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#weinviertel
schottisreisetagebuch · 7 months
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Von Kellern und Gassen
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Von Kellern und Gassen
Im Labyrinth, Hauptstraße 49, 2171 Herrnbaumgarten
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Fliegen ohne Flügel - Über die Langsamkeit der Natur
Allein die Vorstellung, mich durch ein subkutanes Geflecht von Erdadern und Kellergängen zu zwängen, versetzte mich noch vor nicht allzu langer Zeit in Panik. Das ging so weit, dass ich schon beim bloßen Gedanken daran eine unterirdische Welt zu betreten, Erwartungsängste produzierte. Herzrasen, Schweißausbruch und die Vorstellung eingesperrt zu sein verursachte Beklemmung. Was tun? Die Hörner beim Stier packen, rein ins Ungewisse und raus aus der Phobie. Angst ist ein unkontrollierbarer, wiederkehrender Faktor. Fliegen, Höhlen, Menschenmassen und die Angst vor kleinen Räumen. Immer wieder stieß ich an Grenzen. Überforderung. Überwindung. Weshalb setze ich mich dem aus? Wem, bitte, muss ich was beweisen? Da sage ich doch lieber: “Kein Problem, bin schon erwachsen“ und stürze mich ins Abenteuer. Ich schaffe das schon. Aber ein mulmiges Gefühl bleibt: Die Angst vor der Angst.  
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Die Kellergasse
Diesmal erkunde ich ein Land, in dem ich mich sicher fühle und das Kapitel, das es zu bearbeiten gilt, beunruhigt mich nicht weiter: Die Kellergasse. Gemütlicher geht’s nicht. Elfhundert Stück davon gibt es allein im hundertjährigen Land. Im Weinviertel werde ich mehr als fündig. „In jedem zweiten Dorf an Hund“, sagte mir ein Mann, der‘s wissen muss, „… man muss nur die Gass’n vor lauter Buschen sehen.“ Gemeint ist der Föhrenbusch, der über jeder zweiten unversperrten Türe hängt, die den Pilger eintreten lässt, um ihn zu laben. 
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Ewigkeitsgasse
Was soll‘s, denke ich, schnüre den Ranzen, studiere Fahrtrouten und Öffnungszeiten, blättere mich durch Hochglanzprospekte und fahre los. Doch wohin? Die gebenedeiten Orte bieten, jeder für sich, Erlebenswertes: Sei es der Galgenberg in Wildendürnbach, der Zipf in Mailberg, die Oagossn in Falkenstein oder die Königliche Kellergasse in Dürnleis. Sie alle sind es wert besucht zu werden, alle sind bis unters Kellerdach gefüllt mit Bouteillen und überbieten einander an hausgemachter Eloquenz und Gemütlichkeit. Wohin also? In solchen Situationen reagiert der Reisende instinktiv. „Fliegen ohne Flügel“ (Tiziano Terzani) ist ein wunderbares Buch über die Langsamkeit des Reisens. Die Botschaft lautet: Lass dich treiben. Erkenne den Augenblick. Zu erobern gilt nicht Quantität, vielmehr Qualität. Ich folge meiner roten Gefährtin. Ich will dort einkehren, wo ich in Ruhe ein Glas Wein genießen kann, jenseits von Promi und Prunk, Winzerkönigin und deren Prinzgemahl. Wo das ist? Beim nächstbesten Buschen.
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Das Labyrinth des Friedl Umschald
Was haben „Odlatzbia oröwen“ oder die „Pecherei“ mit den Kellergassen des Weinviertels zu tun? Noch nichts. Es könnte sich aber bald ändern. Sowohl das „Abrebeln der Elsbeere“, als auch das beinahe ausgestorbene Gewerbe der Pech-Gewinnung gehören zum Weltkulturerbe, die Buschenschankgassen noch nicht. Ein Verein wurde gegründet, zum Zweck, die Republik zu stubsen, sich bis zum Jahre 2024 darum zu kümmern. Bei positivem Bescheid würde das Gassen-Tschechern endgültig dem immateriellen Kulturerbe angehören und das nationale Bewußtsein bereichern. Die Notwendigkeit des „Achterls in Ehren“ wäre amtlich, es zu leeren, Staatsbürgerpflicht.
