhören kann zu lachen.
Als sie schließlich da sitzen und sich umblicken, kommt Sebastian ein Gedanke.
"Also, wo wir ja jetzt zusammen essen gehen... wir, äh, könnten uns duzen", schlägt er vor, nicht sicher, ob er Herrn Lannert darauf ansprechen sollte, dass sie schon ein paar Jahre Altersunterschied haben.
Herr Lannert sieht einen Moment lang überrascht aus, doch dann lächelt er. "Thorsten", sagt er.
"Sebastian".
Sie schütteln sich wieder die Hand, Sebastian muss grinsen und fügt hinzu: "Oder Basti, wie sie wollen."
Herr Lannert... Thorsten grinst auch, bis Sebastian "Und, gibt's für Thorsten auch irgendwelche Spitznamen?" fragt, und er das Gesicht verzieht und "Auf keinen Fall" sagt, und Sebastian wieder lachen muss.
Doch Thorsten verteidigt seine Meinung, und noch bevor das Essen kommt diskutieren sie wild, über Namen, über Werbung, über Erziehung, über Zeugnisnoten, und als sie zahlen, weiß Sebastian zwar noch, dass das Essen gut war, kann sich aber auch nicht mehr genau daran erinnern, was er eigentlich gegessen hat.
Und an dem Punkt ist es auch schon fast zehn, und Sebastian müsste eigentlich nach Hause, um Julia nicht noch mehr zu verärgern, doch als sie vor die Tür treten, lächelt Thorsten und sagt: "Schau mal nach oben."
Sebastian gehorcht, und der Himmel ist dunkel, samtig, und vollkommen regenlos.
"Holla die Waldfee", sagt er, und als Thorsten vorschlägt, doch noch zu Fuß zu gehen, sagt er nicht nein.
Es ist dunkel und noch irgendwie nass, aber die Luft ist klar und manchmal stoßen ihre Schultern aneinander, und Sebastian weiß nicht, ob das Zufall ist, oder nicht.
Vor Sebastians Haus bleiben sie stehen, und für einen kleinen Moment denkt Sebastian, Thorsten würde sich vorbeugen, um ihn zu küssen, doch dieser schlägt ihm nur freundschaftlich gegen die Schulter und sagt: "Es war schön heute Abend."
"Ja", sagt Sebastian, und irgendwie muss Thorsten vergessen haben, dass seine Hand immer noch auf Sebastians Arm liegt, aber er will ihn auch nicht daran erinnern.
"Magst du zufällig auch indisches Essen?", fragt er dann, und kann förmlich beobachten, wie Thorstens Augen aufleuchten.
"Also ruf ich dich dann wieder an?", fragt er weiter, aber jetzt schüttelt Thorsten den Kopf.
"Lass mal, ich ruf dich an", sagt er, und: "Also bis dann."
Und dann geht er winkend wieder zurück zum Restaurant, und Sebastian geht in sein Haus und am Wohnzimmer vorbei, wo Maja und Julia immer noch vor dem Fernseher sitzen, und in sein Arbeitszimmer.
Dort kann er nicht ruhig sitzen, er geht auf und ab, und irgendwann wird Sebastian bewusst, dass er sich vielleicht ein kleines bisschen in den Klassenlehrer seiner Tochter verknallt hat.
Thorsten lässt sich Zeit mit dem Anruf. Sebastian weiß nicht, was er tun soll, also sitzt er in seinem Arbeitszimmer herum, informiert sich über Wohnungen und Jobangebote in Stuttgart, spielt Solitär, liest Julias Romane, und macht sich Gedanken über Maja. Er hat sich die Handlung von "Eine Hochzeit zu dritt" im Internet durchgelesen und schon eine kleine Theorie dazu, wieso Maja genau diesen Film unbedingt sehen wollte, aber weiß noch nicht, wie er sie ansprechen könnte, auch, weil Maja, jetzt wo Ferien sind, ihr Zimmer immer seltener verlässt. Henri sieht man jetzt dafür um so häufiger irgendwo im Wohnzimmer sitzen.
Sebastian hat auch schon darüber nachgedacht, nur mit seinen Kindern wegzufahren, irgendwo ans Meer, und Julia einfach mal alles überdenken zu lassen, und als er eine Woche nach seinem Treffen immer noch ohne Anruf dasitzt, entschließt er, dass es eigentlich gar keine so schlechte Idee ist.
Maja erwischt er auf dem Weg zum Klo und sie sagt nur "Okay", Henri schwimmt sowieso gerne, und ein Last-Minute-Angebot später zieht Sebastian los und sagt seinen Kindern, sie sollen ihre Koffer packen, es gehe ans Meer.
Natürlich ist Julia nicht begeistert, aber Sebastian weiß aus Erfahrung, dass sie von der Nordsee sowieso nicht so angetan ist, also macht er sich auch keine Vorwürfe, als er sich am nächsten Tag mit Maja und Henri in den Zug setzt.
An der Nordsee ist es kalt und windig, aber sonnig, und das Apartment ist zwar klein, aber sauber und gemütlich. Henri versucht, schwimmen zu gehen, doch das Meer ist zu kalt, also stapfen sie einfach nur durch den Sand, immer am Wasser entlang, und sammeln kleine Muscheln.
Maja ist still, doch jetzt ist es Sebastian auch, und so schweigen sie sich an, während sie in der Sonne sitzen und sie Musik hört und es ihn nicht stört.
"Was hast du eigentlich mit Herrn Lannert besprochen?", fragt sie irgendwann beim Abendessen, und Sebastian ist plötzlich darüber erstaunt, wie erwachsen sie schon klingt.
"Ach, nichts, wir waren essen", sagt er, und obwohl sie nicht weiter nachfragt, weiß er, dass sie weiß, dass das nicht die Wahrheit ist.
Als sie zurück nach Stuttgart kommen, ist auch Julia still geworden, und die Stille verbreitet sich auch in ihrem Haus. Doch während sie am Meer angenehm war, ist sie hier einfach nur schmerzhaft und fühlt sich leer an.
Bis irgendwann das Telefon klingelt.
"Hallo?"
"Hallo, Maja. Könnte ich bitte mit deinem Vater sprechen?"
"Papa!", schallt es durchs ganze Haus, so laut, dass es auch Sebastian erreicht, der gerade in seinem Arbeitszimmer vor sich hin träumt. "Telefon!"
Sebastian weiß sofort, wer ihn da anruft, und möchte am liebsten sofort zum Telefon rennen, doch er lässt sich Zeit mit der Treppe, damit er nicht außer Atem ist, wenn er im Wohnzimmer ankommt, aber auch, weil sich Thorsten ja mit dem Anruf auch Zeit gelassen hat. Ein paar Sekunden mehr können da ja nicht schaden.
"Was will Herr Lannert von dir?", zischt Maja ihm zu, als sie ihm den Hörer übergibt, doch er geht nicht auf ihre Frage ein. "Bootz?", sagt er stattdessen, in genau dem neutralen, fordernden Tonfall, mit dem Thorsten sich normalerweise am Telefon meldet. Dieser lacht und sagt "Ich bin's", und Sebastian kann ihm einfach nicht mehr länger böse sein.
"Du hast dir Zeit gelassen", sagt er trotzdem.
"Tut mir leid. Frau Alvarez hat mir überraschend angeboten, mich mit nach Rom zu nehmen, und als Lateinlehrer konnte ich da nicht so einfach nein sagen", erklärt Thorsten, und Sebastian beginnt sofort, sich für seinen Kommentar schuldig zu fühlen.
"Oh", sagt er also, und fragt dann doch noch mal nach: "Wie war's denn?"
"Schön", sagt Thorsten, und Sebastian kann sein Lächeln fast vor sich sehen. "Willst du die kurze oder die lange Fassung hören?"
"Die lange. Ich hab Zeit", sagt Sebastian und lässt sich aufs Sofa fallen.
Aus dem Augenwinkel sieht er, wie Maja sich auf dem Sessel niederlässt und ihn böse anstarrt, aber er denkt nicht weiter darüber nach, als Thorsten beginnt, zu erzählen, erst von der Reise, dann von Ruinen, Katzen, alten Inschriften und ganz bezaubernden Bars, von Dingen, die Sebastian normalerweise nicht besonders interessieren würden, aber jetzt plötzlich faszinierend erscheinen. Thorsten muss ein wunderbarer Lehrer sein, denkt Sebastian, und ein noch besserer Geschichtenerzähler.
"Was hast du so gemacht? Bist du mit deiner Familie weggefahren?", fragt Thorsten dann, und Sebastian überlegt einige Sekunden lang, wie viel er erzählen soll.
"Wir sind ein paar Tage an die Nordsee gefahren. Also Maja, Henri und ich", sagt er schließlich. "War schön", fügt er hinzu, schließlich muss er ja auch irgendetwas sagen.
"Und deine Frau?", fragt Thorsten.
"Will jetzt erst recht die Scheidung", erklärt Sebastian. "Unternimmt aber nichts dafür, also wird's wahrscheinlich so schnell nichts."
"Klingt trotzdem nicht so super", sagt Thorsten und er klingt besorgt, also wechselt Sebastian schnell das Thema und sagt: "Indisch?"
Diesmal hat Sebastian das Restaurant ausgesucht, ein etwas größeres, das ein Stück außerhalb liegt. Trotzdem kann er Thorsten nicht abholen, denn Julia hat das Auto beschlagnahmt - angeblich, weil sie es für die Arbeit braucht, doch Sebastian weiß, dass sie nur wieder mit ihren Kolleginnen etwas trinken geht. Also wartet er geduldig im Wohnzimmer und zupft immer wieder am weißen Hemd herum, das Julia ihm vor Jahren mal geschenkt hat - angeblich, weil er nie elegant genug aussieht, doch jetzt erweist es sich ja doch als nützlich. Auf seine alte Lederjacke verzichtet er jedoch nicht. Maja ist losgegangen, um bei einer Freundin zu übernachten. Er meint, sich zu erinnern, dass sie erwähnt hat, dass sie Franziska heißt, und versucht, sich an das eine Mal vor ein paar Monaten zu erinnern, als diese zu Besuch war. Klein und blond? Nein, ihr Name fing mit K an. Franziska, Franziska... ihm fällt es wieder ein, sie ist ein wenig größer als Maja, hat dunkle Haare und dunkle Haut, wirkt ein wenig vorwitzig, ist aber sehr lieb. Henri hat nichts dagegen, allein zuhause zu sein, und sitzt schon seit Stunden vor einem Videospiel. Sebastian versucht sich einzureden, dass er kein schlechtes Gewissen hat, aber irgendwie... Gerade, als er sich überlegt, ob er noch genug Zeit hat, um Julias Roman weiterzulesen, klingelt es an der Tür, und draußen steht Thorsten mit einem kleinen Lächeln und einer leicht matschig aussehenden rosa Rose. "Hast du vielleicht eine Vase hierfür?", fragt er und wedelt leicht mit der Blume, und als Sebastian sich von der Überraschung und dem schneller schlagenden Herzen ein wenig erholt hat, nickt er. "Klar, wenn du kurz mit reinkommst", sagt er, und Thorsten nickt ernsthaft und überreicht ihm die Rose. In der Küche lehnt sich Thorsten an die Wand und sieht sich um, während Sebastian versucht, eine Blumenvase hinter den Gläsern hervorzukramen. "Hübsch", sagt Thorsten. "Danke", sagt Sebastian und füllt Wasser in die Vase. Sie ist zwar etwas zu groß, aber wenigstens ist die Blume gerettet, oder wenigstens haben sie ihr etwas mehr Zeit geschenkt. "Mein Wagen hat einen Platten, deswegen bin ich zu Fuß hergekommen", erklärt Thorsten, "Und da lag sie auf dem Boden und ich konnte sie doch nicht einfach liegenlassen..." Sebastian stöhnt leise. "So schlimm?", fragt Thorsten besorgt, und Sebastian schüttelt den Kopf. "Das ist es nicht. Julia hat das Auto. Das heißt, wir müssen mit der Bahn fahren", erklärt er und verdreht die Augen. Thorsten wirkt verwirrt, dann lächelt er ermutigend. "Wird schon nicht so schlimm", sagt er, und Sebastian stöhnt erneut, bringt dann aber die Blume in sein Arbeitszimmer und sie brechen auf. Erst, als sie schon zehn Minuten an der Haltestelle gestanden, es immer noch regnet und es langsam sogar zu kalt wird, um zu reden, und Sebastian zittert und sich wünscht, doch zum Mantel gegriffen zu haben, sieht Thorsten ein, dass er vielleicht Unrecht hatte. "Wenn sie in fünf Minuten noch nicht hier ist, zahle ich ein Taxi", sagt er leicht knurrig, doch in dem Moment erkennt Sebastian durch den Regen die Lichter der Bahn und spürt, wie sich seine Laune noch mehr verschlechtert. Wie erwartet ist die Bahn so überfüllt, dass sie sich nur noch in eine Ecke quetschen und auf beste hoffen können, und Sebastian hasst es, von Leuten berührt zu werden, die er nicht kennt, und genau das passiert in Bahnen viel zu viel. Thorsten scheint es nicht so schlimm zu finden, doch er scheint auch noch nie zuvor Bahn gefahren zu sein, denn als sie in die erste Kurve kommen hält er sich nicht angemessen fest und wird sofort gegen Sebastian gedrückt. "Au", sagt Sebastian, mehr aus Instinkt als aus wirklichem Schmerz, und Thorsten ist trotz des Wetters überraschend warm. "Mist", sagt Thorsten und versucht jetzt doch, sich festzuhalten, wenn auch mit wenig Erfolg. Als sie aussteigen, fühlt sich Sebastian so, als seien sie sich jetzt näher als zuvor - auch wenn er nicht weiß, wie und wieso und ob er es sich nur einbildet.
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redrosesinc · 9 years
Text
It's BigBang day for me, and since I'm still waiting for it to appear on ff.de, I'm just gonna post it here.
More or less 10.000 words about destiny, free will, parallel universes, and Tatort Stuttgart!!!
Yeah. Right. Here we go.
(To phone people... I'm so sorry. So very sorry.)
Teil 1
Das Gebäude ist alt und staubig und wirkt von außen verlassen. Von innen ist es nicht gerade besser, doch wenigstens kann man ab und zu Figuren sehen, die durch die langen Flure eilen, vor allem, wenn man längere Zeit am gleichen Ort verbringt, und das hat er getan.
