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Die Ausrottung der Leseratten im 21. Jahrhundert
Die Ausrottung der Leseratten im 21. Jahrhundert
Wenn wir uns einmal mit der Frage beschäftigen, wann wir zuletzt ein Buch in der Hand hatten und es auch wirklich von Anfang bis Ende durchgelesen haben, muss so manch einer ganz schön lange überlegen. Ist Lesen uncool? Und dann gibt es noch die bekennenden Leseratten und Bücherwürmer unter uns, welche Lektüren aus allen Genres kontinuierlich durchsuchten. Schade eigentlich, dass die Kluft…
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sei-mehr-webinare · 5 years
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Sei ein Profi!!! 
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sunny2504 · 7 years
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#monakasten #buch #feelagain ist eine der 3. Band der Again Reihe und war für mich eine emotionale Achterbahnfahrt aus Humor, knisternden Momenten, Liebe und Drama. Eine genaue Rezension dazu gibt es auf den Blog Book Desire oder hier https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1967705250169826&id=1839454159661603 #lesen #bücher #leselust #lesevergnügen #bücherliebe #bücherratte #leseratte #book #bookstagram #bücherwurm
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Von Menschen
und Mäuse(Urghxx21) Plötzlich flog die Tür zur Speisekammer auf. Ein Mensch stand im Rahmen. In einer Hand hielt er eine Petroleumlampe, in der anderen einen Schürhaken. "Was ist los?“, fragte er ärgerlich. "Einbrecher, Räuber, Diebe” schrie Frau Triona geistesgegenwärtig. Der Mann hob den Schürhaken. Graf Musta Ermin machte ein Gesicht, als wolle er ihm an die Gurgel springen. Mit schnellen Schritten stürmte er auf ihn los. Dabei rutschte er in einer Lache aus Öl aus. Das brachte ihn richtig in Schwung. Schnurgerade schlitterte er auf den Menschen zu. Er fuchtelte wild mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ungebremst rutschte er durch die Beine des Mannes hindurch, direkt auf die offene Speisekammertür zu. “Haltet ihn! Haltet ihn!“, rief Frau Triona. Es war zu spät. Der Vampir stürzte kopfüber in den Flur hinaus. Im Nu war er wieder auf den Beinen und gab Fersengeld. Pieps und ich vergaßen die ausgestandene Gefahr. "Ihm nach“, schrieen wir. "Er darf uns nicht entkommen.” Wir sausten das Regal hinunter. Auch der Mensch, es war James, der Butler der Königin, wie ich später erfuhr, nahm die Verfolgung auf. Dabei brüllte er, was das Zeug hielt: “Haltet den Dieb! Haltet den Dieb.” Sein Geschrei weckte die Dienstboten. Türen wurden aufgerissen. Immer mehr Leute kamen angerannt. Die Palastwache war alarmiert. Dadurch geriet Graf Musta Ermin in arge Bedrängnis. Jetzt war er es, der blindlings davon rannte. Treppauf, treppab ging die wilde Jagd, vorbei an unzähligen Türen. Alle waren verschlossen. Wo nur gab es ein Mauseloch, in das er sich hätte flüchten können. Schließlich geriet der Graf in einen langen Gang. Ein roter Läufer bedeckte den Boden. Der Vampir rannte geradewegs auf eine hohe doppelflüglige Tür zu. Dahinter lag der Thronsaal. Vor der Tür stand ein Soldat und hielt Wache. Verwundert schaute er uns entgegen. “Haltet die Maus, haltet die Maus!“, schrie alles. Zögernd legte der Soldat die Hand an seinen Säbel. Doch er ließ ihn stecken. Statt dessen nahm der Wachposten die Mütze ab.
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Die hielt er nun mit beiden Hände. Leicht vorgebeugt lauerte er auf den Vampir. Graf Musta Ermin sauste direkt auf ihn zu. Erst im letzten Augenblick bremste er ab und versuchte einen Haken zu schlagen. Zu spät. Blitzschnell stülpte ihm der Soldat die Bärenfellmütze über. Der Graf war gefangen. Jetzt übernahm Frau Triona das Kommando. "Lassen Sie die Mütze, wo sie ist“, keuchte sie. "Die Maus darf nicht heraus. Unter keinen Umständen.” Pieps und mich hatte schlagartig der Mut verlassen. Die vielen Menschen schüchterten uns ein. Die Meisten waren im Nachtgewand. Einige Männer trugen Uniform. Alle sprachen aufgeregt durcheinander. Jeder wollte wissen, was eigentlich los sei. Zum Glück kannte sich Frau Triona mit Menschen aus. Sobald sie wieder bei Atem war, gab sie die nötigen Anweisungen. “Bitte James“, sagte sie zu dem Butler. "Schicken Sie einen Boten zu Professor van Mysie. Er ist im Krankenhaus der SAMARITERMÄUSE. Sagen Sie ihm, wir haben den Vampir gefangen. Sobald der Professor hier eintrifft, wird er Ihnen alles erklären.” Während wir warteten, beschlichen mich Zweifel. “Kann der Vampir nicht ein Loch in die Mütze nagen?“, fragte ich die Haushälterin."Dann entkommt er uns wieder.” Der Butler hatte mich gehört. “Das ist unmöglich“, beruhigte er mich. "Durch eine englische Bärenfellmütze beißt sich niemand durch. Nicht in hundert Jahren.” Du kannst dir sicher denken, welcher Stein mir da vom Herzen fiel. Inzwischen entschuldigte sie sich Frau Triona wortreich für die Verwüstung der Speisekammer. Sie berichtete wie man uns in der Wohnung des Professors überfallen hatte. Und wie wir dann in der Speisekammer um unser Leben gekämpft hatten. “Dabei fällt mir ein, ein Räuber ist noch dort“, beendete sie ihre Erzählung. Du meine Güte. In der Aufregung hatte ich Plitsch völlig vergessen. Sofort schickte der Butler einige Männer und Frauen los. Sie sollten Plitsch gefangen nehmen und die Speisekammer aufräumen. Nach kurzer Zeit schon kam der Reinigungstrupp zurück. Man hatten Plitsch in einem leeren Gurkenglas gesperrt.  Der Arme war über und über mit Sahne beschmiert. Er sah aus, als würde er gleich platzen. Bald stieß auch der Professor zu uns. Großvater und Eberratt Fröbelhaus begleiteten ihn. Die versammelten Menschen grüßten Professor van Mysie ehrerbietig. Man merkte gleich, dass er bei ihnen in hohem Ansehen stand.
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Zum zweiten Mal erzählte Frau Triona, was wir gerade erlebt hatten. Der Professor, Großvater und Fröbelhaus Eberratt hörten ihr sprachlos zu. Staunend schüttelte der Professor immer wieder den Kopf. Als Frau Triona ihren Bericht beendet hatte, ging er zu der Bärenfellmütze hin. Unter der Mütze tobte der Graf wild umher und versuchte sich zu befreien. Aber der Soldat hielt sie mit beiden Händen fest. Dagegen konnte selbst er nicht ankommen. "Seid ihr ganz sicher, dass Graf Dingsda darunter hockt?“, fragte van Mysie misstrauisch. "Ich möchte ihn mir einmal anschauen. Könnten Sie bitte ihre Mütze kurz hochheben?” “Um Himmelswillen, nein“, rief Großvater. "Soll uns der Unhold noch einmal entkommen?” “Warum haben Sie das mit der Mütze überhaupt gemacht?“, wollte der Professor nun wissen. "Warum haben sie nicht ihren Säbel benutzt?” Der arme Soldat wurde knallrot. Er senkte verschämt den Kopf. “Ich konnte es nicht“, gestand er. "Mir hat die arme, kleine Maus Leid getan. Ich verabscheue Grausamkeiten.” “Sie haben ein gutes Herz“, meinte der Professor. "Aber bei diesem Schurken ist Mitleid fehl am Platz.” Er stellte sich in Positur und hielt den erstaunten Menschen einen Vortrag über Vampire. Und ich kann dir sagen, er hatte sie völlig in seiner Gewalt. Wie gebannt hingen sie an seinem Mund. Drei Kammerzofen fielen in Ohnmacht, so sehr regten sie sich auf. Nur der Butler zog spöttisch eine Augenbraue in die Höhe und meinte: “Sie wollen uns wohl auf den Arm nehmen, verehrter Herr Professor.”
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“Ich kann meine Geschichte beweisen“, entgegnete van Mysie kühl. "Warten Sie bis Sonnenaufgang. Dann können wir die Bärenfellmütze gefahrlos entfernen. Sie werden mit eigenen Augen sehen wie der Vampir zu Staub zerfällt.” Dieses Schauspiel wollte niemand verpassen. Keiner dachte daran, ins Bett zu gehen. Die Menschen verstanden es, sich die Wartezeit zu verkürzen. Ein paar Frauen gingen in die Küche und kamen mit belegten Broten zurück. Zum Glück hatten wir nur einen Teil der Speisekammer verwüstet. Bis zu Brot, Butter und Käse hatten wir uns nicht vorgekämpft. Von all dem war noch reichlich vorhanden. Zu den Broten wurde Tee serviert. Jemand hatte extra für uns Mäuse Fingerhüte besorgt, damit auch wir trinken konnten.Dadurch begann ich, mich bei den Menschen wohl zu fühlen. Die Party wurde richtig nett. Ich sah wie sich Frau Triona angeregt mit Eberratt Fröbelhaus unterhielt. Dabei fingerte sie dauernd an ihrer Kette mit dem Anhänger herum. Da wusste ich natürlich, worüber die beiden sprachen. Als die Nacht der Morgendämmerung wich, wurden die Menschen ganz unruhig. Van Mysie ließ sie noch eine Weile zappeln. Erst als strahlender Sonnenschein durch die hohen Fenster hereinflutete, klatschte er in die Pfoten. Damit zog er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich.   “Es ist so weit“, sagte er. Auf sein Zeichen hin, hob der tierliebende Soldat langsam und widerstrebend die Bärenfellmütze in die Höhe.
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Jetzt konnte jeder Graf Musta Ermin, den schrecklichen Vampir sehen. Wutentbrannt überschüttete er uns mit Schimpfworten. Dann erreichten ihn die Sonnenstrahlen. Einen Augenblick lang bäumte er sich auf und wurde größer. Er sah aus wie ein Stück Papier, das vom Feuer erfasst wird. Und wie brennendes Papier fiel er langsam in sich zusammen. Vor den Augen aller verwandelte er sich in ein Häufchen Staub. Plitsch hatte sich in seinem Gurkenglasgefängnis aufgerichtet. Nun stieß er ein klagendes Heulen aus. Auch der Soldat, der den Grafen gefangen hatte, sah schrecklich betrübt aus. "Das war’s dann wohl” sagte James der Butler. “Jetzt muss jemand den Dreck wegräumen.” “Da kümmern wir uns selbst drum“, versicherte ihm die Bücherratte. Langsam zerstreuten sich die Menschen. Als letzter ging der Soldat mit seiner Bärenfellmütze unterm Arm traurig davon. Niemals wieder habe ich einen Menschen mit so einem weichem Herzen gesehen. Auch Frau Triona wollte gehen.   "Bleiben Sie noch“, bat Fröbelhaus und hielt sie am Arm fest. "Es ist noch nicht vorbei.” Ich konnte mir nicht vorstellen, warum wir noch warten mussten. Verwundert erblickte ich eine graue Gestalt, die auf uns zu kam. Von der Last ihres Ranzens niedergebeugt, hinkte das alte Rattenweib aus dem Trödelladen den Korridor entlang.
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“Ihr habt es also geschafft“, knurrte sie und nahm den Ranzen vom Rücken. Sie holte eine Kehrichtschaufel und einen Handfeger hervor. Bedächtig fegte sie die Reste von Graf Musta Ermin, dem schrecklichem Vampir, auf die Schippe. Dann hielt sie inne und runzelte die Stirn. Mit spitzen Fingern fischte sie einen Schlüssel aus dem Häufchen Dreck hervor. Den gab sie Professor van Mysie. Den Staub schüttete sie in ihren Ranzen. Schweigend schauten wir ihr zu. Als sie fertig war, räusperte sich Fröbelhaus. "Wir müssen noch über den Preis reden.” “Ich habe es nicht vergessen“, zischte die Alte ärgerlich. "Was verlangen Sie?” “Das überlasse ich ganz Ihnen“, sagte Fröbelhaus. "Sie werden schon das Richtige finden.” Das alte Rattenweib warf ihm einen bitterbösen Blick zu. “Sie raffinierter, hinterhältiger Kerl. Sie halten sich wohl für einen Schlaumeier?” Aber trotz der harten Worte klang ihre Stimme freundlich. Beim Sprechen hatte sie sich aufgerichtet. Ich hatte ganz vergessen wie groß sie war. Der Blick ihrer unheimlichen Augen fiel auf mich. “Komm her, du Winzling“, befahl sie. "Du bist so jung, du weißt noch nicht was Zeit ist. Sonst hättest du nicht den Staub von meinen Schätzen geblasen.” “Ich habe es nicht böse gemeint“, verteidigte ich mich. "Für diesmal will ich dir verzeihen. Es ist nur eine Frage der Zeit und alles kommt wieder in Ordnung. Die Zeit heilt alle Wunden, macht alles gleich. Zeit! Davon habe ich genug. Mehr als du dir vorstellen kannst. Möchtest du etwas von meiner Zeit haben.” Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was um alles in der Welt wollte die alte Ratte von mir? Hilfesuchend schaute ich zu den anderen. Großvater, Professor van Mysie, Frau Triona und Pieps sahen mich verwirrt an. Sie wussten genau so wenig wie ich, was los war. Bei Fröbelhaus war das anders. Der versuchte verzweifelt, mir ein Zeichen zu geben. Er rollte seine auseinanderstrebenden Augen bedeutungsvoll hin und her. Sie wanderten von mir zu Großvater und dann wieder zu mir zurück. Na ja, so schien es mir wenigstens. Was sollte das bedeuten? Großvater? Zeit? Zeit für Großvater? Ob er das meinte? War das überhaupt möglich? “Danke, ich selbst brauche Ihr Zeit nicht“, sagte ich höflich zum Rattenweib. "Aber kann ich Zeit für meinen Großvater bekommen?” Während ich sprach, schaute ich zu Fröbelhaus. Er nickte zufrieden. Ich hatte das Richtige gesagt. Auch das alte Rattenweib hatte sein Nicken gesehen. Scherzhaft drohte sie ihm mit der Faust. Nun meldete sich Großvater zu Wort: “Ich will nicht ewig leben,” sagte er mit entschlossener Stimme. “Sie sind mir vielleicht ein Schlaumeier,” höhnte das Rattenweib. “Kein ewiges Leben für den Herrn? Als ob ich dazu die Macht hätte. Ich habe Zeit, gewiss. Aber was zählen ein paar Jahre mehr oder weniger im Angesicht der Ewigkeit. Ewiges Leben gibt es bei mir nicht. Das bringt die Ordnung durcheinander. Da habe ich etwas dagegen!” Dann legte sie mir feierlich eine Klaue auf die Brust, dorthin, wo mein Herz schlägt. “Jykie von Knobelou“, sagte sie ernst. "Ich gebe dir Zeit. Zeit für deinen Großvater. Solange du ihn brauchst, kann ihm das Alter nichts anhaben. Solange du ihn brauchst, wird er an deiner Seite sein. Lebe glücklich mit ihm. Genieße die Zeit.” Dann wandte sie sich an die Bücherratte: “Nun Herr Eberratt. Sind sie mit der Bezahlung zufrieden?” Die Bücherratte verneigte sich tief. “Über alle Maßen, Hoheit“, sagte er. "Sie waren überaus großzügig.” Damit ist meine Geschichte im Großen und Ganzen zu Ende. Ein paar Dinge muss ich der Ordnung halber nachtragen. Nach dieser Nacht verlief unser Leben wieder in seinen normalen Bahnen. Großvater, Pieps und ich blieben noch eine Zeitlang in London. Wir besichtigten die Stadt. Diesmal bei Sonnenschein und nicht bei Nebel. Täglich besuchten wir Jonathan im Krankenhaus. Jetzt, nachdem der Vampir nicht mehr war, erholte er sich schnell. Nur sein Fell blieb weiß. Das würde sich nicht mehr ändern. Auch Plitsch war fast wieder ganz der Alte. Er als Einziger trauerte dem Vampir nach. Das gab mir zu denken. Wie einsam muss er gewesen sein, dass er solch eine Anhänglichkeit an den grausamen Grafen zeigte? Oh, fast hätte ich den Professor vergessen. Du wirst es nicht glauben, aber auch van Mysie ließ eine Zeitlang traurig den Kopf hängen. Er hatte sich so darauf gefreut, einen lebendigen Vampir zu erforschen. Daraus wurde nun nichts. “Was für ein Verlust für die Wissenschaft. Aber noch ist nicht aller Tage Abend“, sagte er zu Großvater. "Eine Hoffnung bleibt mir. Vielleicht gibt es noch mehr Vampire in London? Wer weiß wie viele Mäuse Graf Gurgelbeiß ausgesaugt hat. Sie brauchen sich nur tief unter der Stadt zu verstecken und niemand würde sie entdecken. Ein neuer Untoter könnte bei uns jahrelang sein Unwesen treiben, ohne dass es auffällt. So ist es nun einmal in einer Großstadt. Ich sehe es direkt vor mir wie er glücklich und zufrieden in der Kanalisation umher planscht. Dort wo ihn kein Sonnenstrahl erreichen kann. Aber“, van Mysie machte eine bedeutungsvolle Pause, "sollte er jemals sein Versteck verlassen, bin ICH bereit. Ich werde ihn gebührend empfangen.” “Wünsch dir doch nicht so etwas Schreckliches“, tadelte ihn Großvater. "Es gibt schon genug Kummer und Leid auf der Welt. Da brauchen wir nicht noch mehr davon.” “Aus dir wird niemals ein Wissenschaftler.” Der Professor schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf. “Aber du hast wie immer recht.” Pieps wäre am liebsten sofort nach Urrghx zurückgekehrt. Sie wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass Emausuel geheilt war. Deswegen bat sie Großvater, er solle sofort mit Plitsch auf der NAMENLOS nach Hause segeln. “Kommt nicht in Frage. Ich denke nicht daran, in meinem Alter in dieser Nussschale übers Meer zu schippern.” “Zu gefährlich?“, fragte van Mysie. "Zu unbequem“, antwortete Großvater. Am Ende blieb ihm dann doch keine andere Wahl. Das lag am Ruhm. Wir waren über Nacht berühmt geworden. Es ist nämlich so, dass sich immer ein paar Zeitungsschreiber in der Nähe des Palastes herumtreiben. Meistens sind auch ein paar Schnellzeichner dabei. Irgendwie erfahren sie es, wenn etwas Ungewöhnliches im Schloss geschieht. Deswegen stand unser nächtliches Abenteuer am nächsten Tag in allen Zeitungen. Wir waren sogar auf den Titelseiten. Zusammen mit einem Kupferstich von Graf Musta Ermin, dem grausamen Vampir. Über eine Woche lang beherrschte der Vampir die Schlagzeilen. Das hatte vor ihm nur das Ungeheuer von Loch Ness geschafft. Urrghx wurde schlagartig berühmt. So berühmt, dass eine Menge abenteuerlustiger Mäuse die Insel mit eigenen Augen sehen wollten. Dadurch wurde unsere Heimat über Nacht zu einem beliebten Urlaubsziel. Das hat sich bis heute nicht geändert. Die Hauptattraktion ist das Mausoleum mit seinem Vampir. "Mit dem Vampir?“, wirst du jetzt fragen. Du hast richtig gelesen. Es gibt wieder einen Vampir im Mausoleum von Urrghx. Professor van Mysie hat uns die Wachsmaus geschenkt, die er als Ersatz für Jonathan besorgt hatte. Nun liegt sie in einem offenem Sarg mitten im Mausoleum. Mit ihrem schwarzen, blutrot gefütterten Umhang schaut sie schrecklich unheimlich aus. Die Urlauber lieben sie, vor allem die Kinder wollen sie immer wieder sehen. So ist der schwarze Graf doch noch zu etwas nutze. Er bringt Wohlstand nach Urrghx. Jedes Haus auf der Insel hat nun Fremdenzimmer. Frau Knubbelich musste einen Flügel an ihr Gasthaus anbauen, um den Bedarf nach Betten zu befriedigen. Ihr Mann hilft ihr bei der Arbeit. Jetzt braucht er nicht mehr zur See fahren. Du kannst dir vorstellen wie glücklich Pieps ist. Emausuel ist gesund geworden und ihr Vater ist immer bei ihr. Alle Väter arbeiten jetzt zuhause und die Mütter auch. Sie leben nun das ganze Jahr über auf Urrghx. Ich bin das einzige elternlose Kind auf der Insel. Aber deswegen muss ich nicht traurig sein. Ich habe ja Großvater. Er wird bei mir bleiben, solange ich ihn brauche. Und das ist für für mich lange genug.