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Der Eingang zur Unterwelt
„Dörfer ohne Rauchfang“, nannte man seit alters her die Ansammlung an Objekten, deren erklärtes Ziel es war und ist, sich hinter Kellermauern dem Genuss des jungen Weines hinzugeben, und während das letzte Bodensatzerl das Glas verlässt, steht das allerletzte Fluchtachterl bereits am Tisch. Das Weinverkosten nimmt bekanntlich so lange kein Ende, bis der Vorrat erschöpft ist. Dass dem nie so sein wird, dafür sorgen die Wirte mit bacchantischer Geduld. Nirgends sonst lässt sich trefflicher bürsteln, als am Tatort. Und wenn dann auch noch fachkundige Winzer über Säuregrad, Zuckergehalt, Keltern und Gären dozieren, nimmt der Wissensdurst der Gäste kein Ende. Wer will nicht zu den Eingeweihten zählen, die das Hauerhandwerk von der Pike auf kennen, besonders wenn’s ans Dippeln geht. An der Quelle dem ersten Tröpferl seine Reverenz zu erweisen, steigert den Genuss der Völkerverständigung und das Fachsimpeln und Feiern war seit jeher dort angesagt, wo der Charme so mancher Kellergasse das Seinige dazu beiträgt.
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Der Altarraum
Schon seit dem 17. Jahrhundert weiß man um die kühlen Höhlen am Rande der Weingärten. Vom Lagern bis zum Saufen, der Weg war nie sonderlich weit. Wurde früher „toute en famille“ weingebissen, verdichtete sich die Passion der Verkoster bald zum Nationalsport. 
„Lange Nächte“, „Gassen-Führungen“, Erlebnistrinken“ und „Weinfeste“ sind an der Tages- und Nachtordnung und die Zuag’rasten lassen sich nichts lieber als verführen. So auch ich. In Herrenbaumgarten, im nordöstlichen Weinviertel war’s, da gab ein Wort das andere und ich landete flugs unter der Erde, im Souterrain des Trankelns und Wankelns. „Labyrinth-Keller“ stand über dem Eingang und der Hausherr Friedl Umschaid persönlich lud mich ein, so manchen Geheimtipp, vom fruchtig-frischen „Jungen“, bis zum Klassikaner zu verkosten. Wer der Versuchung widersteht, der zeige auf! So schnell aber konnte ich die Pforte des Paradieses hinter mir nicht schließen, dass ich nicht auf schnellstem Wege und kopfüber im Erdkern landete.
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Im Labyrinthkeller
Ich betrat den Tempel der Unterwelt. Feuerrotes Licht. Hier kocht der Teufel seine Großmutter. Über die roh geziegelten Wände schlich die Kellerkatze. Abgestandener Rauch umhüllte mich, die Luft war zum Schneiden. War da keuchendes Atmen zu hören? Düstere Schemen ließen den Ort noch unheimlicher erscheinen, als er so schon war. Ich tappte durch langgestreckte Räume und drang vor ins Reich der Düsternis. Überall kauerten menschliche Gestalten. Dantes Inferno mochte so und nicht anders aussehen. Die Unterwelt glich einem Labyrinth, dessen konzentrische Kreise geradewegs zum Purgatorio wiesen. Je mehr sich die Pfade spalteten, umso verrufener erschien der finstere Ort, über dessen Wänden Schattenlinien mäanderten, die vom Lichtschein einer Öllampe herrührten. Kühl war es an diesem verwunschenen Ort. Je weiter ich vordrang, desto verlorener fühlte ich mich. Überlebenstraining pur. Ich war schon viel zu weit vorgedrungen, als dass rasche Flucht möglich gewesen wäre. Kalter Schweiß. Ich tastete mich durch gewundene Gänge vorwärts und schoss ein paar Fotos. Der Handyblitz zerriss das Versteck der Erdbestien. 