„Tut mir leid, dass Sie warten mussten“, sagt die Frau, als sie endlich erscheint, und schenkt ihm ein Lächeln. Ihre Absätze klacken auf dem Holzboden. Sie sagt nicht, wieso sie spät dran ist, und er fragt nicht. Er lächelt und nickt und nimmt Platz, als sie ihn dazu auffordert, und er fragt nicht, was er hier soll, im Verwaltungsgebäude, obwohl es ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag ist und er in letzter Zeit weder Schwierigkeiten gemacht noch gehabt hat. Seine Gedanken wandern zu Lona, doch der schien es noch wenige Stunden zuvor gut zu gehen, also macht er sich da keine allzu großen Sorgen.
Die Frau hat sich inzwischen auch gesetzt.
„Emilia Alvarez, Verwaltung“, stellt sie sich vor, und er nickt wieder. Es steht auf dem Schild an der Tür, neben der er gezwungenermaßen eine halbe Stunde verbracht hat.
Sie blickt auf den Tisch, sieht durch ihre Unterlagen.
Und dann geht es los, ganz direkt, wie alle Verwaltungsangelegenheiten. Schließlich ist Zeit kostbar.
„Sie wurden einbestellt, weil wir Ihnen eine Stelle als Außenagent anbieten wollen“, sagt Frau Alvarez, blättert in ihrem Block, zieht ein einzelnes Blatt hervor. „Sie könnten in einem Monat anfangen. Natürlich wäre die Stelle mit den üblichen Privilegien verbunden.“
Sie legt das Blatt vor ihn hin, blickt ihn auffordernd an, und er beginnt, die klein gedruckten Informationen zu überfliegen, ohne wirklich etwas zu verstehen.
Irgendwann beginnt Frau Alvarez zu plaudern. „Sie wissen ja, Personalmangel“, sagt sie, und fährt sich durch die Haare, mit der rechten Hand, wie er bemerkt. „Natürlich würden wir es verstehen, wenn Sie es vorziehen würden, bei Ihrer alten Stelle zu bleiben, aber überlegen Sie es sich bitte gut.“
Er weiß nicht, was er sagen soll.
Schließlich sagt sie: „Wenn Sie wollen, können Sie es auch ein paar Tage überdenken, aber der Trainingskurs würde bald beginnen“, und er nickt und bedankt sich.
Auf dem Weg nach Hause steigen die üblichen Zweifel in ihm auf. Er sagt sich, dass es gut so ist, wie es ist.
Und natürlich entscheidet er sich dafür, die Stelle anzunehmen.
Teil 2
Tag 3
Thorsten Lannert ist erst seit wenigen Tagen in h-0001, doch er weiß jetzt schon, dass er die Tage lieber mag als die Nächte. Natürlich haben auch Nächte ihre Vorteile, Sterne und einen Mond, der schwer über der Stadt hängt, und Ruhe, aber wenn die Sonne warm auf die Straßen fällt und Vögel in den Bäumen rascheln und singen ist alles so viel besser.
Es ist Montagmorgen und die Straßen sind noch leer, aber die Sonne scheint und irgendwo muss ein Bäcker sein, denn die Luft riecht angenehm nach Backwaren und Kaffee, und Thorsten sitzt auf einer Bank in einem Park und kann dabei zusehen, wie alles langsam beginnt, sich zu regen, wie Menschen beginnen, durch die Straßen zu laufen, manche schneller, manche gemütlicher. Menschen haben viel Freizeit, aber wenn sie gerade arbeiten müssen, ist Pünktlichkeit wichtig.
Er ist an einem Samstag angekommen, um genug Zeit zu haben, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen, aber als er aus dem Haus gegangen ist und sich umgesehen hat, hat sich alles so vertraut angefühlt – nicht spezifisch vertraut, aber wie etwas, das er schon einmal gesehen hat, das ihm nicht vollkommen fremd ist, und so hat er einen kleinen Spaziergang gemacht, sich eine Zeitung gekauft, einen Supermarkt gesucht.
Frau Alvarez hatte erklärt, dass viele Außenagenten erst einmal Schwierigkeiten hätten, sich an ihr neues Leben zu gewöhnen, aber bei ihm läuft alles gut – sein erster Arbeitstag liegt zwar noch vor ihm, aber so schlimm kann es nicht sein, sagt er sich.
Nur Lona vermisst er ein bisschen, schließlich waren sie eine lange Zeit lang Nachbarn und haben sich wirklich gut verstanden, aber das ist kein Problem.
Zur Arbeit fährt er mit der Bahn, er hat nicht genug Vorbereitungszeit gehabt, um noch einen Führerschein zu machen, und das Präsidium findet er fast ohne Schwierigkeiten, und dann steht er vor dem großen Gebäude und fragt sich, wie es wohl sein wird, mit wem er hier wohl zu tun haben wird – er hat die Akte nur kurz überflogen, das Foto nicht angesehen, er will ja nicht wirken, als wüsste er schon alles über seinen zukünftigen Kollegen, wenn sie sich zum ersten Mal treffen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, sagt eine Stimme hinter ihm und Thorsten dreht sich um.
Der Mann sieht freundlich aus und lächelt ihn an, also beschließt er, die Gelegenheit zu ergreifen, bevor er noch einen Fehler macht. „Ich suche Herrn Bootz?“, sagt er, und der Mann lächelt immer noch, als er antwortet: „Das bin ich. Um was geht’s?“.
Thorsten ist froh, dass er in den vielen Jahren im Inneneinsatz auch gelernt hat, mit Überraschungen umzugehen, denn so kann er sich jetzt vorstellen und gleichzeitig verarbeiten, dass dieser junge Mann, dunkle Locken und irgendwie aufgeräumt wirkend, Sebastian Bootz sein soll, der Mann, mit dem er für die nächsten Monate zusammenarbeiten soll, den er dazu bringen soll, sich so zu verhalten, dass er die Ordnung der Welt aufrecht erhält, denn er wirkt so nett und gewöhnlich, weißes Hemd zu rotem Pullunder und eleganten Schuhen.
„Ich bin hier, um die freie Planstelle zu belegen“, erklärt er, und Herr Bootz lächelt und sagt: „Na, dann kommen Sie mal mit hoch“, und auf dem Weg erklärt er ihm einige Dinge, die er beachten muss, und Thorsten fragt sich, wie er es jemals schaffen soll, diesen Mann zu manipulieren, denn er ist so... lebendig.
Ihm werden Kollegen vorgestellt, Nika Banovic, Kriminaltechnikerin, laut Herrn Bootz fleißig, aber auch sehr witzig, Daniel Vogt, Gerichtsmediziner und generell begeistert von toten Menschen, sogar die Staatsanwältin Henrike Habermas („eine Romantikerin“, verrät Herr Bootz) schneit kurz herein.
Nicht zufällig, wie sich herausstellt. Natürlich stellt sie sich erst einmal vor, doch dann erklärt sie, wieso sie eigentlich da ist.
„Sie beide haben einen Fall“, verkündet sie, oder jedenfalls vermutet Thorsten das, denn ihr Schwäbisch ist... etwas gewöhnungsbedürftig, und dann stehen sie wieder bei Herrn Vogt, und es ist ein Kind, klein und unschuldig und blass, und er sieht, wie Herr Bootz schluckt, und würde am liebsten heulen, aber dann gibt er sich professionell, fragt nach Todesursache, Todeszeitpunkt, nach allem, was er gelernt hat.
Die Identität kennen sie nicht. Herr Bootz tippt die Merkmale in einen Computer ein, keine Ergebnisse.
Sie befragen den Obdachlosen, der das Kind gefunden hat, ohne Ergebnis, laufen im Büro auf und ab, überlegen, was sie tun können.
„Wir könnten ein Foto an die Zeitungen geben. Irgendwer wird sich schon melden“, schlägt Herr Bootz vor, und als Thorsten zustimmend nickt, geht los, um Frau Habermas zu suchen.
Thorsten bleibt allein im Büro zurück und stellt sich ans Fenster.
Die Sonne geht rot und blau hinter den Hochhäusern unter. Die Zeit vergeht schnell, wenn man etwas Interessantes tut, obwohl Thorsten nicht sicher ist, was genau heute so interessant gewesen ist – doch im Gegensatz zum Wachdienst ist alles hier spannend, neu und aufregend, und es ist schön, mit Personen einmal direkt zu tun zu haben. Er ist sich sicher, dass er Frau Banovic schon einmal in seinem Distrikt gesehen hat, aber ihr dabei zuzuhören, wie sie erklärt, dass Sebastian... Herr Bootz, verbessert sie sich, ein langweiliger Streber ist, aber dabei so lächelt, dass er versteht, dass sie ihn eigentlich sehr mag, ist etwas vollkommen anderes.
Menschen reden viel. Herr Bootz erzählt und erzählt, und natürlich ist es hilfreich und fesselnd, aber jetzt schwirrt es ein wenig in Thorstens Kopf. Wann war das letzte Mal, dass er in seiner Welt mit einem Kollegen geredet hat? Er muss nicht lange überlegen, er hat sich vor einiger Zeit mit Lona unterhalten, bevor sie begonnen hat, in ihrer freien Zeit das zu tun, was auch immer sie jetzt tut.
Herr Bootz ist wieder da, sagt, dass es klar geht, und dass sie erst mal nichts mehr tun können, und bietet ihm an, ihn nach Hause zu fahren.
Aufmerksam, denkt Thorsten, und nimmt dankend an.
Auf dem Parkplatz treffen sie wieder Frau Banovic, die ihnen zuwinkt und dann in ihrem Wagen, der aussieht, als würde er jeden Moment auseinanderfallen, losfährt, und dann steigen sie in Herrn Bootz' schwarzes, glänzendes Auto.
Gerade noch rechtzeitig erinnert sich Thorsten daran, dass er sich anschnallen muss, und dann geht es auch schon los.
Autos sind weniger ruckelig als die Straßenbahnen Stuttgarts oder die öffentlichen Bahnen seiner Welt, stellt Thorsten fest, die Sitze sind weich, und man kann Musik hören, es muss ein Radio sein, denn die Lieder werden von einer fröhlichen Frauenstimme angekündigt.
Herr Bootz konzentriert sich auf die Straße und Thorsten schaut aus dem Fenster und überlegt, was sie noch tun könnten, denn er muss immer wieder an das Kind denken, an seine blasse Haut...
„Wie wäre es, wenn wir das Foto im Gefängnis herumzeigen und fragen, wer das Kind kennt?“, fragt er, und Herr Bootz ist eine Sekunde lang verwirrt. (nicht nur er: es
„Meinen Sie, das bringt was?“, fragt er dann, und Thorsten zuckt mit den Schultern. „Vielleicht.“
Dann schweigen sie wieder, bis sie bei seiner Wohnung sind und er aussteigt und „Bis morgen“ sagt.
Herr Bootz lächelt und fährt davon.
Thorsten setzt sich in den Hinterhof und sieht dabei zu, wie der Himmel immer dunkler wird.
h-0001 duftet nach frischer Luft und Pflanzen und manchmal nach Abgasen, und die Nacht ist kühl auf der Haut, und er bemerkt zum ersten Mal, wie wenig man in seiner Welt atmen kann: Staub, der Geruch nach geschmolzenem Plastik, kein Wind regt sich, kein Regen erleichtert die Atmosphäre.
Er holt noch einmal tief Luft, blickt zum Himmel hoch, zu den Sternen, die unverschleiert funkeln, und fragt sich, was noch wahr ist, in diesen beiden Welten.
Wahr ist, dass seine Kollegen nett sind. Wahr ist, dass er sie gerne besser kennen lernen würde. Wahr ist, dass er weiß, dass sein Auftrag in weniger als einem Jahr zu Ende sein wird, und es besser wäre, hier nicht mehr Freundschaften zu schließen, als unbedingt notwendig. Andererseits ist es auch wahr, dass er durch diese Freundschaften Sebastian Bootz besser kennen lernen wird, und ihn so auch besser – nicht manipulieren, beeinflussen, kann.
Thorsten blickt zum Himmel und träumt davon, nicht zu existieren.
Tag 4
Als Thorsten am nächsten Tag zur Arbeit kommt, ist Herr Bootz nachdenklich.
„Kommen Sie mit“, sagt er, und sie fahren schon eine Weile in seinem schwarzen, glänzenden Auto, als er Thorsten erklärt, wohin es geht.
„Ein Ehepaar hat angerufen“, sagt er, aber nicht viel weiter, er ist überraschend ruhig.
Die Befragung ergibt nicht viel, außer, dass es eine Adoptionsagentur, „New Life“, gibt und einen Mann namens Fauser, und dass sie jetzt noch mehr Leute befragen müssen.
Auf dem Weg zurück ins Präsidium schaut Thorsten aus dem Fenster, auf die Stadt, die an ihnen vorbeizieht, grau und braun und grün. Er ist fast froh, dass es so wenige Kinder in seiner Welt gibt, denn so einen kleinen Menschen zu verlieren, so fröhlich und voller Leben, muss schrecklich sein. Er fragt sich, wie es sein muss, eigene Kinder zu haben, in h-0001, wo es Orte zum Spielen und Bäckereien und Bäume und Süßigkeiten gibt, und irgendetwas in ihm zieht sich zusammen. Als sie vor dem Präsidium parken, hat auch er keine Lust mehr, zu sprechen.
Als sie jedoch die Treppe in den dritten Stock hochgehen, fragt Herr Bootz plötzlich: „Haben Sie eigentlich Familie?“ und Thorsten schüttelt den Kopf. „Und Sie?“, fragt er zurück, obwohl er aus seiner Akte weiß, dass sein Kollege Single ist.
„Nur nen Bruder, der manchmal unangekündigt hier reinschneit“, erklärt Herr Bootz und grinst, und Thorsten muss mitlachen.
„Ich war in Hamburg gut mit meiner Nachbarin befreundet. Sie war fast wie eine Tochter für mich“, rutscht ihm raus, und Herr Bootz lächelt.
