Tumgik
Text
Alexander Solschenizyn – Ein Tag (im Leben) des Iwan Denissowitsch
Tumblr media
Inhalt:
Die Tage im Leben von Iwan Denissowitschs beginnen immer mit demselben Ritual. Seit acht Jahren sitzt der Protagonist, von seinen Mithäftlingen meist Schuchow gerufen, in einem Straflager im bitterkalten Sibirien.
Er teilt sich sein Schicksal mit unzähligen Mithäftlingen. Sie alle durchleben jeden Tag dieselbe Hölle, die größten Freuden sind die kläglichen Essensrationen, selbstgebaute Zigaretten und trockene Stiefel. Der Bunker hingegen versetzt alle in Angst. Wer einmal 10 Tage zur Strafe dort verbringt, wird das Lager nicht mehr lebend verlassen, so heißt es. Die Welt, in der die Gefangenen leben, ist klein, die Regeln unmissverständlich.
Der 1962 erschienene Roman beschreibt einen beliebigen Tag vom Wecksignal bis zum Nachtappell in all seiner Tristesse und versetzt den Leser in eine Zeit und an einem Ort, der heute schier unvorstellbar erscheint.
Der Schriftsteller Alexander Solschenizyn wurde aufgrund stalinfeindlicher Bemerkungen 1945 zu acht Jahren Haft verurteilt und verbüßte seine Strafe in sowjetischen Straflagern, den sogenannten Gulags. Seine Erfahrungen verarbeitete er unter anderem in „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“. 1970 erhielt er den Nobelpreis für Literatur weil er wie kein anderer den Alltag in den Gulags authentisch zu beschrieben vermochte.
Tumblr media
Meinung:
Der etwa 180 Seiten starke Roman von Alexander Solschenizyn, ist ein Vertreter des russischen Realismus, ein Genre, das Schriftsteller wie Dostojewski und Tolstoi geprägt haben. Schonungslos werden die sozialen Bedingungen Russlands und später auch der Sowjetunion in diesen Werken thematisiert.
Im Roman „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ stellt die unverblümte und authentische Schilderung des Lebens im Straflager den Mittelpunkt des Romans dar.
Dabei verzichtet der Autor gänzlich auf gekünstelte Spannungsbögen. Vielmehr wirkt die Erzählung wie ein Bericht, der allerdings auch emotional wenig ausgeschmückt ist. Zwar beschreibt Solschenizyn die zwischenmenschlichen Beziehungen der Häftlinge untereinander und die dort erlebte Menschlichkeit inmitten all der Grausamkeit, ließ mich zwischenzeitlich immer mal wieder aufatmen oder sogar schmunzeln, aber trotzdem bleibt immer eine gewisse Distanz zwischen Leser und Charaktere. Ich hatte den Eindruck, dass die nüchterne und objektive Betrachtung der eigenen Erlebnisse der einzige Weg war, um mit der Unmenschlichkeit dieser Erfahrungen umzugehen und diese schriftstellerisch zu verarbeiten.
Der Schreibstil wirkte insgesamt etwas steif und die Beschreibungen des Autors waren teilweise etwas zu ausschweifend für meinen Geschmack, sodass der Roman streckenweise seine Längen hatte.
Trotz allem habe ich dieses Buch gern gelesen. „Ein Tag im Leben des Iwan Dennisowitsch“ war mein erster russischer Roman und aufgrund der überschaubaren Seitenanzahl auch ein gutes Einsteigerbuch, um sich mit den ungewohnten Namen, vor allem Kosenamen und fremden Schauplätzen vertraut zu machen. Er eröffnete mir eine Welt, die ich vorher nicht kannte. Ich habe beim Lesen viel über eine grausame Epoche der russischen Geschichte gelernt, die nicht in Vergessenheit geraten sollte aber auch über Menschlichkeit, die selbst unter den widrigsten Umständen nicht erlischt.
Am 11. Dezember 2018 jährte sich der Geburtstag des Autors zum 100. Mal. Putin rief das Jahr 2018 zum Solschenizyn-Jahr aus, doch die Resonanz blieb bescheiden. Die Popularität des Autors hat seit seinem Tod 2008 selbst in Russland stark nachgelassen und außerhalb Russlands ist Alexander Solschenizyn heutzutage fast in Vergessenheit geraten.
Text: Aki
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
0 notes
Text
Hans Ruesch - Iglus in der Nacht
Tumblr media
Inhalt:
Das Leben im ewigen Eis, weit weg von jeglicher Zivilisation, ist entbehrungsreich und hart. Niemand weiß das so gut wie Papik und Wiwi, die – wie einst schon ihre Vorfahren – noch immer mit ihren Hundeschlitten durch das verschneite Land ziehen und an den Bräuchen und Traditionen der Inuit festhalten.
Doch die Welt um sie herum ist nicht mehr die, die sie aus den uralten Geschichten ihres Volkes kennen. Sie verändert sich, seit der weiße Mann in den Norden gekommen ist. 
Hans Ruesch, der 1913 geboren wurde, war nicht nur Schriftsteller, sondern auch ein erfolgreicher Rennfahrer. Als er 2007 im Alter von 94 Jahren verstarb, war er der bis dahin letzte noch lebende Gewinner eines Grand Prix der goldenen Zwischenkriegs-Ära des Autorennsports. Trotz dieser Leistung und seinen weiteren, zahlreichen Engagements (er setzte sich unter anderem zeitlebens gegen Tierversuche ein), ist er in seiner eigentlichen Heimat der Schweiz praktisch unbekannt.
Tumblr media
Meinung:
1950 gelang dem Schweizer Hans Ruesch mit der Veröffentlichung des Romans „Im Land der langen Schatten“ (im Original „On top of the world“) der Durchbruch. Die Geschichte avancierte zum Kultbuch und erreichte nicht nur Übersetzungen in mehrere Kultursprachen, sondern auch eine Auflage von 3 Millionen Exemplaren. „Iglus in der Nacht“ (im Original „Back to the top of the world“) erschien 1973, stützt sich auf die gleichen Motive wie sein Vorgänger, der 23 Jahre zuvor veröffentlicht wurde, ist aber kein Fortsetzungsroman.
In „Iglus in der Nacht“ folgen wir Papik und Wiwi aufs ewige Eis und erleben mit ihnen zusammen den harten Alltag der Inuit. Wir erfahren bereits auf den ersten Seiten, wie schwer und anders das Leben im hohen Norden ist und bekommen ungeschönt vor Augen gehalten, wie rau nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch selbst ist. Es wird beschrieben, wie Papik und Wiwi auf die Jagd gehen, was genau sie von welchem Tier essen (bei der Robbe ist so gut wie alles begehrenswert, beim Eisfuchs jedoch werden nur die ungeborenen Jungen verzerrt) und wie die Sozialstruktur innerhalb ihres Volkes funktioniert (Partnertausch, Kinderehe und Dreiecksbeziehungen sind keine Seltenheit). Diese Beschreibungen verwundern und schockieren teilweise in ihrer Rohheit, vor allem auch deswegen, weil Ruesch sie nie Effekthascherisch einsetzt, sondern diese Passagen ganz normal und ohne jegliche Übertreibung oder Beurteilung beschreibt. Er schafft eine Mischung aus Erzählung und Dokumentation, die den Leser sofort die Grenzen zwischen dem „zivilisierten“ und dem „wilden“ Menschen aufzeigt und ihn sich mit seinen eigenen moralischen Grundsätzen auseinander setzen lässt.
Die Geschichte von Papik und Wiwi ist spannend und zeitlos. Sie könnte zu jeder Zeit der Inuit spielen, da sie so leben, wie ihr Volk schon immer gelebt hat. Jedoch begreift der Leser sehr schnell, dass es bei weiten nicht mehr ursprünglich ist, wie Papik und Wiwi selbst gedacht haben. Der weiße Mann ist schon seit einiger Zeit in den Norden vorgedrungen und stülpt nicht nur dem Land, sondern auch den Menschen seine Lebensweise über.
Das Inuitpärchen trifft selbst immer wieder im Laufe der Geschichte auf diese Fremden und wird mit ihrer Welt und ihren Gebräuchen konfrontiert. Dabei entstehen skurrile Situationen. Zum Beispiel erschlägt Papik bei einer ausartenden Robbenjagd vorsätzlich einen weißen Mann, da dieser ihn seinerseits schlug und ihn zum Töten der wehrlosen Robbenjungen anhielt – was Papik grausam und falsch vorkam. Aufgrund dieser Tat wurde der Inuit vor Gericht gestellt, doch wie soll man jemanden verurteilen, der weder die Schwere seines Handelns und das Prinzip von Recht und Ordnung der Weißen versteht? Dieses Gegenüberstellen von zwei so unterschiedlichen Welten ist die größte Stärke des Romans. Sie zeigt immer wieder, wie lächerlich doch der zivilisierte Mann in den Augen der Inuit ist. Seine Bräuche und Regeln helfen ihm nicht, um im Land des ewigen Eises zu überleben. Und auch wenn er immer wieder versucht die „Wilden“ zu zähmen, so gelingt es ihm nie, denn wenn es den Inuit danach steht zu gehen, dann gehen sie – und kein Weißer kann sie in dem endlosen Land des Schnees je wieder finden.