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Weinselige Unterwelt
So und nicht anders fühlt sich der Platzangstgepeinigte, während der rührige Gastgeber Umschaid davon erzählt, wie er sich von einem Keller zum nächsten gebuddelt hat. „Mittlerweile werden es dreißig Jahre her sein, dass ich zu Grundeln begann. Anfangs als Aufbewahrungsort meiner Weine konzipiert, wurde mir das Graben zur Leidenschaft.“ Wir halten in einem langgestreckten Raum, tief unter der   Weinviertler Erde und ich zweifle, dass ich des Tageslichtes je wieder ansichtig werde. „Je länger ich schaufelte, umso mehr Hohlräume entdeckte ich. Mittlerweile ist der Keller zu einem Labyrinth einander ergänzender, sich kreuzender, parallel laufender Gänge und Stollen geworden, insgesamt über sechshundert Meter lang. Man stelle sich vor: Ein Mensch maulwurft sich allen Ernstes kreuz und quer durch den Unterbau seiner Existenz, baut im Stockwerk darüber an der frischen Luft an,  liest, keltert, füllt ab und bunkert seine Schätze tief drinnen im Vorort der Hölle, in mittlerweile zehn miteinander verbundenen Erdkellern. Seit 2001 macht der besessene Friedl sein Reich öffentlich. Unter dem schönen Namen „Erdball“ organisiert er Veranstaltungen. Muse und Trank, Musik und Tanz, so will es Herr Bacchus und so will es auch sein direkter Nachfahre. Und die Genusssüchtigen kommen und gehen und feiern und überlassen sich dem Höhlenrausch.
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Die Theatralik des Weins
Nur ich, der Tiefengeplagte, flieht der Umklammerung enger Gänge und Wände, nicht ohne manch gottgewolltes Achterl zwecks Linderung des Bauchgefühls zu verkosten. Friedl Umschaid hat sich hier einen schwer zu beschreibenden Lebenstraum erfüllt. Während oben, zu ebener Erd‘, die Gassen mannigfaltigste Einkehrmöglichkeiten verheißen, unterhöhlt das unterirdische Adernsystem eines Ausserirdischen das Land.  
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Trinken ist nicht gleich Trinken
Keller und Gassen gehören zum Weinviertel wie Druiden zum Waldviertel,  dreihundert verschiedene Mostbirnsorten zum Mostviertel, und die sagenhaften Bauruinen, samt deren Entstehungsgeschichten zum Industrieviertel. Niederösterreich ist so vielfältig wie verwirrend, so bunt wie schillernd, so angsteinflößend wie beruhigend. Man muss sich ihm hingeben, und man wird einen Tropfen vom Paradies kosten. Dessen bin ich, nach enden wollender Entdeckungsfahrt durch das hundertjährige Land, überzeugt. Aber so was von! 
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unfug-bilder · 1 year
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Kinder in Kellern haben in Österreich eine lange Tradition
Das Thema läuft in Österreich schon seit gestern. Nun eben hat es auch der Wochenenddienst von Springer entdeckt. Morgen wird es also Twitter u.a. beherrschen.
Zum Ort Obritz habe ich euch noch das Kriegerdenkmal verlinkt. Ich halte das Bild für aussagekräftig.
Obritz. Kriegerdenkmal, 1922
flickr
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ilyh · 2 years
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Ohhhh. Wir sind immer wieder fasziniert wie unterschiedlich #Honig ausschaut und natürlich schmeckt. Mmmm. #frühlingsblüten #waldhonig #sonnenblume #lindenhonig #akazienhonig #biohonig #bioimkerei #iloveyouhoney #packaging #design #buylocal #spezialitäten #geschenk #honigvomimker #webshop #weinviertel #honey #bees #niederösterreich #yeah (hier: Kettlasbrunn, Niederösterreich, Austria) https://www.instagram.com/p/CgJU5ZHsUmN/?igshid=NGJjMDIxMWI=
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kilometermacher · 5 months
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In Velo Veritas 2024
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pressmost · 9 months
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Ardagger - Frühstücksnews - Freitag, 14.7.2023
Sehr geehrter Gemeindebürgerin! Sehr geehrter Gemeindebürger! Heute am Freitag darf ich zunächst auf das Wochenende vorausschauen und Dich nochmals zu den zahlreichen Angeboten und Veranstaltungen in unserer Gemeinde einladen. Am Sonntag ist dann Zeit zum Ausspannen: Fr. 14. **Kinderferienspiel:** Feuerwehr hautnah Feuerwehr Ardagger Stift Fr. 14. **Kinderferienspiel**:…
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growingrobinart · 1 year
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by Robin M Koppensteiner 🍀 growingrobin.com
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themystery-blog · 1 year
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Team - Schreibwerkstatt W.J. Marko
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aloisgauinger · 2 years