Sie sitzen eine Zeit lang in ihrem Büro herum, dann fragt Herr Bootz wieder: „Wie sind Sie eigentlich zu Polizei gekommen?“
„Hat sich irgendwie so ergeben“, sagt Thorsten, und ist froh, dass dies Herrn Bootz zu genügen scheint, denn er erzählt: „Also für mich war's immer so ein Traumberuf. Hab mich halt hochgearbeitet.“ Er streckt die Beine aus und sein Lächeln wird wieder abwesend, und plötzlich fragt Thorsten sich, ob Sebastian Bootz wirklich so freiwillig, wie er sagt, Polizist geworden ist. Wie er wohl als kleiner Junge ausgesehen hat, und wie viele Polizeieinsätze er mit ansehen musste, um irgendwann auch Verbrecher jagen zu wollen? Wie er wohl als Jugendlicher war, mit zu langen Beinen und in seinem roten Pullunder, und wie viele Leute ihm wohl gesagt haben, dass er der perfekte Kommissar wäre? Wo er wohl heute wäre, wenn das System, das die Welt am Leben erhalten soll, nicht wäre? Tot, denkt Thorsten, wie alle auf dieser Erde. Oder an einem besseren Ort, mit einem besseren Leben.
Er ist froh, dass Herr Bootz genauso im Gedanken versunken ist wie er.
„Alexander Fauser muss irgendwie Zugang zu den Datenbanken von New Life haben“, bricht er dann doch irgendwann das Schweigen.
Herr Bootz nickt. „Aber wenn wir da mit Blaulicht und Sirene angefahren kommen, erfahren wir nie, wer das ist“, fährt er fort, steht gedankenverloren auf und öffnet das Fenster.
Die Luft riecht süß, und sie überlegen noch eine Weile, bevor Herr Bootz sagt: „Schwul.“
Thorsten ist eine Sekunde lang verwirrt. „Wer? Fauser?“, fragt er nach, und Herr Bootz grinst. „Nee, wir“, sagt er, lacht leise vor sich hin, und erklärt dann: „Wir geben uns als schwules Paar aus und gehen zur Adoptionsagentur. Dann können wir uns da alles von innen anschauen, ohne aufzufallen.“
Thorsten weiß nicht, was er davon halten soll, und Herr Bootz scheint das zu bemerken, denn er fügt schnell ein „Also, wenn Sie das für eine gute Idee halten, natürlich.“ hinzu.
Thorsten nickt und sagt: „Wieso nicht.“ Kann ja nicht schaden.
Auch Frau Habermas ist schnell überzeugt, vor allem, da sie keine besseren Ideen haben, und so sitzen sie eine halbe Stunde später in Sebastians Wagen, auf dem Weg zu Adoptionsagentur.
Das Gebäude, in dem die Agentur „New Life“ untergebracht ist, ist ein großes, klotziges Gebäude, und obwohl die Wände innen orange gestrichen sind, wirkt es nicht besonders gemütlich.
„Setzen Sie sich“, sagt die Dame mit den blonden Haaren, und beginnt, Fragen zu stellen, und sie tun so, als hätten sie ein gemeinsames Leben, ein Haus, einen künstlerischen Beruf, eine Liebe. Es fühlt sich überraschend real an, Herr Bootz greift nach seiner Hand und nennt ihn „Liebster“, streicht ihm über das Bein, und Thorsten weiß nicht, was er davon halten soll, außer, dass es nicht schlimm ist, ganz und gar nicht schlimm.
Am Abend ruft Herr Fauser an, und danach setzt Thorsten sich wieder in den Hof.
Er hat ein Notizbuch gekauft, doch die Worte fallen ihm aus dem Kopf, alles rauscht und ist zu schnell, ein Knoten in seinem Magen.
Die Sterne sind heute kalt und weit entfernt, der Himmel wie eine Decke über ihm.
Er hat noch nie zuvor darüber nachgedacht, und irgendwie kann er sich genau heute nicht vorstellen, dass da noch mehr sein soll, irgendwo hinter der Sonne.
Es ist kalt, und doch bleibt Thorsten so lange dort sitzen und starrt in den Himmel, bis er das Gefühl hat, immer weiter hochzusteigen, angezogen von dem ewigen Blau.
Tag 5
Herrn Bootz' Lächeln erleuchtet das Auto, das Frau Habermas ihnen zur Verfügung gestellt hat.
„Sicher, dass Sie nicht fahren wollen?“, fragt er, und Thorsten nickt. „Ich lasse Sie da lieber mal machen“, sagt er, und ist dankbar, dass Herr Bootz nicht weiter nachfragt.
Sie fassen Fauser nicht. Frau Habermas ist sehr, sehr wütend. Doch Sebastian verteidigt sie, versucht, zu erklären, und als Thorsten am Abend wieder in seinem dunklen Wohnzimmer sitzt, versucht er, erst einmal ruhig zu atmen.
Er erinnert sich noch an die ersten Computerergebnisse, vor vielen Jahren, wie gesagt wurde, dass die Menschen unzurechnungsfähig und unnötig grausam seien.
Er hat es auch geglaubt, und glaubt es zum Teil immer noch, denn tote Kinder geraten nicht einfach so in Flüsse, und es gibt viel Böses in dieser Welt.
Und doch...
Er steht auf und macht das Licht an.
Sebastian Bootz würde alles tun, damit Kinder nicht in Flüsse geraten und das Böse in dieser Welt nicht die Überhand gewinnt.
Thorsten fischt sein Handy aus der Tasche und beginnt, sich über Automarken zu informieren.
Danach
Es entwickelt sich eine Art Routine.
Mit der Bahn zur Arbeit, Vernehmungen, Verhöre, Verfolgungen, dann wieder nach Hause.
Bei der Arbeit mit den Kollegen reden, die so gut in ihrem Job sind, dass sie ihren ersten Fall lösen und ein Kind retten können – Kinder sind nett, stellt Thorsten fest, wenn sie lebendig sind und reden können und lachen und herumrennen.
Dann verblasst der Fall wie ein Traum, und was bleibt, ist, dass sie Mitte September in Herrn Bootz' Auto vor der Schule des Mädchens sitzen und dabei zusehen, wie sie eingeschult wird, mit ihren neuen Eltern, einer Schultüte und einem riesigen Lächeln.
„Ist doch ganz gut gelaufen“, sagt Herr Bootz, und Thorsten nickt.
Herr Bootz streckt sich ein wenig, zögert, und sagt dann: „Also eigentlich... eigentlich ist es ja Brauch, dass der Ältere das Du anbietet.“
Thorsten hat zwar noch nie etwas davon gehört, aber er weiß sofort, dass das keine sehr sinnvolle Idee sein kann. „Ja“, sagt er trotzdem, und fügt hinzu: „Den hab ich noch nie verstanden.“
Sebastian grinst erleichtert, und streckt ihm seine Hand hin. „Ich bin Sebastian. Oder Basti, ist egal.“
„Thorsten“, sagt er und ergreift die Hand.
Es ist ein sonniger Septembertag und Thorsten träumt davon, für immer in Stuttgart zu bleiben.
Teil 3
Bier
Es ist ungewöhnlich sonnig, dafür, dass es November ist.
Drei Tage lang keinen Regen – wenn man von dem kleinen Schauer in der zweiten Nacht absieht, den niemand wirklich bemerkt hat, außer Thorsten – und es wirkt sich auf die allgemeine Laune aus. Nika ist fröhlich und singt irgendetwas in ihrem Büro, Daniel wird etwas öfters außerhalb der Gerichtsmedizin gesichtet, Frau Habermas trägt wieder mehr Kleider, Sebastian grinst stolz, als wäre er selbst für dieses Wetter verantwortlich, und es ist plötzlich wieder so viel angenehmer, mit ihnen zusammenzuarbeiten, so sehr, dass Thorsten fast vergisst, dass er ja noch eine andere Aufgabe hat, als Verbrecher hinter Gitter zu bringen. Frau Alvarez' Aufträge kommen nicht sehr oft, aber regelmäßig, und obwohl er weiß, dass er nur seine Pflicht erfüllt, um die Ordnung der beiden Welten zu erhalten, fühlt Thorsten sich schuldig, jedes Mal, wenn er irgendjemanden manipulieren muss. Er kennt inzwischen viele Menschen, seine Kollegen, ein paar Nachbarn, den Bäcker unter seiner Wohnung, die Kassiererin im Supermarkt, Verdächtige, Verbrecher, Angehörige, Informanten, und hat den Eindruck, dass sie schon wissen, was sie tun. Andererseits ist Frau Alvarez die mit den Computerergebnissen, denkt er sich.
Es ist also ein sonniger Freitag im November, und Thorsten hat gute Laune. Sie haben gerade einen schwierigen Fall abgeschlossen und wenn seine Berechnungen richtig sind, wird der nächste Auftrag erst wieder in circa zwei Wochen kommen.Er hat festgestellt, dass er sich in Stuttgart inzwischen fast zu Hause fühlt, und Sebastian lächelt, ein wenig abwesend, aber das ist bei ihm manchmal so, und Thorsten weiß, dass es nicht viel bringt, nachzufragen. Er überlegt also, ob es schon Zeit wäre, nach Hause zu gehen, als Sebastian aus seiner Gedankenstarre erwacht und „Wart mal“ sagt.
Noch bevor er protestieren kann, dass er ja nirgendwo hin gehen wollte, noch nicht, jedenfalls, spricht Sebastian weiter. „Also, bei mir in der Nähe ist jetzt diese neue Bar. Da könnten wir doch mal hingehen, oder?“
Thorsten blickt Sebastian an und sieht ein Lächeln, aber auch Nervosität und Hoffnung, und er nickt. „Heute, oder...?“, fragt er also, und Sebastian nickt und beginnt, seine Dinge auf dem Tisch hin und her zu schieben, und steht irgendwann auf. „Äh, kommst du dann einfach noch mal kurz mit zu mir?“, fragt er, und Thorsten zuckt mit den Schultern und sagt: „Ok.“
In Sebastians Auto hören sie wieder Radio, und Thorsten hat genug Musik gehört, um viele Lieder zu erkennen. Manchmal hat es Vorteile, nicht schlafen zu können, denn wenn die Welt still und leer und dunkel ist, kann er neue Dinge lernen, über die Geschichte des Universums, über Politik, über Popkultur, und eben auch über Musik. Und jeden Tag erkennt er mehr Dinge auf der Straße wieder.
Sebastian flucht über den Verkehr und beleidigt gelegentlich andere Fahrer und lässt ihn aus dem Fenster schauen, bis er irgendwann fragt: „Was hat dich eigentlich nach Stuttgart verschlagen?“
Thorsten weiß nicht, was er sagen soll. „Hamburg war auf Dauer ein bisschen... einseitig“, erklärt er schließlich und bringt Sebastian damit zum Lachen. „Was, wurden immer die gleichen drei Leute ermordet?“, fragt er, und Thorsten muss auch grinsen. „Nee, aber immer die gleiche Methode. Leute beschatten ohne Ende“, sagt er, und Sebastian lacht weiter.
Das Eis ist gebrochen, Sebastian fragt weiter nach Hamburg und Thorsten erzählt von seiner Chefin, von der Arbeit, von Lona. Sebastian erzählt von ihren Kollegen, von Streichen, die er Henrike zusammen mit Nika gespielt hat, von Daniels Buch. „Er wirddich noch früh genug darauf ansprechen, glaub mir“, lacht er und parkt den Wagen in einem Viertel, in dem Thorsten noch nie gewesen ist. „'Mein Dialog mit den Toten'. Er sagt immer, dass er nie weiter kommt, weil wir ihm ständig neue Kundschaft bringen“, fährt Sebastian fort, während er die Tür eines Altbaus aufschließt, und lacht wieder, ein warmes, weiches Lachen mit kleinen Fältchen an den Augen.
Während Sebastian seine Wohnung aufschließt, hat Thorsten einen kleinen Moment, um sich im Treppenhaus umzuschauen und zu entscheiden, dass er Sebastians Lachen am liebsten jeden Tag sehen würde.
Die Wohnung ist freundlich und einladend und so persönlich eingerichtet, dass Thorsten sichentschließt, Sebastian erst einmal nicht zu sich einzuladen. Nicht, dass er das nicht gerne tun würde, aber Sebastians Wohnung ist so menschlich, dass seine eigene Wohnung im Gegensatz kalt und gefühllos und unfreundlich erscheint, wie die Wohnung eines Menschen, der dort wenig Zeit verbringt und kein echtes Interesse an irgendetwas hat – wie die Wohnung eines Wächters.
„Bier?“, fragt Sebastian, reißt ihn erst aus seinen Gedanken und verschwindet dann in der Küche, und Thorsten nickt erst und sagt dann „Ja, bitte“, so laut, dass Sebastian ihn hoffentlich hört.
Dann geht er durch den Flur und ins Wohnzimmer, zu einem der Regale, und sieht sich die Bücher an: vor allem Lehrbücher über Kriminalpsychologie, Gesetzbücher, aber auch Romane, weiter unten. Krimis und Klassiker und Science Fiction. Kurz überlegt Thorsten, ob er Sebastian bitten sollte, ihm einige Romane zu leihen, aber dann beschließt er, die Bücher zu kaufen und sie nach dem Lesen in ein Regal zu stellen. Bücher machen menschlich, und genug Zeit, um zu lesen, hat er ja.
Sebastian kommt wieder, hält ihm eine Glasflasche hin und blickt ihn irgendwie erwartungsvoll an, also sagt Thorsten „Danke“ und „Gemütlich“, nicht nur, weil man so etwas hier sagt und er es so gelernt hat, sondern auch, weil er es wirklich so meint. Das Sofa passt zum Holzboden, auf den die Sonne fällt und ihn so fast golden wirken lässt, und es gibt Bilder von Landschaften an den Wänden und ein Poster von einer Band und ein Bild von einer Party, auf dem seine jetzigen Kollegen alle jünger und glücklicher wirken.
„Also, auf den Fall“, sagt Sebastian wieder, und als ihre Flaschen mit einem sanften Klonk aneinanderstoßen, treffen sich auch ihre Augen eine Sekunde lang, und Thorsten weiß nicht, was er dort sieht, und ist nicht sicher, ob er es wissen will.
Dann entschuldigt sich Sebastian kurz, und Thorsten sieht sich weiter um, sieht CDs, noch ein paar Fotos, DVDs, und ist gerade dabei, sich durchzulesen, wie die Handlung von „Manche mögen's heiß“ beschrieben wird, als Sebastian wieder ins Zimmer kommt und entspannter und anders angezogen aussieht.