Doch die Zeiten ändern sich. In der Realität, sowie auch in der Geschichte. Denn zum Ende des Buches hin findet ein Generationenwechsel statt. Die Kinder von Papik und Wiwi finden Gefallen an der so viel einfacheren Welt der Weißen, wo man Geld für Arbeit bekommt und sich ein Haus bauen kann, was immer an der gleichen Stelle steht.
Die Netsilik Inuit, die Ruesch höchstwahrscheinlich als Vorlage für dieses Buch dienten, waren die letzten Inuit, die ihr Nomadendasein Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts aufgaben. Ähnlich wie ihnen wird es auch Papik, Wiwi und ihrer Familie ergehen, denn auch wenn das Ende des Romans offen ist, so erkennt man als Leser doch den Weg, den alle Naturvölker irgendwann einmal unwiderruflich gehen müssen.
„Iglus in der Nacht“ mutet an vielen Stellen wie ein Abenteuerroman an. Vielleicht ist er das auch größtenteils, dennoch steckt in ihm soviel mehr als nur reine Unterhaltung, denn die Kultur und das Leben der Inuits ist Wirklichkeit. Daher bin ich mir sicher, dass jeder der sich für fremde Kulturen und Naturvölker interessiert, mit dieser Geschichte seine Freude haben wird.
Eine der eher verstörenden Passagen des Buches befasst sich mit der willentlichen Tötung von weiblichen Neugeborenen. Dieser Akt mutet grausam an und dennoch ist es ein Phänomen, was bei mehreren Naturvölkern praktiziert wird. Der sogenannte Neonatizid (lateinisch/griechisch für Neugeborenentötung) wurde auch bei den Netsilik Inuit (die eines der am besten dokumentierten Inuit Völker sind und höchstwahrscheinlich als Vorbilder für dieses Buch standen) angewendet.
Text: Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
0 notes
Text
Stephen King - Atlantis
Tumblr media
Inhalt:
1960, Harwich. In einer kleinen Vorstadt im Nordosten der USA verbringt der elfjährige Bobby Garfield mit seinen Freunden Sully und Carol eine unbeschwerte Kindheit. Bobby liebt es Baseball zu spielen, aber noch viel mehr liebt er Bücher und seine Sandkastenfreundin Carol. Doch im Sommer 1960 nimmt Bobbys Kindheit jäh ein Ende, als der geheimnisvolle Ted Brautigan in die Wohnung über den Garfields einzieht, als Sully für eine Woche ins Feriencamp fährt, seiner Freundin Carol Schlimmes widerfährt und plötzlich Männer in gelben Mänteln in der Stadt auftauchen...
1966 University of Maine, 1983 St. Patricks Kathedrale New York, 1999 Milford. Eine Generation geprägt vom Vietnamkrieg. Unterschiedlichste Menschen, verschiedenste Lebenswege – doch schlussendlich sind sie miteinander verbunden. Bobby Garfield, John Sullivan, Carol Weber, Pete Riley, Willie Shearman, Ronnie Malenfant – der Krieg hat sie alle verändert, verwob ihre Leben oder riss sie voneinander los.
Fünf Novellen, eine große Geschichte.
Bobby Garfield bekommt in „Niedere Männer in gelben Mänteln“ den Roman „Der Herr der Fliegen“ (William Golding) geschenkt. Dieser spielt während der Geschichte in Bobbys Gedankenwelt immer wieder eine Rolle. Auch in „Herzen in Atlantis“ wird dieses Buch einem der Charaktere geschenkt. Für Stephen King ist der Roman eine große Inspirationsquelle, unter anderem hat er sich von diesem Roman zu Castle Rock (einer fiktiven Stadt) inspirieren lassen. Im Jahr 2011 wurde „Der Herr der Fliegen“ in Gedenken an den 100. Geburtstag des Autos neu verlegt. Hierfür schrieb Stephen King eigens ein Vorwort.
Tumblr media
Meinung:
Stephen King taucht nun schon ein drittes Mal in unserem Blog auf. Die bereits vorgestellten Romane „Es“ und „Shining“ zählen zu den bekanntesten Werken des Autors. Doch Stephen King ist weitaus facettenreicher als weithin bekannt. Er ist nicht nur Horrorautor, er hat auch Geschichten verfasst, die sich nicht mit Grusel oder Übersinnlichem befassen, sondern mit der Natur des Menschen. So auch Atlantis.
Der Roman erschien 1999 und gehört damit zu den reiferen Werken des Autors. „Atlantis“ wird oft als Novellensammlung beschrieben. Da ich das Buch ohne Vorwissen gelesen habe, dachte auch ich, dass es sich um eine Sammelsurium von Geschichten handeln würde.
Insgesamt präsentiert Stephen King dem Leser fünf Novellen unterschiedlichster Länge, die jedoch auf clevere und feinfühlige Art miteinander verwoben sind. So lernt man in der ersten Erzählung „Niedere Männer in gelben Mänteln“ schon die meisten Figuren kennen, die auch später eine Rolle spielen werden.
Diese Geschichte unterscheidet sich sowohl in Länge, als auch in der Form von den anderen Novellen. King katapultiert den Leser wie so oft in die 1960er Jahre und schafft es meisterhaft das Lebensgefühl dieser Epoche lebendig werden zu lassen. „Niedere Männer in gelben Mänteln“ ist mit 284 Seiten auch die umfangreichste Erzählung und dreht sich um den 11-jährigen Bobby, der die Bekanntschaft mit dem mysteriösen Ted Brautigan macht und gemeinsam mit ihm seinen prägendsten Sommer erlebt.
Diese Geschichte enthält als Einzige übersinnliche Elemente und zudem einige Bezüge zum Dunklen Turm-Zyklus, sodass besonders Fans dieser Reihe an der Novelle viel Freude haben werden. Aber auch Leser, die wie ich das Fantasy-Epos noch nicht kennen, werden schnell in die packende Geschichte und die dichte Atmosphäre gezogen.
„Hearts in Atlantis“ spielt sechs Jahre nach der ersten Geschichte und führt hier den Vietnamkrieg als zentrales Thema des Romans ein. Beschrieben wird der Beginn der Protestbewegungen, die immer mehr Raum im Alltag der Studierenden einnimmt. Leider ist die Novelle für sich allein stehend eher schwach, vor allem im direkten Vergleich zur ersten Geschichte, die Charaktere sind zwar gut ausgearbeitet aber oft auch schwer zu ertragen. Erst im Gesamtbild konnte ich den Wert der Geschichte sehen.
Die übrigen drei Novellen sind deutlich kürzer und nehmen das Thema Vietnamkrieg aus verschiedenen Perspektiven wieder auf. Deutlich wird, dass diese Generation nicht nur in den 20 Jahren des Krieges enorm beeinflusst wurde, sondern dass das Erwachsenwerden zu dieser Zeit, der Kriegseinsatz, der Verlust geliebter Menschen und so vieles mehr noch Jahrzehnte nachhallte – dass diese Menschen den Krieg oft bis zu ihrem Tod in sich ausfochten.
Die letzte Geschichte schnürt das Novellenpaket dann perfekt zusammen und findet einen emotionalen Abschluss, ohne dabei zu ausschweifend zu werden.
„Atlantis“ lässt sich stellenweise etwas zu viel Zeit und wirkt gerade bei einer der Geschichten etwas zu konstruiert aber dem gegenüber stehen viele positive Aspekte. Tolle Coming-of-Age Geschichten, Charaktere mit Tiefgang und ein feines Gespür eine sensible Thematik wie den Vietnamkrieg auf sehr menschliche Art und Weise zu thematisieren, ohne dabei zu urteilen oder sich auf eine Seite festlegen zu wollen.
Ein großartiger Roman, der meiner Meinung nach zeigt, dass Stephen Kings Stil sich weiterentwickelt und auch neue Richtungen eingeschlagen hat.
Der Vietnamkrieg (1955 – 1975) ist fest verankert in der amerikanischen Geschichte. Stephen King hat in „Atlantis“ besonders die psychischen Folgen des Krieges beleuchtet. Einer der Charaktere sieht beispielsweise immer wieder die Erscheinung einer Frau, die im Gefecht getötet wurde und erinnert sich lebhaft an deren Tod. Einer amerikanischen Studie zufolge leiden noch immer etwa 4 bis 10 Prozent der Veteranen an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die Alpträume, Flashbacks, Schlafstörungen und vieles mehr zur Folge haben. Stephen King macht damit auf ein Thema aufmerksam, dass in den USA lange Zeit ein Tabu war.
Text: Aki
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
0 notes
Text
Pilar Quintana - Hündin
Tumblr media
Inhalt:
Eines Tages tritt unerwartet eine kleine Hündin in Damaris' Leben und gibt deren eintönigem Alltag am Rande des südamerikanischen Dschungels einen neuen Sinn.
In diesem kleinen Geschöpf spiegelt sich ihr sehnlicher Wunsch nach Kindern wider, allerdings weckt Chirli, wie sie das Hündchen liebevoll nennt, auch die Geister der Vergangenheit, die Damaris seit vielen Jahren zu vergessen versucht.