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Spannend. Wie bringt man die erwartete enorme Energie aus Höhen von 6000m bis 10000m auf den Boden? Reposted from @hoehenwindkraft Fliegende Windturbine als Weg zu sauberer Energie In extremen Höhenlagen, die je nach Standort zwischen 20.000 und 50.000 Fuß liegen, gelangt man in den so genannten Jetstream, eine wirbelnde Luftmasse mit Windgeschwindigkeiten von über 100 Meilen pro Stunde. Bei einer Verdoppelung der Windgeschwindigkeit verachtfacht sich das potenzielle Energieangebot, so dass diese Luftströme in den äußeren Bereichen der Erdatmosphäre als eine Art riesige Fundgrube für erneuerbare Energie angesehen werden können. Eine in der Zeitschrift Energies veröffentlichte Analyse kam zu dem Schluss, dass "die gesamte Windenergie in den Jetstreams etwa dem 100-fachen des weltweiten Energiebedarfs entspricht". Die Idee von luftgetragenen Stromgeneratoren gibt es zwar schon seit einiger Zeit, aber erst in jüngster Zeit haben Firmen Prototypen mit dem Ziel gebaut, etwas kommerziell Verwertbares zu produzieren. Dazu gehören Konzepte wie die Laddermill-Turbine, die aus einer rotierenden Schleife von "Kraftdrachen" besteht, und das Magenn Air Rotor System, ein riesiger, mit Helium gefüllter Rotor, den seine Erfinder als "rotierenden Goodyear-Luftschiff" beschrieben haben. Bislang konnte sich jedoch nur das in Boston ansässige Unternehmen Altaeros die Finanzierung für einen Testlauf sichern: Das Pilotprojekt wird zum Teil von der Alaska Energy Authority subventioniert, die dem Unternehmen einen Zuschuss von 1,3 Millionen Dollar gewährte, um die Machbarkeit einer Ausweitung der Technologie auf andere abgelegene Regionen zu prüfen. Mehr dazu im Artikel ➡ Link in Bio ⬅ #wind #windkraft #windenergy #windturbine #energiewende #energie #strom #umweltschutz #klima #klimawandel #klimaschutz #art #artenschutz #wald #waldviertel #wein #weinviertel #retzerland #niederösterreich #österreich #nature #natur #naturschutz #zukunft #future #nachhaltig #nachhaltigkeit #tiere #tierschutz #wohnblogAT https://www.instagram.com/p/CjhdPd7M2H2/?igshid=NGJjMDIxMWI=
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privatetastebyanita · 2 years
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Und zuguter Letzt, zeig ich euch noch unsere letzte Station in Retz, der Gewölbeheurige - wo wir uns noch gestärkt haben 😉 Das Ambiente wohl richtig einzigartig, die Jause sehr gut dazu noch humane Preise, wie eh und je! ☘️ Empfehlenswert ❤️ #privatetasteontour #weinviertel #retz (hier: Gewölbeheuriger Fasching) https://www.instagram.com/p/CjOUWkqj_5X/?igshid=NGJjMDIxMWI=
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ps1 · 1 year
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Weinviertel Impressions
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My albums selection for the next week:
Sarry & Michel Henritzi - Watashi tachi ha nanimonoka
Fusiller - Les Disciplines Miroirs
Cruel Diagonals - Fractured Whole
Marek Pospieszalski - Joyous
Erik Baron - d-zAkord - 58'
Fabio Keiner - Six Prayers
Marja Ahti - The Current Inside
Hermann Nitsch – Weinviertel Sinfonie
Maurizio Bianchi – Menstruum Regles
Ryuichi Sakamoto / Illuha / Taylor Deupree – Perpetual
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schottisreisetagebuch · 10 months
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Gscheitblöd
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Das Nonseum - Eine Bühne für Querdenker
Museum Nonseum,  Poysbrunnerstraße 9, 2171 Herrnbaumgarten
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Der phantastische Regionalist Fritz Gall
Was haben die „Kunst des Scheiterns“, „Reziproker Unsinn“ oder „Die Absurdität der Logik“ gemeinsam? Sie sind das Ergebnis jahrelang betriebener Forschung der Denkfabrik „Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen“, der am Flaschenhals des nordöstlichen Weinviertels seine Claims eingeschlagen hat. Schon alleine die Anreise lohnt, führt sie doch vorbei an den Säulenheiligen hiesiger Volkskultur: Grüner Veltliner, Welschriesling und Burgunder. An unüberschaubar weiten Anbauflächen, schmucken Weingärten und romantischen Kellergassen führt der Weg vorbei an Schänken und Bänken, Trauben und Lauben. Langsam aber zielgerichtet schluckt sich der Vespista durch regionale Edelreben, bis hin zu den  Disponibilitäten der hübschen Marktgemeinde Herrenbaumgarten, Bezirk Mistelbach. Dort angekommen, geht’s erst richtig los. Lebensversteher und Schluckspechte kommen Glas um Glas auf ihre Rechnung. Im hiesigen „Nonseum“ nämlich ist der tiefe Unsinn zu Hause, verfügt das Haus doch über ein reichhaltiges Angebot an Erstaunlichem: Die Palette reicht vom mechanischen Nasen-Bohrer, hölzernen Ein-Tritt und würfelförmigem Tisch-Tuch, bis hin zum selbstgestrickten Trachten-Pärchen-Wärmer, eine Art „Loden-für-Hoden“. Hier gibt’s nichts wirklich, davon aber mehr als genug.