„Wolln wir?“, fragt er.
Der Weg zur Bar ist nicht weit. Sie gehen zu Fuß, durch kleine Straßen, an großen Vorgärten vorbei. „Gartenzwerge sind Schwachsinn“, sagt Sebastian. Thorsten nickt zustimmend. „Das Merkwürdigste, was ich je in einem Vorgarten gesehen habe, war eine nackte Statue des Besitzers“, sagt er, und erwähnt nicht, dass er sich damit aufs antike Griechenland bezieht. Sebastian kichert erst, und fragt dann doch todernst: „Was, hast du so was nicht?“
Sie biegen in eine Seitenstraße ein, und dort ist die Bar, klein und unauffällig.
„Nachts geht’s hier richtig ab“, erklärt Sebastian, als hätte er Thorstens Gedanken gelesen, und sie setzen sich und bestellen beide ein Bier.
„Nett“, sagen sie gleichzeitig, schauen sich an und müssen beide lachen.
„Was machst du eigentlich sonst so, wenn du nicht bei der Arbeit bist oder dich mit Kollegen triffst?“, fragt Sebastian, und Thorsten weiß plötzlich, dass es ein guter Abend werden wird.
In einer anderen Bar.
Nika Banovic ist froh, dass sie wütend ist. Ihre Verabredung war um sieben Uhr. Jetzt sind es eineinhalb Stunden und zwei große Gläser Bier später, und sie würde weinen, wenn sie nicht so wütend wäre, dass alles an ihr ganz kalt ist. Irgendwie hat sie gewusst, dass er nicht kommen würde. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Um sie herum hat sich die Bar gefüllt, und Nika nimmt noch einen Schluck, um ihre Enttäuschung zu ertränken. Er hatte so nett gewirkt, und jetzt nicht einmal abgesagt... doch ein Arschloch.
Sie bemerkt die Frau erst, als sie sanft auf ihren Tisch klopft und dann „Huhu!“, sagt. Nika blickt auf und die Frau grinst und holt dann tief Luft. „Also, überall ist voll und da hab ich mich gefragt, ob ich mich zu dir setzen kann? Natürlich nur, wenn du willst, und ich hab schon überall geschaut, und zu zweit ist's sowieso witziger und...“ Ihr scheinen die Argumente auszugehen, denn sie verstummt und zuckt hilflos mit den Schultern, und Nika muss plötzlich lächeln.
„Bitte“, sagt sie und macht eine einladende Geste, und die Frau lässt sich mit einem „Danke“ auf den freien Stuhl fallen.
„Ich bin übrigens Michelle“, stellt sie sich nach einigen Sekunden der Stille vor. „Und du?“
„Nika.“
Sie schütteln sich die Hand, und Michelle lächelt. „Nika... das ist ein hübscher Name. Was machst du so beruflich, Nika?“
Nika räuspert sich. „Äh, ich bin Kriminaltechnikerin.“
Michelle horcht interessiert auf. „Oh, ich habe keine Ahnung, was man da macht, aber es klingt schon cool. Kannst du's mir ein bisschen erklären?“
Nika schüttelt den Kopf und merkt selbst, wie verbittert ihr Lachen klingt. „Das willst du nicht wissen“, sagt sie, doch Michelle stützt ihren Kopf auf ihre Hände und verkündet: „Doch. Erzähl mal“, und sieht Nika an, und Nika wird ein ganz klein wenig wärmer. Nur ein ganz kleines bisschen...
Wein
„Prost.“
„Prost.“
Ihre Gläser klingen sanft aneinander, sie sehen sich an, als sie den ersten Schluck nehmen, und Sebastian lächelt anerkennend.
Thorsten ist stolz. Er hat in den letzten paar Nächten alles über Weine gelesen, hat sich informiert, hat ein paar gekauft, und sich erst wenige Stunden, bevor er Sebastian zu sich eingeladen hat, für den richtigen entschieden. In seinem Universum ist Wein etwas für die Verwaltungsleute, und es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, ihn einfach so kaufen zu können, aber schön. So muss sich Freiheit anfühlen.
Sebastian sieht sich um, Thorsten beobachtet, wie er seinen Blick über die Wände wandern lässt, an denen er in den letzten Wochen immer mehr Bilder und Plakate aufgehängt hat, vor allem von Kunst, die ihm gefällt. Es ist ihm überraschend einfach gefallen, jetzt, wo er entschlossen hat, Dinge zu mögen, nur, weil sie schön sind, und er hat CDs gekauft, mit Musik, die er hört, wenn er nachts aus dem Fenster schaut. Er hat Bücher gekauft und sie gelesen und darüber nachgedacht, und jetzt stehen sie in seinem Regal, zusammen mit einigen DVDs, für die er noch keine Zeit gefunden hat.
„Hübsch“, sagt Sebastian, und Thorsten ist erleichtert.
Auf dem Land.
Daniel mag es, wenn Menschen seinen „Schuppen“ besuchen, einen Ort, der einfach nicht für Leere und Stille bestimmt ist, wie er einmal einer Leiche erzählt hat. Wenn seine Basketballmannschaft dort trainierte oder die Kollegen zu Besuch waren, wirkt alles viel lebendiger, die Farben heller und die Umrisse klarer.Wennnur er dort ist, ist es fast unheimlich, wie grau und verschwommen alles ist.
Als Frau Habermas also gefragt hat, ob irgendjemand von ihnen einen Platz kannte, wo man ein Grillen unter Kollegen veranstalten konnte, hatte er den Schuppen ohne zu zögern vorgeschlagen.
Es ist ein warmer Tag Anfang März, und Frau Habermas - „Heute Henrike“, hat sie verkündet – ist eine ausgezeichnete Grillmeisterin, doch das, was Daniel am glücklichsten macht, ist Nika, die in der Sonne döst und so entspannt wirkt, vor allem nach dem letzten besonders anstrengenden Fall.
Die Herren Lannert und Bootz haben sich irgendwohin verzogen, und es ist fast vollkommen still, nur der Wind flattert in ihren Haaren und ihrer Kleidung und den Bäumen und die Würstchen brutzeln.
Nika rollt sich auf die Seite und Daniel beschließt, den Wein aufzumachen, den er extra für die Gelegenheit gekauft hat, obwohl Henrike auf Bier bestanden hatte.
Wie gerufen tauchen auch die beiden Hauptkommissare wieder auf, leise lachend, und doch ist es immer noch so still, nur ein Rauschen in all ihren Köpfen.
Selbst Henrike spricht leiser, und es ist eine große Leere um sie herum, Mittagshitze, scharfer Wind.
Cocktails
Als Sebastian wieder ins Büro kommt, stutzt er. „Wo ist denn der Rest vom Fest?“, fragt er, und Thorsten muss grinsen. „Zu Hause. Feierabend“, erklärt er, und Sebastian zieht eine Augenbraue hoch. „Und du bist noch hier, weil...?“, beginnt er. „Na“, unterbricht Thorsten ihn, steht auf und beginnt, seine Sachen zusammenzupacken. „Ich hab auf dich gewartet.“
„Äh, aber ich treff mich heut noch mit Julia“, sagt Sebastian und klingt irgendwie schuldbewusst.
Stimmt, Julia. Sie ist ungefähr zu der Zeit, als Thorsten den Führerschein gemacht und sich den Porsche gekauft hat, in Sebastians Haus gezogen, genau gegenüber, und die beiden haben sich schnell angefreundet. Thorsten kann es verstehen, Julia ist nett und witzig und charmant. Julia manipuliert Sebastian nicht. Julia ist nicht nur mit Sebastian befreundet, weil sie einen Auftrag hat, um die Ordnung der Welt zu erhalten. Julia wird nicht irgendwann... in nur wenigen Monaten... gehen müssen.
Thorsten bemerkt, dass er immer noch an seinem Tisch steht und Schnörkel auf ein Stück Papier kritzelt, und Sebastian inzwischen schon fast aus der Tür ist. „Also dann, bis morgen“, sagt er, und bleibt noch ein bisschen stehen, weil ihm etwas weh tut, und weil Sebastian jetzt einfach weg ist und er nicht sicher ist, ob er einen Fehler gemacht hat.
Er fährt nicht nach Hause zurück, sondern in die Stadt, und geht ins Museum, in irgendeines, es ist ihm egal. Er läuft durch die Räume, schaut sich die Bilder an, überlegt, was sie bedeuten könnten und der Welt zeigen wollen, bevor er die Beschreibung liest, die oft auch nicht sehr hilfreich ist, und läuft weiter, bis er wieder ein Bild findet, das ihm gefällt.
„Sie stehen jetzt schon mehrere Minuten vor diesem Bild. Sie müssen ja sehr kunstbegeistert sein“, sagt plötzlich eine Stimme neben ihm, und als er sich zu ihr umdreht, steht dort ein Mann in einem bunten Hemd, der ihn neugierig ansieht.
„Ja“, sagt Thorsten heiser und räuspert sich, plötzlich verlegen.
„Wissen Sie“, der Mann kichert verlegen, „wenn Sie Fragen haben, ich bin Kunsthistoriker. Und wenn Sie etwas Zeit haben, könnte ich Ihnen alles zeigen.“
Thorsten überlegt einen Moment lang, denn er würde wirklich gerne mit jemandem über die Kunst sprechen, aber er möchte auch keine Umstände machen. Der Mann scheintdaszu spüren und sagt: „Sie können mich ja als Dank zum Abendessen einladen“, und lacht leise, also sagt Thorsten ja und stellt sich vor. Der Mann heißt Julian Siebert. „Aber nennen Sie mich Julian“, sagt er hoffnungsvoll.
Es wird ein guter Nachmittag. Julian erzählt interessante Dinge, sagt nicht nur seine eigene Meinung, hört sich Thorstens Theorien an und lächelt freundlich, so sehr, dass Thorsten ihn tatsächlich zum Abendessen einlädt. Er kennt keine Restaurants in der Umgebung, deswegen sucht Julian eine Sushi-Bar aus, in der sie Cocktails trinken und die Musik laut und hektisch ist und alle tanzen, doch es ist nicht unangenehm, und nach einigen Drinks unterhalten sie sich angeregt.
Zwei Stunden später sitzt Thorsten im Hinterhof und benutzt sein mobiles Internet, um herauszufinden, was man gegen Betrunkenheit tun kann, wenn man in der unpraktischen Situation ist, seinen Rausch nicht ausschlafen zu können. Frische Luft und viel Trinken hilft, erfährt er, also holt er sich eine Flasche Wasser aus seiner Wohnung und setzt sich dann wieder unter den Himmel und blickt in die Sterne, sucht irgendetwas, das er vergessen hat.
Irgendwann hört er Schritte, und Sebastian kommt in den Hof gestürmt und wirft sich neben ihn auf die Bank.
„Ich hab sicher ne halbe Stunde geklingelt“, sagt er und klingt aufgebracht. „Was macht du denn hier draußen?“
Thorsten seufzt nur. „Wie ist es mit Julia gelaufen?“, fragt er zurück.
Falsche Frage, und das merkt er sofort. Sebastian scheint auf einmal noch frustrierter.
„Tjaaa“, sagt er langsam, „Julia... was soll man denn sagen, wenn jemand erst sehr offensichtlich mit einem flirtet und einem erst wenn man zurückflirtet eröffnet, dass er verheiratet ist und sein Ehepartner in Mittelafrika arbeitet? 'Gut' scheint da nicht so ganz angebracht.“
Thorsten hört auf, die Sterne anzustarren, und dreht sich zu Sebastian um. „Wirklich?“
Sebastian nickt, weicht seinem Blick aus und sieht irgendwann auch hoch. Sie schweigen.
„Und jetzt?“, fragt Thorsten etwas später, doch er weiß nicht, auf was er sich bezieht, und auch nicht, wen er überhaupt fragt, Sebastian, sich selbst oder den Himmel.
„Jetzt versuch ich erst mal, sie nicht mehr so oft im Flur zu treffen“, sagt Sebastian, der sich offensichtlich angesprochen fühlt, und seufzt.
Sie sitzen noch eine Zeit lang schweigend da, dann beginnt Sebastian, von seinem Nachmittag zu erzählen, und Thorsten hört zu, und tut, wie er weiß, dass Sebastian es will, als habe er es nicht gehört.
Irgendwann fangen sie an, über die Sterne zu reden, über Sternzeichen und darüber, dass Astrologie einfach keine Wissenschaft ist, und wie unglaublich absurd es ist, dass manche Menschen ihr ganzes Leben danach richten, doch irgendwann wird es zu spät und vor allem zu kalt, obwohl es schon Juli ist.
„Wenn du Julia erst mal nicht begegnen willst, kannst du bei mir übernachten. Ich hab ein Bettsofa“, bietet Thorsten um kurz vor Mitternacht an, und Sebastian denkt einige Zeit darüber nach und nickt dann und lächelt und sagt „Danke“, und Thorsten fröstelt, weil die Luft an seiner Haut so kalt, aber sein Inneres so warm ist.
Als sie das Wohnzimmer betreten, beäugt Sebastian das Sofa etwas skeptisch. „Meinst du, das geht?“, fragt er, lässt sich prüfend darauf nieder, wippt leicht auf und ab – und dann gibt es ein lautes Krachen und Sebastian springt erschrocken auf. „Scheiße“, sagt er, und Thorsten muss grinsen.
„Gebraucht gekauft“, erklärt Thorsten, und Sebastian wirkt sofort erleichtert. „Und jetzt?“, fragt er, und Thorsten überlegt. „Also, ich habe ein Doppelbett“, rutscht ihm heraus, und dann, später, als sie beide nur noch in T-Shirts und Boxershorts dastehen und sich die Zähne geputzt haben, muss Thorsten feststellen, dass es nicht einfach ist, mit einem anderen Menschen in einem Bett zu schlafen, vor allem wenn man selbst einfach nicht schlafen kann, aber man so tun muss, als sei alles in Ordnung. Wenigstens schläft Sebastian recht bald ein, auf dem Bauch, mit dem Gesicht ins Kissen gedrückt, und Thorsten muss nicht mehr so tun, als sei er kurz davor, einzuschlafen.