„La Perra“, wie das Buch im Original heißt, ist der erfolgreichste Roman der letzten Jahre in Kolumbien und wurde 2018, ein Jahr nach seiner Erscheinung, mit dem Premio Biblioteca de Narrativa Colombiana ausgezeichnet.
Tumblr media
Meinung:
Pilar Quintana, eine der bekanntesten Autorinnen Lateinamerikas, veröffentlicht ihren Roman „Hündin“ im Jahr 2017. Das Buch mutet mit seinen knapp 160 Seiten eher schmächtig an, ist jedoch in seiner Erzählstruktur sehr konzentriert und bringt die Kernaussage der Geschichte auch mit nur wenigen Worten auf den Punkt.
Der Roman dreht sich um Damaris, eine Frau in den Vierzigern, die zusammen mit ihrem Mann Rogelio in eher ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen Dorf, zwischen dem südamerikanischen Dschungel und dem Pazifischen Ozean, lebt. Der Hauptstrang der Erzählung, der Damaris immer wieder in ihrem Tun antreibt, ist ihr unerfüllter Kinderwunsch. Trotz der langen Ehe und vieler vergeblicher Versuche, haben sie und Rogelio es nie geschafft Kinder zu bekommen, was vor allem Damaris von Verwandten bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter die Nase gerieben wird. Eines Tages nun hat sie den Chance einen Hundewelpen bei sich auf zu nehmen. Damaris ergreift diese Chance mit Freuden, denn beim Anblick des kleinen Wesens fängt das Herz einer Mutter an in ihr zu schlagen. Von nun an soll alles besser werden.
Ein schöner Gedanke und manch ein Roman hätte aus dieser Konstellation sicherlich eine anrührende Geschichte über die Freundschaft zwischen Mensch und Tier erzählt, doch Pilar Quintana schlägt mit ihrer Erzählung einen anderen Weg ein.
Denn auch, wenn Damaris der kleinen Hündin, die sie später Chirli nennt, alle Liebe, die sie die ganzen Jahre lang in sich verwahrt hat, schenkt, so bliebt das Tier immer noch ein Tier. Chirli verhält sich wie ein Hund und nicht wie ein Kind, was sich am ehesten dann widerspiegelt, als die Hündin damit beginnt immer wieder auszureißen, um ihre eigene Freiheit zu suchen.
Damaris kann mit diesem Verhalten nur schlecht umgehen, da sie durch ihren verklärten Blick nur noch das Kind in Chirli sieht – und nicht mehr das Tier. Was aus diesem inneren Konflikt entsteht ist eine dichte und dramatische Erzählung, in welcher nicht nur die kleine Hündin, sondern auch lang zurück liegende Ereignisse aus der Vergangenheit eine Rolle spielen. Pilar Quintana zeigt auf sehr intelligente Weise und mit nur wenigen Worten, wie ein lang ersehnter Wunsch zu einem grausamen Alptraum wird und wie Gefühle wie Enttäuschung, Trauer und Bosheit einen Menschen Dinge tun lassen können, wozu er sich selbst nie in der Lage gefühlt hätte.
Ein sehr ergreifendes Buch, was den Leser berühren, aber auch nachdenklich machen wird.
Chirli gehört keiner speziellen Hunderasse an, sondern ist ein ganz gewöhnlicher Straßenhund, ein sogenannter „Criollo“. Da Kolumbien keine eigene offiziell anerkannte Hunderasse hat, setzte sich der Kolumbianer Germán García y García ab 1975 dafür ein, aus urtypischen Hunden, die einst von Europäern mitgebracht wurden, eine Nationalrasse zu züchten. Sein „Gegar Columbiano“ wurde zum ersten Mal 2005 auf einer Hunderausstellung präsentiert. Durch den frühen Tod seines Zuchtvaters und lückenhaften Zuchtbüchern, ist der Gegar heute, mit nur noch 200 verbliebenen Exemplaren, leider vom Aussterben bedroht.
Text: Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
1 note · View note
Text
Yōko Ogawa - Insel der verlorenen Erinnerung
Tumblr media
Inhalt:
Wie ist es in einer Welt zu leben, in der immer mehr Dinge unwiderruflich verschwinden? 
Die Bewohner einer Insel werden vom ständigen Gefühl des Verlusts und Vergessens begleitet. Immer wieder verschwinden Dinge, oft ganz plötzlich und so manches Mal fällt es nicht einmal besonders auf. Es gibt aber auch jene Ereignisse, die einige Bewohner der Insel tief bewegt, zumindest so lange bis das Vergessen eintritt. Die Welt ist eine andere seit der alte Fährmann seine Fähre verloren hat und der Vogelkundler seine Vögel. 
Eine junge Schriftstellerin lernt jedoch schon früh, dass es auch solche Menschen gibt, die niemals vergessen, selbst wenn die Dinge schon lange aus der Welt verschwunden sind. Als sie beginnt sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen und damit Gefahr läuft der erbarmungslosen Erinnerungspolizei in die Hände zu fallen, wird ihr immer mehr bewusst, dass sie Teil einer Welt ist, die langsam zerfällt.
Yoko Ogawa wurde 1962 in Okayama, Japan geboren. Sie studierte an der Tokioer Waseda- Universität, die auch andere bekannte Autoren wie Haruki Murakami hervorgebracht hat. Seit 1986 ist sie Autorin und hat seitdem mehr als zehn Werke veröffentlicht, die bereits vielfach ausgezeichnet wurden. Ihre Romane wurden in mehreren Sprachen übersetzt. In Deutschland erscheinen ihre Bücher seit 2001 im Münchner Liebeskind Verlag.
Tumblr media
Meinung:
„Insel der verlorenen Erinnerung“ von Yoko Ogawa war im Jahr 2020 für den International Booker Prize nominiert und wurde in dem Zuge erstmals ins Deutsche übersetzt. Der Roman erschien in Japan bereits 1994, ist aber aktueller denn je und wird schon jetzt mit weltberühmten Dystopien wie Orwells „1984“ und Bradburys „Fahrenheit 451“ verglichen.
Eine Insel, unweit des Festlands aber doch von der Außenwelt abgeschnitten: hier beginnt die Reise. Wo genau sich diese Insel befindet und von welchem Land überhaupt gesprochen wird, bleibt ungeklärt, so wie vieles in dieser Geschichte.
Der Leser wird in eine Welt entführt, die auf dem ersten Blick dem Japan des späten 20. Jahrhunderts ähnelt, auf dem zweiten Blick aber völlig fremdartig ist. Auf diesem Eiland regiert die Erinnerungspolizei in einem erbarmungslosen Regime und lässt Menschen verschwinden, die nicht ins Bild dieses Staates passen. Das klingt sehr nach Orwells „1984“ und zuerst war ich skeptisch, ob Yoko Ogawa es sich nicht doch etwas zu einfach mit ihrer Dystopie gemacht hat, aber im weiteren Leseverlauf wird klar, dass ihr Roman völlig andersartig ist. Die Motive mögen sich ähneln, ihre Art diese lebendig werden zu lassen, ist jedoch eine ganz andere.
„Insel der verlorenen Erinnerung“ ist vielmehr kafkaesk. Hier wird der Leser vor Tatsachen gestellt, die nur schwer mit dem menschlichen Verstand zu erklären sind. Es verschwinden Dinge aber wie und warum, darüber kann nur spekuliert werden.
Auch Namen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Der Name der Protagonistin bleibt bis zuletzt unausgesprochen und auch die beiden Menschen die ihr nahe stehen, werden nicht bei ihren Namen genannt. Erstaunlich fand ich, dass diese augenscheinlich so auffällige Besonderheit sich so raffiniert in den Text einfügt, ohne konstruiert zu wirken.
Und obwohl diese Dystopie in seinem Schrecken dem berühmten „1984“ kaum in etwas nachsteht, war das Erleben doch viel poetischer und vor allem traumhafter. Denn Ogawa schafft es auch die Menschlichkeit in „Insel der verlorenen Erinnerung“ nicht zu kurz kommen zu lassen, auch wenn die Beziehungen der Charaktere in einem für japanische Romane so üblich sachlichen Ton gehalten sind, so haben sie es trotzdem oft geschafft mich tief zu berühren.
Abschließend kann ich diesen Roman nur wärmstens empfehlen, vor allem wenn man dystopische Geschichten liebt, denn dieses Buch gehört definitiv zu den ganz Großen, auch oder gerade weil ich glaube sie immer noch nicht in all ihren Ebenen begriffen zu haben. „Die Insel der verlorenen Erinnerung“ ist ein Roman, der nachdenklich stimmt, philosophische Fragen aufwirft und so manches Mal erschreckende Parallelen zu unserer heutigen Welt aufzeigt.
Als Dystopie werden zukunftspessimistische Szenarien einer Gesellschaft bezeichnet, die in der Regel durch diktatorische Herrschaftsformen charakterisiert sind. Häufig wird dem Individuum  seine Freiheit genommen und die Kommunikation untereinander ist nur eingeschränkt möglich. Dystopien tauchten zuerst zur Zeit der Industrialisierung auf, erste Ansätze des Genres finden sich bei E. T. A. Hoffmann. Die Dystopie ist das Gegenstück zur Utopie.