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ENDE
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cool-bibisenta · 6 years
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Frau Triona in Not
Urghxx17
Es war schon fast Mittag, als mich Pieps am nächsten Tag weckte. “Steh auf Jykie“, sagte sie. “Allein wach zu sein ist langweilig. Außerdem habe ich Hunger.” Das brachte mich blitzschnell aus den Federn. Hunger. Mein Magen knurrte. Ich freute mich auf das Frühstück. Wir fanden die Haushälterin des Professors völlig aufgelöst vor. “Guten Morgen Kinder“, sagte sie fahrig. "Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Heute geht einfach alles drunter und drüber. Der Professor war die ganze Nacht über nicht zu Hause. Euer Großvater ist gleich in der Früh auf und davon. In meiner Küche sitzen fünf Matrosen und trinken Rum. Und das um diese Tageszeit.” Das mussten wir uns ansehen. Pieps und ich liefen zur Küche. Die Tür war geschlossen, aber wir konnten hören, dass es dahinter hoch herging. Neugierig lugte ich durch das Schlüsselloch. “Lass mich auch mal“, zischte Pieps und knuffte mich in die Seite. Ich machte ihr Platz. Ich hatte genug gesehen. Am Küchentisch saßen fünf verwegene Gestalten. Es waren echte Abenteurer, das sah man gleich. Sie trugen bunten Hosen, gestreifte Hemden und rote Kopftücher. Darunter schaute keck ein steifer Zopf hervor. Und jeder trug einen großen goldenen Ohrring im Ohr. Einer hatte eine Augenklappe, ein anderer sogar ein Holzbein. "Wahnsinn“, flüsterte mir Pieps ins Ohr. "Das sind richtige Piraten.” Leise schlichen wir ins Wohnzimmer zurück.
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"Wer ist das? Wo kommen die her?“, wollten wir von Frau Triona wissen. "Das sind Hafenmäuse. Einer heißt Schnellfinger Joe. Die anderen Namen habe ich vergessen. Sie hätten geschäftlich mit dem Professor zu tun, haben sie behauptet. Das kann ich mir nicht vorstellen. So zerlumpt wie die sind. Das sind bestimmt Schmuggler oder Schlimmeres.” Während sie sprach, läutete es an der Vordertür. “Da kommt noch einer“, rief Frau Triona entsetzt und lief davon. Gleich darauf hörten wir sie fröhlich lachen. Neugierig eilten wir ihr nach. Vor der Haustür stand Fröbelhaus Eberratt, die Bücherratte. Wir begrüßten ihn stürmisch. "Halt, halt“, flehte er. "Ihr reißt mich noch in Stücke. So lasst mich doch erst einmal ins Haus.” “Ach, wo habe ich nur meinen Kopf?“, klagte Frau Triona. "Jetzt habe ich mich nicht einmal bei Ihnen bedankt und den Kindern habe ich kein Frühstück gemacht.” Pfotenringend eilte sie davon. Pieps und ich hakten uns rechts und links bei Eberratt unter und führten ihn ins Wohnzimmer. “Ich komme direkt aus dem Krankenhaus“, berichtete er. "Dort war heute Nacht die Hölle los.” “Oh nein!“, rief ich. "Ist Großvater etwas passiert.” “Der war zu dieser Zeit nicht da. Nur van Mysie wachte bei Jonathan. Der Professor freilich hatte ein Erlebnis der besonderen Art.” Schnell zogen Pieps und ich unsere Sessel näher zur Bücherratte und spitzten die Ohren. Fröbelhaus wusste wie man eine Geschichte erzählt. “Stellt euch einmal vor“, begann er mit tiefer, raunender Stimme, "ihr seid der Vampir. Gerade bummelt ihr gemütlich durch das schönste Museum der Welt. Da wird die Stille von schrillen Pfiffen unterbrochen. Licht flammt auf. Überall rennen Menschen mit schweren Stiefeln polternd durch die Gänge und Säle. Der Vampir bekommt einen Mordsschreck. In Panik rennt er davon, zwischen all den trampelnden und rennenden Stiefeln hindurch. Da, ein dunkler Winkel. Hier kann er sich verkriechen und in Ruhe nachdenken. Auch Plitsch erreicht das schützende Versteck. Nur einer fehlt. Wo steckt Jonathan Aschig? Der Vampir ist zornig. Seine Augen glühen vor Wut. Jonathan gehört ihm. Er braucht einen Diener, der ihm lästige Arbeiten abnimmt. Und dann liebt er es auch, eine gute Mahlzeit jederzeit in Reichweite zu haben.” “Schrecklich!” Pieps hatte Tränen des Mitleids in den Augen.
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“Das kannst du laut sagen“, stimmte Fröbelhaus zu. "Kaum ist der Graf wieder bei Puste, legt sich seine Furcht. Als Untoter hat er keine Mühe, kaltes Blut zu bewahren. Zusammen mit Plitsch schleicht er aus dem Museum und beobachtet aus sicherer Entfernung, was sich dort abspielt. Überall laufen Polizisten herum. Mit denen will er sich nicht anlegen. Ein Tritt von diesen großen, schweren Stiefeln und was wird dann aus ihm? Er weiß es nicht. Er hat nicht die geringste Lust, es herauszufinden. Also wartet er und beobachtet alles ringsum. Schließlich fährt eine Droschke vor. Ich, Eberratt Fröbelhaus komme aus dem Museum, begleitet von einigen Mäusen. Der Vampir kennt uns nicht. Aber er sieht, was ich in meinen Armen trage. Es ist Jonathan Aschig, sein angebissenes Opfer. Wütend knirscht er mit den Zähnen. Was ihm gehört, gibt er nicht her. Niemals und unter keinen Umständen. Aber was soll er tun? Seitdem er aus dem Mausoleum auf Urrghx entkommen konnte, ist einiges schief gelaufen. Mäuse und Ratten verhalten sich nicht so wie er erwartet hat. Das macht ihm zu schaffen. Während er noch grübelt, wird Jonathan in die Kutsche verfrachtet. "Hüh hott“, ruft der Kutscher nachdem alle eingestiegen sind und schnalzt mit der Peitsche. Schnell packt der Vampir Plitsch am Kragen und rennt los. Die Droschke hat sich schon in Bewegung gesetzt. Mit einem Sprung erwischt der Graf das hintere Gepäckbrett und klammert sich mit einer Pfote fest. Mit der anderen hält er Plitsch gepackt. Er lässt ihn nicht los. Der Arme wird hinter der Kutsche hergeschleift, mag er auch noch so sehr schreien. Dem Vampir sind die Schmerzen, die andere erdulden müssen, völlig gleichgültig. Das Dröhnen und Rattern der Droschkenräder auf dem holprigen Kopfsteinpflaster übertönt die Schmerzensschreie von Plitsch. Niemand hört sie.” “Stimmt nicht“, unterbrach ich ihn. "Ich habe sie gehört. Aber ich dachte, es wäre Jonathan, der so jammert.” Erfreut rieb sich Fröbelhaus die Pfoten. “Dann stimmt die Geschichte?“, fragte er im Ton höchster Zufriedenheit. "Wieso fragen sie?” Pieps und ich waren verwirrt. “Wissen Sie es denn nicht?” “Nicht genau. Ich habe mir das Ganze zusammengereimt. Das schien die einzige logische Erklärung für das, was später geschah.” “Sie haben sich das alles nur ausgedacht“, sagte Pieps vorwurfsvoll. "Natürlich nicht. Jykie hat ja gerade bestätigt, dass meine Erzählung wahr ist. Sie hat Plitsch schreien gehört.” Pieps schüttelte den Kopf. Da kam sie nicht mit. Unbeirrt fuhr Eberratt in seiner Erzählung fort. Und so eindringlich klang seine Stimme, dass er uns gleich wieder in seinen Bann zog. “Die Droschke hält vor dem Krankenhaus. Ihre Passagiere steigen aus und betreten das Gebäude. Für einen kurzen Augenblick steht die Eingangstür offen. Der Graf sieht, dass hinter der Tür ein Wächter sitzt. Auch brennt helles Licht über dem Eingang. Wenn es dem Untoten auch nicht schaden kann, so liebt er es doch nicht, für alle Augen sichtbar zu sein. Er zieht es vor, bei seinen Untaten nicht gesehen zu werden. Deswegen sucht er nach einer anderen Möglichkeit, ins Haus zu gelangen. Vorsichtig schleicht er um das Gebäude herum und sucht eine günstige Gelegenheit. Im Erdgeschoss sind alle Fenster vergittert. Da kommt er nicht hinein. Aber es gibt einen anderen Weg. Das Haus ist über und über mit Efeu bewachsen. Daran klettert er empor. Hinter einigen Fenstern brennt Licht. Dahinter sieht er große Räume, vollgestellt mit Betten. Mäuse liegen darin. Die meisten schlafen, einige sind auch wach. Frauen in langen Schürzen mit weißen Häubchen auf den Köpfen sind bei ihnen. Sie wechseln Verbände, messen Fieber oder geben den Mäusen zu trinken. Auf all das kann sich der Graf keinen Reim machen. Moderne Gepflogenheiten sind ihm fremd. Jonathan fehlt ihm. Der hätte ihm erklärt, was hier los ist. Der Vampir beschließt, wo anders sein Glück zu versuchen. In den großen Sälen sind ihm zuviel Mäuse. Auch fürchtet er sich vor den Frauen. Sie sehen so energisch aus. Solche Frauen mag er nicht. Sie erinnern ihn an Oma Grau. Da geht er lieber auf Nummer sicher. Er klettert zu den Fenstern empor, hinter denen kein Licht brennt. Vorsichtig rüttelt er an ihnen. Er hofft, eines zu finden, das nicht verschlossen ist. Der eine oder andere Kranke, der in diesen Zimmern schläft, wird wach. Draußen scheint der Mond. Wie ein Scherenschnitt hebt sich der Graf gegen die helle Nacht ab. Beide Arme hat er ausgestreckt, um sich festzuhalten. Mit seinem weiten Umhang sieht er aus wie eine Fledermaus. Eine schwarze Fledermaus.” Eberratt räusperte sich und versuchte, seinen auseinanderstrebenden Augen einen abgründigen Ausdruck zu verleihen. “Könnt ihr euch vorstellen, was in den Köpfen der armen Patienten vor sich ging? Sie dachten gewiss, ihr letztes Stündlein habe geschlagen. Denn dort draußen schwebte die schwarze Fledermaus und wartete auf ihre Seelen. So verbreitete der böse Graf Angst und Schrecken während er immer weiter und weiter kletterte.
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Mit der nächtlichen Ruhe des Krankenhauses war es vorbei. Unruhe breitete sich aus. Der Vampir bemerkte nichts davon, denn jetzt hatte er Jonathan entdeckt. Und wunderbarer Weise war er allein in seinem Zimmer. Nicht ganz, denn an einem kleinem Tisch saß eine weitere Maus und döste mit offenen Augen vor sich hin.” “Van Mysie und dösen?” Pieps wollte es nicht glauben. “Er hat es mir selbst erzählt“, grinste Eberratt und schraubte seine Stimme etwas höher. Jetzt klang sie genau wie die des Professors. "Meiner Seel, ich war in Gedanken versunken. Der letzte Tag war so vollgepackt mit Erlebnissen, dass ich froh war, alles noch einmal in Ruhe überdenken zu können. Jonathan schlief die ganze Zeit über. Plötzlich wurde es im Krankenhaus laut. Nun weiß man ja, dass diese Schwestermäuse schon in aller Herrgottsfrühe mit der Arbeit beginnen. So früh wie jetzt, das kam mir freilich übertrieben vor. Draußen war ja noch Nacht wie ich mit einem Blick zum Fenster feststellen konnte. Erstaunt blickte ich ein zweites Mal zum Fenster. Graf Blutegel klebte an der Scheibe und grinste mich höhnisch an. Mit seinen langen Nägeln kratzte er über den Holzrahmen und versuchte, ihn aufzuzwängen. Nikomaus, sagte ich zu mir selbst, deine Mutter hat dir immer gesagt, die guten Manieren einer Maus zeigen sich an ihrer Hilfsbereitschaft. So stand ich also auf, um dem Herrn Grafen behilflich zu sein und das Fenster für ihn zu öffnen.” “Ahhhhhhhhh“, stöhnt Pieps entsetzt auf.
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Fröbelhaus grinste zufrieden. Er hörte auf, die Stimme des Professors nachzumachen und fuhr in seiner eigenen Sprechweise fort. "Der Professor stand also auf und öffnete das Fenster. Mit einem triumphierenden Lächeln wollte der Vampir ins Zimmer schlüpfen, als van Mysie das Fenster mit Schwung wieder schloss. "Kalte Nachtluft ist ungesund”, sagte er dabei. “Vor allem für Kranke.” Der Fensterrahmen traf den Vampir so glücklich am Kopf, dass er das Gleichgewicht verlor und abstürzte. Alles, was in der nächsten Minute von ihm zu hören war, war ein schriller Schrei und ein lautes Platsch. Leider richtet so ein Sturz aus großer Höhe bei einem Vampir keinen Schaden an. Graf Musta Ermin flatterte wild mit den Armen. Sein schwarzer Umhang verwandelte sich in ein Paar Flügel. Ja, leider. Vampire können fliegen. Aber nur, wenn es abwärts geht. Deswegen prallte er nicht so hart auf den Boden wie man es sich gewünscht hätte. Trotzdem lag er für einen kurzen Augenblick benommen am Boden. Schon kam der Portier, der das Schreien gehört hatte, angerannt. Aber Plitsch, der geduldig im Schatten gestanden hatte, war schneller. Er packte seinen Herrn und Meister und zog ihn in die schützende Dunkelheit eines Gebüsches. Professor van Mysie hat sich bei der ganzen Geschichte schrecklich aufgeregt. Er spukte Gift und Galle. Als ich ihn heute Vormittag sah, blubberte er noch immer vor Wut.“ Erneut schraubte die Bücherratte ihre Stimme höher und imitierte den Professors. "Dieses elende Nachtgespenst! Graf Gurgelbeiß! Dieser Schandfleck. Dieser Mistkäfer! Wartet nur, bis ich diese Ausgeburt der Hölle erwischt habe.” In diesem Augenblick betrat Frau Triona das Zimmer. Sie brachte das Frühstück. Verwirrt schaute sie sich um. “So etwas. Ich dachte, der Professor ist hier. Ich hätte schwören können, dass ich seine Stimme gehört habe.” Eberratt errötete vor Verlegenheit. “Hm, da haben Sie sich getäuscht“, sagte er. Niedergeschlagen verteilte die Haushälterin das Frühstück an uns Kinder. Auch Fröbelhaus wurde bedacht. Die Bücherratte bedankte sich herzlich, aber Frau Triona war zu bekümmert, um sich über sein Lob zu freuen. "Was soll ich nur tun“, klagte sie. "Ich will diese Hafenmäuse nicht länger in meiner Küche haben. Sie sind so unverschämt. Die Ausdrücke, die sie gebrauchen! Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten. Stellt euch vor, sie haben mich Zuckermaus genannt! Das muss ich mir nicht bieten lassen. Ich bin eine anständige Frau!” “Ich werde mich um die - äh- Herren kümmern“, versprach ihr die Bücherratte. "Schicken Sie die Matrosen zu mir.”   Man sah Frau Triona an wie froh sie war. Mit einem Seufzer der Erleichterung ging sie davon. “Hände weg!“, hörten wir sie gleich darauf schimpfen. "Behalten Sie ihre Pfoten bei sich! Das ist überhaupt nicht lustig.” Dann ertönte ein scharfer Knall. Fünf verdatterte Mäuse betraten das Zimmer. Einer rieb sich die Wange. Aus der Nähe sahen die Kerle noch wilder aus, als bei meinem Blick durchs Schlüsselloch. Die fürchteten weder Tod noch Teufel. Ihre Augen funkelten verwegen und ihre Schnurrbärte waren in kühnem Winkel nach oben gebürstet. Die Tätowierungen auf ihren Armen waren echt und nicht nur mit Tinte aufgemalt wie die meinen.
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Neues von der Namenlos
Urghxx18
“Wer seid ihr und was wollt ihr“, eröffnete die Bücherratte das Gespräch. Einer der verwegenen Kerle, es war der mit dem Holzbein, trat einen Schritt vor. Er sprach für alle. “Ich bin der Captain“, erklärte er. Dann deutete er auf die Maus mit der Augenklappe. "Das ist der Maat. Die anderen sind Schnellfinger-Joe, Messer-Pete und der schwarze Bill.” Die so Vorgestellten machten höflich einen Kratzfuß. “Es ist wegen der Belohnung, Ihro Rattschaft“, fuhr der Captain fort. "Es stand in der Zeitung. Nicht, dass ich lesen könnte. Aber überall in Wapping, Whitechapel und Shadwell spricht man von nichts anderem. Es soll eine Belohnung geben, heißt es. Für die NAMENLOS. Wir haben den Kahn gefunden und wollen jetzt das Geld sehen.” “Geht in Ordnung“, sagte Fröbelhaus. "Wenn das Schiff dort liegt, wo Sie sagen, gehört die Belohnung Ihnen.” “Das Schiff liegt zwischen Wurmstraße und Maulwurfshügel, unterhalb der Teufelsstiege. Ist es nicht so?” Seine Begleiter nickten zustimmend. “Da liegt es, Ihro Rattschaft“, murmelten sie im Chor. "Meine Güte“, wunderte sich Fröbelhaus. "Ich dachte immer, ich kenne London. Diese Straßen sind mir fremd. Kann mich nicht erinnern, sie je auf einem Stadtplan gesehen zu haben.” “Ist gut möglich, Ihro Rattschaft”, sagte der schwarze Bill. “Straßenschilder gibt es in der Gegend keine.”
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Pieps zappelte aufgeregt auf ihrem Sessel hin und her. “Sie sollen uns gleich jetzt zur NAMENLOS führen“, bestürmte sie die Bücherratte. "Wenn es das richtige Schiff ist, können wir den Professor benachrichtigen. Der wird Augen machen.” Fröbelhaus zögerte. Ich fand die Idee brillant. “Oh bitte”, flehte ich die Bücherratte an. “Bei Tageslicht ist der Vampir völlig ungefährlich, hat Großvater gesagt. Wir müssen ihn finden.” “Ich bin keine Ratte der Tat“, wehrte Fröbelhaus ab. Aber seiner Stimme fehlte es an Überzeugungskraft. Pieps und ich brauchten nur ein bisschen zu bitten und schon hatten wir ihn überredet. "Also gut,” sagte er. “Wir Ratten haben mit diesem Blutsauger noch eine offene Rechnung zu begleichen. Sehen wir uns das Schiff mal an. Aber nur aus der Ferne. Den Rest überlassen wir dem Professor.” Pieps und ich hüpften vor Freude auf und ab. Das Jagdfieber hatte uns gepackt. Die fünf Hafenmäuse wandten sich vor Verlegenheit. Schnellfinger-Joe nahm seinen Hut ab und zernudelte ihn nervös zwischen den Pfoten. “Ihro Rattschaft“, sagte er vorwurfsvoll, "wir müssen nach Whitechapel. Das ist eine gefährliche Gegend, ein richtiges Verbrecherviertel.” “Macht nichts. Ihr kennt euch da ja aus“, meinte Eberratt. "Wenn Sie darauf bestehen, Ihro Rattschaft, dann muss es sein“, fügte sich der Captain. "Wir sollten aber sofort aufbrechen. Jetzt ist es dort unten noch ruhig.” “Das kann ich verstehen“, sagte Fröbelhaus. "Wie man hört, sind die Mäuse, die dort leben, ausgesprochene Nachtarbeiter. Die schlafen jetzt sicher noch.” “So ist es, Ihro Rattschaft“, grinste Messer-Pete. "Das haben Sie nobel ausgedrückt.” Fröbelhaus erhob sich. “Dann also los.” Er ließ uns nicht einmal Zeit, zu Ende zu frühstücken. Dieses London steckt voller Überraschungen. Die Stadt hat tausend Gesichter. Oder gar keines. So wie heute. Irgend etwas hatte die Luft verändert. Sie war dick und grau und verhüllte die Straßen und Häuser, so dass sie zu bloßen Schemen und Schatten wurden. Das war der berüchtigte Londoner Nebel. Du hast vielleicht schon von ihm gehört. Fröbelhaus meinte, wir sollten mit dem Omnibus fahren. “Von der obersten Plattform hat man eine wunderschöne Aussicht. Ich werde euch die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen. Bis jetzt habt ihr ja noch gar nichts von London gesehen.” Ein Omnibus ist nichts weiter als eine große Droschke mit zusätzlichen Sitzbänken auf dem Dach. Die Aussicht freilich gab nicht viel her. Sie reichte höchstens drei Meter weit und bestand aus grauen Nebelschwaden. Fröbelhaus ließ sich dadurch nicht stören. Begeistert nannte er die Namen der berühmten (und unsichtbaren) Gebäude an denen wir vorbeifuhren. Eine Stadtbesichtigung im Nebel ist langweilig. Pieps und ich unterhielten uns lieber mit den Hafenmäusen. Schnellfinger-Joe zeigte uns wie er zu seinem Namen gekommen war. Er war nämlich ein Taschendieb wie du dir vielleicht schon gedacht hast. Zum Glück war die Bücherratte zu beschäftigt, um auf ihn zu achten. Der Captain erzählte von der Zeit, als er die sieben Weltmeere befuhr und der schwarze Bill knöpfte sein Hemd auf und zeigte uns alle seine Tätowierungen. So ratterten wir eine Zeitlang in bester Stimmung dahin. “Die nächsten Haltestelle ist die Endstation“, sagte Fröbelhaus plötzlich. "Ab jetzt geht es zu Fuß weiter.” Wir hatten einen Stadtteil erreicht, in dem keine Omnibusse mehr fuhren. Auch Droschken ließen sich hier nicht sehen. Der Captain, Messer-Pete, der Maat, Bill und Joe sahen hier nur noch halb so verwegen aus wie in Professor van Mysies Wohnzimmer. Sie rückten enger zusammen und blickten sich dauernd nach allen Seiten um. Ich fröstelte. Eine dünne Schicht Nässe lag über allem. An jedem meiner Schnurrbarthaare hing ein dicker Wassertropfen. Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet. Hoch oben, über den (fast unsichtbaren) Häusern zeigte sich ein matter, weißer Fleck. Das musste die Sonne sein. Wir versuchten, lautlos über das holprige Straßenpflaster zu gehen. Das war nicht einfach, denn unsere Schuhe waren mit Eisen beschlagen. Damit rutscht man nicht so leicht aus. Dafür macht man einen Höllenlärm, wenn man nur ein bisschen fest auftritt. Plötzlich sagte Pieps: “Jykie, wir haben die spitzen Stöcke vergessen. Wir müssen umkehren.” Sofort blieben die Hafenmäuse stehen. “Das ist eine gute Idee“, meinte der Captain. "Bei Nebel ist es hier nicht ganz geheuer. Am besten, wir warten auf besseres Wetter.” “Dazu ist es zu spät“, meinte Fröbelhaus. "Wir müssen bald da sein. Da können wir noch schnell einen Blick auf das Schiff werfen bevor wir umkehren.” Der Maat konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. "Entschuldigen Sie, Ihro Rattheit“, sagte er. "Habe ganz vergessen, dass ich verabredet bin.” Mit ein paar Schritten war er im Nebel verschwunden. “He, kommen Sie zurück! Sie bekommen noch Geld von mir“, rief Fröbelhaus ihm nach. Aber der Maat ließ sich nicht mehr blicken. Ich konnte ihn verstehen. Auch mir gefiel dieser Teil von London nicht. Die Häuser waren verwahrlost, soweit man das bei der schlechten Sicht erkennen konnte. An jeder Straßenecke stand eine Kneipe. Es waren Spelunken mit phantasielosen Namen. Es gab den EINÄUGIGEN PIRATEN, den EINBEINIGEN PIRATEN, den EINARMIGEN PIRATEN und so weiter und so fort.