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Suppenteller mit Abfluß
Vor dem „Zentrum zur Abkehr von Nützlichkeitsgedanken“ schwinge ich ab. Tiefer Sinn erschließt sich nur demjenigen, der zu denken gewillt ist. Für Flachwurzler ist das nichts, versteht sich das Institut doch als Bedarfsanstalt für Überlebensstrategien. 
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Sisi mit Doppeladlerkopf
Da ich für jede Art von Oberflächenberatung empfänglich bin, habe ich für heute einen Behandlungstermin gebucht. Pünktlich wie der Unsinn erscheine ich vor Ort - gut ausgeruht und, das vor allem, halbwegs nüchtern. Der „phantastische Regionalist“ und Bildhauer von Weltruf Fritz Gall, einer der Gründerväter der „Anstalt nonsealen Schwachsinns“, bittet mich, am Behandlungsstuhl Platz zu nehmen. „Hier werden alle Arten von Lebenshilfe gebaut, müssen Sie wissen“, sagt er, mustert mich mit einer Mischung aus Fachwissen und Desinteresse, und bevor ich noch antworten kann, eröffnet er die Sitzung mit einer Gewissensfrage: „Weiß oder Rot?“ Ich muss mich scheint‘s noch einhören in hiesige Terminologie, also frage ich: „Wie bitte?“, und ehe mein Gegenüber nach Luft schnappt, sage ich: „Espresso.“ Professor Gall zuckt mit den Achseln und schleppt sich zur Hausbar, direkt hinter der Museumskassa. Das Gespräch, kaum begonnen, ist jäh beendet. Ich blicke mich um. Klimbim und Kokolores, Kitsch und Klumpert. Ein Sammelsurium sinnloser Wichtigkeiten rundum: Der „Anonymitätsbalken zur Wahrung höchsteigenen Inkognitos“, der „Suppenteller mit integriertem Abfluss“, ein, im Fall der Fälle, „selbstfahrender Nachttopf“, oder, einer der Höhepunkte der Sammlung, das „Potjomkin’sche Knopfloch“ aus dem zweiten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts. „Wenn wir schon beim Loch sind, die gibt’s bei uns in verschiedenen Größen, stilistisch quer durch die Epochen“, sagt Prof. Gall, der mich wohl schon eine Zeitlang beobachtet und auf ein paar Plastiksäckchen deutet. Ich bin, scheint’s, recht am Ort. All jene, die das Nichts suchen, werden hier fündig. 
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Originalskelett des letzten K.u.K. Doppeladlers
Der Herr Direktor platziert eine winzig kleine Schale auf ein Tischchen, darin ein tiefschwarzes Gebräu schwabbelt, als hätte er Holzkohle weichgekocht. „Wo waren wir stehen geblieben?“, fragt er und ich, der ich mich durch die Hitze des Getränkes kämpfe, bin kurz ratlos. „Richtig!“, sagt er, „Klamauk mag ich gar nicht.“ Er ruckelt einen Heizstrahler heran, dabei verheddert er sich im Kabel, sodass das Ungetüm ins Schwanken gerät und auf mich zu stürzen droht. Beide reißen wir die Arme hoch, dabei entgleitet ihm das Weinglas und mir schwappt die heiße Schlutze über die Hose. „No Problem“, flüstere ich, und er sagt: „Wir sind hier auf der Suche nach dem Missing Link für Situationen, die nicht gelöst sind. Das sollten Sie wissen.“ Darauf ich: „Der Gedanke ist mir soeben auch gekommen.“ Damit wäre das Wichtigste geklärt, wir können uns Nebensächlicherem widmen.