Text: Aki
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
1 note · View note
Text
John Williams - Stoner
Tumblr media
Inhalt:
Ab wann ist ein Leben lebenswert? Erst dann wenn man vieles erlebt, vieles gesehen oder vieles besessen hat? William Stoner, ein ganz normaler Mann, mit einem ganz normalen Beruf, ist sich sicher, dass Andere sein Leben wohl als gescheitert ansehen würden. Er ist jemand der Gelegenheiten verstreichen lässt, der lieber zu Hause bleibt, als die Welt zu erkunden. Jemand der nichts erlebt und dennoch alles auskostet. Ein Jemand, wie wir alle.
“Stoner” wurde 1965 veröffentlicht und geriet nur ein Jahr später, trotz positiver Kritiken und guten Verkaufszahlen, in Vergessenheit. Auch die Veröffentlichung in England im Jahr 1973 brachte dem Buch keinen gebührenden Erfolg. Erst 2006 errang der Roman, der als einer der schönsten Romane, die je geschrieben wurden, gilt, internationale Aufmerksamkeit. Ins Deutsche überrsetzt wurde er zum ersten Mal 2013.
Tumblr media
Meinung:
Im Jahr 1965 erschien „Stoner“, als dritter Roman des amerikanischen Autors John Williams. Zur Erstveröffentlichung war „Stoner“ nur wenig erfolgreich und geriet, wie das gesamte Werk des Schriftstellers, schon bald in Vergessenheit. Erst 2006 wurde der Roman wiederentdeckt, neu verlegt und ist seit dem ein viel gelobter, moderner Klassiker, der sich mittlerweile auch in Europa größerer Popularität erfreut.
„Stoner“ erzählt vom gleichnamigen Protagonisten William Stoner, der Ende des 19. Jahrhunderts in einem Dorf im Bundesstaat Missouri zur Welt kommt und später einmal die Farm seiner Eltern übernehmen soll. Sein Lebensweg scheint vorgezeichnet doch er kämpft für seine spät entdeckte Leidenschaft zur Literatur, wird schließlich Dozent und bleibt an der Universität.
Es werden alle Stationen dieses bescheidenen Lebens beleuchtet, angefangen bei der Kindheit und dem Erwachsenwerden über Heirat und Familiengründung bis hin zum Arbeitsalltag und dem Älterwerden.
Die Geschichte des Romans ist alltäglich und weist nahezu keine Spannungsbögen auf. Es ist wie eine ruhige Rudertour über einen tiefen See. Auf dem ersten Blick erscheint alles friedlich und unaufgeregt, doch liest man diesen Roman aufmerksam und lässt sich auf William Stoner ein, fällt schon bald auf wie feinfühlig John Williams seine Charaktere skizziert, glaubwürdig und mit einer ungeheuren Intensität. Durch den gesamten Roman zieht sich trotz der nüchternen Schreibweise eine poetische Melancholie, die oftmals traurig schön, manchmal aber auch nur schwer zu ertragen ist. Dem Roman wohnt eine Ernsthaftigkeit inne, die doch so schwerelos erscheint.
Kritiker bezeichnen „Stoner“ als perfekten Roman – ein Prädikat, das hohe Erwartungen schürt. Ich persönlich scheue mich oft davor zurück derartige Lobeshymnen zu unterschreiben, die zu hohe Erwartungshaltungen schüren, aber diese Geschichte hat diesen Titel und den späten Ruhm allemal verdient.  
John Williams hat einen Roman geschaffen der seinesgleichen sucht, der so lebensnah ist, mit einem bodenständigen Charakter, der seine Ecken und Kanten hat, Fehler begeht, über den man sich oft ärgert und den man trotzdem so lieb gewinnt. William Stoner ist einer von uns, jemand mit dem man sich identifizieren kann. Die Geschichte zeigt Schönheit inmitten der Tristesse, oft nur kurze Momente, die dafür umso intensiver im Gedächtnis bleiben. Sie erinnern uns daran, dass kein Mensch gewöhnlich ist und jeder etwas im Leben hinterlässt. „Stoner“ ist eine Hommage an das Leben.
John Williams verfasste nur vier Romane. “Nothing but the Night” (1948), “Butcher’s Crossing” (1960), “Stoner” (1965) und “Augustus” (1972). Ein fünfter Roman blieb unvollendet.
Text: Aki & Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum 
0 notes
Text
Dhan Gopal Mukerji – Jugendjahre im Dschungel
Tumblr media
Inhalt:
Ein Dorf am Rande des bengalischen Dschungels. 
Hier an den Ufern des heiligen Flusses Brahmaputra verbringt der kleine Hari eine unbekümmerte Kindheit. Schon immer leben die Menschen hier nach den Regeln der Natur, Fremde kommen nur selten in diese entlegene Gegend.
Doch eines Tages ändert sich das Leben des kleinen Jungen und seines Vaters schlagartig, als eine Katastrophe das gesamte Dorf zerstört. Ein Leben in der Stadt ist für die Beiden undenkbar und so ziehen sie gemeinsam in den Dschungel um mit und von den Tieren ihrer Heimat zu leben. 
Auf ihren Abenteuern begegnen sie den unzähligen Bewohnern des Waldes. Der Tiger – König unter den Bäumen, bestimmt ihr Schicksal und eine mysteriöse Begegnung mit einem Elefanten zeichnet ihren weiteren Lebensweg.  
Der Autor Dhan Gopal Mukerji wurde am 06. Juli 1890 in einem kleinen Dorf in der Nähe Kalkuttas im damaligen Britisch-Indien geboren. Er war der erste erfolgreiche indische Schriftsteller in den USA. 1928 wurde ihm die Newbery Medal, ein US-amerikanischer Literaturpreis der seit 1922 jährlich Kinder- und Jugendbücher auszeichnet, verliehen.
Tumblr media
Meinung:
„Jugendjahre im Dschungel“ erschien 1924 und baut lose auf den zwei Jahre zuvor veröffentlichten Roman „Kari der Elefant“ auf. Beide Romane thematisieren das Leben im bengalischen Dschungel und und richten sich vor allem an Jugendliche.
Beinah jedes Kind kennt „Das Dschungelbuch“ von Rudyard Kipling, dessen Zauber bis heute ungebrochen ist und vielfach verfilmt wurde. Dhan Gopal Mukerdji lebte und schrieb zur selben Zeit wie Kipling, wurde aber nicht annähernd so bekannt wie sein Landsmann. Auch ich stolperte nur zufällig über den indischen Autoren, als ich „Jugendjahre im Dschungel“ in einem öffentlichen Bücherschrank fand und es kurzerhand mitnahm.
Obwohl ich den Vorgängerroman „Kari der Elefant“ nicht gelesen habe, fand ich schnell Zugang zur Geschichte, die auch sehr gut für sich allein funktioniert. Ohne Recherche wäre mir nicht einmal aufgefallen, dass einige der Bezüge aus einem Vorgängerwerk stammen.
Der Schreibstil ist leicht verständlich und flüssig zu lesen und das obwohl Mukerji den Leser in ein fremdes Land schickt. Die Geschichte dreht sich rund um den jungen Hari, der gemeinsam mit seinem Vater im Dschungel lebt und dort alles lernt, was man über dieses komplexe Ökosystem wissen muss.
Mukerjis Beschreibungen sind dabei stellenweise sehr explizit und blutig. Ich persönlich finde es nicht verwerflich, wenn Kinder mit realistischen Beschreibungen über die Jagd und den Tod konfrontiert werden aber ich denke, dass viele der Beschreibungen dem heutigen Zeitgeist nicht mehr entsprechen. Schon zu Beginn wird beispielsweise davon erzählt, wie die Dorfbewohner einem Tiger eine Falle stellen und auch der Todeskampf des Tieres wird hierbei beschrieben. Ob das Tabuisieren solcher Themen förderlich ist oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Zart besaitete Leser, sollten diese Passagen eher meiden oder sich für einen anderen Roman entscheiden.
Die Geschichte zeigt aber vor allem das empfindliche Gleichgewicht der Natur auf und wie schnell der Mensch imstande ist dies zu zerstören. Als gläubige Hindus leben Hari und sein Vater vegetarisch, sie jagen nur bestimmte Tierarten, um sich Geld dazu zu verdienen. Sie lehnen auch die städtische Bevölkerung, ihr verschwenderisches und lautes Leben ab und entscheiden sich, trotz der Gefahren, mit der Natur zu leben. Diese Gesellschaftskritik wird jedoch überraschend subtil präsentiert, Mukerji zeigt nicht mit dem moralischen Zeigefinger auf den Leser, was ich als sehr angenehm empfand. Und obwohl der Roman bereits vor fast 100 Jahren geschrieben wurde, sind die Themen aktueller denn je.
Die deutsche Übersetzung ist stellenweise etwas altbacken, was den Reiz des Buches aber keinen Abbruch tut. Eine Neuauflage der Romane wäre wünschenswert, denn sie haben weder ihren Reiz noch ihre Aktualität verloren und „Das Dschungelbuch“ zeigt doch, dass der wilde Dschungel auch heute noch eine Faszination auf Kinder und Erwachsene ausübt.