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Pieps fand das komisch. "Kein besonders gesunder Beruf, Pirat“, spottete sie. Die Bewohner der Gegend waren recht unheimlich. Zum Glück begegneten wir nur wenigen von ihnen. Wie Schemen tauchten sie aus der dicken Nebelsuppe auf und rannten mit hastigen Schritten an uns vorbei. Nie sah man ihre Gesichter. Sie hatten entweder den Kragen hochgestellt, ein Halstuch vorgebunden oder den Hut tief in die Stirn gezogen. Einzig ihre Augen waren sichtbar. Grausame, verschlagene Augen! Im Vorübergehen musterten sie uns abschätzig. "Bleibt an meiner Seite“, mahnte Fröbelhaus. "Es gibt Banden, die Kinder stehlen und sie als Sklaven nach Südamerika verkaufen.” “Nicht nur Kinder, auch Erwachsene“, sagte Schnellfinger-Joe. "Mir ist gerade eingefallen, dass ich glatt vergessen habe, wo die NAMENLOS liegt. Nichts für ungut, Ihro Rattheit.” Lässig tippte er mit der Pfote an seinen Hut. Ein paar schnelle Schritte und der Nebel hatte ihn verschluckt. “Manchmal bekommt man auch ein Messer zwischen die Rippen oder einen Schlag auf den Kopf. Ein Mäuseleben ist hier nicht viel wert.” Der schwarze Bill klang besorgt. “He, warte auf mich. Allein kommst du nicht weit.” Hastig rannte er hinter Joe her. Jetzt waren nur noch Messer-Pete und der Captain übrig. Messer-Pete machte seinem Namen alle Ehre. Er hatte ein Klappmesser gezogen und ließ es ununterbrochen aufschnappen und zuschnappen, aufschnappen und zuschnappen. Er wirkte nervös. Der Captain musterte uns zweifelnd. “Wollt ihr wirklich weiter gehen?“, fragte er mit unsicherer Stimme. "Klar doch“, erwiderte Pieps großspurig. "Wir brauchen uns doch nicht zu fürchten. Wir haben schließlich eine große, gefährliche Ratte dabei.” Eberratt sah sich verwirrt um. Zum Glück bemerkte der Captain das nicht. Er ließ sich von Pieps Worten beruhigen. Auch ich machte mir keine Sorgen. Mit der starken Pieps und der großen Bücherratte an meiner Seite fühlte ich mich sicher. Wenigstens im Augenblick. Doch die Gegend, durch die wir kamen, wurde immer unheimlicher. Längst schon gab es keine Kneipen mehr. Ringsum war alles öd und leer. Keine Mauseseele ließ sich blicken. Auf den Straßen lag überall Unrat. Die Häuser waren fensterlos und ohne Türen. Ihre kahlen Wände erstreckten sich mehrere Stockwerke hoch. Wer mochte hier leben, ohne Luft und Licht? Mir schauderte. Es war so still, dass jedes Geräusch zur Bedrohung wurde. Als plötzlich vor uns im Nebel schwere Schritte ertönten, blieben wir misstrauisch stehen. Ich war froh, nicht allein zu sein. Der Captain und Messer-Pete drängten sich schutzsuchend an Fröbelhaus. Jetzt hatte auch der Captain ein Messer gezogen.
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Die Bücherratte versuchte mit ihrem Blick, den Nebel zu durchdringen. Ihre auseinanderstrebenden Augen mühten sich, gleichzeitig nach vorne zu blicken. Bald konnten wir alle die schattenhaften Umrisse einer Maus erkennen, die auf uns zu kam. Sie gab sich nicht die geringste Mühe, leise zu sein. Selbstbewusst polterte sie daher. Dann trat sie ganz aus dem Nebel heraus. Es war ein Polizist, der seine Runde drehte. Das war mehr, als Messer-Pete verkraften konnte. Von einer Sekunde zur nächsten war er verschwunden. Nicht einmal ein Abschiedswort hatte er für uns übrig gehabt. “Guten Tag, die Herrschaften“, grüßte uns der Polizist freundlich. "Was machen sie in der Speicherstadt.” Speicher? Das waren gar keine Häuser. Das waren Warenlager. Deswegen sahen die Gebäude so abweisend aus, waren die Straßen so leer. Das kannte ich von Urrghx. Auch bei uns gibt es eine Reihe von Speichern im Hafen. Nur waren sie nicht so groß wie die Warenlager in London. “Wir suchen ein Schiff“, erklärte Fröbelhaus. "Es liegt an der Teufelsstiege.” “Dann sind Sie hier richtig“, erwiderte der Polizist. Er deutete auf eine enge Gasse zwischen zwei turmhohen Speicherhallen. "Das ist die Wurmstraße. Die führt Sie direkt zur Teufelsstiege. Wünsche den Herrschaften noch einen angenehmen Tag.” Er tippte kurz mit einer Pfote an seinen Helm und ging davon. “Von hier finden Sie den Weg auch allein“, sagte der Captain. "Ich gehe mit dem Polizisten zurück. Die Gegend hier ist mir nicht geheuer. Nicht im Nebel.” "Gut, dann will ich Ihnen Ihr Geld geben“, sagte Fröbelhaus. "Geld?” Die Stimme des Captains klang schrill. “Was soll ich HIER mit Geld. Heben Sie es für mich auf, Ihro Rattschaft. Ich schaue gelegentlich mal bei ihnen vorbei und hol es mir. Falls Sie heil hier raus kommen.” Er musste rennen, um den Polizisten einzuholen. Nun standen wir mutterseelenallein da. Mitten in der verrufensten Gegend von London.
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“Was machen wir jetzt?“, fragte ich. "Vorwürfe. Am besten macht ihr mir jetzt Vorwürfe“, sagte die Bücherratte traurig. "Wir sitzen mächtig in der Klemme. Das habt ihr mir zu verdanken. Mir und meinem Leichtsinn. Ich habe einen Fehler gemacht.” "Wieso“, fragte Pieps verwundert. "Bis jetzt läuft doch alles nach Plan.” “Was für ein Plan?” fragte Fröbelhaus verwundert. “Ich wollte nur schnell schauen, ob die NAMENLOS hier liegt. Weiter habe ich nicht gedacht.” Die Stimme der Bücherratte klang zerknirscht. "Ich hätte euch nicht hierher bringen dürfen. Am besten, wir machen es wie der Captain und gehen mit dem Polizisten zurück.” Dazu war es zu spät. Von den beiden Mäusen war weit und breit nichts mehr zu sehen. Der Nebel hatte sie verschluckt. “Wenn wir schon hier sind“, drängte ich, "können wir auch weitermachen. Wir sollten nachschauen, ob dort vorne wirklich die NAMENLOS vor Anker liegt.” “Gut“, stimmte Fröbelhaus widerwillig zu. "Ein Stückchen weiter gehen wir noch. Aber nur ein klitzekleines Stückchen. Wir müssen sehr, sehr vorsichtig sein.” Der Nebel war Schutz und Bedrohung zugleich. Er verbarg uns vor feindlichen Augen. Gleichzeitig verbarg er aber auch jede Gefahr, die hier lauern mochte, vor uns. Mein Herz klopfte wie wild, als wir langsam vorwärts schlichen. Immer wieder blieben wir stehen und lauschten. Doch so sehr wir unsere Ohren auch spitzten, wir konnten nichts hören. Überhaupt nichts. Keine Schritte, keine Stimmen, nichts. Nicht einmal den Schrei einer Möwe. Der Nebel hatte alle Geräusche verschluckt. Die Wurmgasse endete an einer Treppe. Sie war alt, nass und mit glitschigem Moos bewachsen. Ihre abgetretenen Stufen führten hinunter zur Themse. Dort unten lag ein Schiff. Aus der Ferne war es nicht mehr als ein dunkler Schatten. Den Namen konnten wir nicht erkennen. Eine Weile standen wir am obersten Treppenabsatz und blickten schweigend hinunter. “Wir müssen näher heran“, flüsterte Pieps. Fröbelhaus schaute angespannt zum Himmel empor. "Ach verflixt“, jammerte er. "Wo bleibt heute nur die Sonne. Ich bin kein Fachmann für Vampire wie van Mysie. Ob das trübe Glühen dort oben reicht, um den Vampir außer Gefecht zu setzen? Wenn nicht, geht es uns an den Kragen.” “Eher an die Gurgel“, sagte ich. Es war keine gute Bemerkung. "Es kommt Wind auf! Wenn wir lange genug warten, vertreibt er den Nebel.” Pieps versuchte, uns Mut zu machen. Der Wind war nicht auf unserer Seite. Er wirbelte nur die Nebelschwaden ein wenig durcheinander, aber er zerstreute sie nicht. “Ich habe einen Plan,” verkündete ich stolz. "Sie gehen zurück und holen den Professor. Pieps und ich beobachten inzwischen das Schiff.” “Ich soll euch hier zurücklassen?” Fröbelhaus Stimme klang entsetzt. “Ihr wisst ja nicht, welche Gefahren euch hier drohen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich auch Angst, zurückzugehen. Ich kenne den Weg nicht. Ich habe mich ganz auf unsere Führer verlassen. Und die sind verduftet.” Traurig schüttelte er den Kopf. “Wir sehen ganz schön alt aus.” Pieps brachte die Sache auf den Punkt. “Ach was.” So schnell ließ ich den Mut nicht sinken. “Wenn wir nicht zurück können, müssen wir vorwärts. Wir können uns den Vampir vorknöpfen. Es wird Zeit, dass endlich jemand ein ernstes Wort mit ihm redet.” “Ohne Waffen?” Die Stimme der Bücherratte klang unangenehm schrill. Aufgeregt lief er hin und her. “Lasst mich in Ruhe nachdenken. Mir wird schon eine Lösung einfallen.” Ich zog Pieps am Ärmel ein Stück von Fröbelhaus weg. “Stören wir ihn nicht beim Denken. Mir ist was eingefallen. Ein Stück die Straße runter lag ein Haufen Abfall. Kommst du mit? Ich will sehen, ob wir etwas davon gebrauchen können.” Während Fröbelhaus in Gedanken versunken hin und her lief und leise Selbstgespräche führte, machten Pieps und ich uns aus dem Staub. Zu schade, dass die Speicher versperrt waren. Bestimmt steckten sie voller nützlicher Dinge wie tonnenweise Knoblauch, Kisten voller Messer, Pistolen und andere Kostbarkeiten. Der Abfallhaufen war schnell erreicht. Er bestand aus zusammengekehrtem Stroh, Tonscherben, Nägeln und den Resten einer zerbrochenen Transportkiste. “Was für ein Glück“, jubelte Pieps. "Holz! Sieh nur, das ist Holz.” Die Kistenteile waren zu groß für uns. Aber als wir den Abfall gründlich durchwühlten, fanden wir eine Menge Splitter. Zwei davon waren gerade richtig. Sie waren so lang wie ein Spazierstock. Damit konnte man zustoßen. Es gab nur einen Schönheitsfehler. Die Splitter hatten keine Spitzen. Ihre Enden waren ausgefranst, unregelmäßig gezackt und ausgesprochen stumpf. Zum Pfählen eines Vampirs taugten sie nicht. “Und wir haben kein Messer dabei“, sagte Pieps traurig. "Aber eine Ratte“, frohlockte ich. "Oh ja.” Pieps grinste von einem Ohr zum anderen. Sie verstand mich sofort. Fröbelhaus wehrte sich mit Händen und Füßen, als wir ihm die beiden Holzstücke brachten.
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“Nein, nein! Das geht doch nicht. Was verlangt ihr da bloß von mir? Ich bin ein Gelehrter, keine Müllratte. In meiner Familie hat seit Generationen niemand mehr genagt. Ich weiß überhaupt nicht wie man das macht.” Pieps und ich schauten ihn nur stumm an. Wir sind gut darin, einen widerborstigen Erwachsenen mit flehenden, traurigen Kinderaugen anzuschauen. Aber die Bücherratte wich unserem Blick geschickt aus. Ihre seltsamen Augen rückten noch weiter auseinander, als sie es von Natur aus schon taten. Er war wirklich eine harte Nuss. Wir mussten schwereres Geschütz auffahren. “Bitte“, flehte Pieps. "Es ist wegen meinem kleinen, armen Bruder. Wenn du uns nicht hilfst, wird er ein Vampir. Niemand sonst kann ihn retten.” Sie war gut. Selbst mir kamen die Tränen. Das machte ich mir zunutze. Mit tränenerstickter Stimme jammerte ich: “Es ist so unheimlich hier. Ich will nach Hause zu meinem Großvater. Wir brauchen die Stöcke. Bitte, hilf uns doch.” Das reichte. Schicksalsergeben ergriff Fröbelhaus eines der Holzstücke und begann zu nagen. Bald schon spuckte er Sägespäne und Brösel aus. Zum Glück hatte das Bücherlesen seiner angeborenen Nagerfähigkeit nicht geschadet. In kurzer Zeit hatte er unsere Stöcke mit einer gefährlichen Spitze versehen. “Und jetzt entern wir das Schiff“, sagte ich entschlossen. Fröbelhaus stieß ein erschrockenes Ächzen aus. "Sie können ja hier bleiben“, meinte Pieps großzügig. "Ich werde meinen Bruder retten, egal was kommt.” Die arme Bücherratte. "Ich kann euch doch nicht in Stich lassen“, jammerte Fröbelhaus. "Oh je, oh je! Was habe ich da nur angerichtet?” Nachdenklich zog er ein Buch aus der Rocktasche. Es war sehr dick und hatte Beschläge aus Metall. “Ich werde mit geistigen Waffen kämpfen“, sagte er entschlossen. "Hiermit kann man kräftig zuhauen.” Nachdem unsere Vorbereitungen soweit gediehen waren, gab es keinen Grund, länger zu zögern. Noch einmal schauten wir zum Himmel empor. Da oben, hinter dem Nebel, gab es eine Sonne. Daran bestand kein Zweifel. Ob sich der Vampir davon beeindrucken ließ, das wussten wir nicht. Langsam und vorsichtig gingen wir die rutschige Treppe hinunter. Fröbelhaus führte uns an. Das Buch hielt er mit beiden Pfoten gegen die Brust gedrückt. Pieps folgte ihm. Ich bildete die Nachhut. Mitten auf der Treppe blieb Fröbelhaus stehen. Er räusperte sich verlegen. “Einen Rat muss ich euch noch geben. Sollte etwas schief gehen und der Vampir stärker sein als ich, dann springt in die Themse. Vampire können nicht schwimmen.” Als Schlachtruf gab dieser Spruch nichts her. Kein Wunder, dass mir beklommen ums Herz war, als wir das Ende der Treppe erreichten. Nun wurde es ernst. Wir konnten den Namen des Schiffes lesen. Es war die NAMENLOS. Sie schaukelte sanft auf den Wellen der Themse. Weit und breit war niemand zu sehen. Bei dem dichten Nebel hieß das freilich nicht viel. Was würde uns auf dem Schiff erwarten? “Nur nichts übereilen“, warnte die Bücherratte. "Wir wollen nicht in einen Hinterhalt geraten. Bleibt dicht hinter mir. Als erstes durchsuchen wir das Deck.” Fröbelhaus war sehr gründlich. Er schaute unter jeder Taurolle nach. Die NAMENLOS ist nur ein kleines Boot, ein Einhandsegler. Da gibt es nicht viele Möglichkeiten, sich zu verstecken. Das Deck war schnell durchsucht. Jetzt mussten wir hinab in die Kajüte. Du kannst dir sicher vorstellen wie mein Herz pochte, als ich langsam eine Stufe nach der anderen hinunterstieg. Dabei hätte ich mir die ganze Aufregung sparen können. Die Kajüte war leer. Blieb nur noch der Laderaum. Auch hier das gleiche Ergebnis. Nichts als gähnende Leere. Nicht einmal einen Hering fanden wir dort, obwohl es durchdringend nach Fisch roch. Fröbelhaus schaute ungläubig drein und durchsuchte das Schiff ein zweites Mal. Beim dritten Mal klopfte er jede Planke ab. Dann nahm er sich die Wände und den Fußboden in der Kajüte vor. Er suchte einen verborgenen Hohlraum. Doch so sehr er sich auch plagte, dass Ergebnis war gleich null. Das Schiff war verlassen. Nach all unseren Vorsichtsmaßnahmen kamen wir uns richtig doof vor. “Ist das wirklich das richtige Schiff“, fragte uns die Bücherratte misstrauisch und ließ sich mit einem Plumps auf die Koje fallen. Wir nickten stumm. Es war die NAMENLOS. Daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Einen Hinweis auf den Vampir entdeckte ich zum Schluss doch noch. Mitten auf dem Kajütenboden befand sich ein rechteckiger, dunkler Fleck. Feuchte Erde lag dort. Mir war sofort klar, was das bedeutete. "Hier hat der Sarg gestanden“, verkündete ich laut. Fröbelhaus zog eine Zeitung hervor, die zwischen Koje und Wand gerutscht war. Es war die TIMES. Sie war genau auf der Seite aufgeschlagen, auf der die Anzeigen standen. "Hohe Belohnung für jeden, der den Liegeplatz der NAMENLOS kennt“, las er vor. "Das erklärt alles. Der Vogel ist ausgeflogen. Er hat seinen Sarg gepackt und sich ein neues Versteck gesucht.” “Du meinst, er kommt nicht zurück?“, vergewisserte sich Pieps. Fröbelhaus nickte. "Sonst stünde der Sarg noch da. Er ist recht unhandlich, wenn du verstehst, was ich meine.”   Ich fühlte mich wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht. Niedergeschlagen setzte ich mich auf den Fußboden. Die Enttäuschung machte mich unwirsch. “Schon wieder entwischt. Werden wir diesen Unhold denn niemals finden? Immer ist er uns ein Stück voraus. Den erwischen wir nie.” Fröbelhaus war mindestens so enttäuscht wie ich. “Unser Ausflug war ein Schlag ins Wasser. Fürs erste sitzen wir hier fest. Ich kenne den Rückweg nicht. Und jemanden, der hier lebt, nach dem Weg zu fragen, erscheint mir zu gefährlich.”
