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#Thüringer Ministerium für Umwelt Energie und Naturschutz
larspolten · 3 years
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larspolten · 3 years
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In der Ausbildung zum Zertifizierten Natur- und Landschaftsführer (#ZNL) in #Thüringen gibt es Lücken. Eine Kritik ist angebracht.
In der Ausbildung wird der kulturelle Entstehungszusammenhang der menschlichen Wahrnehmung, was überhaupt Natur ist, außer acht gelassen. Da auch menschliche Kategorien des Raumes und der Ordnung nicht beachtet werden, scheint ein eher einseitiges Bild nur einer möglichen Naturdefinition vermittelt zu werden. Der Beginn einer Diskussion dazu im Trägerverein Heimatbund Thüringen wäre angebracht, Einträge auf facebook werden aber nicht zugelassen.
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Die Inhalte der Ausbildung zum ZNL werden bspw. in der Zeitschrift „Heimat Thüringen“ beschrieben. Im Heft 3-4/2020 im Artikel „Wege in die Natur“ (S. 69f.) heisst es beispielsweise über vermittelte Ziele:„Es geht darum, unser gespaltenes Naturverständnis zu überwinden und uns stattdessen bewusst zu machen, dass all unser Tun in der Welt Umgang mit Natur ist. Es gibt kein ‚Außerhalb‘. Anzustreben sein ein Naturverständnis, das ‚Schönheit, Leben und Naturgesetze im Zusammenhang mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Nutzungsmöglichkeiten’ der Natur betrachtet.“(Zitiert wird hier im zweiten Teil: Stoltenberg, U. (2009): Mensch und Wald, Theorie und Praxis einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung am Beispiel des Themenfeldes Wald. München: Oekom, S. 34.)
Wenn Natur nicht „außerhalb“ sei, wird damit wahrscheinlich gemeint, dass Natur ein Ort ist, der überall ist und in dem sich der Mensch eigentlich ständig aufhält. Er sei der Natur also näher ist als gemeinhin angenommen.Diese Betrachtungsweise, dass Natur „außen“ ist, kann man so nicht stehen lassen, sie ist sachlich nicht richtig. Sie blendet die ebenso omnipräsente kulturelle Seite und ihre Bedeutung im Alltag völlig aus. Es wird nicht deutlich gemacht, dass der Mensch nur über ein Verständnis von Natur verfügen kann, und nicht per se Natur wahrnehmen kann. Dies ist ein in einschlägigen wissenschaftlichen Diskursen besprochener und akzeptierter Zustand. Begründet ist dies damit, dass der Mensch durch sein soziales Aufwachsen in einer kulturellen Umgebung mit ritualisierten Alltag und unter stetem Einfluss seiner Grundbedürfnisse kognitiv keine Möglichkeit besitzt, Dinge anders als unter dem Einfluss dieser Prämissen wahrzunehmen. Dieses Verständnis findet sich nicht im Text gespiegelt.Es wird also gesagt, dass Natur nicht „außerhalb“ sei, sondern immer um einen herum. Das Gegenteil ist richtig: in den Wohnräumen des Menschen wird Natur nur gezähmt und geordnet dargestellt, zumeist ausgeschlossen und nur nachgebildet. Natur besitzt Aspekte des Unordentlichen und Vergänglichen, der Bewegung und Unruhe, des Wandels und Wechsels – auch diese Aspekte werden in dem durch die Autoren benutzten Hinweis auf „‘Schönheit, Leben und Naturgesetze’“ ausgeblendet. Innerhalb der Wohnräume des Menschen werden die angenehmen Seiten des Natürlichen nachgebildet: mit Bauten aus Naturholz, mit Furnieren oder Bodenbelägen, die Rindenoptik aufweisen, mit absichtlichen Unregelmäßigkeiten auf Tapeten und Putzen, mit eher eintönigen und singulären Zimmerpflanzen