Die Werke Mukerjis gerieten nach seinem Tod bald in Vergessenheit. Im deutschsprachigen Raum wurden zuletzt Anfang der 1950er Jahre Romane des Autoren veröffentlicht. „Bunthals – die Geschichte einer Taube“ (original: Gay Nack, the story of a pigeon), für das der Autor 1928 die Newbery Medal erhalten hatte, erschien in deutscher Sprache einmalig im Jahr 1929.
Text: Aki
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
0 notes
Text
Siegfried Lenz - Es waren Habichte in der Luft
Tumblr media
Inhalt:
Es sind Habichte in der Luft, als ein Fremder nach Pekö kommt. Mit nichts weiter als einem Pappkarton erscheint er eines Tages unerwartet und fragt nach jemandem, über den man im Ort schon lange nicht mehr spricht. Das Misstrauen gegen den Fremden ist groß, die Hilfsbereitschaft der Bewohner aber ist es auch …
Es sind Habichte in der Luft, als das letzte bisschen Menschlichkeit an diesem dunklen Ort aufleuchtet und alles zu verbrennen droht.
Der finnische Bürgerkrieg, der den Handlungsstrang der Geschichte bildet, fand vom 27. Januar bis zum 5. Mai 1918 statt. Grund dafür waren gesellschaftliche Gegensätze, aber auch die Abdankung des russischen Zaren. Da Finnland bis dato als autonomes Großfürstentum zu Russland gehörte, geriet es durch die russische Revolution in eine tiefgreifende Verfassungskrise.
Tumblr media
Meinung:
Siegfried Lenz veröffentlichte seinen Roman „Es waren Habichte in der Luft“ 1951 zunächst als Fortsetzungsroman in der Zeitung „die Welt“, für die er zu dieser Zeit als Jugendredakteur arbeitete. Die Geschichte fand schnell Gefallen und Lenz selbst wurde von Kritikern sowie vom Lesepublikum sogleich als aufgehender Stern am deutschsprachigen Literaturhimmel wahrgenommen. Noch im selbem Jahr erschien der Roman als Buch im Hoffmann und Campe Verlag.
Obgleich diese Geschichte Lenz' Debüt als Schriftsteller war, ist sie bereits in der Erzählstruktur und dem Charakteraufbau sehr anspruchsvoll und ausgearbeitet. Mit nur wenigen Worten erzählt der Autor seine Geschichte, die kurz nach 1918 während des finnischen Bürgerkrieges spielt, treffsicher und pointiert. Die Figuren sind alle auf die unterschiedlichsten Weisen miteinander verbunden und treiben das Geschehen mit ihren jeweiligen Handlungen ohne Pausen oder unnötigen Längen immer weiter an, um es dann in einem unvorhergesehenen Schluss enden zu lassen. Die Wendungen des Romans sind nie zu erahnen und erstaunen stets aufs Neue durch ihre natürlich aufgebaute Spannung.
Die Charaktere sind, wenn auch nicht übermäßig beschrieben, vielschichtig und authentisch. Gerade den Hauptcharakteren kann ein gewisses Maß an Symbolik zugewiesen werden. So steht der Fremde, der sich den Namen Stenka gibt (man erfährt nie, ob es sein wirklicher Name ist), für die Unschuld und den Glauben an eine bessere Welt. Gleichzeitig steht er aber auch für die Naivität und den Unverstand eines normalen Bürger, der sich mit einem Mal einem korrupten und kriminellen Staatsapparat gegenüber sieht. Erkki und Leo, beides Figuren, die Stenka sehr schnell als das erkennen was er in Wirklichkeit ist, sind Symbole für die Menschlichkeit, die in diesem Buch, trotz aller Hindernisse und Abgründe, nie stirbt. Alle Charaktere sind wenig ausgeschmückt, dennoch zeugen sie von einer tiefen Emotionalität, die Lenz mit ganz wenigen Worten zu beschreiben versteht, und die den Leser mit jeder weiteren Seite immer stärker ins Geschehen hinein zieht.
Das Ende kommt überraschend. Lenz hat sich für eine besondere Art sein Buch schließen zu lassen, entschieden, die einen bis zur letzten Zeile mitfiebern und hoffen lässt. Ein sehr spannender Roman, der trotz der stetigen Bewegung und der andauernden Bedrohung, sehr ruhig und verschwiegen anmutet.
Im Laufe des Romans stellt sich heraus, dass Stenka auf der Flucht ist. Siegfried Lenz selbst war mit gerade Mal 17 Jahren im Frühjahr 1945 von seinem Wehrdienst desertiert und hatte dies nur durch Zufall überlebt. Einige seiner eigenen Erfahrungen ließ er in seinen Protagonisten Stenka mit einfließen.
Text: Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
0 notes
Text
Shirley Jackson - Wir haben schon immer im Schloss gelebt
Tumblr media
Inhalt:
Merricat Blackwood lebt in einer Traumwelt. Schlafwandlerisch bewegt sie sich jeden Tag durch duftende Blumenwiesen, hin zu rauschenden Wassern und flüsternd durch verlassene Räume im Schloss, in dem sie und ihre Familie schon immer lebten.
Zusammen mit ihrer über alles geliebten Schwester Constance und ihrem schrulligen Onkel Julian träumt sie in den Tag hinein. Alles wäre so perfekt, wären da nicht die anderen.
Die Dorfbewohner, die um das Schloss herum wohnen.
Die Dorfbewohner, die sie hassen.
Die Dorfbewohner, die es am liebsten hätten, wenn sie alle drei verschwinden würden.
Für immer.
„Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ erschien 1962 und war der letzte Roman von Shirley Jackson, die drei Jahre später im Alter von nur 49 Jahren verstarb. Ins Deutsche übersetzt wurde die Geschichte erstmals 1988.
Tumblr media
Meinung:
1962 erschien Shirley Jacksons Roman „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“, der als das beste und reifste Werk der Autorin gilt. Obwohl Shirley Jackson in Amerika als „Queen of Horror“ gefeiert wird, ist die Geschichte eher dem Mystery- oder Suspense-Genre zuzuordnen. Der Roman handelt von den Schwestern Mary Katherine „Merricat“ und Constance Blackwood und deren Onkel, die gemeinsam in einem riesigen Familienanwesen abseits eines Ortes leben. Die jüngere Merricat ist die Protagonistin des Werks und erzählt die Geschichte aus der Ich- Perspektive.
Der Roman beginnt mit einer kurzen Vorstellung Merricats, in der bereits klar wird, dass es sich hier um eine junge Frau handelt, die eine verstörende Sicht auf die Welt hat und sich fernab von gesellschaftlichen Normen bewegt. Nach dieser eindrucksvollen Einführung in den Roman entspinnt sich eine erschütternde, düstere Familiengeschichte, die tief in die Psyche Merricats blicken lässt, obwohl diese dem Leser oft rätselhaft und wenig greifbar erscheint. Selbst bedeutsame Ereignisse werden häufig nur angedeutet; nie wird geklärt, was die junge Frau antreibt, eben jene Dinge zu tun, die das Leben ihrer Mitmenschen so stark beeinflusst.
In diesem Spätwerk zeigt Shirley Jackson umso eindrücklicher ihre Gabe einzigartige, skurrile und zugleich glaubwürdige Charaktere zu kreieren. Die drei verbliebenen Blackwoods leben ein Leben, das so surreal anmutet, befolgen Regeln, die dem Leser völlig irrsinnig erscheinen und trotzdem ist ihr Alltag glaubhaft und man vermag sich nicht dem Sog entziehen, den diese Geschichte ausübt. Man lernt die Welt dieser besonderen Familie zu verstehen und erwischt sich spätestens nach 100 Seiten dabei, dass man klar Stellung bezieht; der Leser beginnt, ähnlich wie Merricat, jegliche Eindringlinge argwöhnisch zu betrachten. Die „gesellschaftliche Norm“ wird zum Feind, die das idyllische Leben ins Wanken bringt.
Der Roman schafft es bis zuletzt eine innere Spannung aufrecht zu erhalten. Zu Beginn sind es noch die Blackwood-Schwestern, von denen ein unerklärliches Unheil auszugehen scheint, später ändert sich die Perspektive, doch diese Enge in der Brust, die einem schier die Luft abschnürt, bleibt.
„Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ ist ein Roman, der einerseits verstörend ist, andererseits nachhaltig im Gedächtnis bleibt, zum Nachdenken anregt und Fragen über die menschliche Psyche, über Normalität und Wahnsinn aufwirft, die nicht so leicht zu beantworten sind. Skurril und schauderhaft, aber auch melancholisch und magisch schön.
Merricat wendet im Laufe der Geschichte mehrfach Analogiezauber an. Diese Art von Magie (auch Sympathiezauber genannt) geht davon aus, dass Verbindungen zwischen verschiedenen Dingen bestehen. Zum Beispiel vergräbt Merricat gehäuft verschiedenste Sachen auf dem Grundstück des Schlosses, um so die Zeit und Sicherheit des Moments zu konservieren und böses Denken, was diesem Ort schaden könnte, auszuschließen.
Text: Aki & Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
2 notes · View notes
Text
Jules Verne - Reise zum Mittelpunkt der Erde
Tumblr media
Inhalt:
Hamburg im Jahr 1864. Als Otto Lidenbrock, Professor für Mineralogie und Geologie eines Tages mit einem alten Manuskript heimkehrt, ahnt sein Neffe und Protagonist des Romans Axel noch nicht, dass ihn ein darin befindliches Stück Pergament bald auf die abenteuerlichste Reise seines Lebens führen wird.