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“Deswegen müssen wir doch nicht hier bleiben.” Pieps verstand die Sorgen der Bücherratte nicht. “Wir haben das Schiff. Damit kommen wir überall hin.” Fröbelhaus schaute verwirrt. “Wie meinst du das?” “Wir segeln davon. Flussaufwärts oder flussabwärts, wohin Sie wollen. Hauptsache, raus aus dieser gefährlichen Gegend.” “Ach Kinder, Kinder. Ihr erwartet zuviel von mir. Ich bin eine Bücherratte, keine Schiffsratte. Mit Booten kenne ich mich nicht aus.” “Aber wir.” Meine miese Stimmung verflog. “Wir kommen von Urrghx. Bei uns daheim lernen schon die Wickelkinder wie man segelt. Dieses Boot ist so gebaut, dass eine Maus allein damit zurecht kommt. Zu zweit ist es ein Kinderspiel. Fröbelhaus schaute uns ungläubig an. "Ihr könnt segeln?“, fragte er. "Das ist ja toll. Dann Ahoi und Leinen los oder wie ihr Seeleute das nennt.” Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Bevor wir ablegten, fiel mir aber noch etwas ein. “Könnten sie Wache halten? Es wäre schrecklich, wenn sich der Vampir ein zweites Mal an unsere Fersen heftet.” So stand Fröbelhaus an Deck und hielt Ausschau nach Verfolgern. Seine ungewöhnliche Augenstellung erlaubte es ihm, den Fluss und beide Ufer gleichzeitig zu überwachen. Pieps und ich genossen unseren Segelausflug. Nur allzu bald rief die Bücherratte erfreut aus: “Seht nur, das Parlament. Jetzt weiß ich, wo wir sind. Die Gegend kenne ich.” Sogleich übernahm er das Kommando. Auf seine Anweisung hin steuerten wir das Ufer an und vertäuten die NAMENLOS an einem guten Landeplatz. Immer noch verhüllte der Nebel Straßen und Häuser. Für mich sah ringsum alles gleich aus. Wie sich die Bücherratte da zurecht fand, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.
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Die Jagd geht weiter
Urghxx19
Nachdem wir wieder an Land waren, eilten wir ins Krankenhaus zu den SAMARITERMÄUSEN. Wir mussten Großvater und Professor van Mysie von unseren Abenteuern berichten. Im Krankenhaus herrschte rege Geschäftigkeit. Eine Menge Mäuse eilten durch die Gänge. Niemand achtete auf uns. Wir gingen zum dritten Stock hinauf. Fröbelhaus klopfte ganz leise an die Tür. Es war, als wolle er nicht gehört werden. Das kam mir seltsam vor. Aber so ist es nun einmal in Krankenhäusern. Dort muss man ganz leise sein. Viele Mäuse gehen dort sogar auf Zehenspitzen einher, machen ernst Gesichter und reden nur im Flüsterton. Weil niemand auf das Klopfen antwortete, öffnete die Bücherratte leise die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer. “Können wir eintreten?” “Kommt rein, kommt rein“, antwortete Professor van Mysie mit lauter Stimme. “Ihr kommt gerade rechtzeitig. Herr Aschig ist aufgewacht. Er will uns von seinen Erlebnissen mit dem Vampir berichten.” Jonathan lag im Bett, sah aber besser aus, als in der Nacht. Er war immer noch kreidebleich. Das würde sich auch nicht mehr ändern. Sein Anblick machte mich ganz verlegen. Ich hätte ihm gerne etwas Nettes gesagt, aber mir fiel einfach nichts ein. Während wir stumm und verlegen herumstanden, besorgte der Professor Stühle für alle. Jonathan sah uns derweilen an, als könne er seinen Augen nicht trauen. “Pieps! Jykie! Wo kommt ihr denn her?”   “Hebt euch die Begrüßung für später auf“, unterbrach ihn Professor van Mysie. "Jetzt haben wir Wichtigeres zu tun. Bitte, Herr Aschig, erzählen Sie uns alles über den Vampir. Lassen Sie nichts aus. Es ist wichtig.” Jonathan regte sich schrecklich auf. “Sie haben recht! Sie haben recht! Der Vampir ist in London. Sie müssen die Königin warnen. Rufen sie die Armee zu Hilfe! Lassen Sie die Flotte auslaufen! Das ganze Land ist in Gefahr.” Von diesem Ausbruch erschöpft, sank er in die Kissen zurück und streckte alle Viere von sich. Erschrocken beugten wir uns vor. Jonathan war noch bei Bewusstsein. “Kommt näher“, flüsterte er. "Ich habe nicht genug Kraft, um laut zu sprechen. Suchen sie Graf Musta Ermin. Sie müssen ihn unschädlich machen.” “Das versuchen wir schon die ganze Zeit. Was denken Sie, habe ich letzte Nacht im Britischen Museum gemacht? Bilder angeschaut?” Van Mysie bemerkte Jonathans verständnislosen Blick. “Ach ja, das können sie nicht wissen. Sie waren ja bewusstlos als wir uns kennen gelernt haben.” Mit einer ausladenden Handbewegung deutete er von sich auf Großvater, Fröbelhaus, Pieps und mich. “Wir, wir alle waren letzte Nacht im Museum. Wir haben sie dort nieder… äh… gefunden und ins Krankenhaus gebracht.” Jonathan streckte eine Pfote aus. “Wie kann ich Ihnen nur danken? Ich hatte schon alle Hoffnung verloren. Sie haben mich aus der Gewalt meines Peinigers befreit. Jetzt bin ich in Sicherheit.” Wir schwiegen betreten. Besser, er wusste nicht, dass der Vampir ihn bis ins Krankenhaus verfolgt hatte. Schnell wechselte Großvater das Thema. “Was wollte der Graf eigentlich im Museum“, fragte er. "In den Büchern stand nichts davon, dass er besonders gebildet ist.” “Das ist er auch nicht. Aber er ist schlau und verschlagen. Er hat nur ein Ziel. Er will dieganze Welt seiner Herrschaft unterwerfen.”
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“Wozu soll das gut sein?“, fragte Pieps verwundert. "Das habe ich auch nicht verstanden. Er redete pausenlos davon, dass Vampire allen anderen Wesen überlegen sind. Er will allen Mäusen die Unsterblichkeit schenken, sagt er.” “Aber er ist doch überhaupt nicht unsterblich“, wandte Großvater ein. "Man muss ihm nur einen Holzpflock ins Herz stoßen und er ist hin. Und jeder kleine Sonnenstrahl lässt ihn zu Staub zerfallen.” “Das ist sein wunder Punkt. Genau das bereitet ihm Kopfschmerzen. Er möchte nicht nur in der Nacht Schrecken verbreiten. Er will auch tagsüber sein Unwesen treiben. Er sucht einen magischen Edelstein, der große Macht besitzt. Angeblich kann er ihn vor dem Licht der Sonne schützen. Das hat er mir wenigstens erzählt.” “Von Zaubersteinen habe ich schon gehört. Aber diese Geschichte ist mir neu. Um welchen Edelstein soll es sich denn handeln?” fragte der Professor und zückte ein Notizbuch. "Es sucht den Rubin des schwarzen Prinzen.” “Diesen Unglücksstein?“, rief Eberratt Fröbelhaus erstaunt. "Es heißt, Menschenblut habe ihm seine Leuchtkraft verliehen. Der König von Granada wurde wegen dieses Rubins ermordet. Gut möglich, dass solch ein blutbeflecktes Juwel böse Kräfte hat.” "Sie werden doch einen solchen Aberglauben nicht ernst nehmen?“, spottete Professor van Mysie. "Das sind doch Ammenmärchen. Das ist finsterstes Mittelalter. Wir leben im 19. Jahrhundert, Herr Eberratt.” “Der Graf glaubt an den Stein“, versicherte Jonathan mit Nachdruck. "Schließlich ist er selbst ein Ammenmärchen. Trotzdem läuft er durch London. Wenn er sie sieht, dann beißt er sie, ob Sie nun an ihn glauben oder nicht.” Er deutete mit der Pfote auf den Professor. Wir schwiegen betreten. Schließlich ergriff van Mysie neuerlich das Wort. “Das mag schon sein. Trotzdem ergibt das Ganze keinen Sinn. Was haben der Stein und die nächtlichen Museumsbesuche von Graf Nuckelzahn miteinander zu tun?” Ein kleines, verschmitztes Lächeln huschte über Jonathans ausgezehrtes Gesicht. “Daran bin ich schuld. Ich habe ihm eingeredet, der Stein wäre irgendwo im Museum versteckt. Ich wollte verhindern, dass er den Rubin in seine Klauen bekommt. Er sollte nicht noch mächtiger werden, als er schon ist. Das konnte ich doch nicht zulassen. Er hätte ganz England unterjocht. Deswegen habe ich ihn belogen.” “Belogen? Wieso?” Großvater verstand Jonathan nicht. “Gibt es diesen Stein etwa wirklich?” “Ja, er existiert wirklich. Sie sind aus Urrghx und kennen sich in London nicht aus. Sonst wüssten Sie, dass der gesuchte Stein im Tower liegt. Zusammen mit den anderen Kronjuwelen. Der Graf hätte das Museum bis in alle Ewigkeit durchsuchen können und doch nichts gefunden.” Von der langen Erklärung erschöpft, sank Jonathan auf sein Kissen zurück und schloss müde die Augen. “Natürlich, im Tower!” Van Mysie tippte sich an die Stirn. “Ich bin heute langsam von Begriff. Sie sprechen von dem Rubin auf der Staatskrone. Seine Herkunft aus Granada habe ich allerdings immer für pure Erfindung gehalten.”
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Auch Großvater hatte etwas zu sagen. “Sie haben den Vampir ganz schön reingelegt, Herr Aschig. Das war sehr tapfer von ihnen.“ "Nein, nein, loben sie mich nicht. Ohne mich wäre der Graf immer noch im Mausoleum von Urrghx eingekerkert. Ich bin schuld, dass er frei herumläuft. Bitte, machen Sie ihn unschädlich. Er hat schon genug Unheil angerichtet.” Eine Schwester betrat das Zimmer. Als sie den erschöpften Jonathan sah, wurde sie böse. Schimpfend befahl sie uns, den Raum zu verlassen. “Der Kranke braucht jetzt Ruhe“, sagte sie. "Jede Aufregung kann ihn töten. Hat ihnen das niemand gesagt?” Betreten verließen wir das Krankenzimmer. Draußen auf dem Flur, begann Fröbelhaus von unseren Erlebnissen an der Themse zu berichten. Großvater wurde kreidebleich. Für einen Augenblick war er so weiß wie Jonathan Aschig. “Schade, wirklich schade“, sagte der Professor, als Fröbelhaus zu Ende berichtet hatte. "Das war unsere letzte Spur. In London gibt es tausend Verstecke. In der Kanalisation, alten Kellern und in verlassenen Häusern. Einfach überall. Irgendwann finden wir den Vampir, aber das kann Jahre dauern.” “Wenn ihm dieser Blutstein so wichtig ist“, meinte ich, "dann kommt er heute Nacht wieder ins Museum.” “Oder er holt sich Jonathan“, sagte Pieps. "Das ist blöd. Wir können nicht beide Orte bewachen.” Van Mysie zwirbelte nachdenklich an seinem Schnurrbart. “Warum nicht?” Fröbelhaus sah da kein Problem. “Wir sind zu Fünft. Da können wir uns leicht aufteilen.” Er hatte seine Rechnung ohne Großvater gemacht. “Ich lasse nicht zu, dass Sie die Kinder noch einmal in Gefahr bringen“, polterte er los. "Die bleiben zu Hause. Wie konnten Sie die beiden nur mit zum Hafen nehmen? Ihr Ausflug heute war völlig hirnverbrannt. Mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke. Man hätte euch ermorden können. Sie sind ein völlig verantwortungsloses Nagetier, Sie Ratte, Sie!” So in Rage hatte ich Großvater noch nie erlebt. Nichts konnte ihn umstimmen. Vergeblich bettelten Pieps und ich um Gnade. Großvater blieb hart. Van Mysie öffnete den Mund. Er kam nicht dazu, etwas zu sagen. Großvater war in Fahrt. Er erinnerte den Professor daran, dass er versprochen hatte, uns nicht in Gefahr zu bringen. Dem Armen blieb nichts weiter übrig, als seinen Mund wieder zuzuklappen.   Und die Bücherratte war natürlich viel zu zerknirscht, um unsere Partei zu ergreifen. Einzig und allein beim Pläneschmieden durften wir noch dabei sein. Die Bücherratte wollte zusammen mit Großvater im Museum wachen. “Ich übernehme das Krankenhaus“, erbot sich der Professor. "Ich muss ja nur ein einziges Zimmer im Auge behalten. Außerdem habe ich einen Köder für die Bestie. Der Vampir wird sich auf Jonathan stürzen, ohne mich zu bemerken. Dann stoße ich ihm den Pflock in den Rücken.” Sofort meldete Fröbelhaus moralische Bedenken an. “Das geht doch nicht. Sie bringen Herrn Aschig in Gefahr. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn er den Vampir sieht. Der Schock könnte ihn auf der Stelle töten. Das wäre grausam und außerdem mauseunwürdig.” “Daran habe ich nicht gedacht. Da ist es freilich besser, wir lassen ihn heimlich in ein anderes Krankenhaus bringen. Ich werde mich an seiner Stelle ins Bett legen.” “Und wenn du einschläfst?“, fragte Großvater. "Was dann?” “Dann ist es aus mit mir.” Van Mysie griff sich an den Hals. Man sah wie wenig ihm diese Vorstellung behagte. Aber fast sofort klärte sich seine Miene wieder auf. “Ich habe die Lösung. Ich lege eine Puppe ins Bett.” “Eine Puppe?“, fragte Pieps ungläubig. "Darauf fällt doch niemand rein.” “Aber doch“, sagte der Professor. "Ich denke da an ganz besondere Puppen. Sie sehen täuschend echt aus, richtig lebendig. Sie sind so gut, dass man sie öffentlich ausstellt. Die Menschen zahlen Eintritt, nur um sie zu sehen. Wachsfigurenkabinett heißt die Veranstaltung. Wenn wir den Vampir erst haben, führe ich euch dorthin. Ihr werdet staunen. Dort gibt es Könige und Mörder, alle lebensecht und aus Wachs. In einer Kerkerszene sitzt ein Gefangener mit einem Bart bis zum Fußboden auf seiner Pritsche. Nur Mäuse und Ratten leisten ihm Gesellschaft. Die sind auch aus Wachs. So eine Maus werde ich besorgen.” Pieps schaute immer noch ungläubig drein. Aber die Erwachsenen waren von dem Plan ganz begeistert. “Das klingt gut“, stimmte Großvater zu. "Damit könnte es klappen. Aber wir drei sind einfach zu wenig. Wir brauchen mehr Mäuse. Oder Ratten“, fügte er mit einem höflichen Blick auf Fröbelhaus hinzu.   "Wer ist schon so mutig, sich gegen einen Vampir zu stellen? Ich kenne niemanden.” Die Bücherratte sah beschämt aus. “Ich bin so mutig“, behauptete Pieps. "Jykie auch.” “Nun fangt bloß nicht wieder damit an.” Großvater machte ein böses Gesicht. “Wir könnten wenigstens Schmiere stehen“, versuchte ich mein Glück. "Wir können euch warnen, sobald sich der Vampir nähert.” “Schmiere stehen? Schmiere stehen! Das ist nicht dumm. Die Idee hat was.” Van Mysie dachte nach. “Wir sollten ein Mäusefrühwarnsystem einrichten. Ich glaube, das lässt sich machen.” “Nicht mit den Kindern.” Großvater blieb hart. “Die brauche ich nicht. Die könnten das doch gar nicht. Ich hole mir Fachleute. Jemanden mit Berufserfahrung, keine blutigen Anfänger.” “Da komme ich nicht mit. Von was reden Sie da, Herr Professor?“, fragte die Bücherratte verwirrt. "Ich rede von Dieben und Einbrechern. Von kleinen Gaunern, die für ein paar Kupfermünzen Wache halten, während ihre Kumpane in ein Haus einbrechen und das Silber klauen. Die wissen wie man sich unsichtbar macht. Außerdem kennen sie völlig unverdächtige Geräusche. Uhuschrei oder was weiß ich. Damit warnen sie die Anderen bei Gefahr. Das können sie auch für uns tun.”   “Woher um alles in der Welt kennst du den solche …solche…”, Großvater suchte nach dem richtigen Wort. “Ganoven?” half ihm der Professor aus. "Erinnere dich an die schrägen Vögel, die sich auf meine Zeitungsanzeige hin gemeldet haben. Die mit den Lügengeschichten. Ich glaube, bei denen frage ich mal nach. Zum Glück hat sich Frau Triona ihre Adressen aufgeschrieben.”
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“Jetzt verstehe ich ihren Plan“, sagte Fröbelhaus. "Er gefällt mir. Wir stellen eine Reihe von bezahlten Helfern um das Museum auf. Und auch um das Krankenhaus. Am besten oben auf den Dächern. Dort sind sie einigermaßen sicher. Dann müssen wir nur noch dafür sorgen, dass sie beim Anblick des Vampirs nicht erstarren. Wir brauchen mehr Ketten mit goldenen Anhängern. Ein Haufen Arbeit wartet auf uns. Da gilt es keine Zeit zu verlieren. Wenn wir das alles bis heute Nacht schaffen wollen, müssen wir uns sputen.” Nicht einmal jetzt durften wir helfen. Auch Großvater ging es nicht besser als Pieps und mir. Van Mysie meinte, er kenne sich zu wenig in London aus, um von Nutzen zu sein. Großvater war gekränkt. Es ist kein schönes Gefühl, wenn man nicht gebraucht wird. "Ich komme mir überflüssig vor“, beklagte er sich bei Frau Triona. "Alt und überflüssig.” “So dürfen Sie nicht denken“, tröstete ihn die Haushälterin. "Sie sind fremd in London. Das ist doch keine Schande. Dafür kennen Sie sich mit Vampiren aus. Heute Nacht, da schlägt ihre Stunde. Dann werden sie gebraucht.” “Und weil das so ist, lieber Großvater“, schlug ich vor, "legst du dich am besten hin und schläfst ein wenig.” Er hatte Schlaf dringend nötig. Man sah ihm die ganze Aufregung der letzten Tage an. Er sah so alt und gebrechlich aus, dass mir ganz schwer ums Herz wurde. Großvater seufzte tief und folgte meinem Rat. “Und was ist mit uns, Jykie“, fragte Pieps. "Am besten wir legen uns auch schlafen. Heute Nacht werde ich kein Auge schließen und du auch nicht. Wir werden hier sitzen und warten. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Es ist doch gar nicht sicher, dass der Vampir in die Falle geht. Der Kerl ist so gerissen. Vielleicht dreht er den Spieß um und jagt die Jäger. Es kann so viel schief gehen. Wahrscheinlich sind wir in der Früh genau so weiß wie der arme Jonathan.” “Das wäre schrecklich.” Frau Triona hatte uns zugehört. “Ich will den Professor bitten, dass er uns einen Boten schickt, sobald er den Vampir geschnappt hat. Dann wird es für euch leichter sein.” “Er soll auch einen Boten schicken, wenn der Vampir entkommt“, fügte Pieps düster hinzu. "Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.” Davon war sie nicht abzubringen.   Sie hatte so ihre Vorahnungen. Mit ihrer blühenden Phantasie malte sie sich alle möglichen Katastrophen aus. Aber selbst ihre Vorstellungskraft reichte nicht aus, um das Unheil vorherzusehen, welches die kommende Nacht für uns bereit hielt.
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Fangt die Maus
Urghxx20
Lass dich niemals auf ein Abenteuer ein. Du erwartest Aufregung und Spannung. Und was geschieht? Die meiste Zeit sitzt du irgendwo herum und wartest, wartest, wartest. Die Warterei zehrt an deinen Nerven. Du wirst ganz fahrig und nervös. Am Schluss bekommst du sogar Bauchweh. Dann wünschst du nur noch, dass das Ganze ein Ende hat. Egal wie. Ungewissheit ist schwer zu ertragen. Frau Triona versuchte, uns zu zerstreuen. Sie hatte sogar Spiele besorgt. Deshalb saßen wir nun zusammen in van Mysies Wohnzimmer und spielten “Fang die Maus”, “Maus ärgere dich nicht” und “Mäusejagd”. Es nutzte nichts. Die Minuten vertickten in quälender Langsamkeit. Ich musste ständig an Großvater denken. Hoffentlich passierte ihm nichts. Er war so alt. So schrecklich alt. Nervös kaute ich auf meinen Krallen herum. Auch Pieps war angespannt. Ungeduldig zappelte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Frau Triona tat, als bemerkte sie es nicht. Sie wusste, dass wir allen Grund hatten, unruhig zu sein. Es war schon nach Mitternacht, als es am Lieferanteneingang läutete. Endlich! Der versprochene Bote war da. Pieps sprang so eifrig in die Höhe, dass ihr Stuhl krachend umfiel. Während ich ihr half, ihn aufzuheben, ging Frau Triona öffnen.