Er schaut eine Zeit lang aus dem Fenster, auf die Decke, an die Decke, und überlegt, ob er sich ein Buch holen sollte, doch dann fällt sein Blick auf Sebastian neben ihm. Sein Freund sieht so entspannt aus, so friedlich, dass er nicht riskieren will, ihn zu wecken.
Er legt sich also so hin, dass er Sebastian ansehen kann, macht aber dann doch die Augen zu, und versucht, zu schlafen.
Kaffee
Um sechs Uhr morgens hält Thorsten es nicht mehr aus. Schlafen ist unmöglich, und er langweilt sich zu Tode, also steht er leise auf, duscht kurz und beginnt dann, Kaffee zu machen, leise und vorsichtig, aber anscheinend nicht leise und vorsichtig genug, denn eine halbe Stunde später kommt Sebastian in die Küche geschlurft, wirft ihm einen irritierten Blick zu und schlurft dann weiter in Richtung Badezimmer. Als er zehn Minuten später wieder in der Küche steht, sieht er etwas wacher aus, trägt aber nur die Jeans, die er auch am Tag davor getragen hat. Thorsten weiß nicht, was er denken soll, außer, dass Sebastian wirklich gutaussehend ist, und dann drückt er ihm einfach einen Becher Kaffee in die Hand und geht die Milch suchen, und Sebastian murmelt „Danke“ und lässt sich am Küchentisch nieder.
Die Sonne fällt in weichen Linien auf den Boden und die Stille zwischen ihnen ist nicht unangenehm... geladen, aber mit Wärme und -
„Du bist mein bester Freund“, will Thorsten sagen, doch das würde es nicht treffen, es würde die Wärme, die er in Sebastians Nähe spürt, noch nicht mal zur Hälfte erklären.
Sebastian sieht auf und schenkt ihm ein verschlafenes Lächeln, und Thorsten beschließt, dass eine Erklärung erst einmal gar nicht notwendig ist.
Teil 4
Juli
Auf der Fußmatte liegen zwei Briefumschläge.
Thorsten bückt sich, um sie einzusammeln, und muss noch nicht einmal genauer hinsehen, um zu wissen, von wem sie stammen – Lonas große, offene Handschrift würde er überall wiedererkennen, und der andere Umschlag ist so weiß, dass er nur von der Verwaltung stammen kann.
Er legt sie auf den Küchentisch und beginnt, seinen Einkauf einzuräumen. Dann bekommt er eine Nachricht von Sebastian und setzt sich ins Wohnzimmer, um sie zu beantworten, findet ein Buch, das er noch zu Ende lesen muss und über das er lacht und weint, und als ihm die Briefe wieder einfallen, ist es schon fast Abend und die Sonne nähert sich schon gefährlich den höchsten Häusern Stuttgarts.
Thorsten seufzt.
Er steht auf, geht die Briefe holen, setzt sich wieder ins Wohnzimmer, sieht sie vorwurfsvoll an.
Der letzte Auftrag ist erst einige Wochen her. Unspektakulär, und er ist froh darüber, denn je länger er von seiner Welt weg ist, desto unwohler ist ihm bei den Gedanken, Menschen zu manipulieren, aber da es ja seine Pflicht ist, erleichtert es ihn, wenn es keine große Angelegenheit ist, und er hofft, dass es auch jetzt so ist.
Er macht sich also Mut und fängt erst einmal mit Lonas Brief an. Er ist froh, mal wieder etwas von ihr zu hören, sie hat sich eine lange Zeit nicht gemeldet, und vielleicht wird er jetzt endlich einmal erfahren, was sie getrieben hat.
Sie beginnt mit ihrem üblichen geschwungenen „Lieber Thorsten“, doch dann wird ihre Schrift hektischer, unordentlicher, und als Thorsten überfliegt, was sie schreibt, wird ihm fast übel.
„Ich habe etwas herausgefunden“, schreibt Lona. Ihre Tintenfarbe ist grün, wie die Hoffnung, aber ihre Worte... „Deswegen war ich so oft nicht da, ich hab mich mal ein bisschen in der Verwaltung umgesehen, mit so was rechnen die ja gar nicht.“
„Lona...“
„Du weißt doch, dass die Computerergebnisse ausgewertet werden müssen, damit die Erde nicht aus Versehen zerstört wird, und dass die Verwaltung dafür verantwortlich ist, dass die beste Option für alle ausgewählt wird“, schreibt Lona, und die Welt dreht sich um Thorsten herum schneller, als er die nächste Zeile liest. „Das tun sie aber nicht. Sie wählen die einfachste Lösung aus. Ihnen ist alles total egal!“
Er nimmt beide Briefe mit sich, als er auf die Straße geht.
Es ist noch nicht ganz dunkel, die Luft ist noch warm, und es laufen Menschen durch die Straßen, Familien, Freundesgruppen, Pärchen, lachend und sorglos, nicht wissend, dass sie ihr eigenes Leben nicht in der Hand haben. Obwohl...
Viele werden auch nicht beeinflusst. Die Straße ist ruhig und die Menge fließt, und Thorsten kann nichts entdecken, das auf einen Einsatz hinweist. Und es passiert nichts Schlimmes. Die Menschen gehen nicht aufeinander los, sie machen keine Fehler, sie tun nichts, um die Welt zu zerstören. Die Menschen wissen, was sie tun, und selbst, wenn etwas schiefläuft, versuchen sie, den Schaden zu beheben.
Die Menschen treffen jede Minute, jede Sekunde eigene Entscheidungen, leben ohne Absicherung, aber haben keine Angst, sie sind glücklich. Viele kümmern sich darum, ihre Welt sicherer zu machen, organisieren sie, wollen in Sicherheit leben, aber geben diese auf, wenn es sich wirklich lohnt, und folgen ihren Träumen.
Das System ist nicht mehr notwendig, und Thorsten sitzt auf einer Parkbank und wünscht sich, er wäre nicht der einzige, der das so sieht. Wünscht, er könnte einfach nach Hause gehen und Bücher lesen, sich mit Sebastian treffen, seinen Job machen, der ihm so viel wichtiger ist als der, der ihn in seiner eigenen Welt erwartet.
Er hat noch einen Monat, bevor er dorthin zurück muss, er kann spüren, wie die Müdigkeit ihm in den Knochen sitzt, und weiß, dass er nicht in h-0001 überleben könnte– er überschlägt im Gedanken, wie viel Zeit sein Körper ohne Schlaf überleben kann, und es können nicht mehr als ein paar Wochen sein. Aber jetzt, wo er weiß, wie viel lebendiger hier alles ist, weiß er auch nicht, ob er in seiner eigenen Welt noch leben kann, und erst recht weiß er nicht, wie er Sebastian erklären soll, dass er geht – Versetzungen hin oder her, wie soll er ihm sagen, dass sie keinen Kontakt haben können, dass er einfach weg sein wird?
Es wird ihnen beiden weh tun, aber er kann nichts dagegen tun.
Thorsten spielt mit dem Gedanken, einfach nach Hause zu gehen und seinen letzten Lebensmonat zu genießen, ohne Sorgen und vollkommen frei, doch dann seufzt er, denn es würde ihm rein gar nichts bringen.
Also öffnet er den weißen Umschlag, hoffend, dass es irgendetwas Unwichtiges ist, was seine Schuldgefühle nicht noch mehr wachsen lassen wird.
„Sehr geehrte Herr Lannert“, sagt die erste Zeile, schwarz auf weiß gedruckt, und dann seine Anweisungen, und die Buchstaben verschwimmen vor seinen Augen, bevor er wirklich etwas lesen kann, denn er hat plötzlich ein sehr, sehr schlechtes Gefühl, doch dann ist der Fokus wieder da.
„Autounfall“, steht da, ein paar Zahlen, dann, „resultierend im Tod von Sebastian Bootz'“, und Thorsten schließt die Augen und versucht, seine Gedanken zu ordnen, zu viele Informationen und Gedanken schießen durch seinen Kopf-
Er öffnet die Augen wieder.
Vor ihm liegt der Park, dunkel, raschelnd, und der Gedanke, so zu tun, als sei das alles, was existiert, Dunkelheit und Bäume und kleine Lichter, dort wo Häuser stehen, ist sehr verlockend.
Er sieht den Brief an, schwarz auf fast glänzend weiß, und dort steht es immer noch. Sebastian Bootz muss sterben.
Doch das kann nicht sein. Es muss einen Fehler geben-
Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass es einen Fehler gegeben hat, wenn Lona Recht hat.
Es muss eine bessere Lösung geben, es muss eine Möglichkeit geben, dass alle überleben können – es muss eine Möglichkeit geben, das System zu stoppen, für immer oder nur dieses eine Mal. Er hat gelernt, dass es schwer ist, Kriminalität aufzuhalten, man kann eine Person fest nehmen, aber die Organisation arbeitet weiter weiter, und auch jetzt weiß er, dass die Angst und das Bedürfnis, alles zu kontrollieren, viel zu tief in der Gesellschaft seiner Welt verankert ist, dass das System zwar für alle Beteiligten schädlich ist, doch dass keiner eine Alternative sieht...
Es ist dunkel, aber Thorstens Wut brennt hell, als er aufsteht, den Brief zurück in seine Jackentasche stopft und durch den Park zurück zu seiner Wohnung läuft. Wie können sie es wagen, das Wohl der Menschheit zu vernachlässigen, aus Angst, aus Faulheit? Wie können sie es wagen, Entscheidungen für Menschen zu treffen, die die gleichen Rechte wie sie haben sollten und dem System nie zugestimmt haben? Und wie können sie es wagen, dann auch noch faule, einfache Wege zu finden, wo viel bessere möglich wären?
Vor seiner Haustür bleibt er stehen und überlegt.
Was kann er wirklich tun?
Eine Jahrhunderte alte Regierung zu stürzen ist nichts, was man von heute auf morgen beschließen sollte. Man wacht nicht eines Morgens auf und denkt sich: „Heute werde ich meine Welt verändern.“
Und ist es überhaupt notwendig?
Erst, als er von einem Nachbarn unsanft zur Seite geschubst wird, fällt ihm wieder ein, für wen das System gerade die größte Gefahr darstellt.
„Ruft man nicht normalerweise vorher an, wenn man jemanden besuchen will?“, sagt Sebastian, als er Thorsten die Tür öffnet, aber er klingt nicht wütend.
Jetzt, wo Sebastian vor ihm steht, weiß Thorsten nicht mehr, was er sagen soll.
„Kann ich reinkommen?“, fragt er also erst mal, und Sebastian zuckt mit den Schultern. „Klar“, sagt er und macht ein paar Schritte zurück.
Und so sitzen sie in Sebastians Wohnzimmer und dieser sieht Thorsten erwartungsvoll an.
„Also?“, fragt er nach einiger Zeit, und Thorsten seufzt und blickt Sebastian an, verwuschelt und besorgt und müde, und weiß, dass die Regierung nichts unversucht lassen wird, wenn sie ihn wirklich tot sehen wollen, und dass es nicht reicht, ihm einfach nur zu sagen, dass er für die nächsten paar Tage das Haus nicht verlassen darf.
Was sind seine Alternativen? Nicht viele.
„Ich stamme aus einem Paralleluniversum, dessen Regierung gerade versucht, dich loszuwerden“, sagt er also.
„Du verarscht mich“, sagt Sebastian, und klingt plötzlich doch etwas wütend.
Eine Stunde später
Sebastian sieht blass aus. Thorsten nimmt an, dass das eine normale Reaktion für Menschen ist, die gerade erfahren haben, dass sie nicht allein auf dieser Erde sind und ihr ganzes Leben lang von unsichtbaren Kräften gesteuert worden sind.
„Und was hat das jetzt mit mir zu tun?“, fragt er, und Thorsten hält ihm wortlos den Brief hin.
Sebastian überfliegt ihn, steht dann auf und beginnt, langsam durch sein Wohnzimmer zu laufen.
„Ach ja, genau. Du bist ja nur hier, um mich dazu zu bringen, das zu tun, was deine Regierung will“, sagt er, mit der kalten Stimme, die er sich normalerweise nur für die schlimmsten Mörder aufhebt.
Thorsten möchte sich verteidigen, sagen, dass es nicht stimmt und dass da jetzt so viel mehr ist, Freundschaft und Wärme, doch Sebastian dreht ihm den Rücken zu und er schweigt.
„Und jetzt nicht mehr, oder was?“, fragt Sebastian. „Jetzt hast du's dir anders überlegt?“
Es tut weh, in der Brust, im Kopf, in den Fingerspitzen.
„Sebastian, wir sind Freunde“, beginnt Thorsten, doch Sebastian unterbricht ihn. „Ach ja. Und deswegen hast du mir nie was erzählt.“
„Was hätte ich dir denn erzählen sollen? Du hättest mir nicht geglaubt“, versucht er, zu erklären, und Sebastian rollt mit den Augen. „Jetzt hast du's ja auch geschafft“, sagt er.
Thorsten stöhnt. „Es hätte dich in Lebensgefahr gebracht. Jetzt bist du sowieso schon in Lebensgefahr.“
„Super. Klasse“, sagt Sebastian und wirft sich wieder aufs Sofa. „Und was hast du jetzt vor? Wirfst du mich vors Auto?“
Thorsten schüttelt den Kopf.
Sebastian sieht ihn wütend an. „Na, du bist hier der mit dem geheimen Wissen über Parallelwelten und Schicksal“, sagt er und lehnt sich zurück.
Und Thorsten überlegt.
Es fühlt sich so an, als würde die Sorge um Sebastian seinen ganzen Kopf füllen, aber er kann auch spüren, wie es in seinem Hinterkopf weiterarbeitet.
Er weiß, wie groß das Bedürfnis nach Sicherheit der Bewohner seiner Welt ist, und dass sie nicht einfach auf ihr System verzichten können, dass sie nicht verstehen, wie selbstständig die Menschen sind – wenn sie es nicht selbst sehen.
