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postwendend #6 mit Mario Keipert
In unserer Interviewserie zur BetaKonferenz 2020 in Zwickau sprechen wir heute mit Mario Keipert. Er hat umfangreiche Theatererfahrungen, ist Literaturblogger und arbeitet im Bereich Webdesign.
Auf deinem Blog textwärts setzt du dich sehr intensiv mit Literatur auseinander. Was fasziniert dich so an Geschichten und was motiviert dich, deine Erkenntnisse mit anderen zu teilen?
Ich lese und schreibe, seit ich Buchstaben auseinander halten kann. Insofern ist Literatur für mich ein Lebensmittel, das mich – fast schon zwanghaft – begleitet, berät, auch belehrt, das mir Erfahrungen verschafft oder mir hilft, eigene Erlebnisse aus der Distanz zu betrachten. Also weit mehr als bloße Unterhaltung. Irgendwie benötige ich Sprache, um "zur Welt zu kommen". Das ist nicht immer von Vorteil... Über die Jahre bin ich aber mehr zum Leser geworden als zum Schreiber. Ich lese meist fünf Romane gleichzeitig, und die Geschichten führen mich auf Wege, die ich sonst nie entdecken würde. Davon zu erzählen, andere anzustiften, und Fragen weiterzugeben, die mir in den Büchern begegnen, das ist der Antrieb für den Blog. Man könnte es auch "Sendungsbewusstsein" nennen: Literatur als Möglichkeit, die Welt aus immer wieder neuen Blickwinkeln zu betrachten
Das literarisch-kreative Leben in der Provinz ist ja häufig nur wenig ausgeprägt. Spielt das für dich eine Rolle?
Leider nicht wirklich. Meine Berührungspunkte mit der örtlichen Kreativszene sind als Zugezogener und dank recht knapper zeitlicher Ressourcen bisher eher überschaubar. Ich hoffe, das ändert sich ... Denn ja: gerade hier in der Provinz, gerade da, wo es auch nicht diese Dichte an kulturellen Angeboten gibt wie in den Großstädten und Uni-Zentren, da ist Literatur ja eigentlich absolut unverzichtbar. Geschichten erzählen geht ja ohne großen Aufwand, ohne Infrastruktur, ohne Investitionen. Also praktisch überall.
Die abschließende Frage hat Mario von seinem postwendend-Partner Partick Walter per Ansichtskarte erhalten.
Wie konkret hiflt dir Kreativität die gegenwärtige Krisensituation zu bewältigen?
Eine andere Antwort wäre mir lieber, aber mir selbst hat die Kreativität in der Krise gar nicht geholfen. Eher im Gegenteil. Das hat vielleicht ganz persönliche Gründe. Aber ich habe selten so viel Druck gehabt, wie im letzten halben Jahr, und gleichzeitig so wenig Zeit, so wenig Kraft. Man hörte ja von allen Seiten von Entschleunigung, das war für mich komplett utopisch. Da hätte ich gern etwas von gehabt, vielleicht wäre dann mal was aus dem lange erträumten Romanprojekt geworden... Nein: nichts da. Mit Familie, der Aufteilung des Homeoffice in eine Arbeitssphäre und einen Schulbereich, dem völligen Wegfall der Trennung zwischen Arbeit und Privat, zunehmend nervös werdenden Auftraggebern und vor allem der omnipräsenten Verunsicherung zeigte die Arbeit als Kreativer und das bis dahin unerschütterliche Hochhalten der eigenen Selbstverwirklichung seine Zähne. In der Situation dann auch noch kreativ sein zu sollen, hat mich komplett überfordert. Ich hätte buchstäblich lieber Brötchen gebacken.
(Bildrechte: M. Keipert)
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postwendend #2 mit Claudia Drescher
In unserer Interviewserie zur BetaKonferenz 2020 in Zwickau sprechen wir heute mit Claudia Drescher. Claudia ist freie Journalistin, Autorin und Übersetzerin, die zudem noch in der Zwickauer Zivilgesellschaft engagiert ist.