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Wir hörten sie schreien, schrill und hoch. Da rannten wir los. Zwei Mäuse standen in der Küche. Eine war alt, viel älter noch als Großvater. Der Flaum an ihrer Schnauze war schmutzigweiß und ihr Fell dünn vor Alter. An einigen Stellen hatte es kahle Flecke. Sie sah ausgesprochen schäbig aus. Von ihrer Kleidung konnte man das nicht behaupten. Die war neu und elegant. Die Maus trug einen schimmernden, schwarzen Umhang, der mit roter Seide gefüttert war. Auch ihre Augen waren rot. Sie glühten wie brennende Kohlen. Die zweite Maus war ein alter Bekannter von Pieps und mir. Breitbeinig und mit verschränkten Armen stand Plitsch vor der geschlossenen Hintertür. Er versperrte uns den Weg nach draußen. Schon hatte Frau Triona ihren Schrecken überwunden. Sie wurde wütend. “Was soll das? Was wollen Sie hier“, schimpfte sie lauthals. Ich wunderte mich. Wieso konnte sie noch reden? Wieso sich bewegen? Sie hätte zu Stein erstarrt sein müssen. Meine Pfote tastete nach der Kette unter meinem Kleid. Das Amulett war mein einziger Schutz. Die spitzen Stöcke und der Knoblauch, die Frau Knubbelich eingepackt hatte, waren außer Reichweite. Sie lagen immer noch in unseren Koffern, oben im Schlafzimmer. Der Vampir grinste und ließ seine schrecklichen Zähne sehen. Für eine Maus seines Alters hatte er ein bemerkenswert kräftiges Gebiss. “Ich suche van Mysie“, sagte er. Seine Stimme klang, als ob sich eine schwere Kerkertür langsam in ihren verrosteten Angeln drehte. "Seitdem ich in London bin, verfolgt mich dieser Schuft. Er ist so dumm, dass er sogar seine Adresse in die Zeitung gibt. Glaubt der Dummkopf, ich kann nicht lesen?” Fast hätte ich aufgeschrieen. Die Zeitung. Eberratt Fröbelhaus hatte sie auf der NAMENLOS gefunden. Die Suchanzeigen mit der Belohnung und der Adresse des Professors. Wir hatten es dem Vampir leicht gemacht, uns aufzuspüren. Wie konnten wir nur so dämlich sein. Für Selbstvorwürfe war es zu spät. “Der Professor ist nicht zu Hause“, sagte Frau Triona mit zitternder Stimme. "Kommen Sie morgen wieder.” Der Vampir machte keine Anstalten zu gehen. Er gab Plitsch ein Zeichen. Dieser drehte den Schlüssel im Schloss herum und zog ihn ab. Langsam ging der Vampir auf die Haushälterin zu. Pieps stellte sich schützend vor Frau Triona. “Ich werde auf van Mysie warten“, sagte Graf Musta Ermin. "Die Zeit wird mir nicht lange werden. Dafür werdet ihr sorgen.” Er packte Pieps an der Schulter und bleckte seine Zähne. Vergeblich versuchte meine Freundin, sich loszureißen. Der Vampir war stärker als sie. “Hallodri, Hallodris“, schrie ich voller Verzweiflung. Pieps verstand mich sofort. Sie hörte auf, sich zu wehren. "Ich glaube, mir wird schlecht“, stöhnte sie. "Gleich muss ich kotzen.” Es war eine gute schauspielerische Leistung. Der Vampir war beeindruckt. Erschrocken ließ er Pieps los und trat angeekelt einen Schritt zurück. Mehr brauchten wir nicht. Ich fasste Frau Triona am Arm und zog sie hinter mir her, während ich davon rannte. Pieps spurtete uns nach. Ich wollte die Treppe hinauf und in unser Zimmer. Diesen Weg versperrt uns Plitsch.
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Vor ihm hatte ich keine Angst. Schließlich kannte ich ihn schon mein ganzes Leben lang. Aber wir hatten nicht genug Zeit, ihn aus dem Weg zu schaffen. Zu dicht war uns der Vampir auf den Fersen. Uns blieb keine Wahl. Wir konnten nur blindlings weiter rennen. Im Vorbeilaufen riss Pieps einen schweren Sessel um. Mit einem einzigen Tritt räumte ihn der Vampir beiseite. Er war unglaublich stark. Das Hindernis hatte ihn nicht eine Sekunde lang aufgehalten. Trotzdem verschaffte uns der Sessel einen winzigen Vorsprung. Graf Musta Ermin blieb nämlich stehen. Wir hatten ihn zum Lachen gebracht. Dieses Lachen werde ich niemals vergessen. Manchmal träume ich davon. Dann wache ich schweißgebadet auf und liege für den Rest der Nacht zitternd im Bett. Es war das schauerlichste Geräusch, das ich jemals gehört habe. “Lauft nur, ihr Mäuschen, lauft! Das bringt euer Blut in Wallungen. Dadurch wird es noch süßer, noch köstlicher. Ich habe es gern, wenn meine Opfer sich wehren. Dann macht es erst richtig Spaß!” In Panik rannten wir durch den Flur auf die Vordertür zu. “Da kommen wir nicht weiter. Nachts sind alle Türen versperrt“, keuchte Frau Triona. Ihre Warnung kam zu spät. Hinter uns war der Vampir. Vor uns die Haustür. Es gab kein Zurück. Zum Glück steckte der Schlüssel im Schloss. In fliegender Hast versuchte ich, die Tür aufzusperren. Warum dauerte das nur so lange? Meine Finger wollten mir nicht gehorchen. Pieps verschaffte mir mehr Zeit. Im Flur stand ein großer Kleiderständer. Den warf sie, mit allem, was daran hing, um. Sogleich verhedderte sich Graf Musta Ermin mit den Beinen in einem schweren Überzieher. Noch immer fand er das Ganze schrecklich lustig. Er hatte einen Mordsspaß. Erneut erklang sein schauriges Lachen. Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. Lachend packte der Graf den Mantel mit beiden Pfoten und riss ihn in Fetzen. So kam er frei. Trotz meiner zitternder Finger hatte ich die gewonnene Zeit genutzt. Die Tür war offen.  Wir stürmten ins Freie. Nein, nicht ins Freie. Noch nicht. Hinter der Haustür von Professor van Mysie liegt, wie du ja weißt, die Speisekammer Ihrer Majestät, der Königin von England. Dort gab es noch einmal zwei Türen. Eine große für Menschen und eine kleine für Mäuse. Die Menschentür führte ins Schloss. Aber die kleine, die für Mäuse, führte geradewegs in den Hof des Palastes. Dort würden wir Hilfe finden. Dort standen die königlichen Wachen in ihren roten Jacken, mit den hohen Bärenfellmützen auf dem Kopf und mit scharfen Säbeln an der Seite. Wenn wir den Hof erreichten, waren wir in Sicherheit. Wir rannten wie die Wilden. Aber wir erreichten den Ausgang nicht. Der Graf war schneller und schnitt uns den Weg ab. Es war unglaublich. Er besaß übermäusliche Kräfte. Wir mussten einen Haken schlagen und zurücklaufen. Jetzt saßen wir in der Falle. Plitsch hatte die Haustür abgesperrt. Triumphierend hielt er den Schlüssel in die Höhe. Ich hatte ihn bei unserer Flucht im Schloss stecken lassen. Das brachte den Grafen auf eine Idee. Gemächlich schlenderte er zur zweiten Türe, zur Tür ins Freie. Mit höhnischem Grinsen zog er auch dort den Schlüssel aus dem Schloss. "Kommt, ihr süßen Mäuschen“, höhnte er. "Holt euch den Schlüssel.”
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Dann verschluckte er ihn. Er wollte uns zermürben. Uns zeigen, dass es keine Hoffnung gab. Unseren Widerstand brechen, bevor wir überhaupt zu kämpfen versuchten. Er war gemein, gemein, gemein. Die Angst umhüllte mich wie eine große schwarze Woge. Am liebsten hätte ich aufgegeben und mich in das unvermeidliche gefügt. Zum Glück waren Pieps und Frau Triona da. Die freundliche, rundliche Haushälterin verwandelte sich in eine Löwin. “Lassen Sie die Kinder in Ruhe“, brüllte sie. Das brachte mich wieder zur Besinnung. Ich würde mich wehre. Die Speisekammer war groß. Der Graf wollte mit uns spielen? Bitte sehr! Wie wäre es mit Fangen? So leicht würde uns der Unhold nicht erwischen. In Windeseile kletterten Frau Triona, Pieps und ich an einem Regal hoch. Noch immer ließ sich der Vampir Zeit. Er war sich seiner Sache sicher. "Kommt herunter“, rief er mit lockender Stimme. "Ich warte auf euch. Seid keine Spielverderber. Tief in euren kleinen rosa Herzen wünscht ihr euch doch nichts anderes, als von mir ausgesaugt zu werden. Das sieht man euch an der Nasenspitze an. Ziert euch nicht so. Ihr bekommt auch etwas Schönes von mir. Unsterblichkeit. Lasst mich bloß von eurem jungen Blut kosten.” Seine Augen glühten stärker als zuvor. “Geh weg, du alter Blutegel“, schrie Pieps. "Hau ab! Du kannst uns nichts anhaben.” Sie zog ihre Kette unter dem Kleid hervor. “Die goldene Mausefalle schützt uns.” Der Vampir trat einen Schritt zurück. Er beschattete seine Augen mit einer Pfote, geradeso als würde ihn das Gold blenden. Sogleich zog auch ich meine Kette hervor. Frau Triona schaute verwirrt von Pieps zu mir. Dann tat sie es uns gleich. Auch sie trug eine goldene Mausefalle unter ihrem Kleid. Verblüfft schaute ich sie an. “Das ist ein Geschenk von Herrn Fröbelhaus“, sagte sie und errötete sanft. Jetzt wusste ich, wohin das alte Rattenweib das Päckchen von Eberratt geschickt hatte. Zeit um darüber nachzudenken, blieb mir nicht. "Plitsch“, schrie der Vampir. "Nimm den dummen Dingern die Anhänger weg.” Inzwischen hatte Pieps einen Beutel mit Haselnüssen entdeckt. “Frau Triona“, sagte sie nachdenklich. "Glauben Sie, wir können das Versprechen brechen, das Sie den Menschen gegeben haben. Ich denke, es hilft uns, wenn wir die Speisekammer ein wenig in Unordnung bringen.” Sie wartete nicht auf die Antwort, sondern begann, den Vampir mit Nüssen zu bombardieren. “Wirst du sofort damit aufhören, du ungezogenes Ding“, kreischte der Graf voll Zorn. Obwohl die meisten Nüsse trafen, bewirkten sie nicht viel. Wir hatten es schließlich mit keiner normalen Maus zu tun. Wir brauchten stärkere Waffen. "Gibt es hier irgendwo Knoblauch?“, fragte ich Frau Triona. "Knoblauch? Nein. Der Koch mag ihn nicht. Der Geruch ist ihm zuwider. Eine Königin darf nicht nach Knoblauch riechen. Das ist unvornehm, meint er.” So ein Pech. Ich sah mich nach anderen nützlichen Dingen um. Die Speisekammer steckte voller köstlicher Sachen. An den Regalen hingen bündelweise getrocknete Kräuter, Zwiebel und Pilze. In großen, geflochtenen Körben lagerte Obst. Ein großer Beinschinken hing an einem Haken von der Decke herab und duftete betörend. Neben mir stand eine Torte, ein Traum aus Sahne und Himbeeren.
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Traurig aber wahr. Lebensmittel sind schlechte Waffen. Ich konnte den Vampir doch nicht mit einer Spaghetti durchbohren. Pieps, Frau Triona und ich, wir steckten tief in der Patsche. Mutlos bewaffnete ich mich mit einer Karotte. Das war nur wenig besser als nichts. Inzwischen war uns Plitsch schon sehr nahe gekommen. Er kletterte langsam und ruhig am Regal empor. “Mach keine Dummheiten, Plitsch“, flehte ich. "Wir sind’s doch, Jykie und Pieps. Du wirst uns doch nicht weh tun wollen?” Er hörte uns nicht. Er besaß keinen eigenen Willen mehr. Der Vampir hatte ihn völlig in der Gewalt. Schon streckte er die Pfote nach dem Regalbrett aus, auf das wir uns geflüchtet hatten und zog sich daran in die Höhe. “Entschuldigung“, sagte ich und hieb ihm aus Leibeskräften die Karotte über die Pfoten. Mit einem Schrei stürzte Plitsch ab. "Komm, hilf mir“, rief Pieps im selben Augenblick. Sie machte sich an der Himbeersahnetorte zu schaffen. Die Torte stand auf einem flachen Teller. Pieps mühte sich ab, ihn an der Seite hochzustemmen. Frau Triona und ich eilten ihr zu Hilfe. Zu dritt gelang es uns, den Teller anzuheben. Er bildete jetzt eine schiefe Ebene. Noch verharrte die Torte in majestätischer Trägheit. Dann schlug die Schwerkraft zu. Die Torte fing sie an zu rutschen, erst langsam, dann immer schneller und schneller. Zum Schluss fiel sie. Sie drehte sich einmal in der Luft und landete dann genau auf Plitsch, der sich gerade wieder hochgerappelt hatte. Nun lag er unter einem Sahneberg begraben. Wenn er dort heraus wollte, musste er sich den Weg frei essen. "Freut euch nicht zu früh“, giftete sich der Vampir. "Das alles nutzt euch nichts. Ihr kommt aus diesem Raum nicht heraus. Wenigstens nicht lebend. Kommt freiwillig herunter oder es wird euch schlimm ergehen. Ich komme selbst und hole euch.” Darauf wollten wir nicht warten. In Panik bombardierten wir den Vampir mit allem, was auf dem Brett stand. Leider war die Auswahl nicht besonders furchteinflößend. Sie bestand aus Rosinenbrötchen, Gewürznelken und Karamellbonbons. Auf der Suche nach Wurfgeschossen kletterten wir zum nächsten Fach hoch. Hier standen lauter Flaschen. Gemeinsam waren wir stark genug, um sie vom Regal zu stürzen. Klirrend zersprangen sie auf dem Fußboden. Sirup, Öl und Essig mischten sich mit den Scherben. Eine Flasche fiel dem Vampir genau auf den Kopf. Jetzt wurde er wütend. “Hört mit dem Unsinn auf“, brüllte er. "Macht nicht soviel Krach. Benehmt euch anständig, ihr ungezogenes Pack.” “Wenn sich einer hier schlecht benimmt, dann doch wohl Sie….Sie Monsterzahn, Sie.” Frau Triona war entrüstet. Ich knuffte Pieps in die Seite. “Er mag keinen Krach.” Pieps nickte. Ein versonnener Ausdruck trat in ihre Augen. “Krach“, sagte sie begeistert. "Lass uns richtig Krach machen. Das können wir doch gut oder?” Mir kam ein Lied in den Sinn und ich begann zu singen. Wenn du jetzt meinst, das hätte mit Krach nichts zu tun, dann hast du mich niemals singen gehört. “Die Maus, die Maus muss sterben, muss sterben und verderben“, sang ich. Der Graf hielt sich die Ohren zu. Seine Stimme wurde so schrill, dass sie fast überschnappte. "Hör damit auf, du verfluchte Rotznase“, schrie er. "Das Lied hat dich der Teufel gelehrt. Hör auf! Hör auf!” Begeistert fiel Pieps in meinen Gesang ein. “Die arme, kleine Maus, nicht sicher ist das Haus ….” sangen wir. Pieps singt so gut wie ich. Wenn wir in der Schule Singstunde haben, gibt uns die Lehrerin immer zehn Pfennig und schickt uns heim. "Das sind mir meine Nerven wert“, behauptet sie.   Ich wünschte, sie hätte uns jetzt erleben können. Auch Frau Triona, die neben uns stand, litt entsetzlich. Aber sie war eine Maus von beeindruckender Selbstbeherrschung und großem Mut. Lauthals stimmte sie in unseren Gesang ein. Im Gegensatz zu Pieps und mir konnte sie singen. Sie hatte eine wunderschöne, klare Stimme. Aber sie kannte weder den Text noch die Melodie von unserem Lied. Also sang sie kurz entschlossen etwas völlig anderes. "Gott schütz die Königin…“, erklang es. "Aufhören“, brüllte der Vampir. Ich freute mich, dass das Lied aus meinem Traum so viel Wirkung erzielte. Mein Traum! Da gab es doch noch etwas. Jetzt fiel es mir wieder ein. Trommeln! Die Wolkenmäuse hatten Trommel gespielt. Und in der Speisekammer gab es genug Dinge, auf denen ich trommeln konnte. Überall in den Regalen standen ordentlich aufgereihte Behälter aus BLECH! In den runden Dosen wurden Kekse verwahrt. Die Eckigen waren für Zucker, Salz, Mehl und Ähnliches bestimmt. Geschwind kletterte ich zu einem Brett mit Dosen hinüber. Pieps und Frau Triona folgten mir. Graf Musta Ermin hatte aufgehört, zu schimpfen und sich die Ohren zuzuhalten. Statt dessen klaubte er ein Rosinenbrötchen vom Fußboden auf. Er holte das weiche Innere heraus, rollte daraus eine Kugel und steckte sie sich ins Ohr. Dann formte er eine zweite Kugel. Ich begann auf eine Dose einzuhämmern. Sie war fast leer. Das gab einen guten, lauten Klang. Aber ich hatte Zweifel, ob mein Getrommel stark genug war, um gegen die Ohrenpfropfen des Grafen anzukommen. Was wir auch versuchten, der Vampir war nicht klein zu kriegen. Aber ich auch nicht. Noch nicht! Dem würde ich es zeigen. Ich zog meine Schuhe aus. Damit konnte ich noch besser auf das Blech einschlagen. Nun dröhnte und donnerte es ohrenbetäubend. Leider erreichte ich nicht die gewünschte Wirkung. Die Ohrenpfropfen waren zu gut. Der Vampir grinste nur höhnisch und zeigte seine Zähne. Kein einziger Nagezahn war darunter. Er hatte ein Gebiss wie ein Säbelzahntiger, lauter bedrohliche spitze Reißzähne. Sie waren riesengroß. Pieps und Frau Triona hörten auf zu singen. In Panik kletterten sie über die Regale. Nein, nicht in Panik. Die beiden waren überaus mutig. Sie fingen an, alles herunterzuwerfen, was ihnen in die Pfoten kam. Dosen stürzten scheppernd auf den Fußboden. Die Deckel sprangen auf. Mehl, Zucker und Soda gesellten sich zu dem verschütteten Öl und dem Sirup. Der Vampir wurde von einer Keksdose getroffen. Jetzt schäumte er vor Wut. Speichel rann ihm aus der Schnauze. Es sah aus, als hätte er Tollwut. Bei diesem Anblick wurde mir ganz schlecht. Ich wusste, wir waren verloren.
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Von Menschen und Mäuse
Urghxx21 Plötzlich flog die Tür zur Speisekammer auf. Ein Mensch stand im Rahmen. In einer Hand hielt er eine Petroleumlampe, in der anderen einen Schürhaken. “Was ist los?“, fragte er ärgerlich. "Einbrecher, Räuber, Diebe” schrie Frau Triona geistesgegenwärtig. Der Mann hob den Schürhaken. Graf Musta Ermin machte ein Gesicht, als wolle er ihm an die Gurgel springen. Mit schnellen Schritten stürmte er auf ihn los. Dabei rutschte er in einer Lache aus Öl aus. Das brachte ihn richtig in Schwung. Schnurgerade schlitterte er auf den Menschen zu. Er fuchtelte wild mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ungebremst rutschte er durch die Beine des Mannes hindurch, direkt auf die offene Speisekammertür zu. “Haltet ihn! Haltet ihn!“, rief Frau Triona. Es war zu spät. Der Vampir stürzte kopfüber in den Flur hinaus. Im Nu war er wieder auf den Beinen und gab Fersengeld. Pieps und ich vergaßen die ausgestandene Gefahr. "Ihm nach“, schrieen wir. "Er darf uns nicht entkommen.” Wir sausten das Regal hinunter. Auch der Mensch, es war James, der Butler der Königin, wie ich später erfuhr, nahm die Verfolgung auf. Dabei brüllte er, was das Zeug hielt: “Haltet den Dieb! Haltet den Dieb.” Sein Geschrei weckte die Dienstboten. Türen wurden aufgerissen. Immer mehr Leute kamen angerannt. Die Palastwache war alarmiert. Dadurch geriet Graf Musta Ermin in arge Bedrängnis. Jetzt war er es, der blindlings davon rannte. Treppauf, treppab ging die wilde Jagd, vorbei an unzähligen Türen. Alle waren verschlossen. Wo nur gab es ein Mauseloch, in das er sich hätte flüchten können. Schließlich geriet der Graf in einen langen Gang. Ein roter Läufer bedeckte den Boden. Der Vampir rannte geradewegs auf eine hohe doppelflüglige Tür zu. Dahinter lag der Thronsaal. Vor der Tür stand ein Soldat und hielt Wache. Verwundert schaute er uns entgegen. “Haltet die Maus, haltet die Maus!“, schrie alles. Zögernd legte der Soldat die Hand an seinen Säbel. Doch er ließ ihn stecken. Statt dessen nahm der Wachposten die Mütze ab.