ohne Biotopverbünde. Bei einer empirischen Untersuchung eines Aufenthalt- und Wohnraumes lassen sich hunderte Beispiele finden. Immer sind es Aspekte der Ordnung, die sich im alltäglichen Leben finden und die Natur ist außerhalb. Es ist diese Ordnung, die die Innenräume des menschlichen Wohnen und Zurückziehens, von der unsortierten Natur unterscheidet. Es ist fraglich, warum die Autoren nicht kulturwissenschaftliche Literatur bemüht haben oder sich mit dem Thema intensiver auseinandersetzen. Bleiben wir beim Wohnraum: sogar die natürlichen Pflanzen, auch wenn einmal drei verschiedene in einem Topf stehen, müssen Elemente einer Ordnung aufweisen, die zu der Natur, wie wir sie außerhalb der Räume antreffen, unterschieden ist. Selbst Pflanzen in Räumen müssen insektenfrei, ohne lästige Fliegen und in meist blanker Erde stehen. Es gibt keine Elemente und Umweltdimensionen wie in einem realen Naturraum: kein belebtes Totholz im Flur, keine Holzbienen, oder irgendwelche Fliegenschwärme, Würmer oder etwa Regen oder Sturm in einer Wohnung. Wohnungen und deren Vorräume – Treppenhäuser, andere Flure, ja sogar Wohngebiete und Orte – besitzen Grenzen, die der Mensch aus dem Wunsch der Abgrenzung zu anderen Räumen extra geschaffen hat. Sie alle bilden unterscheidbare Räume mit eigenen Regeln und sozialen Gesetzen. Gerade dieser Gegensatz, der ritualisierte Ablauf in Rückzugsräumen und das zeitlich begrenzte Aufhalten in Naturräumen, in denen es anders ist, macht die besondere Erlebensform eines Naturraumes erst möglich. Selbst die Aufenthalte im Naturraum sind ritualisiert und unterliegen sozialen Referenzrahmen, auch wenn man noch so sehr von Freiheit, Ungebundenheit oder Naturerfahrungen schwärmt. Der Mensch kann Natur nur so wahrnehmen, wie seine Referenz- und Wahrnehmungsrahmen gebildet wurden.Es erfolgt eine eher unhinterfragte Tradierung, keine wissenschaftliche Auseinandersetzung, da keine grundlegenden Raumbegriffe oder nur Modebegriffe heutiger Sprachentwicklungen in die Diskussion genommen werden. Einfach von Natur zu reden macht keine Umweltpädagogik und ist nicht nachhaltig.
Auch ist unverständlich, warum Ausbildungsinhalte des ZNL nur in bestimmte Naturräumen gelegt werden, die von der realen Lebenswelt abweichen, da sie nur einen Bruchteil der menschlichen Alltagslebenswelt ausmachen. Biosphärenreservate seien intakte Naturräume mit einem ausgewogenen Schutz- und Nutzungsverhältnis.„Insbesondere Naturparke und Biosphärenreservate sind Lern- und Erfahrungsräume einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). In diesen Gebieten wird erprobt, wie der gesellschaftliche Lern- und Suchprozeß einer nachhaltigen Entwicklung konkret gestaltet und gelebt werden kann. Ausdruck dieser Bestrebungen ist das Motto der Naturparke ‚Mensch und Natur gehören zusammen‘.“Diese Sichtweise ist irreal und unterstreicht nur eine Typisierung und Ikonisierung bestimmter Naturräume und Naturelemente, eher die Förderung eines Vergessens der Realität statt einer nachhaltigen Bildung. Die ZNL wollen Natur nahe bringen und tun dies in alltagsfernen, gewidmeten Arealen, die zumal oft nur mit dem MIV, dem motorisierten Individualverkehr, angesteuert werden. Was hat das mit einer Nachhaltigkeit zu tun, die im Alltag anwendbar sein soll? Eher werden so Naturerfahrung und Landschaften langfristig nur eine Folklorisierung zugeführt, aktuelle ist dies schon beobachtbar.
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