„Es gibt einen Alarm, den ich in der Verwaltungszentrale auslösen könnte. Dann würde mein Universum evakuiert werden und die Bewohner würden mit dieser Welt konfrontiert werden“, sagt er, und Sebastian schnaubt. „Und dann was? Alle verstehen, dass es nicht gut ist, Menschen zu manipulieren, und alles wird gut?“
„Vielleicht“, antwortet Thorsten und Sebastian gibt irgendein wütendes Geräusch von sich. „Dann komm ich aber mit“, sagt er, und Thorsten will protestieren, doch dann fällt ihm ein, dass Sebastian in seiner Welt nicht durch irgendeinen blöden, regierungsbestimmten Unfall sterben kann, und nickt nur.
Mehrere Stunden später
Die Morgensonne scheint sanft auf die Karte von Stuttgart, die Sebastian in seinem Regal gefunden hat.
„Also liegt das Verwaltungsgebäude, zu dem wir müssen, da drüben?“, fragt er und sieht Thorsten etwas skeptisch an, denn die Stelle, auf die er zeigt, sieht vollkommen leer aus.
Thorsten nickt.
„Okay“, sagt Sebastian entschlossen und klappt die Karte wieder zusammen. „Dann fahren wir jetzt einfach...“Ihm scheint wieder einzufallen, wieso Autofahren gerade jetzt eine schlechte Idee ist, und er verstummt.
Thorsten hat auf Sebastians Sessel gesessen und darüber nachgedacht, wie schön es wäre, schlafen zu können, doch jetzt meldet er sich zu Wort. „Es wäre taktisch gesehen besser, durch mein Universum zu gehen. Wächter achten mehr auf diese Welt als auf ihre eigene und die Unfallgefahr ist weniger groß“, erklärt er, und Sebastian nickt. „Na dann mal los.“
In f-0001
Es ist staubig und grau und Thorsten kann erst fast nicht atmen, aber Sebastian sieht fasziniert aus -
natürlich, denn eine neue Welt ist eine neue Welt, egal, ob man weiß, wie negativ, manipulativ oder gefährlich sie ist. Erst einmal sieht man nur das Gute, die grauen Schlieren dort, wo der Himmel sein könnte, die fast schön wirken, wenn man sie nicht tagaus, tagein sehen muss und weiß, aus was sie wirklich bestehen, die ordentlichen Häuser, die geraden Straßen, die leuchtende Energiezentrale am Horizont wie eine aufgehende Sonne. Thorsten weiß zu viel, um den Anblick zu genießen, und doch kann er nicht verhindern, dass er sich auf eine merkwürdige Weise zuhause fühlt.
Er hat immer viel zu tun gehabt, ist durch die Gassen gehastet, und hat nie gemerkt, wie grau seine Welt ist, wie erstarrt, vielleicht vor Angst.
Mit dem Wissen kommt die Angst, erst mit der Weisheit kommt die Ruhe, denkt er, und macht den ersten Schritt.
Das Verwaltungsgebäude liegt im Süden, hat er Sebastian erklärt, aber für ihn sind die Himmelsrichtungen nicht wichtig, um zu wissen, wo sie hin müssen, er kennt die Strecken jetzt schon seit einigen Jahrhunderten auswendig. Sebastian folgt ihm schweigend.
„Du bist immer noch sauer“, stellt Thorsten schließlich fest, und Sebastian bleibt abrupt stehen.
„Neeein“, sagt er langgezogen und schüttelt heftig den Kopf. „Wie könnte ich auf einen Mann wütend sein, der sich so sehr um mich sorgt, dass er mein Leben manipuliert? Auf jemanden, der so liebevoll...“
Thorsten seufzt. Wenigstens fängt die Müdigkeit an, weniger zu werden, denkt er und versucht, Sebastians Monolog auszublenden.
„... Ich kann sogar schon deine Flügel sehen. Mein kleiner Schutzengel!“, vollendet Sebastian gerade, und Thorsten muss wider Willen lachen.
Es ist fast zu einfach, den Alarm auszulösen, den Sebastian noch nicht einmal hören kann, Thorsten aber förmlich im Blut spürt. Die Verwaltung erwartet keine Bedrohung von innen, und so ziehen sie sich in ein leeres Büro zurück und hören Schritten und verärgerten, verwirrten Stimmen beim Vorbeilaufen zu.
„Und jetzt was? Irgendwann merken die doch, dass keiner von ihnen den Alarm ausgelöst hat“, fragt Sebastian.
Thorsten zuckt mit den Schultern. „Vor circa zweihundert Jahren wurde eine Notfallversiegelung gebaut. Die schauen wir uns mal an“, sagt er, und verlässt das Büro.
Alle Straßen führen nach Rom, sagen die Menschen, und im Verwaltungsgebäude führen alle Flure zum Zentralbüro, sie müssen einfach einem von ihnen folgen.
„Oh Mann, hier müssen ja echt viele Leute arbeiten“, stellt Sebastian fest, als sie an der hundertsten Tür vorbeikommen. „Wieso haben wir keine Massenpanik ausgelöst?“
„Die meisten Büros sind nicht belegt“, erklärt Thorsten, doch verschweigt den Grund dafür. Sebastian muss nichts von ihrer Fast-Unsterblichkeit, der doch überraschend hohen Todesrate und den immer weniger werdenden Geburten wissen. Es ist schließlich nicht sein Universum.
Das Zentralbüro ist nicht abgeschlossen – klar, wer würde erwarten, dass jemand während einer Weltenevakuierung einbricht? -, hell erleuchtet und riesig, Stühle sind vom Tisch abgerückt, leere und volle Becher mit Kaffee, Wein und Bier stehen überall herum.
„Oh Mann“, sagt Sebastian, und sieht einen Moment lang fast begeistert aus, als er auf die riesigen, blinkenden Computer zeigt, so modern und doch so verstaubt und verschmiert.
Auf den Bildschirmen laufen immer noch Sätze in einer atemberaubenden Geschwindigkeit auf und ab, weiß auf schwarz, und Thorsten wird fast schwindelig, als er sie länger betrachtet.
Sebastian ist ruhig geworden, und Thorsten will fragen, ob alles ok ist, als sein Partner losstürmt, einen der Computer vom Tisch reißt und beginnt, auf ihn einzutreten.
„Sebastian!“
Sebastian sieht auf. „Was“, sagt er, keine Frage, sondern eine Herausforderung. „Die Dinger sind doch an allem schuld, oder?“ Er tritt noch einmal zu und fügt dann „Und außerdem nicht sehr stabil“ hinzu.
Thorsten seufzt, er kann Sebastian keine Vorwürfe machen. Es geht hier schließlich nicht nur um ihn, sondern um alle Bewohner seiner Welt, die unter Maschinen leiden, ohne es zu wissen. Er überlässt ihm also die Zerstörung der Computer, während er selbst sich weiter im Raum umsieht.
Den Schaltkasten, um die Versiegelung zu aktivieren, findet er fast sofort, dass die Versiegelung heißt, dass er erst einmal in f-0001 bleiben muss, sagt er Sebastian nicht.
Er entdeckt einen Schrank am Ende des Zimmers, öffnet ihn und ist froh, dass er nicht hier ist, um aufzuräumen, denn den Haufen Gerümpel, der sich über mehrere Regalbretter verteilt, würde er niemandem zumuten wollen. Und doch beginnt er, sich ein bisschen durch die verschiedenen Objekte, die sich stapeln und Staub ansetzten, zu graben, in der Hoffnung, das zu finden, was er sucht, etwas, das seine Aufgabe um einiges erleichtern würde, etwas, das ihm ermöglichen würde, die Versiegelung zu durchbrechen...
„Herr Lannert! Sie suchen sicher das hier“, hört er hinter sich, und während er sich umdreht, fragt er sich noch, wie man auf Absätzen so leise laufen kann, denn Emilia Alvarez steht im Raum, hat einen Versiegelungsschlüssel in der Hand und sieht sehr, sehr wütend aus.
„Herr Lannert, wissen Sie eigentlich, was Sie hier tun?“, fragt sie, und er hat nicht die Zeit, zu antworten, dass er genau weiß, was er hier tut, danke der Nachfrage, denn sie spricht sofort weiter, ihre eigene Frage beantwortend und den Schlüssel in ihre Jackentasche steckend. „Sie zerstören das, was uns am Leben erhält. Ohne diese Computer wären wir schon lange alle tot.“ Sie fährt sich durch die Haare, mit der linken Hand... Thorstens Blick wandert an ihrem rechten Arm hinunter und er zuckt zusammen, als er eine Pistole in ihrer Hand sieht, noch auf den Boden gerichtet.
„Sie wissen von unserer Geburtenrate, ja? Wir sterben aus“, sagt Emilia Alvarez. „Wir müssen unsere Leute schützen. Und Sie wagen es, einen Evakuierungsalarm auszulösen und einen unbedeutenden Bewohner einer h-Welt hierhin mitzunehmen, sie wissen doch, es gibt Milliarden von ihnen-“
„Hände hoch“, sagt Sebastian, entwindet die Waffe aus Frau Alvarez' Händen und richtet ihr seine eigene gegen den Kopf. „Machen Sie keinen Scheiß, ich hab heut echt nen schlechten Tag gehabt.“
Thorsten steht immer noch etwas verwirrt am Schrank, doch Sebastian zieht Handschellen aus der Tasche, legt sie Frau Alvarez an und sagt: „Ich kann Sie nicht festnehmen, aber...“ Er überlegt einen Moment lang und fügt dann hinzu: „Aber ich kann Sie davon abhalten, das zu tun, was auch immer Sie tun.“
Frau Alvarez funkelt ihn böse an. „Das wird ein Nachspiel haben, da können Sie sicher sein“, sagt sie, aber Sebastian sieht ganz und gar nicht beeindruckt aus und funkelt nur genauso böse zurück.
Gefühlte hundert zerstörte Computer später
Sebastian ist nicht mehr wütend, sondern einfach nur noch müde. Frau Alvarez hat sich in eine Ecke gesetzt und sieht immer noch stark verärgert aus. Thorsten hat den Versiegelungsschlüssel an sich genommen und herausgefunden, wie er funktioniert, und als sie alle wieder in Sebastians Wohnzimmer stehen und sie wieder leichter atmen können und die Sonne ihre Schatten an die Wand wirft, sind sie erleichtert.
„Ist doch ganz gut gelaufen“, sagt Sebastian, und Thorsten nickt.
Emilia setzt sich unaufgefordert aufs Sofa und blickt demonstrativ an ihnen vorbei, also ziehen sie sich in die Küche zurück, um zu entscheiden, wie sie vorgehen sollen.
„Also eigentlich hätten wir uns das mal vorher überlegen können“, sagt Sebastian, während er ihnen Wasser einschenkt. „Hast du nicht gesagt, dass ihr sterbt, wenn ihr nicht in euer Universum zurückkommt, oder so?“
Thorsten winkt ab und nimmt sein Wasser dankend entgegen. „Erst in einem Jahr, mehr oder weniger. Wir haben Zeit.“
„Aber irgendwann müssen alle in ihr Universum zurück, und was dann?“, fragt Sebastian und nimmt einen Schluck Wasser. „Die Leute haben doch keine Ahnung, an wen sie sich wenden sollen.“
Thorsten überlegt. „Die Kommunikationszentralen haben nichts mit dem Schicksalsberechnungssystem zu tun, sind also höchstwahrscheinlich noch intakt. Und da jeder Bewohner von f-0001 ein tragbares Kommunikationsgerät mit sich trägt, wie dieses hier“, sagt er langsam und zieht sein eigenes aus seiner Hosentasche, "kann man sie alle erreichen."
„Klingt logisch“, grinst Sebastian, und fügt dann hinzu: "Aber du könntest es auch einfach 'Handy' nennen."
Thorsten verzieht das Gesicht, aber damit ist es erst einmal geklärt, und sie stehen noch ein wenig länger schweigend in der Küche und trinken ihr Wasser.
Thorsten fragt sich, ob Sebastian ihm wohl jemals wieder vertrauen kann.
Teil 5
Fast ein Jahr später
Es ist Freitagabend, die Sonne ist noch nicht ganz untergegangen, und sie sitzen im Park und sehen den Hunden beim Herumschnüffeln zu.
„Also“, sagt Sebastian, und Thorsten schlägt sein Notizbuch auf.
„Wir haben 1876 Leute kontaktiert. Von 1842 haben wir bis jetzt eine Antwort“, fasst Sebastian zusammen. Thorsten schüttelt den Kopf. „1843. Laura Högele hat sich heute Morgen gemeldet“, verbessert er.
Sebastian nickt, sammelt ein Steinchen vom Boden auf und versucht, damit einen Mülleimer auf der anderen Seite des Weges zu treffen. „Und bis jetzt sind 1567 wieder in f-0001. Die restlichen müssen bis nächste Woche auch für mindestens fünf Tage dorthin, um zu überleben. Stimmt's?“
Thorsten nickt und kritzelt eine Ecke des Notizbuches voll. „Und von 34 Leuten wissen wir immer noch nichts. Aber wenn sie ihre Kommunikationsgeräte zerstören, können wir ja auch nichts machen.“
Sebastian nickt.
Thorsten blickt in den rosa-hellblauen Himmel und seufzt. Er wünscht sich, etwas für die 34 tun zu können, doch sie haben klar genug gemacht, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollen.
Auch Sebastian sieht nicht gerade glücklich aus, doch irgendwann bricht er das Schweigen mit einem „Tja, dann haben sie halt Pech gehabt“.
Es klingt angespannt, aber es ist ein Anfang.
„Hast du Lust, noch auf ein Bier mit zu mir zu kommen?“, fragt Thorsten.
„Klar“, sagt Sebastian und grinst.
Epilog
Sieben Monate später
Es ist ein kalter Wintermorgen, die Straßen Stuttgarts gerade erst leicht grau, als Thorsten sich auf den Weg ins Präsidium macht. Er weiß, dass es viel zu früh ist, doch er kann nicht länger in seinem Wohnzimmer sitzen und lesen, wenn es draußen Schnee und Frische und so viel zu sehen gibt. Zwar erinnern ihn die grauen Schlieren der Wolken an f-0001, wie es früher war, doch die Luft ist so frisch und hart, dass er es genießen kann, durch die Straßen zu laufen und zu beobachten, wie der Himmel immer heller wird.
Das Eis knistert unter seinen Schuhen, so laut, dass er den Fremden erst bemerkt, als sie schon zusammengestoßen sind.
„Tschuldigung“, sagt er und macht einen Schritt zurück, um zu sehen, wer vor ihm steht.