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Die hielt er nun mit beiden Hände. Leicht vorgebeugt lauerte er auf den Vampir. Graf Musta Ermin sauste direkt auf ihn zu. Erst im letzten Augenblick bremste er ab und versuchte einen Haken zu schlagen. Zu spät. Blitzschnell stülpte ihm der Soldat die Bärenfellmütze über. Der Graf war gefangen. Jetzt übernahm Frau Triona das Kommando. "Lassen Sie die Mütze, wo sie ist“, keuchte sie. "Die Maus darf nicht heraus. Unter keinen Umständen.” Pieps und mich hatte schlagartig der Mut verlassen. Die vielen Menschen schüchterten uns ein. Die Meisten waren im Nachtgewand. Einige Männer trugen Uniform. Alle sprachen aufgeregt durcheinander. Jeder wollte wissen, was eigentlich los sei. Zum Glück kannte sich Frau Triona mit Menschen aus. Sobald sie wieder bei Atem war, gab sie die nötigen Anweisungen. “Bitte James“, sagte sie zu dem Butler. "Schicken Sie einen Boten zu Professor van Mysie. Er ist im Krankenhaus der SAMARITERMÄUSE. Sagen Sie ihm, wir haben den Vampir gefangen. Sobald der Professor hier eintrifft, wird er Ihnen alles erklären.” Während wir warteten, beschlichen mich Zweifel. “Kann der Vampir nicht ein Loch in die Mütze nagen?“, fragte ich die Haushälterin."Dann entkommt er uns wieder.” Der Butler hatte mich gehört. “Das ist unmöglich“, beruhigte er mich. "Durch eine englische Bärenfellmütze beißt sich niemand durch. Nicht in hundert Jahren.” Du kannst dir sicher denken, welcher Stein mir da vom Herzen fiel. Inzwischen entschuldigte sie sich Frau Triona wortreich für die Verwüstung der Speisekammer. Sie berichtete wie man uns in der Wohnung des Professors überfallen hatte. Und wie wir dann in der Speisekammer um unser Leben gekämpft hatten. “Dabei fällt mir ein, ein Räuber ist noch dort“, beendete sie ihre Erzählung. Du meine Güte. In der Aufregung hatte ich Plitsch völlig vergessen. Sofort schickte der Butler einige Männer und Frauen los. Sie sollten Plitsch gefangen nehmen und die Speisekammer aufräumen. Nach kurzer Zeit schon kam der Reinigungstrupp zurück. Man hatten Plitsch in einem leeren Gurkenglas gesperrt.  Der Arme war über und über mit Sahne beschmiert. Er sah aus, als würde er gleich platzen. Bald stieß auch der Professor zu uns. Großvater und Eberratt Fröbelhaus begleiteten ihn. Die versammelten Menschen grüßten Professor van Mysie ehrerbietig. Man merkte gleich, dass er bei ihnen in hohem Ansehen stand.
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Zum zweiten Mal erzählte Frau Triona, was wir gerade erlebt hatten. Der Professor, Großvater und Fröbelhaus Eberratt hörten ihr sprachlos zu. Staunend schüttelte der Professor immer wieder den Kopf. Als Frau Triona ihren Bericht beendet hatte, ging er zu der Bärenfellmütze hin. Unter der Mütze tobte der Graf wild umher und versuchte sich zu befreien. Aber der Soldat hielt sie mit beiden Händen fest. Dagegen konnte selbst er nicht ankommen. "Seid ihr ganz sicher, dass Graf Dingsda darunter hockt?“, fragte van Mysie misstrauisch. "Ich möchte ihn mir einmal anschauen. Könnten Sie bitte ihre Mütze kurz hochheben?” “Um Himmelswillen, nein“, rief Großvater. "Soll uns der Unhold noch einmal entkommen?” “Warum haben Sie das mit der Mütze überhaupt gemacht?“, wollte der Professor nun wissen. "Warum haben sie nicht ihren Säbel benutzt?” Der arme Soldat wurde knallrot. Er senkte verschämt den Kopf. “Ich konnte es nicht“, gestand er. "Mir hat die arme, kleine Maus Leid getan. Ich verabscheue Grausamkeiten.” “Sie haben ein gutes Herz“, meinte der Professor. "Aber bei diesem Schurken ist Mitleid fehl am Platz.” Er stellte sich in Positur und hielt den erstaunten Menschen einen Vortrag über Vampire. Und ich kann dir sagen, er hatte sie völlig in seiner Gewalt. Wie gebannt hingen sie an seinem Mund. Drei Kammerzofen fielen in Ohnmacht, so sehr regten sie sich auf. Nur der Butler zog spöttisch eine Augenbraue in die Höhe und meinte: “Sie wollen uns wohl auf den Arm nehmen, verehrter Herr Professor.”
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“Ich kann meine Geschichte beweisen“, entgegnete van Mysie kühl. "Warten Sie bis Sonnenaufgang. Dann können wir die Bärenfellmütze gefahrlos entfernen. Sie werden mit eigenen Augen sehen wie der Vampir zu Staub zerfällt.” Dieses Schauspiel wollte niemand verpassen. Keiner dachte daran, ins Bett zu gehen. Die Menschen verstanden es, sich die Wartezeit zu verkürzen. Ein paar Frauen gingen in die Küche und kamen mit belegten Broten zurück. Zum Glück hatten wir nur einen Teil der Speisekammer verwüstet. Bis zu Brot, Butter und Käse hatten wir uns nicht vorgekämpft. Von all dem war noch reichlich vorhanden. Zu den Broten wurde Tee serviert. Jemand hatte extra für uns Mäuse Fingerhüte besorgt, damit auch wir trinken konnten.Dadurch begann ich, mich bei den Menschen wohl zu fühlen. Die Party wurde richtig nett. Ich sah wie sich Frau Triona angeregt mit Eberratt Fröbelhaus unterhielt. Dabei fingerte sie dauernd an ihrer Kette mit dem Anhänger herum. Da wusste ich natürlich, worüber die beiden sprachen. Als die Nacht der Morgendämmerung wich, wurden die Menschen ganz unruhig. Van Mysie ließ sie noch eine Weile zappeln. Erst als strahlender Sonnenschein durch die hohen Fenster hereinflutete, klatschte er in die Pfoten. Damit zog er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich.   “Es ist so weit“, sagte er. Auf sein Zeichen hin, hob der tierliebende Soldat langsam und widerstrebend die Bärenfellmütze in die Höhe.
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Jetzt konnte jeder Graf Musta Ermin, den schrecklichen Vampir sehen. Wutentbrannt überschüttete er uns mit Schimpfworten. Dann erreichten ihn die Sonnenstrahlen. Einen Augenblick lang bäumte er sich auf und wurde größer. Er sah aus wie ein Stück Papier, das vom Feuer erfasst wird. Und wie brennendes Papier fiel er langsam in sich zusammen. Vor den Augen aller verwandelte er sich in ein Häufchen Staub. Plitsch hatte sich in seinem Gurkenglasgefängnis aufgerichtet. Nun stieß er ein klagendes Heulen aus. Auch der Soldat, der den Grafen gefangen hatte, sah schrecklich betrübt aus. "Das war’s dann wohl” sagte James der Butler. “Jetzt muss jemand den Dreck wegräumen.” “Da kümmern wir uns selbst drum“, versicherte ihm die Bücherratte. Langsam zerstreuten sich die Menschen. Als letzter ging der Soldat mit seiner Bärenfellmütze unterm Arm traurig davon. Niemals wieder habe ich einen Menschen mit so einem weichem Herzen gesehen. Auch Frau Triona wollte gehen.   "Bleiben Sie noch“, bat Fröbelhaus und hielt sie am Arm fest. "Es ist noch nicht vorbei.” Ich konnte mir nicht vorstellen, warum wir noch warten mussten. Verwundert erblickte ich eine graue Gestalt, die auf uns zu kam. Von der Last ihres Ranzens niedergebeugt, hinkte das alte Rattenweib aus dem Trödelladen den Korridor entlang.
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“Ihr habt es also geschafft“, knurrte sie und nahm den Ranzen vom Rücken. Sie holte eine Kehrichtschaufel und einen Handfeger hervor. Bedächtig fegte sie die Reste von Graf Musta Ermin, dem schrecklichem Vampir, auf die Schippe. Dann hielt sie inne und runzelte die Stirn. Mit spitzen Fingern fischte sie einen Schlüssel aus dem Häufchen Dreck hervor. Den gab sie Professor van Mysie. Den Staub schüttete sie in ihren Ranzen. Schweigend schauten wir ihr zu. Als sie fertig war, räusperte sich Fröbelhaus. "Wir müssen noch über den Preis reden.” “Ich habe es nicht vergessen“, zischte die Alte ärgerlich. "Was verlangen Sie?” “Das überlasse ich ganz Ihnen“, sagte Fröbelhaus. "Sie werden schon das Richtige finden.” Das alte Rattenweib warf ihm einen bitterbösen Blick zu. “Sie raffinierter, hinterhältiger Kerl. Sie halten sich wohl für einen Schlaumeier?” Aber trotz der harten Worte klang ihre Stimme freundlich. Beim Sprechen hatte sie sich aufgerichtet. Ich hatte ganz vergessen wie groß sie war. Der Blick ihrer unheimlichen Augen fiel auf mich. “Komm her, du Winzling“, befahl sie. "Du bist so jung, du weißt noch nicht was Zeit ist. Sonst hättest du nicht den Staub von meinen Schätzen geblasen.” “Ich habe es nicht böse gemeint“, verteidigte ich mich. "Für diesmal will ich dir verzeihen. Es ist nur eine Frage der Zeit und alles kommt wieder in Ordnung. Die Zeit heilt alle Wunden, macht alles gleich. Zeit! Davon habe ich genug. Mehr als du dir vorstellen kannst. Möchtest du etwas von meiner Zeit haben.” Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was um alles in der Welt wollte die alte Ratte von mir? Hilfesuchend schaute ich zu den anderen. Großvater, Professor van Mysie, Frau Triona und Pieps sahen mich verwirrt an. Sie wussten genau so wenig wie ich, was los war. Bei Fröbelhaus war das anders. Der versuchte verzweifelt, mir ein Zeichen zu geben. Er rollte seine auseinanderstrebenden Augen bedeutungsvoll hin und her. Sie wanderten von mir zu Großvater und dann wieder zu mir zurück. Na ja, so schien es mir wenigstens. Was sollte das bedeuten? Großvater? Zeit? Zeit für Großvater? Ob er das meinte? War das überhaupt möglich? “Danke, ich selbst brauche Ihr Zeit nicht“, sagte ich höflich zum Rattenweib. "Aber kann ich Zeit für meinen Großvater bekommen?” Während ich sprach, schaute ich zu Fröbelhaus. Er nickte zufrieden. Ich hatte das Richtige gesagt. Auch das alte Rattenweib hatte sein Nicken gesehen. Scherzhaft drohte sie ihm mit der Faust. Nun meldete sich Großvater zu Wort: “Ich will nicht ewig leben,” sagte er mit entschlossener Stimme. “Sie sind mir vielleicht ein Schlaumeier,” höhnte das Rattenweib. “Kein ewiges Leben für den Herrn? Als ob ich dazu die Macht hätte. Ich habe Zeit, gewiss. Aber was zählen ein paar Jahre mehr oder weniger im Angesicht der Ewigkeit. Ewiges Leben gibt es bei mir nicht. Das bringt die Ordnung durcheinander. Da habe ich etwas dagegen!” Dann legte sie mir feierlich eine Klaue auf die Brust, dorthin, wo mein Herz schlägt. “Jykie von Knobelou“, sagte sie ernst. "Ich gebe dir Zeit. Zeit für deinen Großvater. Solange du ihn brauchst, kann ihm das Alter nichts anhaben. Solange du ihn brauchst, wird er an deiner Seite sein. Lebe glücklich mit ihm. Genieße die Zeit.” Dann wandte sie sich an die Bücherratte: “Nun Herr Eberratt. Sind sie mit der Bezahlung zufrieden?” Die Bücherratte verneigte sich tief. “Über alle Maßen, Hoheit“, sagte er. "Sie waren überaus großzügig.” Damit ist meine Geschichte im Großen und Ganzen zu Ende. Ein paar Dinge muss ich der Ordnung halber nachtragen. Nach dieser Nacht verlief unser Leben wieder in seinen normalen Bahnen. Großvater, Pieps und ich blieben noch eine Zeitlang in London. Wir besichtigten die Stadt. Diesmal bei Sonnenschein und nicht bei Nebel. Täglich besuchten wir Jonathan im Krankenhaus. Jetzt, nachdem der Vampir nicht mehr war, erholte er sich schnell. Nur sein Fell blieb weiß. Das würde sich nicht mehr ändern. Auch Plitsch war fast wieder ganz der Alte. Er als Einziger trauerte dem Vampir nach. Das gab mir zu denken. Wie einsam muss er gewesen sein, dass er solch eine Anhänglichkeit an den grausamen Grafen zeigte? Oh, fast hätte ich den Professor vergessen. Du wirst es nicht glauben, aber auch van Mysie ließ eine Zeitlang traurig den Kopf hängen. Er hatte sich so darauf gefreut, einen lebendigen Vampir zu erforschen. Daraus wurde nun nichts. “Was für ein Verlust für die Wissenschaft. Aber noch ist nicht aller Tage Abend“, sagte er zu Großvater. "Eine Hoffnung bleibt mir. Vielleicht gibt es noch mehr Vampire in London? Wer weiß wie viele Mäuse Graf Gurgelbeiß ausgesaugt hat. Sie brauchen sich nur tief unter der Stadt zu verstecken und niemand würde sie entdecken. Ein neuer Untoter könnte bei uns jahrelang sein Unwesen treiben, ohne dass es auffällt. So ist es nun einmal in einer Großstadt. Ich sehe es direkt vor mir wie er glücklich und zufrieden in der Kanalisation umher planscht. Dort wo ihn kein Sonnenstrahl erreichen kann. Aber“, van Mysie machte eine bedeutungsvolle Pause, "sollte er jemals sein Versteck verlassen, bin ICH bereit. Ich werde ihn gebührend empfangen.” “Wünsch dir doch nicht so etwas Schreckliches“, tadelte ihn Großvater. "Es gibt schon genug Kummer und Leid auf der Welt. Da brauchen wir nicht noch mehr davon.” “Aus dir wird niemals ein Wissenschaftler.” Der Professor schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf. “Aber du hast wie immer recht.” Pieps wäre am liebsten sofort nach Urrghx zurückgekehrt. Sie wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass Emausuel geheilt war. Deswegen bat sie Großvater, er solle sofort mit Plitsch auf der NAMENLOS nach Hause segeln. “Kommt nicht in Frage. Ich denke nicht daran, in meinem Alter in dieser Nussschale übers Meer zu schippern.” “Zu gefährlich?“, fragte van Mysie. "Zu unbequem“, antwortete Großvater. Am Ende blieb ihm dann doch keine andere Wahl. Das lag am Ruhm. Wir waren über Nacht berühmt geworden. Es ist nämlich so, dass sich immer ein paar Zeitungsschreiber in der Nähe des Palastes herumtreiben. Meistens sind auch ein paar Schnellzeichner dabei. Irgendwie erfahren sie es, wenn etwas Ungewöhnliches im Schloss geschieht. Deswegen stand unser nächtliches Abenteuer am nächsten Tag in allen Zeitungen. Wir waren sogar auf den Titelseiten. Zusammen mit einem Kupferstich von Graf Musta Ermin, dem grausamen Vampir. Über eine Woche lang beherrschte der Vampir die Schlagzeilen. Das hatte vor ihm nur das Ungeheuer von Loch Ness geschafft. Urrghx wurde schlagartig berühmt. So berühmt, dass eine Menge abenteuerlustiger Mäuse die Insel mit eigenen Augen sehen wollten. Dadurch wurde unsere Heimat über Nacht zu einem beliebten Urlaubsziel. Das hat sich bis heute nicht geändert. Die Hauptattraktion ist das Mausoleum mit seinem Vampir. "Mit dem Vampir?“, wirst du jetzt fragen. Du hast richtig gelesen. Es gibt wieder einen Vampir im Mausoleum von Urrghx. Professor van Mysie hat uns die Wachsmaus geschenkt, die er als Ersatz für Jonathan besorgt hatte. Nun liegt sie in einem offenem Sarg mitten im Mausoleum. Mit ihrem schwarzen, blutrot gefütterten Umhang schaut sie schrecklich unheimlich aus. Die Urlauber lieben sie, vor allem die Kinder wollen sie immer wieder sehen. So ist der schwarze Graf doch noch zu etwas nutze. Er bringt Wohlstand nach Urrghx. Jedes Haus auf der Insel hat nun Fremdenzimmer. Frau Knubbelich musste einen Flügel an ihr Gasthaus anbauen, um den Bedarf nach Betten zu befriedigen. Ihr Mann hilft ihr bei der Arbeit. Jetzt braucht er nicht mehr zur See fahren. Du kannst dir vorstellen wie glücklich Pieps ist. Emausuel ist gesund geworden und ihr Vater ist immer bei ihr. Alle Väter arbeiten jetzt zuhause und die Mütter auch. Sie leben nun das ganze Jahr über auf Urrghx. Ich bin das einzige elternlose Kind auf der Insel. Aber deswegen muss ich nicht traurig sein. Ich habe ja Großvater. Er wird bei mir bleiben, solange ich ihn brauche. Und das ist für für mich lange genug.