Du schreibst journalistisch mit einem eher regionalen Fokus. Was interessiert dich so an Geschichten und Themen, die quasi um die Ecke passieren?
Als ich angefangen habe Journalistik zu studieren und nebenher die ersten Erfahrungen als Journalistin sammelte, hatte ich hoch fliegende Träume - wie wohl die meisten meiner Kommiliton*innen an der Uni Leipzig. Chefredakteurin für Die Zeit oder Der Spiegel. Untendrunter war nicht denkbar! Dann fing ich an, mich für ein Volontariat zu bewerben und musste feststellen, dass ich mit meinen Begabungen und Vorstellungen nicht allein war... Am Ende landete ich bei der Sächsischen Zeitung, aber nicht in der Landeshauptstadt, sondern in der Lokalredaktion Görlitz. Und auch nicht als Festangestellte, sondern als sogenannte „feste Freie“ - also selbstständig (oder zunächst vielmehr scheinselbständig) und auf eigenes unternehmerisches Risiko. Doch mir gefiel es in der „Provinz“, wo die Wege kurz sind, die Menschen authentisch und ihre Geschichten echt. Schließlich kehrte ich nach Zwickau zurück (wegen der Liebe und so... das Übliche eben) und habe mir meine Nische als freie Journalistin, Texterin und Übersetzerin gesucht, denn feste Stellen gab und gibt es in dieser Branche noch immer nicht allzu viele. Auch meine Heimatstadt und die Region Westsachsen, in der ich vor allem für die dpa von Annaberg bis ins tiefste Vogtland unterwegs bin, überrascht mich immer wieder aufs Neue. Ich habe in den letzten zehn Jahren hier so viele inspirierende Menschen kennengelernt, die ihre Träume anpacken und auch steinige Wege mit viel Mut und Zuversicht gehen. Das ist es, was mich an meinem Beruf immer fasziniert hat. Wenn du zum Beispiel einen Musikinstrumentenbauer in Markneukirchen besuchst und ein Porträt schreiben möchtest, kommst du vom hundertsten ins tausendste. Am Anfang sprichst du über das Handwerk, die Tradition, dann kommst du zu den Herausforderungen und den Ideen, diesen zu begegnen. Am Ende diskutierst du (oder zumindest passiert mir das) nicht selten über Politik und erfährst die halbe Lebensgeschichte eines Menschen. Ich hatte schon Interviewtermine, bei denen ich mit einem völlig Unbekannten über das Leben philosophiert habe und gerade in eigenen schwierigen Lebensphasen (über die mein Gegenüber nichts wusste) einen Rat mit auf den Weg bekommen habe, der seine Spuren in mir hinterlässt. Obwohl ich eine furchtbare Quasselstrippe bin, habe ich offenbar auch das Talent zum Zuhören und nicht selten öffnen sich mir Menschen auf eine Weise, die mir zu Herzen geht. Damit passieren diese Geschichten vielleicht um die Ecke - wobei ich die Region selbst noch all den Jahren noch lange nicht vollständig abgegrast habe - aber langweilig sind sie deshalb noch lange nicht. Natürlich habe ich als freie Journalistin und noch dazu für die dpa das Privileg, mir gerade bei selbst geschöpften Geschichten die spannenden herauszupicken. Ich muss also nicht wie eine Lokalredakteurin zum sprichwörtlichen Hasenzüchterverein. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere sind die Pflichttermine, sei es das Besetzen wichtiger Strafprozesse oder das Berichten über offizielle Anlässe. Und die sind es inzwischen, die mir Bauchschmerzen bereiten. Viele Pressetermine, vor allem mit Ministerien, großen namhaften Unternehmen oder im politischen Umfeld allgemein, bringen wenig bis keine Authentizität (mehr) mit sich. Vielleicht ist auch das ein Grund für die zunehmende Unglaubwürdigkeit der Medien - man spürt als Rezipient*in wahrscheinlich doch, dass das alles so konzertiert ist. Deshalb sind mir die vermeintlich „kleinen“ Geschichten auch viel lieber. Da habe ich echte Menschen mit echten Geschichten vor mir. Da habe ich noch das Gefühl, in diesem Beruf etwas zu bewirken. Und wenn es nur für diesen einen Menschen ist, der mich nach Erscheinen meines Beitrags anruft oder eine Mail schreibt und sich bedankt - nicht für die Lobhudelei, sondern dafür, dass ich sie oder ihn getroffen oder auch eine überraschende Facette in den Mittelpunkt gestellt habe.