„Tut mir leid“, sagt der Mann gleichzeitig und lächelt entschuldigend. Schwarzer Mantel, schwarzer Anzug, nur das Gesicht ist ein blasser Fleck, die Augen durch eine Sonnenbrille verdeckt...
Thorsten denkt immer noch an die Begegnung und die Sonnenbrille, als er eine Stunde später in seinem Büro sitzt, auf Sebastian wartet und versucht, mental den aktuellen Fall noch einmal durchzugehen.
Wieso Sonnenbrille an einem bewölkten Wintertag? Wieso ist er ihm nicht ausgewichen?
Thorsten seufzt undbeschließt, Sebastian jetzt doch anzurufen. Er kann schließlich auch nicht einfach kommen, wann es ihm passt. Er greift also in seine Jackentasche, auf der Suche nach seinem Handy, und fühlt dort, als er es hervorzieht, auch noch ein Stück Papier, das auf den Boden fällt.
Er legt das Handy auf den Tisch ab und sammelt die – wie er erkennt – Visitenkarte auf.
Schwarz auf weiß, in einer Schrift, die ihm viel zu bekannt vorkommt, steht dort:
„Vereinigung zur Wiederherstellung der Weltenordnung und des Zukunfterkennungssystems“, und in kleinerer Schrift eine Adresse.
Er dreht die Karte herum und dort steht es.
„Rufen sie Herrn Bootz an. -Victor De Man“
Und in diesem Moment beginnt Thorsten, sich zu erinnern.
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redrosesinc · 10 years
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crimescenedreamteam: 16 - 22 - 40 - 50; choose one or do all
I just did 22 and I'm not writing anything about exes or divorces right now (sorry!) so I'm just going ahead and writing 16 now :)
Es ist 19 Uhr, als es an der Tür klingelt und Thorsten überrascht von seinem Buch aufsieht. Er erwartet niemanden, und vor allem kennt er fast niemanden in dieser Stadt, der ihn besuchen könnte, und doch ist er so neugierig, dass er die Tür öffnet. Ein junger Mann mit einem nervösen Lächeln steht davor. "Äh. Hi", sagt er, und sieht absolut blendend aus. "Ich, äh, habe gesehen, dass sie hier eingezogen sind, und hab gedacht, ich stell mich mal vor. Ich bin Sebastian.""Thorsten", sagt er."Also, wenn sie mal was brauchen, ich wohn gleich nebenan", erklärt Sebastian, und lächelt wieder strahlend. "Vielleicht sieht man sich ja mal im Treppenhaus", sagt er dann, als Thorsten es nicht schafft, noch einen Ton herauszubringen, dreht sich um und winkt nochmal, als er seine Tür schließt."Tschüss", sagt Thorsten geistesgegenwärtig, geht ins Wohnzimmer und vergräbt das Gesicht in den Händen. So ein gutaussehender Nachbar hat ihm gerade noch gefehlt.
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redrosesinc · 10 years
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For the AU thing: Lannert/Bootz, 22.
I can't send it to you to beta it because I wrote it for you so uh
Let me just say that it's one of the weirdest things I've ever written.
22. two miserable people meeting at a wedding au
Natürlich wird man immer gerade dann zu Hochzeiten eingeladen, wenn man selbst gerade verlassen wurde. Das Universum hat einen merkwürdigen Sinn für Humor, denkt Sebastian, und trinkt einen weitern Schluck Sekt - das einzige alkoholische Getränk, das er bei diesem Empfang bestellen konnte, obwohl er eigentlich etwas sehr viel Stärkeres gebraucht hätte."Mann, Sebastian, jetzt entspann mal", sagt Nika neben ihm und stupst ihn an, doch er starrt weiterhin trübsinning von der Terrasse. "Ist es wegen Julia oder was?"Er gibt keine Antwort. Nika seufzt. "Warte mal", sagt sie, und verschwindet in den Innenbereich.Sebastian starrt ihr nach und beginnt, sich zu fragen, wieso alle ihn verlassen, als sie schon mit einem verwirrt aussehenden Mann im Schlepptau wieder auftaucht. "Ich geh kurz zu Emilia. Unterhaltet euch", fordert sie, und dann ist sie auch schon wieder weg.Sebastian wirft dem Mann einen kurzen Blick zu."Hi", sagt er schließlich, und streckt ihm seine Hand hin. "Sebastian", sagt er."Thorsten", sagt der Mann, schüttelt die Hand und lächelt.Sebastian nickt und blickt dann wieder in die graue Landschaft."Sieht nach Regen aus", sagt der Mann, Thorsten, und lehnt sich neben ihn ans Geländer. "Und sie sehen nicht so aus, als würden sie besonders Spaß haben", fährt er fort.Sebastian zuckt mit den Schultern. "Würden sie Spaß bei einer Hochzeit haben, wenn sie gerade verlassen worden wären?", fragt er.Jetzt zuckt auch Thorsten mit den Schultern. "Keine Ahnung", meint er. "Aber vielleicht lernen sie ja jemanden kennen. Bei Hochzeiten sind alle lockerer und romantischer gestimmt..." Er deutet etwas hilflos in Richtung der Menschenmenge, die am Kuchenbuffet steht.Aus irgendeinem Grund muss Sebastian doch ein bisschen lachen. "Sie schlagen vor, dass ich eine Brautjungfer aufreiße, oder was?", fragt er.Thorsten schaut ihn ernst an. "Muss ja nicht unbedingt eine Brautjungfer sein".Sebastian grinst, doch anstatt tatsächlich nach einer Brautjungfer zu suchen, bleibt er neben Thorsten stehen, der inzwischen auch dazu übergegangen ist, ins Tal zu blicken."Sind sie eigentlich auch bei Hochzeiten lockerer und romantischer?", fragt er irgendwann.Thorsten blickt etwas überrascht auf, doch dann lächelt er. "Vielleicht."
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redrosesinc · 10 years
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cricrithings Du hast mir mal prompts gegeben und jetzt habe ich etwas geschrieben :)
Danke an didthedevilturnup für's Betalesen <3
Prompt: Lippenstift "Du, Papa?", fragt Maja und blickt ihn bittend an. "Ja?", fragt er zurück, obwohl er weiß, dass ihr Verhalten nichts Gutes heißen kann: Entweder hat sie etwas angestellt, oder sie möchte etwas von ihm.  "Also, die anderen in der Schule sagen, dass ich Schminken üben muss. Und Mama ist nicht da und Henri will nicht, aber es ist dringend!", erklärt sie. Sebastian schwant Böses. Nach wochenlangen Diskussionen haben sie Maja schließlich erlaubt, sich zu schminken, doch irgendwie klingt das hier anders.  "Darf ich bei dir üben? Bitte bitte?", fährt Maja fort, und Sebastian will nein sagen - es ist ihm unangenehm, wenn jemand in seinem Gesicht herumfuhrwerkt, auch, wenn dieser Jemand seine Tochter ist -, doch dann fällt ihm ein, dass er in den letzten Wochen fast nicht zu Hause gewesen ist, um Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, und er gibt seufzend nach. Als Thorsten später am Abend klingelt, um mit ihm Wein zu trinken, und den Fall noch einmal durchzusprechen, ist Maja gerade fertig geworden und betrachtet stolz ihr Werk. Sebastian wirft seinem Partner einen warnenden Blick zu, und dieser unterdrückt sein Grinsen und sagt nur: "Schicker Lippenstift." Prompt: Linsen und Spätzle. "Natürlich kann ich das kochen", sagt Sebastian und wirf erneut ein Papierkügelchen in Richtung Papierkorb. "Ach ja?", fragt Thorsten spöttisch grinsend, denn sein Partner hat eindeutig daneben geworfen.  "Zweifelst du an meinen Fähigkeiten?", fragt Sebastian zurück. Er muss Thorsten ja nicht auf die Nase binden, dass er tatsächlich noch nie selbst Linsen und Spätzle gekocht hat, aber das kann doch nicht so schwer sein, schließlich kann er ja auch Nudeln kochen, und das hat bis jetzt immer geklappt.  Thorsten nickt betont ernsthaft. Sebastian knüllt einen weiteren Zettel zusammen. "Ich könnte dir dein fehlendes Vertrauen verzeihen, wenn du morgen zum Abendessen zu mir kommst und zugibst, dass ich das sehr wohl kochen kann", sagt er schließlich, und zielt.  "Daneben", sagt Thorsten. Doch als er am nächsten Tag das Essen probiert, ist er erst sprachlos und fragt dann: "Hast du noch andere geheime Talente, von denen ich wissen sollte?" Sebastian grinst nur geheimnisvoll.  Prompt: Rückenschmerzen Als Sebastian den Hörer wieder ablegt und demonstrativ seufzt, wirft Thorsten ihm einen fragenden Blick zu und hebt die Augenbrauen.  "Meine Mutter hat Rückenschmerzen, muss jetzt aber unbedingt ihren Schrank ins andere Zimmer geschoben haben", verkündet Sebastian, steht auf, und streckt sich. "Und natürlich muss ich dann her. Du kommst hier alleine klar, oder?" Thorsten nickt und sieht Sebastian dabei zu, wie er sich einen Schal um den Hals wickelt und gleichzeitig versucht, seine Sachen zusammenzupacken.  "Wann stellst du mir eigentlich mal deine Eltern vor?", fragt er plötzlich, als Sebastian sich gerade seine Jacke geschnappt hat und aus dem Raum stürmen will. "Wenn wir heiraten", erwidert Sebastian und winkt zum Abschied.  Thorstens erschrockenes Gesicht bemerkt er nicht mehr.
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redrosesinc · 10 years
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Who wants to beta a thing
Prompt: Rückenschmerzen Als Sebastian den Hörer wieder ablegt und demonstrativ seufzt, wirft Thorsten ihm einen fragenden Blick zu und hebt die Augenbrauen. "Meine Mutter hat Rückenschmerzen, muss jetzt aber unbedingt ihren Schrank ins andere Zimmer geschoben haben", verkündet Sebastian, steht auf, und streckt sich. "Und natürlich muss ich dann her. Du kommst hier alleine klar, oder?" Thorsten nickt und sieht Sebastian dabei zu, wie er sich einen Schal um den Hals wickelt und gleichzeitig versucht, seine Sachen zusammenzupacken. "Wann stellst du mir eigentlich mal deine Eltern vor?", fragt er plötzlich, als Sebastian sich gerade seine Jacke geschnappt hat und aus dem Raum stürmen will. "Wenn wir heiraten", erwidert Sebastian und winkt zum Abschied. Thorstens erschrockenes Gesicht bemerkt er nicht mehr.
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redrosesinc · 10 years
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It's becoming a series called "Everyone is annoying the fuck out of Sebastian Bootz but he's showing some dignity for once"
Ten Minutes, Not Betaed, If You Wanna Do That, I'd Love You.
Prompt: Linsen und Spätzle
"Natürlich kann ich das kochen", sagt Sebastian und wirf erneut ein Papierkügelchen in Richtung Papierkorb.
"Ach ja?", fragt Thorsten spöttisch grinsend, denn sein Partner hat eindeutig daneben geworfen.
"Zweifelst du an meinen Fähigkeiten?", fragt Sebastian zurück. Er muss Thorsten ja nicht unter die Nase binden, dass er tatsächlich noch nie selbst Linsen und Spätzle gekocht hat, aber das kann doch nicht so schwer sein, schließlich kann er ja auch Nudeln kochen, und das hat bis jetzt immer geklappt.
Thorsten nickt betont ernsthaft.
Sebastian knüllt einen weiteren Zettel zusammen.
"Ich könnte dir dein fehlendes Vertrauen verzeihen, wenn du morgen zum Abendessen zu mir kommst und zugibst, dass ich sehr wohl kochen kann", sagt er schließlich, und zielt.
"Daneben", sagt Thorsten.
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"Hast du noch andere geheime Talente, von denen ich wissen sollte?", fragt Thorsten am nächsten Abend, nachdem er das Essen probiert hat, und Sebastian zuckt grinsend mit den Schultern.
"Vielleicht".
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redrosesinc · 10 years
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didthedevilturnup betaed a thing for me!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
It's inspired by this prompt and the very first minute of this video
I also feel like these people would maybe care: zhivchik, cosmogyros, painttaire, klainerstreet221b, black-cat-aoife
Als Sebastian mitten in der Nacht aufwacht, hat er das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, doch zuerst kann er nicht genau einordnen, was anders ist. Erst, als er neben sich greift, und Thorstens Seite des Bettes leer und kalt ist, beginnt er, sich ernsthaft Sorgen zu machen. "Verdammt", murmelt er, springt auf und schnappt sich vorsichtshalber seine Dienstwaffe, denn wenn Thorsten mitten in der Nacht verschwindet, kann das verschiedene Gründe haben, doch die meisten von diesen sind nicht ungefährlich. "Schlimmstens ein Auftragskiller", versucht er, sich selbst zu beruhigen, doch bei Thorsten weiß man irgendwie nie genau, und so versucht er, möglichst leise zu sein, als er in den Flur hinaustritt. Die Wohnung ist dunkel, nur ein einziger Lichtschimmer fällt auf den Parkettboden - aus dem Badezimmer. Sebastian stutzt und lässt die Waffe sinken, als er das Zimmer betritt, denn Thorsten sitzt im Schneidersitz auf dem Boden und blickt konzentriert in die Waschmaschine. Sebastian weiß einfach nicht, was er dazu sagen soll. Er entscheidet sich schließlich für ein Räuspern und ein "Versuchst du dich jetzt an Selbsthypnose, oder was?". Thorsten blickt auf und sieht ihn ruhig an. "Das ist entspannend", erklärt er, "wie ins Lagerfeuer schauen." Eine Sekunde lang fragt Sebastian sich, ob sein Partner jetzt vollkommen übergeschnappt ist, doch dann seufzt er und legt seine Dienstwaffe auf ein Regal. "Rutsch mal", sagt er, und setzt sich neben Thorsten auf den Boden. Ihre Schultern lehnen warm aneinander, und Sebastian muss feststellen, das Thorsten recht hat: Es ist wirklich entspannend.
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redrosesinc · 10 years
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Aaaand we found somebody to beta the thing: didthedevilturnup!
Also, re-tagging zhivchik since it's for her
And here we go.