Nur wenige Wochen nach dieser Entdeckung erreichen die Beiden Abenteurer, der eine voller Tatendrang, der andere eher unfreiwillig mit von der Partie, das ferne Island, wo das Undenkbare im Schatten eines Vulkans verborgen liegen soll: Der Weg zum Mittelpunkt der Erde.
Eine Welt außerhalb jeder Vorstellungskraft wartet auf die Reisenden. Dunkelheit, Gefahren, surreale Landschaften und Lebensformen.
Im Roman erwähnt Jules Verne häufiger die sogenannte “Ruhmkorff-Lampe”, die den Figuren Licht spendet. Eine Lampe, die auf eine Erfindung Heinrich Daniel Ruhmkorffs basiert, wurde tatsächlich Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt und vertrieben. Noch heute kann man einige der Lampen in Museen bestaunen, allerdings waren sie für den Massengebrauch zu teuer und zu schwer und setzten sich daher nie durch.
Tumblr media
Meinung:
Der 1864 erschienene Roman „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ ist eines der frühen Werke Jules Vernes und zugleich eine der bekanntesten Geschichten des Autors, die vielfach zitiert und verfilmt wurde.
Die Reise beginnt im Hamburg des 19. Jahrhunderts, dort leben die Protagonisten Professor Lidenbrock und sein Neffe Axel. Aus der Ich-Perspektive berichtet der eher häusliche und zurückhaltende Axel vom Fund eines alten Stück Papiers, das Onkel und Neffe letztendlich zu ihrer abenteuerlichen Reise veranlassen wird. Die Erzählung lässt sich gerade zu Beginn viel Zeit und gut ein Drittel des Buches benötigen die Figuren, ehe sie überhaupt ins Erdinnere vorstoßen. Danach geht die Geschichte jedoch weitaus zügiger voran und hätte an manchen Stellen sogar etwas ausführlicher sein dürfen. Gerade die außergewöhnlichen Entdeckungen tief im Inneren der Erde wurden teilweise nur kurz beschrieben, ehe die Reise auch schon wieder weiter vorangetrieben wurde.
Die wissenschaftlichen Erklärungen des Autors sind bei diesem Roman noch weitaus kürzer geraten, als beispielsweise beim später erschienenen „Von der Erde zum Mond“. Interessante Informationen über Geologie, Flora und Fauna und die eigentliche Handlung sind gut ausbalanciert und lassen die Welt unter der Erde umso glaubwürdiger und lebendiger erscheinen.
Im Gegensatz dazu wirken die Figuren fast wie Parodien und sind derart stereotypisch, dass ich oftmals schmunzeln musste. Professor Lidenbrock ist zwar wissensdurstig und voller Abenteurergeist wie einst Alexander Humboldt aber auch emotionsarm, unverbesserlich und stur wie ein Esel. Der Isländer Hans, der die Beiden auf die Reise begleitet ist hingegen wortkarg, von einfachem Gemüt aber unerschütterlicher Loyalität und der Mann für alles, es gibt nichts was der starke Isländer nicht mit seinen Händen vollbringen könnte.
Wer also tiefgründige, gut ausgearbeitete Charaktere erwartet, wird mit diesem Roman nicht glücklich aber man darf auch nicht vergessen, dass „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ ein Abenteuerroman ist, der in allererster Linie unterhalten soll. Und das tut er außerordentlich gut. Die, heute zum Teil veralteten, Informationen sind nicht nur lehrreich, sondern manchmal auch skurril und witzig. Gerade die Beschreibungen der prähistorischen Lebensformen sollte man sich nicht entgehen lassen.
Der nur 235 Seiten umfassende Klassiker ist wirklich lesenswert, ich habe die Reise zum Mittelpunkt der Erde keinesfalls bereut. 
1861 besuchte Jules Verne im Zuge einer Skandinavien-Reise gemeinsam mit zwei Freunden Hamburg und verbrachte dort eine Nacht in einem Hotel. Sie besichtigten die alte Hansestadt und vielleicht kamen sie während ihres Spaziergangs auch an der Königsstraße 19 vorbei, in der “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde” ihren Anfang nimmt.
Text: Aki
Auszüge aus Jules Verne »Von der Erde zum Mond« sowie »Reise zum Mittelpunkt der Erde«, mit freundlicher Genehmigung Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage, Berlin 2020.
Ebenfalls im Verlag erschienen: 
https://www.eulenspiegel.com/verlage/neues-leben/titel/die-kinder-des-kapitaen-grant.html
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
1 note · View note
Text
Yasunari Kawabata – 1000 Kraniche
Tumblr media
Inhalt:
Nach dem Tod seines Vaters wird Kikuji von der ehemaligen Teelehrerin der Familie zu einer Teezeremonie eingeladen. Dort begegnet der junge Mann nicht nur dem schönen Mädchen Yukiko Inamura, sondern auch Frau Oota und deren Tochter Fumiko. Um diese fünf Figuren rankt sich eine Geschichte, die schon in der Vergangenheit ihren Anfang nimmt, denn schon bald stellt sich heraus dass Chikako, die Teelehrerin, ein Verhältnis mit dem Vater Kikujis hatte, dass Frau Oota aber noch eine weitaus größere Rolle in dessen Leben gespielt hat. Diese Beziehungen beeinflussen das Handeln aller Charaktere bis in die Gegenwart hinein.
Die Teezeremonie ist der Beginn komplizierter zwischenmenschlicher Beziehungen, geprägt von Neid, Verwirrung, Trauer, ungesagter Worte und Gefühle. Den Rahmen bildet ein von Traditionen und gesellschaftlichen Konventionen geprägtes Japan, das kaum ein Autor so authentisch zu beschreiben vermag.
Der Kranich ist in Japan ein Symbol für Glück und Gesundheit. Einer Legende zufolge werden die Vögel 1000 Jahre alt und es heißt, wenn man 1000 Kraniche aus Papier faltet, dann wird man selbst mit einem langen Leben und Gesundheit gesegnet.
Tumblr media
Meinung:
Das 1951 veröffentlichte 1000 Kraniche ist eines der ungewöhnlichsten Bücher, die ich bisher gelesen habe. Schwer zu greifen und in seiner ganzen Art anders, fast fremdartig. Yasunari Kawabata hat 1968 den Literaturnobelpreis als erster Japaner verliehen bekommen, weil er in seinen Geschichten die Gefühlswelt der Japaner und das traditionelle Japan so authentisch beschreibt wie kein anderer. Und genau dies stellte für mich gerade zu Beginn des Romans ein Problem dar. Ich habe mich zwar schon viel mit dem Land und seiner Kultur beschäftigt, doch als Außenstehender ist es einem nicht ohne weiteres möglich in das Seelenleben der Japaner zu schauen. 1000 Kraniche zog mich nun in die Welt der unausgesprochenen Worte, Andeutungen und Metaphern.
Typisch für den Roman ist, dass bestimmte Gegenstände einen wichtigen symbolischen Part in der Handlung einnehmen und dadurch fast wie eigene Persönlichkeiten mit einer Seele wirken, beispielsweise ist es Yukikos Furoshiki (ein Stofftuch) mit dem Muster der 1000 Kraniche, dass Kikuji während der Teezeremonie zuallererst ins Auge sticht und im Verlauf der Geschichte immer wieder eine Rolle spielen wird. Man muss den Roman aufmerksam lesen und sich auf die Denkweise der Charaktere einlassen können, um den Zauber der Geschichte zu erkennen. Denn die Handlung an sich ist überschaubar, oberflächlich betrachtet geschieht nicht viel. Betrachtet man jedoch die zwischenmenschlichen Beziehungen der Charaktere, eröffnet sich ein Kosmos, der einen packt und nicht mehr loslässt. Mir gingen die einzelnen Schicksale sehr ans Herz und so haben es augenscheinlich schlichte Handlungen geschafft mich tief zu berühren.
Der Schreibstil ist pure Poesie und ein Fest der Metaphern. 1000 Kraniche ist eine feinfühlig und wortgewandt erzählte Geschichte, die mich nachhaltig beeindruckt und nachdenklich gestimmt hat.
In vielen Werken Kawabatas, so auch in 1000 Kraniche, wird immer wieder die Farbe Weiß heraufbeschworen. In Japan steht Weiß für Trauer, Vergänglichkeit und Tod aber auch für Reinheit und Unschuld.
Text: Aki
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
4 notes · View notes
Text
Heinrich Böll - Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann
Tumblr media
Inhalt:
Katharina Blum wurde im Leben nichts geschenkt. Ganz alleine und mit viel Mühe hat sie sich über viele Jahre hinweg als Hauswirtschaftlerin eine eigene Existenz aufgebaut. Eines Tages lernt sie zufällig Ludwig Götten, einen fröhlichen, gutaussehenden Mann, auf einer kleinen, privaten Feier kennen und verliebt sich schlagartig in ihn. Das Glück scheint groß, doch am nächsten Tag ist Götten urplötzlich verschwunden. Schnell stellt sich heraus, dass er wegen etlicher, schlimmer Vergehen von der Polizei, die nun auch Katharina der Mittäterschaft verdächtigt, gesucht wird.