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ENDE
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Die Jagd geht weiter(Urghxx19)
Nachdem wir wieder an Land waren, eilten wir ins Krankenhaus zu den SAMARITERMÄUSEN. Wir mussten Großvater und Professor van Mysie von unseren Abenteuern berichten. Im Krankenhaus herrschte rege Geschäftigkeit. Eine Menge Mäuse eilten durch die Gänge. Niemand achtete auf uns. Wir gingen zum dritten Stock hinauf. Fröbelhaus klopfte ganz leise an die Tür. Es war, als wolle er nicht gehört werden. Das kam mir seltsam vor. Aber so ist es nun einmal in Krankenhäusern. Dort muss man ganz leise sein. Viele Mäuse gehen dort sogar auf Zehenspitzen einher, machen ernst Gesichter und reden nur im Flüsterton. Weil niemand auf das Klopfen antwortete, öffnete die Bücherratte leise die Tür und steckte den Kopf ins Zimmer. “Können wir eintreten?” “Kommt rein, kommt rein“, antwortete Professor van Mysie mit lauter Stimme. "Ihr kommt gerade rechtzeitig. Herr Aschig ist aufgewacht. Er will uns von seinen Erlebnissen mit dem Vampir berichten.” Jonathan lag im Bett, sah aber besser aus, als in der Nacht. Er war immer noch kreidebleich. Das würde sich auch nicht mehr ändern. Sein Anblick machte mich ganz verlegen. Ich hätte ihm gerne etwas Nettes gesagt, aber mir fiel einfach nichts ein. Während wir stumm und verlegen herumstanden, besorgte der Professor Stühle für alle. Jonathan sah uns derweilen an, als könne er seinen Augen nicht trauen. “Pieps! Jykie! Wo kommt ihr denn her?”   “Hebt euch die Begrüßung für später auf“, unterbrach ihn Professor van Mysie. "Jetzt haben wir Wichtigeres zu tun. Bitte, Herr Aschig, erzählen Sie uns alles über den Vampir. Lassen Sie nichts aus. Es ist wichtig.” Jonathan regte sich schrecklich auf. “Sie haben recht! Sie haben recht! Der Vampir ist in London. Sie müssen die Königin warnen. Rufen sie die Armee zu Hilfe! Lassen Sie die Flotte auslaufen! Das ganze Land ist in Gefahr.” Von diesem Ausbruch erschöpft, sank er in die Kissen zurück und streckte alle Viere von sich. Erschrocken beugten wir uns vor. Jonathan war noch bei Bewusstsein. “Kommt näher“, flüsterte er. "Ich habe nicht genug Kraft, um laut zu sprechen. Suchen sie Graf Musta Ermin. Sie müssen ihn unschädlich machen.” “Das versuchen wir schon die ganze Zeit. Was denken Sie, habe ich letzte Nacht im Britischen Museum gemacht? Bilder angeschaut?” Van Mysie bemerkte Jonathans verständnislosen Blick. “Ach ja, das können sie nicht wissen. Sie waren ja bewusstlos als wir uns kennen gelernt haben.” Mit einer ausladenden Handbewegung deutete er von sich auf Großvater, Fröbelhaus, Pieps und mich. “Wir, wir alle waren letzte Nacht im Museum. Wir haben sie dort nieder… äh… gefunden und ins Krankenhaus gebracht.” Jonathan streckte eine Pfote aus. “Wie kann ich Ihnen nur danken? Ich hatte schon alle Hoffnung verloren. Sie haben mich aus der Gewalt meines Peinigers befreit. Jetzt bin ich in Sicherheit.” Wir schwiegen betreten. Besser, er wusste nicht, dass der Vampir ihn bis ins Krankenhaus verfolgt hatte. Schnell wechselte Großvater das Thema. “Was wollte der Graf eigentlich im Museum“, fragte er. "In den Büchern stand nichts davon, dass er besonders gebildet ist.” “Das ist er auch nicht. Aber er ist schlau und verschlagen. Er hat nur ein Ziel. Er will die
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ganze Welt seiner Herrschaft unterwerfen.” “Wozu soll das gut sein?“, fragte Pieps verwundert. "Das habe ich auch nicht verstanden. Er redete pausenlos davon, dass Vampire allen anderen Wesen überlegen sind. Er will allen Mäusen die Unsterblichkeit schenken, sagt er.” “Aber er ist doch überhaupt nicht unsterblich“, wandte Großvater ein. "Man muss ihm nur einen Holzpflock ins Herz stoßen und er ist hin. Und jeder kleine Sonnenstrahl lässt ihn zu Staub zerfallen.” “Das ist sein wunder Punkt. Genau das bereitet ihm Kopfschmerzen. Er möchte nicht nur in der Nacht Schrecken verbreiten. Er will auch tagsüber sein Unwesen treiben. Er sucht einen magischen Edelstein, der große Macht besitzt. Angeblich kann er ihn vor dem Licht der Sonne schützen. Das hat er mir wenigstens erzählt.” “Von Zaubersteinen habe ich schon gehört. Aber diese Geschichte ist mir neu. Um welchen Edelstein soll es sich denn handeln?” fragte der Professor und zückte ein Notizbuch. "Es sucht den Rubin des schwarzen Prinzen.” “Diesen Unglücksstein?“, rief Eberratt Fröbelhaus erstaunt. "Es heißt, Menschenblut habe ihm seine Leuchtkraft verliehen. Der König von Granada wurde wegen dieses Rubins ermordet. Gut möglich, dass solch ein blutbeflecktes Juwel böse Kräfte hat.” "Sie werden doch einen solchen Aberglauben nicht ernst nehmen?“, spottete Professor van Mysie. "Das sind doch Ammenmärchen. Das ist finsterstes Mittelalter. Wir leben im 19. Jahrhundert, Herr Eberratt.” “Der Graf glaubt an den Stein“, versicherte Jonathan mit Nachdruck. "Schließlich ist er selbst ein Ammenmärchen. Trotzdem läuft er durch London. Wenn er sie sieht, dann beißt er sie, ob Sie nun an ihn glauben oder nicht.” Er deutete mit der Pfote auf den Professor. Wir schwiegen betreten. Schließlich ergriff van Mysie neuerlich das Wort. “Das mag schon sein. Trotzdem ergibt das Ganze keinen Sinn. Was haben der Stein und die nächtlichen Museumsbesuche von Graf Nuckelzahn miteinander zu tun?” Ein kleines, verschmitztes Lächeln huschte über Jonathans ausgezehrtes Gesicht. “Daran bin ich schuld. Ich habe ihm eingeredet, der Stein wäre irgendwo im Museum versteckt. Ich wollte verhindern, dass er den Rubin in seine Klauen bekommt. Er sollte nicht noch mächtiger werden, als er schon ist. Das konnte ich doch nicht zulassen. Er hätte ganz England unterjocht. Deswegen habe ich ihn belogen.” “Belogen? Wieso?” Großvater verstand Jonathan nicht. “Gibt es diesen Stein etwa wirklich?” “Ja, er existiert wirklich. Sie sind aus Urrghx und kennen sich in London nicht aus. Sonst wüssten Sie, dass der gesuchte Stein im Tower liegt. Zusammen mit den anderen Kronjuwelen. Der Graf hätte das Museum bis in alle Ewigkeit durchsuchen können und doch nichts gefunden.” Von der langen Erklärung erschöpft, sank Jonathan auf sein Kissen zurück und schloss müde die Augen. “Natürlich, im Tower!” Van Mysie tippte sich an die Stirn. “Ich bin heute langsam von Begriff. Sie sprechen von dem Rubin auf der Staatskrone. Seine Herkunft aus Granada habe ich allerdings immer für pure Erfindung gehalten.”
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Auch Großvater hatte etwas zu sagen. “Sie haben den Vampir ganz schön reingelegt, Herr Aschig. Das war sehr tapfer von ihnen.“ "Nein, nein, loben sie mich nicht. Ohne mich wäre der Graf immer noch im Mausoleum von Urrghx eingekerkert. Ich bin schuld, dass er frei herumläuft. Bitte, machen Sie ihn unschädlich. Er hat schon genug Unheil angerichtet.” Eine Schwester betrat das Zimmer. Als sie den erschöpften Jonathan sah, wurde sie böse. Schimpfend befahl sie uns, den Raum zu verlassen. “Der Kranke braucht jetzt Ruhe“, sagte sie. "Jede Aufregung kann ihn töten. Hat ihnen das niemand gesagt?” Betreten verließen wir das Krankenzimmer. Draußen auf dem Flur, begann Fröbelhaus von unseren Erlebnissen an der Themse zu berichten. Großvater wurde kreidebleich. Für einen Augenblick war er so weiß wie Jonathan Aschig. “Schade, wirklich schade“, sagte der Professor, als Fröbelhaus zu Ende berichtet hatte. "Das war unsere letzte Spur. In London gibt es tausend Verstecke. In der Kanalisation, alten Kellern und in verlassenen Häusern. Einfach überall. Irgendwann finden wir den Vampir, aber das kann Jahre dauern.” “Wenn ihm dieser Blutstein so wichtig ist“, meinte ich, "dann kommt er heute Nacht wieder ins Museum.” “Oder er holt sich Jonathan“, sagte Pieps. "Das ist blöd. Wir können nicht beide Orte bewachen.” Van Mysie zwirbelte nachdenklich an seinem Schnurrbart. “Warum nicht?” Fröbelhaus sah da kein Problem. “Wir sind zu Fünft. Da können wir uns leicht aufteilen.” Er hatte seine Rechnung ohne Großvater gemacht. “Ich lasse nicht zu, dass Sie die Kinder noch einmal in Gefahr bringen“, polterte er los. "Die bleiben zu Hause. Wie konnten Sie die beiden nur mit zum Hafen nehmen? Ihr Ausflug heute war völlig hirnverbrannt. Mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke. Man hätte euch ermorden können. Sie sind ein völlig verantwortungsloses Nagetier, Sie Ratte, Sie!” So in Rage hatte ich Großvater noch nie erlebt. Nichts konnte ihn umstimmen. Vergeblich bettelten Pieps und ich um Gnade. Großvater blieb hart. Van Mysie öffnete den Mund. Er kam nicht dazu, etwas zu sagen. Großvater war in Fahrt. Er erinnerte den Professor daran, dass er versprochen hatte, uns nicht in Gefahr zu bringen. Dem Armen blieb nichts weiter übrig, als seinen Mund wieder zuzuklappen.   Und die Bücherratte war natürlich viel zu zerknirscht, um unsere Partei zu ergreifen. Einzig und allein beim Pläneschmieden durften wir noch dabei sein. Die Bücherratte wollte zusammen mit Großvater im Museum wachen. “Ich übernehme das Krankenhaus“, erbot sich der Professor. "Ich muss ja nur ein einziges Zimmer im Auge behalten. Außerdem habe ich einen Köder für die Bestie. Der Vampir wird sich auf Jonathan stürzen, ohne mich zu bemerken. Dann stoße ich ihm den Pflock in den Rücken.” Sofort meldete Fröbelhaus moralische Bedenken an. “Das geht doch nicht. Sie bringen Herrn Aschig in Gefahr. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn er den Vampir sieht. Der Schock könnte ihn auf der Stelle töten. Das wäre grausam und außerdem mauseunwürdig.” “Daran habe ich nicht gedacht. Da ist es freilich besser, wir lassen ihn heimlich in ein anderes Krankenhaus bringen. Ich werde mich an seiner Stelle ins Bett legen.” “Und wenn du einschläfst?“, fragte Großvater. "Was dann?” “Dann ist es aus mit mir.” Van Mysie griff sich an den Hals. Man sah wie wenig ihm diese Vorstellung behagte. Aber fast sofort klärte sich seine Miene wieder auf. “Ich habe die Lösung. Ich lege eine Puppe ins Bett.” “Eine Puppe?“, fragte Pieps ungläubig. "Darauf fällt doch niemand rein.” “Aber doch“, sagte der Professor. "Ich denke da an ganz besondere Puppen. Sie sehen täuschend echt aus, richtig lebendig. Sie sind so gut, dass man sie öffentlich ausstellt. Die Menschen zahlen Eintritt, nur um sie zu sehen. Wachsfigurenkabinett heißt die Veranstaltung. Wenn wir den Vampir erst haben, führe ich euch dorthin. Ihr werdet staunen. Dort gibt es Könige und Mörder, alle lebensecht und aus Wachs. In einer Kerkerszene sitzt ein Gefangener mit einem Bart bis zum Fußboden auf seiner Pritsche. Nur Mäuse und Ratten leisten ihm Gesellschaft. Die sind auch aus Wachs. So eine Maus werde ich besorgen.” Pieps schaute immer noch ungläubig drein. Aber die Erwachsenen waren von dem Plan ganz begeistert. “Das klingt gut“, stimmte Großvater zu. "Damit könnte es klappen. Aber wir drei sind einfach zu wenig. Wir brauchen mehr Mäuse. Oder Ratten“, fügte er mit einem höflichen Blick auf Fröbelhaus hinzu.   "Wer ist schon so mutig, sich gegen einen Vampir zu stellen? Ich kenne niemanden.” Die Bücherratte sah beschämt aus. “Ich bin so mutig“, behauptete Pieps. "Jykie auch.” “Nun fangt bloß nicht wieder damit an.” Großvater machte ein böses Gesicht. “Wir könnten wenigstens Schmiere stehen“, versuchte ich mein Glück. "Wir können euch warnen, sobald sich der Vampir nähert.” “Schmiere stehen? Schmiere stehen! Das ist nicht dumm. Die Idee hat was.” Van Mysie dachte nach. “Wir sollten ein Mäusefrühwarnsystem einrichten. Ich glaube, das lässt sich machen.” “Nicht mit den Kindern.” Großvater blieb hart. “Die brauche ich nicht. Die könnten das doch gar nicht. Ich hole mir Fachleute. Jemanden mit Berufserfahrung, keine blutigen Anfänger.” “Da komme ich nicht mit. Von was reden Sie da, Herr Professor?“, fragte die Bücherratte verwirrt. "Ich rede von Dieben und Einbrechern. Von kleinen Gaunern, die für ein paar Kupfermünzen Wache halten, während ihre Kumpane in ein Haus einbrechen und das Silber klauen. Die wissen wie man sich unsichtbar macht. Außerdem kennen sie völlig unverdächtige Geräusche. Uhuschrei oder was weiß ich. Damit warnen sie die Anderen bei Gefahr. Das können sie auch für uns tun.”   “Woher um alles in der Welt kennst du den solche …solche…”, Großvater suchte nach dem richtigen Wort. “Ganoven?” half ihm der Professor aus. "Erinnere dich an die schrägen Vögel, die sich auf meine Zeitungsanzeige hin gemeldet haben. Die mit den Lügengeschichten. Ich glaube, bei denen frage ich mal nach. Zum Glück hat sich Frau Triona ihre Adressen aufgeschrieben.” “Jetzt verstehe ich ihren Plan“, sagte Fröbelhaus. "Er gefällt mir. Wir stellen eine Reihe von bezahlten Helfern um das Museum auf. Und auch um das Krankenhaus. Am besten oben auf den Dächern. Dort sind sie einigermaßen sicher. Dann müssen wir nur noch dafür sorgen, dass sie beim Anblick des Vampirs nicht erstarren. Wir brauchen mehr Ketten mit goldenen Anhängern. Ein Haufen Arbeit wartet auf uns. Da gilt es keine Zeit zu verlieren. Wenn wir das alles bis heute Nacht schaffen wollen, müssen wir uns sputen.” Nicht einmal jetzt durften wir helfen. Auch Großvater ging es nicht besser als Pieps und mir. Van Mysie meinte, er kenne sich zu wenig in London aus, um von Nutzen zu sein. Großvater war gekränkt. Es ist kein schönes Gefühl, wenn man nicht gebraucht wird. "Ich komme mir überflüssig vor“, beklagte er sich bei Frau Triona. "Alt und überflüssig.” “So dürfen Sie nicht denken“, tröstete ihn die Haushälterin. "Sie sind fremd in London. Das ist doch keine Schande. Dafür kennen Sie sich mit Vampiren aus. Heute Nacht, da schlägt ihre Stunde. Dann werden sie gebraucht.” “Und weil das so ist, lieber Großvater“, schlug ich vor, "legst du dich am besten hin und schläfst ein wenig.” Er hatte Schlaf dringend nötig. Man sah ihm die ganze Aufregung der letzten Tage an. Er sah so alt und gebrechlich aus, dass mir ganz schwer ums Herz wurde. Großvater seufzte tief und folgte meinem Rat. “Und was ist mit uns, Jykie“, fragte Pieps. "Am besten wir legen uns auch schlafen. Heute Nacht werde ich kein Auge schließen und du auch nicht. Wir werden hier sitzen und warten. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Es ist doch gar nicht sicher, dass der Vampir in die Falle geht. Der Kerl ist so gerissen. Vielleicht dreht er den Spieß um und jagt die Jäger. Es kann so viel schief gehen. Wahrscheinlich sind wir in der Früh genau so weiß wie der arme Jonathan.” “Das wäre schrecklich.” Frau Triona hatte uns zugehört. “Ich will den Professor bitten, dass er uns einen Boten schickt, sobald er den Vampir geschnappt hat. Dann wird es für euch leichter sein.” “Er soll auch einen Boten schicken, wenn der Vampir entkommt“, fügte Pieps düster hinzu. "Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.” Davon war sie nicht abzubringen.   Sie hatte so ihre Vorahnungen. Mit ihrer blühenden Phantasie malte sie sich alle möglichen Katastrophen aus. Aber selbst ihre Vorstellungskraft reichte nicht aus, um das Unheil vorherzusehen, welches die kommende Nacht für uns bereit hielt.
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Neues von der Namenlos(Urghxx18)
“Wer seid ihr und was wollt ihr“, eröffnete die Bücherratte das Gespräch. Einer der verwegenen Kerle, es war der mit dem Holzbein, trat einen Schritt vor. Er sprach für alle. "Ich bin der Captain“, erklärte er. Dann deutete er auf die Maus mit der Augenklappe. "Das ist der Maat. Die anderen sind Schnellfinger-Joe, Messer-Pete und der schwarze Bill.” Die so Vorgestellten machten höflich einen Kratzfuß. “Es ist wegen der Belohnung, Ihro Rattschaft“, fuhr der Captain fort. "Es stand in der Zeitung. Nicht, dass ich lesen könnte. Aber überall in Wapping, Whitechapel und Shadwell spricht man von nichts anderem. Es soll eine Belohnung geben, heißt es. Für die NAMENLOS. Wir haben den Kahn gefunden und wollen jetzt das Geld sehen.” “Geht in Ordnung“, sagte Fröbelhaus. "Wenn das Schiff dort liegt, wo Sie sagen, gehört die Belohnung Ihnen.” “Das Schiff liegt zwischen Wurmstraße und Maulwurfshügel, unterhalb der Teufelsstiege. Ist es nicht so?” Seine Begleiter nickten zustimmend. “Da liegt es, Ihro Rattschaft“, murmelten sie im Chor. "Meine Güte“, wunderte sich Fröbelhaus. "Ich dachte immer, ich kenne London. Diese Straßen sind mir fremd. Kann mich nicht erinnern, sie je auf einem Stadtplan gesehen zu haben.” “Ist gut möglich, Ihro Rattschaft”, sagte der schwarze Bill. “Straßenschilder gibt es in der Gegend keine.”
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Pieps zappelte aufgeregt auf ihrem Sessel hin und her. “Sie sollen uns gleich jetzt zur NAMENLOS führen“, bestürmte sie die Bücherratte. "Wenn es das richtige Schiff ist, können wir den Professor benachrichtigen. Der wird Augen machen.” Fröbelhaus zögerte. Ich fand die Idee brillant. “Oh bitte”, flehte ich die Bücherratte an. “Bei Tageslicht ist der Vampir völlig ungefährlich, hat Großvater gesagt. Wir müssen ihn finden.” “Ich bin keine Ratte der Tat“, wehrte Fröbelhaus ab. Aber seiner Stimme fehlte es an Überzeugungskraft. Pieps und ich brauchten nur ein bisschen zu bitten und schon hatten wir ihn überredet. "Also gut,” sagte er. “Wir Ratten haben mit diesem Blutsauger noch eine offene Rechnung zu begleichen. Sehen wir uns das Schiff mal an. Aber nur aus der Ferne. Den Rest überlassen wir dem Professor.” Pieps und ich hüpften vor Freude auf und ab. Das Jagdfieber hatte uns gepackt. Die fünf Hafenmäuse wandten sich vor Verlegenheit. Schnellfinger-Joe nahm seinen Hut ab und zernudelte ihn nervös zwischen den Pfoten. “Ihro Rattschaft“, sagte er vorwurfsvoll, "wir müssen nach Whitechapel. Das ist eine gefährliche Gegend, ein richtiges Verbrecherviertel.” “Macht nichts. Ihr kennt euch da ja aus“, meinte Eberratt. "Wenn Sie darauf bestehen, Ihro Rattschaft, dann muss es sein“, fügte sich der Captain. "Wir sollten aber sofort aufbrechen. Jetzt ist es dort unten noch ruhig.” “Das kann ich verstehen“, sagte Fröbelhaus. "Wie man hört, sind die Mäuse, die dort leben, ausgesprochene Nachtarbeiter. Die schlafen jetzt sicher noch.” “So ist es, Ihro Rattschaft“, grinste Messer-Pete. "Das haben Sie nobel ausgedrückt.” Fröbelhaus erhob sich. “Dann also los.” Er ließ uns nicht einmal Zeit, zu Ende zu frühstücken. Dieses London steckt voller Überraschungen. Die Stadt hat tausend Gesichter. Oder gar keines. So wie heute. Irgend etwas hatte die Luft verändert. Sie war dick und grau und verhüllte die Straßen und Häuser, so dass sie zu bloßen Schemen und Schatten wurden. Das war der berüchtigte Londoner Nebel. Du hast vielleicht schon von ihm gehört. Fröbelhaus meinte, wir sollten mit dem Omnibus fahren. “Von der obersten Plattform hat man eine wunderschöne Aussicht. Ich werde euch die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen. Bis jetzt habt ihr ja noch gar nichts von London gesehen.” Ein Omnibus ist nichts weiter als eine große Droschke mit zusätzlichen Sitzbänken auf dem Dach. Die Aussicht freilich gab nicht viel her. Sie reichte höchstens drei Meter weit und bestand aus grauen Nebelschwaden. Fröbelhaus ließ sich dadurch nicht stören. Begeistert nannte er die Namen der berühmten (und unsichtbaren) Gebäude an denen wir vorbeifuhren. Eine Stadtbesichtigung im Nebel ist langweilig. Pieps und ich unterhielten uns lieber mit den Hafenmäusen. Schnellfinger-Joe zeigte uns wie er zu seinem Namen gekommen war. Er war nämlich ein Taschendieb wie du dir vielleicht schon gedacht hast. Zum Glück war die Bücherratte zu beschäftigt, um auf ihn zu achten. Der Captain erzählte von der Zeit, als er die sieben Weltmeere befuhr und der schwarze Bill knöpfte sein Hemd auf und zeigte uns alle seine Tätowierungen. So ratterten wir eine Zeitlang in bester Stimmung dahin. “Die nächsten Haltestelle ist die Endstation“, sagte Fröbelhaus plötzlich. "Ab jetzt geht es zu Fuß weiter.” Wir hatten einen Stadtteil erreicht, in dem keine Omnibusse mehr fuhren. Auch Droschken ließen sich hier nicht sehen. Der Captain, Messer-Pete, der Maat, Bill und Joe sahen hier nur noch halb so verwegen aus wie in Professor van Mysies Wohnzimmer. Sie rückten enger zusammen und blickten sich dauernd nach allen Seiten um. Ich fröstelte. Eine dünne Schicht Nässe lag über allem. An jedem meiner Schnurrbarthaare hing ein dicker Wassertropfen. Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet. Hoch oben, über den (fast unsichtbaren) Häusern zeigte sich ein matter, weißer Fleck. Das musste die Sonne sein. Wir versuchten, lautlos über das holprige Straßenpflaster zu gehen. Das war nicht einfach, denn unsere Schuhe waren mit Eisen beschlagen. Damit rutscht man nicht so leicht aus. Dafür macht man einen Höllenlärm, wenn man nur ein bisschen fest auftritt. Plötzlich sagte Pieps: “Jykie, wir haben die spitzen Stöcke vergessen. Wir müssen umkehren.” Sofort blieben die Hafenmäuse stehen. “Das ist eine gute Idee“, meinte der Captain. "Bei Nebel ist es hier nicht ganz geheuer. Am besten, wir warten auf besseres Wetter.” “Dazu ist es zu spät“, meinte Fröbelhaus. "Wir müssen bald da sein. Da können wir noch schnell einen Blick auf das Schiff werfen bevor wir umkehren.” Der Maat konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. "Entschuldigen Sie, Ihro Rattheit“, sagte er. "Habe ganz vergessen, dass ich verabredet bin.” Mit ein paar Schritten war er im Nebel verschwunden. “He, kommen Sie zurück! Sie bekommen noch Geld von mir“, rief Fröbelhaus ihm nach. Aber der Maat ließ sich nicht mehr blicken. Ich konnte ihn verstehen. Auch mir gefiel dieser Teil von London nicht. Die Häuser waren verwahrlost, soweit man das bei der schlechten Sicht erkennen konnte. An jeder Straßenecke stand eine Kneipe. Es waren Spelunken mit phantasielosen Namen. Es gab den EINÄUGIGEN PIRATEN, den EINBEINIGEN PIRATEN, den EINARMIGEN PIRATEN und so weiter und so fort.