Neben deiner journalistischen Tätigkeit bist auch noch als Autorin tätig. Ist das ein passender Ausgleich oder kannst du einfach das Schreiben auch in der Freizeit nicht lassen?
Man könnte schon meinen, dass ich zu viel Freizeit habe, das stimmt! Tatsächlich haben „meine“ Bücher wohl eher mich gefunden als ich sie. Die beiden Ausflüge in die Belletristik verdanke ich einem lieben Freund, Swen Kaatz, den manche vielleicht eher als Geschichtenschnitzer kennen. Er hat mich inspiriert, eigentlich überhaupt das erste Mal dazu gebracht, mich mit der Idee vom Bücher schreiben jenseits fantastischer Tagträume zu beschäftigen. Und unsere Zusammenarbeit hat einen entscheidenden Vorteil: Swen liefert die Idee, die ich dann „nur“ noch in Worte gießen, ein wenig feilen und auf Hochglanz polieren muss. Tatsächlich spukt mir die eine oder andere Idee im Kopf herum, was ich gedanklich gern zwischen zwei Buchdeckel bringen würde... doch im Moment fehlt mir nicht zuletzt durch dieses verrückte Corona-Jahr die Kraft, die Ruhe und Muse und zugegeben auch der Mut. Aber ich bin ja noch nicht mal 40. Also unterm Strich hat es wohl wenig mit Ausgleich zu tun, sondern vor allem mit nicht lassen können. Wobei bei solchen Gedanken auch immer die Realistin und die Tagträumerin in mir heftigste Kämpfe ausfechten. Ich glaube, dass man so etwas nicht erzwingen kann, solche Türen öffnen sich einfach wenn du am wenigsten damit rechnest. Es muss einen finden und so wie mich Swen damals für unser erstes Projekt „gefunden“ hat, weil er einem mitten ins Innere schauen kann, so wird mich eines Tages vielleicht auch eine wirklich eigene Buchidee finden. Und wenn nicht? Dann hätte ich noch eine Handvoll anderer Ideen im Kopf.
Die weitere Frage bekam Claudia per Ansichtskarte von ihrer postwendend-Partnerin Laura Hofmann zugesandt.
Was ist Transcreation?
Transcreation, als eine Zusammensetzung aus Translation und Creation, ist eine spezielle, sehr freie Art des Übersetzens. Es wird insbesondere bei Werbe- und Marketingtexten eingesetzt, bei denen die/der Übersetzer:in die Möglichkeit hat zum Beispiel auf den jeweiligen Zielmarkt eines Produktes einzugehen. In Abgrenzung zur “normalen” Übersetzung, die im professionellen Bereich nie eine rein Wörtliche ist, geht Transcreation noch einen Schritt weiter. Der Ursprungstext stellt nur eine grobe Orientierung dar und macht damit die/den Übersetzer:in in Teilen auch zum Autor.
(Bildrechte: Abdul Rahman Takleh)
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postwendend #4 mit Frederic Günther
In unserer Interviewserie zur BetaKonferenz 2020 in Zwickau sprechen wir heute mit Frederic Günther. Frederic ist Spielwarenhersteller und außerdem Vorsitzender des Verbandes Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller.