Was daraufhin folgt ist eine regelrechte Hetzjagd auf die junge, unbescholtene Frau, die sich mit einem Mal der Polizei und der Willkür der Journalisten gegenüber sieht.
Die Geschichte endet tragisch. Da sich Katharina den wüsten Beleidigungen der Journalisten nicht erwehren kann, erschießt sie schließlich den Mann, der verantwortlich für die ganzen Verleumdungen war. Anschließend stellt sie sich der Polizei. In einem frühen Entwurf, hatte Heinrich Böll vorgehabt, die Erzählung anders enden zu lassen. Und zwar mit dem Selbstmordversuch Katharina’s. Diese Idee verwarf er allerdings wieder.
Tumblr media
Meinung:
Heinrich Böll veröffentlichte seine Erzählung 1974, als eine Reaktion auf den überbordenden Sensationsjournalismus der 1970 Jahre. Vor allem wollte er auf den Umgang von Boulevard Presse mit dem Thema der linken Terrorismusbewegung RAF und deren angeblichen Sympathisanten aufmerksam machen. Schon die Einleitung macht deutlich, dass er sich dabei immer wieder auf die BILD Zeitung bezieht, die in der Erzählung selbst aber stets nur als die ZEITUNG beschrieben wird.
Die Geschichte wird von einem auktorialen Erzähler in einer neutralen Berichtform geschildert. Das erweckt sehr schnell den Eindruck, dass sie selbst ein journalistisches Produkt ist und einer Zeitung entnommen wurde – was, wenn man das Thema berücksichtigt, ein genialer Schachzug ist. Auch wenn der Text wenig ausgeschmückt ist, gibt er dem Leser von heute einen guten Einblick in die 1970er Jahre. Ich war ziemlich erschüttert, wie sehr eine Frau wie Katharina Blum in dieser Zeit zu kämpfen hatte; dabei meine ich nicht nur die Verwicklungen mit der Polizei und den Medien, sondern auch die Gesamtsituation, in der sie sich tagtäglich behaupten musste. Sie war eine eigenständige Frau, die sich viel zu oft den Zudringlichkeiten der Männerwelt ausgeliefert sah. Sexuelle Anzüglichkeiten sowie andauernde Anbiederungen von teilweise ihr fremden Personen, ließen in mir den Verdacht erhärten, dass Katharina, als junge, unverheiratete Frau, wie Freiwild gesehen und dass dies auch gesellschaftlich als Tatsache hingenommen wurde. Selbst als sie dies beschrieb und ihr Missfallen darüber äußerte, wurde sie nur selten – meistens gar nicht – ernst genommen und teilweise sogar noch dafür ausgelacht.
Zusätzlich zu diesem gesellschaftlichen Schlamassel musste sie sich dann auch noch mit der Willkür der ZEITUNG auseinander setzen, die immer weiter an ihrer Würde kratzte. Streckenweise war es sehr harter Tobak mit dem Katharina zurecht kommen musste und dass sie sich schließlich am Ende zur Ermordung des Journalisten Töges (der sie ebenfalls sexuell belästigte) entschied, konnte man Seite für Seite mehr verstehen und nachvollziehen.
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ ist bereits 45 Jahre alt. In ihrer Thematik und Eindringlichkeit ist diese Erzählung jedoch heute, in der Zeit von Fakenews und Internethetze, immer noch genauso aktuell wie damals.
Heinrich Böll war selbst in das Fadenkreuz einer Rufmord – und Hetzkampagne geraten, nachdem sein kritischer Text „Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?“ über die RAF Terroristen Ulrike Meinhof 1972 im Spiegel erschien und aus ihm medial einen Sympathisanten der Roten Armee Fraktion machte. Als Reaktion darauf, verfasste er das Buch über Katharina Blum.
Text: Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
1 note · View note
Text
Stephen King - Shining
Tumblr media
Inhalt:
Manchmal passieren ganz schreckliche Dinge, die nicht vergehen wollen. Sie setzen sich fest in den Mauern und Wänden der Orte, die ihnen zum Opfer fallen. Einst schöne Häuser werden grau durch die Erinnerungen und manchmal sogar böse.
Ein solches Haus ist das Overlook Hotel, was versteckt in den Hügeln der Rocky Mountains sitzt und dort mit seinem grausamen Geheimnis bereits seit vielen Jahren lebt. Ein Geheimnis, dass nur Menschen mit dem Shining erkennen können. Jack, der Hausmeister, spürt nichts von dieser ungeahnten Macht, als er sich dafür entschied ganz alleine mit seiner Familie einen Winter dort zu verbringen, doch als der erste Schnee fällt, wird ihm unfreiwillig bewusst, dass sie Drei nicht die einzigen sind, die in diesem verlassenen Hotel wohnen.
Das Buch wurde 1980 von Stanley Kubrick verfilmt. Diese Adaption gilt heute als ein Klassiker des Horrorgenres. Trotz des großen Erfolgs und der Anerkennung, mochte King diese Verfilmung nie. Sie wich ihm an wichtigen Punkten zu stark von seiner Romanvorlage ab.
Tumblr media
Meinung:
1977 erschien mit „Shining“ Stephen Kings dritter Roman, der heute ein moderner Klassiker seines Genres ist und spätestens mit Kubricks Verfilmung 1980 weltbekannt wurde. Die Geschichte spielt im Bundesstaat Colorado, am Fuße der Rocky Mountains. 
Hauptakteure sind Jack und Wendy Torrance, sowie ihr fünfjähriger Sohn Danny. Der gesamte Roman konzentriert sich auf die kleine Familie und einige, wenige weitere Charaktere. Hier zeigt sich auch Stephen Kings Stärke, denn er ist nicht nur der Meister des Horrors, für den er so gefeiert wird, sondern auch ein Meister darin tiefgründige, realistische Charaktere zu kreieren, die allein durch ihre Präsens eine Geschichte tragen können.
Der Leser erfährt im Verlauf des Romans viel über die Familie und deren Innenleben, außerdem werden immer wieder Schlüsselereignisse aus der Vergangenheit beleuchtet, die das Handeln der Charaktere bis in die Gegenwart hinein beeinflussen. Bereits zu Beginn wird klar, dass sich Wut als Motiv wie ein roter Faden durch den Roman zieht. Trotzdem schafft es King, die Personen, besonders Jack Torrance, facettenreich darzustellen. So wird der Familienvater zwar in weiten Strecken von Wut, Alkoholmissbrauch und der Angst vor dem Scheitern zerfressen, trotzdem zeigt King auf, dass auch Jack ein liebender Vater ist und welche Einflüsse zu seinem Verhängnis werden. Einzige Kritik an der Charaktergestaltung ist, dass Danny für sein Alter deutlich zu erwachsen wirkt. Seine Gedankengänge sind oftmals sehr komplex und gehen meiner Meinung nach, trotz des Shining, weit über das Verständnis eines Fünfjährigen hinaus. Umso überzeugender ist dafür die Gestaltung des Overlook Hotels inmitten der Rocky Mountains. Ein scheinbar idyllischer Ort mit einer überwältigenden Aussicht, der sich in einen Schreckensort verwandelt. Harmlose Dinge wie Heckenfiguren, Schnee oder ein Fahrstuhl werden zu Bildern des Grauens und ein bloßes Gebäude beginnt ein Eigenleben par excellence zu entwickeln. 
Für Freunde guter Spukhausgeschichten ist Shining definitiv Pflichtlektüre. Und obwohl Spukhäuser in der Horrorliteratur ein häufig verwendetes Motiv sind, wird hier eine ganz eigene Atmosphäre geschaffen. All die Gesichter der Vergangenheit, die auf ewig mit dem Overlook verschmolzen sind, schaffen eine ganz bedrückende, schaurige, manchmal sogar feierliche Atmosphäre. Das Zusammenspiel aus der schrecklich realen Welt der Familie Torrance und dem surreal anmutenden Hotel macht Shining zu einem großartigen Leseerlebnis, das für Stephen King Verhältnisse auch äußerst kurz und lesefreundlich ist. Bei diesem Werk verliert sich der Autor nicht in endlose Beschreibungen oder Handlungsstränge, die irrelevant sind, sondern konzentriert sich voll und ganz auf den Kern der Handlung und schafft damit eine dichte, furchterregende und packende Geschichte. Meiner Meinung nach ist Shining eine gute Wahl, wenn man noch nie einen Roman vom Meister des Horrors gelesen hat.
Shining hat autobiografische Züge (wie die meisten von King’s Werken). Jack Torrance, einer der Hauptfiguren des Buches, ist ein verhinderter Schriftsteller, der vom Alkohol beherrscht wird. Genau wie Jack hatte auch King lange Zeit mit seiner schweren Alkoholsucht zu kämpfen.
Text: Aki & Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
3 notes · View notes
Text
John Wyndham - Ärger mit der Unsterblichkeit
Tumblr media
Inhalt:
Ewiges Leben! Niemals altern! Für immer jung bleiben! Der uralte Wunsch nach Unsterblichkeit könnte dank Lichenin endlich in Erfüllung gehen. Doch ist dieses Begehren wirklich so erstrebenswert, wie alle denken?