Sie haben die Fenster weit geöffnet und sich in den Schatten gesetzt, doch der Tag ist so heiß, dass Sebastian sich regelmäßig Schweiß aus dem Gesicht wischt und sichtbar Mühe hat, sich auf seinen Bericht zu konzentrieren, während Thorsten inzwischen vollkommen aufgegeben hat, etwas zu Papier zu bringen, und stattdessen überlegt, wie viel es wohl kosten würde, einen Ventilator anzuschaffen, der so groß wie ihr Büro ist. Viel, sehr viel, entscheidet er schließlich, und lässt seinen Blick durch den Raum schweifen... Er bleibt, wie schon so oft, an Sebastian hängen. Dieser hat sich in einer besonders schlimmen halben Stunde den Inhalt einer kleinen, lauwarmen Wasserflasche über den Kopf gegossen, jetzt sind seine Haare nur noch feucht und locken sich schon wieder fröhlich, doch sein weißes Hemd schmiegt sich immer noch an seinen Oberkörper. Seine Wangen sind leicht gerötet, er kaut auf einem Stift herum, schreibt etwas auf einen Zettel, tippt dann ein wenig auf dem Computer herum. Thorsten möchte nie wieder wegsehen. Doch dann seufzt er und versucht, gleichzeitig seinen Bericht fertigzustellen und im Gedanken zu berechnen, wie viel Wasser er brauchen würde, um das ganze Gebäude zu überschwemmen und sie somit alle für immer von Hitze und Papierkram zu befreien.
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Bei so einer Hitze ist das Gewitter schon vorprogrammiert, und Sebastian will geduldig sein, aber was genug ist, ist genug: Papierkram bei diesem Wetter zu erledigen ist wirklich zu viel verlangt, und obwohl das Wasser, dass er sich über den Kopf gekippt hat, für ein paar Minuten geholfen hat, fühlt es sich jetzt so an, als würden die Tropfen in seinen Haaren kochen. Er möchte schnell fertig werden, um nach Hause zu können und sich in ein kaltes Bad zu setzen, doch es ist schwer, sich zu konzentrieren, und er ertappt sich selbst immer wieder dabei, wie er zu Thorsten herüberlinst, der seinerseits gar nicht bei der Sache zu sein scheint und aus dem Fenster starrt. Thorstens Haare kräuseln sich, wenn sie feucht sind, bemerkt Sebastian plötzlich, es sieht witzig aus, irgendwie süß. Außerdem wirkt sein Partner müde und erschöpft, und Sebastian beschließt, dass es doch schön wäre, zusammen kalt zu baden. Auf vollkommen platonische Weise. Bei der Vorstellung muss er lächeln und stellt sich unwillkürlich vor, auf was so ein Bad sonst noch herauslaufen könnte... Thorsten sieht ihn fragend an, grinst dann plötzlich - und Sebastian wird rot.
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redrosesinc · 10 years
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I forgot that I actually wrote some things oops
IKEA: Ich Krieg Einen Anfall
Samstagmorgen, acht Uhr. Vögel zwitschern, die Sonne scheint noch etwas schüchtern auf die Straßen Stuttgarts, der Wind lässt die Blätter der Bäume auf den Alleen nur leicht erzittern, und alles ist ruhig - bis ein schrilles Klingeln die Stille stört und Sebastian Bootz, Kriminalhauptkommissar und seit zwei Monaten alleinlebend, aus dem Schlaf reißt. Er grummelt, murrt und stöhnt - doch es hilft nichts, er muss aufstehen und die Tür öffnen. Thorsten Lannert, Kriminalhauptkommissar, Ruhestörer und Klingler, ist geradezu widerlich fröhlich für diese Tageszeit. "Zieh dich an", sagt er, mit einem Tonfall, der keine Widerrede duldet, und schiebt Sebastian in Richtung Badezimmer. Dieser wagt es nicht, sich zu wehren. Nach einer kurzen Dusche findet er Thorsten im Wohnzimmer wieder, wo er damit beschäftigt ist, eine Ecke auszumessen. "Was willst du jetzt eigentlich so früh am Morgen schon hier?", fragt Sebastian und gähnt. Das Funkeln in Thorstens Augen verheißt nichts Gutes, und tatsächlich: "Wir fahren zu Ikea", verkündet er, und Sebastian starrt ihn entsetzt an. "Nee, oder?", protestiert er, während Thorsten ihn (mehr oder weniger) sanft zur Tür hinausschiebt. "Gefällt dir meine Inneneinrichtung nicht, oder was?" "Sebastian", beginnt Thorsten, bleibt dann stehen, um seinen Partner mit voller Konzentration vorwurfsvoll ansehen zu können. "Sebastian, in deiner Wohnung gibt es genau einen Tisch, zwei Stühle und eine Matratze. Von Inneneinrichtung kann da noch gar nicht die Rede sein." Sebastian verdreht die Augen, doch er muss zugeben, dass Thorsten irgendwie recht hat. Er verbringt wenig Zeit in seiner Wohnung, aber etwas gemütlicher könnte es ja schon werden. Seufzend gibt er nach. "Aber lass uns dann wenigstens mein Auto nehmen, ja? Deins bricht uns ja auf dem Weg zurück zusammen." Thorsten überlegt einige Sekunden lang, dann nickt er.
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Als sie um 14 Uhr wieder in Sebastians Wohnung eintrudeln, haben sie nicht nur ein Bettgestell, ordentliche Vorhänge, ein Regal, einen Schrank und ein Bettsofa dabei, sondern auch, zu Thorstens Verwirrung und Ärgernis, einen Welpen, den Sebastian auf dem Parkplatz aufgegabelt hat. "Ich konnte ihn doch nicht einfach da lassen", sagt Sebastian, als der Kleine, der noch keinen Namen hat, beginnt, in die Ecke einer der Kartons zu beißen, und Thorsten zuckt mit den Schultern. "Und jetzt rennt er zwischen unseren Beinen herum, während wir Schränke zusammenbauen, oder was? Na danke." Doch auch er muss grinsen, als der Welpe auf dem Karton auf und ab springt, und schließlich seufzt er. "Aber ich geh nicht mit ihm spazieren." Sie beginnen damit, das Regal zusammenzubauen, doch sie sind beide zu erschöpft, um die Anleitung zu verstehen, und es läuft darauf hinaus, dass sie sich mit einem Bier in die zuvor von Thorsten ausgemessene Ecke setzen, mit dem Welpen zwischen ihnen. "Du kommst hier nicht weg, bis wir alles aufgebaut haben, nur, dass das klar ist", droht Sebastian scherzhaft. "Na dann gut, dass wir auch ein Bettsofa gekauft haben", kommt es sofort von Thorsten zurück, und Sebastian ist auf einmal unglaublich dankbar.
SEK: SpezialEinsatzKommando 
Sie hören Schüsse draußen vor der Tür, und obwohl sie nicht reden dürfen, verstehen sie, an den Blicken, die sie sich gegenseitig zuwerfen, dass sie das Gleiche denken: es gibt Streit, und das ist gut für sie - vielleicht bringen sich diese Typen gegenseitig um, bevor sie die Chance haben, einen von ihnen zu erschießen. Thorsten erkennt sogar so etwas wie Hoffnung in Sebastians Augen, als die Schüsse weitergehen und Gebrülle in den Raum dringt. Doch dann knallt die Tür auf, und die Person mit der schwarzen Skimaske richtet die Waffe auf sie, und Sebastian ist plötzlich wieder toternst. "Aufstehen, einer von euch", sagt sie, in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. Sie springen beide auf - und das ist mal wieder so typisch, dass Thorsten trotz der bedrohlichen Situation, in der sie sich befinden, fast grinsen muss. "Du da. Wieder hinsetzen", sagt die Person, und nickt zu Sebastian rüber, doch der rührt sich nicht. Thorsten spürt, wie die Finger seines Partners sich in seinem Ärmel verkrallen. "Sebastian", sagt er, und streicht ihm sanft über den Arm, "lass mich." Sebastian schaut ihn an, auf eine Weise, die Thorsten nur als verängstigt beschreiben kann, doch er setzt sich nach einigen Sekunden wieder. Die Person winkt Thorsten nach vorne, drückt ihm ihre Waffe in den Rücken und schiebt ihn so mehrere Flure entlang, bis zur Haustür, vor der das versammelte SEK steht und auf eine Chance wartet, gefahrlos einzugreifen... "Jetzt werden sie sehen, was passiert, wenn sie nicht auf unsere Forderungen eingehen", sagt sie zu einer anderen, gelangweilt an einem Tisch lehnenden Figur, und stößt die Tür auf...
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Das SEK stürmt als erstes in den Raum, kurz darauf folgen Emilia, die so aussieht, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen, und Nika, die eine Dienstwaffe trägt und wütend alles anstarrt, was sich bewegt, bis sie Sebastian sieht und ihr Gesichtsausdruck sanfter wird - fast traurig, irgendwie mitleidig. Sebastian springt auf, und plötztlich hat er ein merkwürdiges Gefühl in der Magengrube. "Wo ist Thorsten?", ist das erste, was er fragt, und als Emilia ihn anschaut, ist es ihm plötztlich klar. "Tut mir leid", sagt sie, doch Sebastian hört sie nicht mehr.
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redrosesinc · 10 years
Note
quiet me
stfu I almost made myself cry with this minific (not a drabble bc I can) 
Cooould also be seen as a theory on the end of “Bis hierher glücklich”
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"Sebastian. Sebastian!", sagt Thorsten, und im nächsten Moment wird Sebastian von seinem Partner an die frische Luft gezerrt."Sebastian. Schau mich an. Geht es dir gut?", fragt Thorsten und sieht ihn besorgt an, umklammert immer noch seine Hände, und Sebastian lässt es geschehen, denn er ist so lange stark geblieben, doch jetzt ist er müde und spürt, wie gegen seinen Willen die ersten Tränen in ihm aufsteigen.Also legt er das Gesicht auf Thorstens Schulter, und dieser schlingt die Arme um ihn, streichelt ihm über den Rücken, murmelt ihm Dinge ins Ohr, die er nicht versteht, und zieht ihn irgendwann vorsichtiger in eine ruhige Ecke.Erst, als sie sich nach einer langen, langen Zeit loslassen, sieht Sebastian, dass auch Thorsten Tränen in den Augen hat.
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redrosesinc · 10 years
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I'm sorry there was a prompt
Es ist ein kalter Novembertag, und Emilia fröstelt, als sie den Weg zu dem kleinen Haus hinaufläuft. Es ist ein nettes Haus, und der Garten ist groß und im Sommer wunderschön - doch jetzt sieht er vor allem trostlos und nebelig aus. Sie tritt fester auf, wie, um die Kälte aus ihren Füßen zu vertreiben, und reibt ihre Hände aneinander. Was sie nicht alles für ihre Jungs tut, denkt sie sich. Denn vor zwei Tagen hatte Sebastian Bootz bei ihr angerufen, es würde ihm leid tun, aber sie - er und Thorsten - seinen krank, und könnten nicht zur Arbeit kommen. Er hatte sich zwar nicht krank angehört, aber sie hatte es akzeptiert, und jetzt hatte sie die Sorge, aber auch die Neugierde zu dem Häuschen der beiden getrieben - schließlich war es in den zehn Jahren, die sie nun zusammengearbeitet hatten, bisher noch nicht ein Mal vorgekommen, dass einer von ihnen sich krankgemeldet hätte. Sie drückt auf die Klingel, zuerst kurz, dann erneut, länger. Sie vergräbt die Hände wieder in ihren Jackentaschen und wartet, schließlich kann es ja sein, dass wirklich beide im Bett liegen und sich die Seele aus dem Leib husten- Die Tür öffnet sich, und Sebastian steht da, eindeutig nicht krank - nur etwas vorwurfsvoll. "Jetzt hättest du fast Thorsten aufgeweckt. Und er ist grade erst eingeschlafen", sagt er und funkelt sie an. Emilia hebt eine Augenbraue. "Ich dachte, ihr liegt beide krank im Bett?", fragt sie, und zwinkert ihm zu. Sebastian zuckt zusammen und sieht sie, plötzlich schuldbewusst, an. "Stimmt", murmelt er, und reibt sich das Kinn. "Darf ich reinkommen?", fragt Emilia und lächelt ihn gewinnend an, und er nickt. "Aber leise", ermahnt er, und blickt auf ihre Schuhe, die auf den Steinfliesen des Flurs ein lautes Klackern verursachen. Sie nickt und schlüpft aus ihren Stiefeln. Seit sie auf der Einweihungsfeier war, hat sich einiges verändert - das typische Bootz'sche Chaos hat sich etwas weiter ausgebreitet, und Sebastian versucht, unauffällig einige Sachen hochzuheben und wegzupacken, während sie ins Wohnzimmer geht - doch die größte Überraschung ist wohl, dass Thorsten Lannert, Kriminalhauptkommissar, unglaublich friedlich aussieht, wenn er auf dem Sofa, umgeben von dutzenden Kissen und Decken, schläft. Als Sebastian sich neben sie stellt und zu seinem Partner sieht, ist sein Blick so liebevoll, dass Emilia fast emotional wird. Sie setzen sich in die Küche und Sebastian macht Tee, Emilia erzählt, was er verpasst hat. Sebastian sagt, dass es Thorsten sicher bald besser gehen wird, und dass sie dann beide wieder da sein werden. Er sagt nicht, wieso er sich auch krank gemeldet hat, und Emilia fragt nicht. Sie weiß es.
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redrosesinc · 10 years
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Als sie vor seiner Wohnung parkten, zog er sein neues, modernes Handy aus der Manteltasche und stupste Sebastian sanft an. "Lächeln!" Als er Sebastians verwirrten Gesichtsausdruck sah, schmunzelte er. "Ich brauche ein Photo. Für's Telefonbuch", erklärte er. Sebastian grinste. "So?", fragte er, und setzte sein schönstes "Ich kann kein Wässerchen trüben"-Lächeln auf. Thorsten nickte, obwohl er wusste, dass Sebastian sehr wohl ein Wässerchen hätte trüben können, wenn er gewollt hätte. Aber wer war er, dass er darüber urteilen konnte? Er hatte Sebastian schließlich auch nicht gesagt, dass er das Foto nicht nur für das Telefonbuch, sondern auch als Hintergrundbild benutzen würde... 
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