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Trachtenpärchenwärmer
Herr Gall zündet sich ein Zigarettchen an und beginnt den Rundgang mit: „Scheitern ist Lernen“, worauf ich erwidere… ja, was sagt man da darauf? Ich grunze ein bisschen herum, womit sogar dieses Thema durch ist. Hernach wieseln wir kreuz und quer durch die Ausstellungsräume, vorbei an Vitrinen, Schaukästen und Glasschränken und ich staune und ich nicke und ich versuche weder-noch zu wirken, bloß nicht zu intelligent, aber keineswegs dümmlich. Ich bin reichlich verwirrt.  „Unser Museum ist Freiraum“, sagt der Professor, „Wir entwickeln hier Dinge, die kein Mensch braucht. Die Optik aber, die muss stimmen. Verstehen Sie?“ Ich nicke. „Mit dem „Wandertag für Pessimisten“ haben wir die hiesige Zivilbevölkerung für uns gewonnen. Ein Riesenerfolg. Getoppt wurde der noch von der Veranstaltung „Handtuchwerfen für Politiker“. Von überall kamen sie angereist: Gemeinderäte, Mandatare, sogar ein Bürgermeister war dabei. Es war überwältigend. Und alle haben geworfen. Alle.“ 
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Das einzige Sockenhospiz des östlichen Weinviertels
In einem der Glaskästen sind ein paar Vogelknöchelchen ausgelegt. „Was ist das?“, frage ich. Herr Gall blickt mich streng an: „Eines unserer wertvollsten Exponate - das Skelett des österreichischen Doppeladlers.“ Gleich daneben liegt eine kolorierte Fotografie, auf der die Kaiserin Sisi zu sehen ist, neben ihr hockt ein Adler mit Vespentaille, aber zwei Köpfen. „Man hat die Knochen hier in einem Keller gefunden. Eine archäologische Sensation. Ging durch die gesamte Lokalpresse.“
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Ins untere Reich des Friedl Umschaid
Der Herr Direktor öffnet eine Türe und gleitet hinaus in den noch winterschläfrigen Hof. Hier wartet die nächste Überraschung: Wäscheleinen, darauf jede Menge gekluppter Socken. „Wir sammeln Einzelstücke.“ „Leinen?“, frage ich, einfach um auch ein bisschen lustig zu sein. „Ein Hilfsprojekt…“, sagt Herr Gall streng, „Socken kommen von Natur aus paarweise auf die Welt, im Laufe der Jahre aber geraten sie in Gefahr, zu vereinzeln, so wie wir. Wissenschaftler beobachten das mit Sorge und eshalb gönnen wir ihnen hier ein Altern in Würde. Eine Art Sockenhospiz, wenn Sie so wollen. Die Anteilnahme der Bevölkerung ist überwältigend: Mit Schicksalsschlägen kann sich jeder identifizieren.“ 
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Im Labyrinthkeller
Und jetzt sprudelt’s nur so aus ihm heraus. Die Feder glüht: „Unser Verein ist aus der „1. Österreichischen Nonsens-Erfindermesse“ hervorgegangen. Bald danach kam das „24-Stunden-Weinbergschneckenrennen“, der „Seufzersteig“, auf dem die Teilnehmer so viel seufzen konnten, wie sie wollten („Oh mei!“, „Warum grad i?“), und die „Unglückskonferenz“, eine Kombi aus Krenreißen und Zwiebelschneiden, wobei eine Publikumsjury entschied, welcher Kandidat als erster heult. 