Kaum ein Handwerk ist im Erzgebirge so ausgeprägt wie das Holzhandwerk. Gab es für dich da überhaupt eine Alternative als Spielwarenhersteller zu werden?
Als Nachkomme einer über 100-jährigen Seiffener Handwerkerfamilie bin ich natürlich mit dem Kunsthandwerk aufgewachsen und habe seit meiner Grundschulzeit auch in mehreren Bereichen meines Familienunternehmens mitgearbeitet. Nach dem Abitur habe ich dennoch Tourismuswirtschaft studiert und danach 2 Jahre in München gelebt. Erst danach bin ich endgültig in den Familienbetrieb eingestiegen. Seit meiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Verbandes Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller versuche ich auch jetzt noch den elterlichen Betrieb soweit es mir möglich ist zu unterstützen. Obwohl mir in meiner jetzigen Position mein betriebswirtschaftliches Studium zugutekommt, bereue ich dennoch ein wenig den Beruf des Holzspielzeugmachers nie gelernt zu haben.
Wie bleibt man heute in einem Markt mit sehr großer internationaler Konkurrenz und einem eher traditionellen Produkt kreativ und frisch?
Der Aussage muss ich vorab widersprechen. Unser Markt steht nicht in internationaler Konkurrenz, unsere Kundschaft legt gerade Wert auf Regionalität und die Herkunft aus dem Erzgebirge. Die Hauptaufgabe des Verbands ist auch der Aufbau und die Verteidigung unserer 19 Marken (u.a. Echt Erzgebirge – Holzkunst mit Herz, Erzgebirgische Volkskunst, usw.). Duplikate aus Fernost können daher nicht als Konkurrenz bezeichnet werden, sondern als widerrechtlicher Eingriff in unseren Wettbewerb.
Kreativ und frisch bleiben wir als Verband bzw. unsere Mitglieder auch ständig, jedes Jahr werden neue Produkte entwickelt, traditionelle Erzeugnisse weiterentwickelt neue Formen und Herstellungsweisen gefunden. Unser Branchenpreis „Tradition & Form“ kürt auch alljährlich die besten Neuentwicklungen. Außerdem wird gerade mit dem Projekt „Denkstatt Erzgebirge“ versucht Designer und weitere Kreative für die Branche zu begeistern.
Die dritte Frage hat Frederic auf einer Ansichtskarte von seiner postwendend-Partnerin Claudia Drescher erhalten.
 [... Als dpa-Journalistin habe ich die ein oder andere Geschichte über das „Weihnachtsland“ Erzgebirge geschrieben.] Können Sie mit damit eigentlich etwas anfangen? Was bedeutet Ihnen diese Tradition und wird es sie im Jahr 2100 noch geben?
 Ja das Weihnachtsland Erzgebirge ist mir natürlich ein Begriff, wie schon erwähnt bin ich in Seiffen aufgewachsen. Kein anderes Bundesland hat ein dermaßen großes Angebot an weihnachtlichem Flair und Erzeugnissen, dazu zählt neben unserem Erzgebirgischen Kunsthandwerk auch der Christstollen, die Pfefferkuchen und natürlich die Weihnachtsmärkte. Die Welterbe-Region Erzgebirge sticht, dabei mit seinen fast durchweg traditionell geschmückten Häusern, den Bergparaden und den eigenen Weihnachtsliedern besonders hervor.
Ich könnte an dieser Stelle einen Seitenlangen Aufsatz verfassen, was mir diese Tradition bedeutet und wie Sie mich, wie auch alle anderen Erzgebirger, geprägt hat, ich kann es kurz fassen und erklären dass sie mir sehr viel bedeutet und ich mich glücklich schätze einen Teil zum Erhalt dieser beitragen zu können. Die Tradition wird auch im Jahr 2100 bestand haben, ich wüsste keinen Grund der dagegen spricht.
(Bildrechte: Verband Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller e. V. )
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