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Pieps fand das komisch. "Kein besonders gesunder Beruf, Pirat“, spottete sie. Die Bewohner der Gegend waren recht unheimlich. Zum Glück begegneten wir nur wenigen von ihnen. Wie Schemen tauchten sie aus der dicken Nebelsuppe auf und rannten mit hastigen Schritten an uns vorbei. Nie sah man ihre Gesichter. Sie hatten entweder den Kragen hochgestellt, ein Halstuch vorgebunden oder den Hut tief in die Stirn gezogen. Einzig ihre Augen waren sichtbar. Grausame, verschlagene Augen! Im Vorübergehen musterten sie uns abschätzig. "Bleibt an meiner Seite“, mahnte Fröbelhaus. "Es gibt Banden, die Kinder stehlen und sie als Sklaven nach Südamerika verkaufen.” “Nicht nur Kinder, auch Erwachsene“, sagte Schnellfinger-Joe. "Mir ist gerade eingefallen, dass ich glatt vergessen habe, wo die NAMENLOS liegt. Nichts für ungut, Ihro Rattheit.” Lässig tippte er mit der Pfote an seinen Hut. Ein paar schnelle Schritte und der Nebel hatte ihn verschluckt. “Manchmal bekommt man auch ein Messer zwischen die Rippen oder einen Schlag auf den Kopf. Ein Mäuseleben ist hier nicht viel wert.” Der schwarze Bill klang besorgt. “He, warte auf mich. Allein kommst du nicht weit.” Hastig rannte er hinter Joe her. Jetzt waren nur noch Messer-Pete und der Captain übrig. Messer-Pete machte seinem Namen alle Ehre. Er hatte ein Klappmesser gezogen und ließ es ununterbrochen aufschnappen und zuschnappen, aufschnappen und zuschnappen. Er wirkte nervös. Der Captain musterte uns zweifelnd. “Wollt ihr wirklich weiter gehen?“, fragte er mit unsicherer Stimme. "Klar doch“, erwiderte Pieps großspurig. "Wir brauchen uns doch nicht zu fürchten. Wir haben schließlich eine große, gefährliche Ratte dabei.” Eberratt sah sich verwirrt um. Zum Glück bemerkte der Captain das nicht. Er ließ sich von Pieps Worten beruhigen. Auch ich machte mir keine Sorgen. Mit der starken Pieps und der großen Bücherratte an meiner Seite fühlte ich mich sicher. Wenigstens im Augenblick. Doch die Gegend, durch die wir kamen, wurde immer unheimlicher. Längst schon gab es keine Kneipen mehr. Ringsum war alles öd und leer. Keine Mauseseele ließ sich blicken. Auf den Straßen lag überall Unrat. Die Häuser waren fensterlos und ohne Türen. Ihre kahlen Wände erstreckten sich mehrere Stockwerke hoch. Wer mochte hier leben, ohne Luft und Licht? Mir schauderte. Es war so still, dass jedes Geräusch zur Bedrohung wurde. Als plötzlich vor uns im Nebel schwere Schritte ertönten, blieben wir misstrauisch stehen. Ich war froh, nicht allein zu sein. Der Captain und Messer-Pete drängten sich schutzsuchend an Fröbelhaus. Jetzt hatte auch der Captain ein Messer gezogen.
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Die Bücherratte versuchte mit ihrem Blick, den Nebel zu durchdringen. Ihre auseinanderstrebenden Augen mühten sich, gleichzeitig nach vorne zu blicken. Bald konnten wir alle die schattenhaften Umrisse einer Maus erkennen, die auf uns zu kam. Sie gab sich nicht die geringste Mühe, leise zu sein. Selbstbewusst polterte sie daher. Dann trat sie ganz aus dem Nebel heraus. Es war ein Polizist, der seine Runde drehte. Das war mehr, als Messer-Pete verkraften konnte. Von einer Sekunde zur nächsten war er verschwunden. Nicht einmal ein Abschiedswort hatte er für uns übrig gehabt. “Guten Tag, die Herrschaften“, grüßte uns der Polizist freundlich. "Was machen sie in der Speicherstadt.” Speicher? Das waren gar keine Häuser. Das waren Warenlager. Deswegen sahen die Gebäude so abweisend aus, waren die Straßen so leer. Das kannte ich von Urrghx. Auch bei uns gibt es eine Reihe von Speichern im Hafen. Nur waren sie nicht so groß wie die Warenlager in London. “Wir suchen ein Schiff“, erklärte Fröbelhaus. "Es liegt an der Teufelsstiege.” “Dann sind Sie hier richtig“, erwiderte der Polizist. Er deutete auf eine enge Gasse zwischen zwei turmhohen Speicherhallen. "Das ist die Wurmstraße. Die führt Sie direkt zur Teufelsstiege. Wünsche den Herrschaften noch einen angenehmen Tag.” Er tippte kurz mit einer Pfote an seinen Helm und ging davon. “Von hier finden Sie den Weg auch allein“, sagte der Captain. "Ich gehe mit dem Polizisten zurück. Die Gegend hier ist mir nicht geheuer. Nicht im Nebel.” "Gut, dann will ich Ihnen Ihr Geld geben“, sagte Fröbelhaus. "Geld?” Die Stimme des Captains klang schrill. “Was soll ich HIER mit Geld. Heben Sie es für mich auf, Ihro Rattschaft. Ich schaue gelegentlich mal bei ihnen vorbei und hol es mir. Falls Sie heil hier raus kommen.” Er musste rennen, um den Polizisten einzuholen. Nun standen wir mutterseelenallein da. Mitten in der verrufensten Gegend von London.
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“Was machen wir jetzt?“, fragte ich. "Vorwürfe. Am besten macht ihr mir jetzt Vorwürfe“, sagte die Bücherratte traurig. "Wir sitzen mächtig in der Klemme. Das habt ihr mir zu verdanken. Mir und meinem Leichtsinn. Ich habe einen Fehler gemacht.” "Wieso“, fragte Pieps verwundert. "Bis jetzt läuft doch alles nach Plan.” “Was für ein Plan?” fragte Fröbelhaus verwundert. “Ich wollte nur schnell schauen, ob die NAMENLOS hier liegt. Weiter habe ich nicht gedacht.” Die Stimme der Bücherratte klang zerknirscht. "Ich hätte euch nicht hierher bringen dürfen. Am besten, wir machen es wie der Captain und gehen mit dem Polizisten zurück.” Dazu war es zu spät. Von den beiden Mäusen war weit und breit nichts mehr zu sehen. Der Nebel hatte sie verschluckt. “Wenn wir schon hier sind“, drängte ich, "können wir auch weitermachen. Wir sollten nachschauen, ob dort vorne wirklich die NAMENLOS vor Anker liegt.” “Gut“, stimmte Fröbelhaus widerwillig zu. "Ein Stückchen weiter gehen wir noch. Aber nur ein klitzekleines Stückchen. Wir müssen sehr, sehr vorsichtig sein.” Der Nebel war Schutz und Bedrohung zugleich. Er verbarg uns vor feindlichen Augen. Gleichzeitig verbarg er aber auch jede Gefahr, die hier lauern mochte, vor uns. Mein Herz klopfte wie wild, als wir langsam vorwärts schlichen. Immer wieder blieben wir stehen und lauschten. Doch so sehr wir unsere Ohren auch spitzten, wir konnten nichts hören. Überhaupt nichts. Keine Schritte, keine Stimmen, nichts. Nicht einmal den Schrei einer Möwe. Der Nebel hatte alle Geräusche verschluckt. Die Wurmgasse endete an einer Treppe. Sie war alt, nass und mit glitschigem Moos bewachsen. Ihre abgetretenen Stufen führten hinunter zur Themse. Dort unten lag ein Schiff. Aus der Ferne war es nicht mehr als ein dunkler Schatten. Den Namen konnten wir nicht erkennen. Eine Weile standen wir am obersten Treppenabsatz und blickten schweigend hinunter. “Wir müssen näher heran“, flüsterte Pieps. Fröbelhaus schaute angespannt zum Himmel empor. "Ach verflixt“, jammerte er. "Wo bleibt heute nur die Sonne. Ich bin kein Fachmann für Vampire wie van Mysie. Ob das trübe Glühen dort oben reicht, um den Vampir außer Gefecht zu setzen? Wenn nicht, geht es uns an den Kragen.” “Eher an die Gurgel“, sagte ich. Es war keine gute Bemerkung. "Es kommt Wind auf! Wenn wir lange genug warten, vertreibt er den Nebel.” Pieps versuchte, uns Mut zu machen. Der Wind war nicht auf unserer Seite. Er wirbelte nur die Nebelschwaden ein wenig durcheinander, aber er zerstreute sie nicht. “Ich habe einen Plan,” verkündete ich stolz. "Sie gehen zurück und holen den Professor. Pieps und ich beobachten inzwischen das Schiff.” “Ich soll euch hier zurücklassen?” Fröbelhaus Stimme klang entsetzt. “Ihr wisst ja nicht, welche Gefahren euch hier drohen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich auch Angst, zurückzugehen. Ich kenne den Weg nicht. Ich habe mich ganz auf unsere Führer verlassen. Und die sind verduftet.” Traurig schüttelte er den Kopf. “Wir sehen ganz schön alt aus.” Pieps brachte die Sache auf den Punkt. “Ach was.” So schnell ließ ich den Mut nicht sinken. “Wenn wir nicht zurück können, müssen wir vorwärts. Wir können uns den Vampir vorknöpfen. Es wird Zeit, dass endlich jemand ein ernstes Wort mit ihm redet.” “Ohne Waffen?” Die Stimme der Bücherratte klang unangenehm schrill. Aufgeregt lief er hin und her. “Lasst mich in Ruhe nachdenken. Mir wird schon eine Lösung einfallen.” Ich zog Pieps am Ärmel ein Stück von Fröbelhaus weg. “Stören wir ihn nicht beim Denken. Mir ist was eingefallen. Ein Stück die Straße runter lag ein Haufen Abfall. Kommst du mit? Ich will sehen, ob wir etwas davon gebrauchen können.” Während Fröbelhaus in Gedanken versunken hin und her lief und leise Selbstgespräche führte, machten Pieps und ich uns aus dem Staub. Zu schade, dass die Speicher versperrt waren. Bestimmt steckten sie voller nützlicher Dinge wie tonnenweise Knoblauch, Kisten voller Messer, Pistolen und andere Kostbarkeiten. Der Abfallhaufen war schnell erreicht. Er bestand aus zusammengekehrtem Stroh, Tonscherben, Nägeln und den Resten einer zerbrochenen Transportkiste. “Was für ein Glück“, jubelte Pieps. "Holz! Sieh nur, das ist Holz.” Die Kistenteile waren zu groß für uns. Aber als wir den Abfall gründlich durchwühlten, fanden wir eine Menge Splitter. Zwei davon waren gerade richtig. Sie waren so lang wie ein Spazierstock. Damit konnte man zustoßen. Es gab nur einen Schönheitsfehler. Die Splitter hatten keine Spitzen. Ihre Enden waren ausgefranst, unregelmäßig gezackt und ausgesprochen stumpf. Zum Pfählen eines Vampirs taugten sie nicht. “Und wir haben kein Messer dabei“, sagte Pieps traurig. "Aber eine Ratte“, frohlockte ich. "Oh ja.” Pieps grinste von einem Ohr zum anderen. Sie verstand mich sofort. Fröbelhaus wehrte sich mit Händen und Füßen, als wir ihm die beiden Holzstücke brachten.
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“Nein, nein! Das geht doch nicht. Was verlangt ihr da bloß von mir? Ich bin ein Gelehrter, keine Müllratte. In meiner Familie hat seit Generationen niemand mehr genagt. Ich weiß überhaupt nicht wie man das macht.” Pieps und ich schauten ihn nur stumm an. Wir sind gut darin, einen widerborstigen Erwachsenen mit flehenden, traurigen Kinderaugen anzuschauen. Aber die Bücherratte wich unserem Blick geschickt aus. Ihre seltsamen Augen rückten noch weiter auseinander, als sie es von Natur aus schon taten. Er war wirklich eine harte Nuss. Wir mussten schwereres Geschütz auffahren. “Bitte“, flehte Pieps. "Es ist wegen meinem kleinen, armen Bruder. Wenn du uns nicht hilfst, wird er ein Vampir. Niemand sonst kann ihn retten.” Sie war gut. Selbst mir kamen die Tränen. Das machte ich mir zunutze. Mit tränenerstickter Stimme jammerte ich: “Es ist so unheimlich hier. Ich will nach Hause zu meinem Großvater. Wir brauchen die Stöcke. Bitte, hilf uns doch.” Das reichte. Schicksalsergeben ergriff Fröbelhaus eines der Holzstücke und begann zu nagen. Bald schon spuckte er Sägespäne und Brösel aus. Zum Glück hatte das Bücherlesen seiner angeborenen Nagerfähigkeit nicht geschadet. In kurzer Zeit hatte er unsere Stöcke mit einer gefährlichen Spitze versehen. “Und jetzt entern wir das Schiff“, sagte ich entschlossen. Fröbelhaus stieß ein erschrockenes Ächzen aus. "Sie können ja hier bleiben“, meinte Pieps großzügig. "Ich werde meinen Bruder retten, egal was kommt.” Die arme Bücherratte. "Ich kann euch doch nicht in Stich lassen“, jammerte Fröbelhaus. "Oh je, oh je! Was habe ich da nur angerichtet?” Nachdenklich zog er ein Buch aus der Rocktasche. Es war sehr dick und hatte Beschläge aus Metall. “Ich werde mit geistigen Waffen kämpfen“, sagte er entschlossen. "Hiermit kann man kräftig zuhauen.” Nachdem unsere Vorbereitungen soweit gediehen waren, gab es keinen Grund, länger zu zögern. Noch einmal schauten wir zum Himmel empor. Da oben, hinter dem Nebel, gab es eine Sonne. Daran bestand kein Zweifel. Ob sich der Vampir davon beeindrucken ließ, das wussten wir nicht. Langsam und vorsichtig gingen wir die rutschige Treppe hinunter. Fröbelhaus führte uns an. Das Buch hielt er mit beiden Pfoten gegen die Brust gedrückt. Pieps folgte ihm. Ich bildete die Nachhut. Mitten auf der Treppe blieb Fröbelhaus stehen. Er räusperte sich verlegen. “Einen Rat muss ich euch noch geben. Sollte etwas schief gehen und der Vampir stärker sein als ich, dann springt in die Themse. Vampire können nicht schwimmen.” Als Schlachtruf gab dieser Spruch nichts her. Kein Wunder, dass mir beklommen ums Herz war, als wir das Ende der Treppe erreichten. Nun wurde es ernst. Wir konnten den Namen des Schiffes lesen. Es war die NAMENLOS. Sie schaukelte sanft auf den Wellen der Themse. Weit und breit war niemand zu sehen. Bei dem dichten Nebel hieß das freilich nicht viel. Was würde uns auf dem Schiff erwarten? “Nur nichts übereilen“, warnte die Bücherratte. "Wir wollen nicht in einen Hinterhalt geraten. Bleibt dicht hinter mir. Als erstes durchsuchen wir das Deck.” Fröbelhaus war sehr gründlich. Er schaute unter jeder Taurolle nach. Die NAMENLOS ist nur ein kleines Boot, ein Einhandsegler. Da gibt es nicht viele Möglichkeiten, sich zu verstecken. Das Deck war schnell durchsucht. Jetzt mussten wir hinab in die Kajüte. Du kannst dir sicher vorstellen wie mein Herz pochte, als ich langsam eine Stufe nach der anderen hinunterstieg. Dabei hätte ich mir die ganze Aufregung sparen können. Die Kajüte war leer. Blieb nur noch der Laderaum. Auch hier das gleiche Ergebnis. Nichts als gähnende Leere. Nicht einmal einen Hering fanden wir dort, obwohl es durchdringend nach Fisch roch. Fröbelhaus schaute ungläubig drein und durchsuchte das Schiff ein zweites Mal. Beim dritten Mal klopfte er jede Planke ab. Dann nahm er sich die Wände und den Fußboden in der Kajüte vor. Er suchte einen verborgenen Hohlraum. Doch so sehr er sich auch plagte, dass Ergebnis war gleich null. Das Schiff war verlassen. Nach all unseren Vorsichtsmaßnahmen kamen wir uns richtig doof vor. “Ist das wirklich das richtige Schiff“, fragte uns die Bücherratte misstrauisch und ließ sich mit einem Plumps auf die Koje fallen. Wir nickten stumm. Es war die NAMENLOS. Daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Einen Hinweis auf den Vampir entdeckte ich zum Schluss doch noch. Mitten auf dem Kajütenboden befand sich ein rechteckiger, dunkler Fleck. Feuchte Erde lag dort. Mir war sofort klar, was das bedeutete. "Hier hat der Sarg gestanden“, verkündete ich laut. Fröbelhaus zog eine Zeitung hervor, die zwischen Koje und Wand gerutscht war. Es war die TIMES. Sie war genau auf der Seite aufgeschlagen, auf der die Anzeigen standen. "Hohe Belohnung für jeden, der den Liegeplatz der NAMENLOS kennt“, las er vor. "Das erklärt alles. Der Vogel ist ausgeflogen. Er hat seinen Sarg gepackt und sich ein neues Versteck gesucht.” “Du meinst, er kommt nicht zurück?“, vergewisserte sich Pieps. Fröbelhaus nickte. "Sonst stünde der Sarg noch da. Er ist recht unhandlich, wenn du verstehst, was ich meine.”   Ich fühlte mich wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht. Niedergeschlagen setzte ich mich auf den Fußboden. Die Enttäuschung machte mich unwirsch. “Schon wieder entwischt. Werden wir diesen Unhold denn niemals finden? Immer ist er uns ein Stück voraus. Den erwischen wir nie.” Fröbelhaus war mindestens so enttäuscht wie ich. “Unser Ausflug war ein Schlag ins Wasser. Fürs erste sitzen wir hier fest. Ich kenne den Rückweg nicht. Und jemanden, der hier lebt, nach dem Weg zu fragen, erscheint mir zu gefährlich.”
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“Deswegen müssen wir doch nicht hier bleiben.” Pieps verstand die Sorgen der Bücherratte nicht. “Wir haben das Schiff. Damit kommen wir überall hin.” Fröbelhaus schaute verwirrt. “Wie meinst du das?” “Wir segeln davon. Flussaufwärts oder flussabwärts, wohin Sie wollen. Hauptsache, raus aus dieser gefährlichen Gegend.” “Ach Kinder, Kinder. Ihr erwartet zuviel von mir. Ich bin eine Bücherratte, keine Schiffsratte. Mit Booten kenne ich mich nicht aus.” “Aber wir.” Meine miese Stimmung verflog. “Wir kommen von Urrghx. Bei uns daheim lernen schon die Wickelkinder wie man segelt. Dieses Boot ist so gebaut, dass eine Maus allein damit zurecht kommt. Zu zweit ist es ein Kinderspiel. Fröbelhaus schaute uns ungläubig an. "Ihr könnt segeln?“, fragte er. "Das ist ja toll. Dann Ahoi und Leinen los oder wie ihr Seeleute das nennt.” Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Bevor wir ablegten, fiel mir aber noch etwas ein. “Könnten sie Wache halten? Es wäre schrecklich, wenn sich der Vampir ein zweites Mal an unsere Fersen heftet.” So stand Fröbelhaus an Deck und hielt Ausschau nach Verfolgern. Seine ungewöhnliche Augenstellung erlaubte es ihm, den Fluss und beide Ufer gleichzeitig zu überwachen. Pieps und ich genossen unseren Segelausflug. Nur allzu bald rief die Bücherratte erfreut aus: “Seht nur, das Parlament. Jetzt weiß ich, wo wir sind. Die Gegend kenne ich.” Sogleich übernahm er das Kommando. Auf seine Anweisung hin steuerten wir das Ufer an und vertäuten die NAMENLOS an einem guten Landeplatz. Immer noch verhüllte der Nebel Straßen und Häuser. Für mich sah ringsum alles gleich aus. Wie sich die Bücherratte da zurecht fand, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.
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