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Weinselige Unterwelt
Startschuss für unser Haus aber war das „Aufstellen von Vogelscheuchen“ (unzählige Besucher kamen und stellten ihre Scheuchen auf), der „Urstrumpf-, Erb- oder Milli-Tanten-Tag“, die „Denkumenta Triviale“ oder das „Festival der Gerüche - Wenn Nasen große Augen machen“, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, die unser Haus groß machten.“
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Die Theatralik des Weines
Seither gilt das „Nonseum“ den Gscheitblöden aus Nah und Fern als der Nabel ihrer geistigen Übernachtung. Ein weißer Fleck in der Topografie des Weinviertels wurde bunt, der Rand der Republik geriet zum Epizentrum von Spritz-Findigkeit. „Das Leben ist eine Lawine: Einmal rauf und einmal runter“, befand der jenseits unser aller Grenzen forschende Karl Valentin und - er sollte recht behalten. Aber auch hier, in tiefer Grundlosigkeit wird drauf los g’scheitelt, sdass es eine Freude ist: Herr Gall und seine Schutzbefohlenen denken, was der Kopf hergibt. Und das ist gar nicht wenig. Unsinn destilliert Weisheit, Weisheit Witz, Witz Nonsens und Nonsens Unsinn. Der Kreis schließt sich. Alles wird gut, aber nichts besser. Das ist wichtig. Die Welt wäre ärmer ohne die Gscheitblöden aus Herren- und Damenbaumgarten. 
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Trinken ist nicht gleich Trinken
So lange Fernsehstationen wie BBC oder ORF, Berichterstatter aus Südafrika, Korea oder Mauerbach sich zu ihnen bemühen, liegt ihr Haus keineswegs am Arsch der Welt. Und wenn schon, dann eben an einem besonders hübschen. So viel Ehre darf, soll, muss sein!
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Im unterirdischen Paradies
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inn-goo · 2 years
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weinviertel gravel 2021
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ilyh · 2 years
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Wir füllen, schnipseln, basteln. Zur kleinen Freude aller Mitarbeiter. Yeah. @bioimkerei_iloveyouhoney #mitarbeitergeschenke #bunter #honig #personalisiert #gastgeschenke #hochzeit #weihnachten2022 #kongress #biohonig #buylocal #freude #kleinigkeitendieglücklichmachen #honigvomimker #iloveyouhoney #mistelbach #weinviertel #niederösterreich https://www.instagram.com/p/CjwBMSzsRFc/?igshid=NGJjMDIxMWI=
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weltfaible · 2 years
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Sonntag, 4. 9.: Heute war ein wunderschöner Tag. Wir starteten mit unserem Boliden, um ein kleines Weingut, es gibt in Namibia nur 5, zu besuchen. Karla, die Besitzerin der Ohange L. hatte uns zu einer Weinverkostung angemeldet. Der Winzer spricht fließend Deutsch, er ist mit einer Schweizerin verheiratet. Es gab leckere Schmankerln zum Essen und 2 !!!!! Weine zu verkosten, einen Weiß- und einen Rotwein. Anfangs musste der Arme alle Weine selbst trinken, aber jetzt erntet er auch schon Auszeichnungen, was ihn sehr stolz macht. Die Weine haben einen viel höheren Alkoholgehalt wie unsere österreichischen Weine. Wir unterhielten uns ganz nett mit ihm, erzählten vom Weinviertel und lauschten seinen Geschichten und Fakten über Namibia. Der Lese findet erst im Dezember, Jänner statt!Unser Heimweg führte uns dann durch eine malerische Schlucht in den Ohanga Bergen. Wir sahen witzige Warzenschweine, die leider zu schnell waren, um sie zu fotografieren, Gazellen, viele schillernde Vögel und natürlich ganz viele Rinder, Schafe, Ziegen und Esel. Wegen der Sandstraße konnten wir nicht mehr durch das Heckscheibe sehen, aber es ging auch ohne! Wir 2 sind ein gutes Team- auch beim Linksfahren……
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pressmost · 1 year
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Ardagger - Frühstücksnews - Mittwoch, 19.4.2023
(c) Franz Schörghuber Sehr geehrte Gemeindebürgerin! Sehr geeehrter Gemeindebürger! Seit heute morgen kannst Du den neuen NÖ. Wohn- und Heizkostenzuschuss beantragen. € 85 Mio. stehen für unsere Landsleute zur Verfügung, um die hohen Energiekosten (Gas und Strom) noch einmal zu dämpfen. Die Förderhöhe ist von der Anzahl der Haushaltsmitglieder abhängig. Der Zuschuss beträgt für die erste Person…
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