Diana Brackely und Francis Saxover, die beide unabhängig von einander dieses Wunder der Medizin entdeckt haben, sind sich da ganz und gar nicht sicher.
„Das sogenannte Lichenin, was Diana und Francis aus Flechten gewinnen und welches in dieser Geschichte eine lebensverlängernde Wirkung hat, gibt es wirklich. Es wird auch Flechten- oder Moosstärke genannt und ist ein ganz normales Polysacharid; ein Speicher-Kohlenhydrat. Verjüngende Wirkung hat es in der realen Welt allerdings nicht.“
Tumblr media
Meinung:
„Ärger mit der Unsterblichkeit“ wurde 1960 vom Science fiction Autor John Wyndham geschrieben und ist ein sogenannter utopischer Roman. Das bedeutet, dass die Handlung in einer nicht definierten Zukunft, in einer fiktiven Gesellschaftsordnung spielt, die zwar ausgedacht - utopisch eben - ist, im Gegensatz zur Dystopie jedoch stets den Perfektionismus anstrebt.
Die Geschichte behandelt zwei große Fragen der Gesellschaft und der Menschheit an sich. Zum Einen den Wunsch nach Unsterblichkeit und den damit verbundenen Problemen, wie zum Beispiel Überbevölkerung oder Hungersnöte. Zum Anderen die gesellschaftliche Stellung der Frau, die in dieser Erzählung noch immer eine unterschwellig dienende dem Mann gegenüber ist.
Beides vereint die Handlung dieses Buches und versucht eine Antwort und vor allem eine Lösung auf Alles zu finden.
Wyndham hat hierbei einen einfach Schreibstil. Er geht nicht tief und lässt einen auch nicht viel am Innenleben der Charaktere teil haben. Da es nur ein 140 Seiten langes Büchlein ist und Wyndham sich so mehr auf die Handlung als auf die Charaktere konzentriert, finde ich dies nicht weiter schlimm. Was mich allerdings sehr störte, waren die immer wieder eingestreuten Zeitungsartikel, die manchmal mehrere Seiten lang waren und den Lesefluss sehr beeinträchtigten.
In der ersten Hälfte des Buches gefielen mir besonders die philosophischen Fragen, die aufkamen und auf die man nur sehr schwer eine Antwort wusste. Man zog sofort eine Linie zu unserer heutigen Zeit und fragte sich des Öfteren, wie unsere vermeidlich moderne Gesellschaft mit solchen Problemen umgehen würde. Im letzten Teil seiner Geschichte verrannte sich Wyndham meiner Meinung nach sehr. Das Ende war für mich persönlich sehr unpassend für dieses tiefgreifende Thema und ließ das Buch eher dahinplätschernd und unwichtig schließen.
Man kann von diesem Buch nicht erwarten, dass es perfekt ist. Sein Schreiber war ein Science Fiction Autor, der großen Wert auf Unterhaltung legte. Es war daher kurzweilig und interessant zu lesen, ging aber zweifelos nicht so weit, wie andere Bücher des utopischen Genres.
„Die Idee eines biologischen Stoffes, welcher das Leben bedeutend verlängert, scheint geradezu fantastisch. Jedoch wurde bereits 1972 auf den Osterinseln ein solcher Stoff im Boden entdeckt, der genau diese Eigenschaften zu haben scheint. Rapamycim, ein Produkt einer bestimmten Bakterienart (Streptomyces hygroscopicus), wurde 2009 erfolgreich in mehreren Laborversuchen eingesetzt, um das Leben von Mäusen zu verlängern. An Menschen wurde es noch nicht getestet.“
Text: Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
2 notes · View notes
Text
Shirley Jackson - Spuk in Hill House
Tumblr media
Inhalt:
Hill House. Ein Haus in den Hügeln, in welchem niemand mehr leben möchte. Geister gehen dort herum – so sagt man.
Kein Mensch der seine Geschichte kennt, kommt auch nur die Nähe des unheimlichen Hauses, doch für Dr. Montague ist gerade diese angebliche Heimsuchung, der Grund dafür sich mit seinen drei angeworbenen Assistenten Eleonor Vance, Theo und Luke Sanderson auf eine ganz besondere Forschungsreise zu begeben.
Was zunächst noch wie ein Abenteuer unter vier Freunden beginnt, entwickelt sich jedoch schnell zu einem kafkaesken Albtraum, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Von Dr. Montague wird mehrfach der „Fall von Borley“ erwähnt, der sich 1929 tatsächlich ereignete. Das Pfarrhaus von Borley galt bis 1939 als das größte Geisterhaus Englands. Einige Spukerscheinungen, die in Hill House beschrieben wurden, wurden auch in Borley beobachtet, unter anderem eine wandelnde Nonne und an Wänden auftauchende Nachrichten.
Tumblr media
Meinung:
Shirley Jacksons “Spuk in Hill House“ erschien 1959 und gilt heute als Klassiker der Schauerliteratur. Dennoch ist sowohl die Autorin, als auch der Roman im deutschsprachigen Raum, trotz mehrfacher Verfilmungen, verhältnismäßig unbekannt.
Schon die Einleitung erzeugt einen Sog, dem sich der Leser nur schwer entziehen kann und das obwohl zu Beginn der Geschichte das Tempo nur langsam anzieht. Beschrieben wird Eleanors Reise zum Hill House und schon hier schafft es Jackson eine dunkle Vorahnung zu kreieren, die man sich als Leser nicht erklären kann. Früh wird deutlich, dass Eleanor, genau wie Hill House selbst, eine tragende Rolle im Roman spielen wird.
An ihrem Ziel angekommen, lernt Eleanor Dr. Montague, Theodora und Luke kennen, die fortan gemeinsam das Haus und den angeblichen Spuk erforschen und analysieren wollen. Die Darstellung aller Charaktere ist durchweg überzeugend und spannend, selbst Nebenrollen wirken nicht farblos, sondern insgesamt lebendig. Besonders aber die vier Hauptfiguren sind so realistisch und unterschiedlich charakterisiert, dass man den Eindruck hat, man würde mit ihnen gemeinsam die Zeit im Hill House verbringen, fast als wären sie alte Bekannte.
Die vermeintlich übersinnlichen Ereignisse, die schon bald folgen, sind großartig inszeniert. Es wirkt, als würde der Leser all die Geschehnisse nur durch einen Nebelschleier betrachten. Shirley Jackson lässt den Leser bis zuletzt völlig im Unklaren darüber, auf welcher Ebene der Spuk stattfindet. Birgt das Haus tatsächlich ein übersinnliches Geheimnis oder spielt sich alles auf einer psychologischen Ebene ab? Wird der Spuk erst dann geboren, als Eleanor und Hill House eine geheimnisvolle Verbindung eingehen? Es gibt unzählige Interpretationsansätze und das macht dieses Buch so einzigartig. Es ist Schauergeschichte und eine psychologische Analyse in einem. Besonders die zerrüttete Psyche Eleanors ist spannend und tragisch zugleich. Ihre Beziehung zu Theodora beschreibt Jackson mit so wenigen aber treffenden Worten und die Tragweite dessen geht weiter als man anfangs vermuten mag.
„Spuk in Hill House“ ist poetisch und trotz der ruhigen Erzählweise spannend bis zum letzten Wort. Die Autorin hat mit diesem Roman etwas geschaffen, was weit über eine bloße Gruselgeschichte über ein Spukhaus hinausgeht. Es ist die tragische Geschichte einer jungen Frau, die den Weg drei anderer Menschen gekreuzt hat und über deren Schicksal in den alten Mauern des Hill House entschieden wird. Ein Roman, der es verdient hat, nicht nur zu meinen Favoriten zu zählen!
An einer Stelle singt Luke ein Lied über die sogenannten “Grattan Morde”. Diese Morde haben keinen realen Bezug, sondern wurden von Jackson selbst erdacht und in Liedform gebracht. Angeblich sang sie es jeden Abend ihren Kindern als Gute Nacht Lied vor.
Text: Aki & Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
1 note · View note
Text
Per Olov Enquist - Das Buch von Blanche und Marie
Tumblr media
Inhalt:
Blanche Wittman sitzt in ihrer Kiste und schreibt. Sie schreibt über ihre Vergangenheit, in der sie als Patientin und als Versuchsobjekt in der Nervenheilanstalt der Salpêtrière lebte, aber sie schreibt auch über ihre Gegenwart, in der sie Marie Curie, die Nobelpreisträgerin, kennen und lieben lernt.
Am meisten jedoch schreibt sie über die Liebe selbst. Über dieses Gefühl was so allgegenwärtig und gleichzeitig so unergründlich ist.
Die Werke des Autors Per Olov Enquist sind bekannt für ihre melancholische Weltsicht, sowie auch für das häufige Auftreten historischer Personen. Beispiel hierfür sind “Der Besuch des Leibarztes” und “Der fünfte Winter des Magnetiseur”.
Tumblr media
Meinung:
Der schwedische Autor Per Olov Enquist veröffentlichte sein Buch im Jahr 2004. Es erzählt auf rund 240 Seiten die Geschichte von Blanche Wittman und Marie Curie, die - nachdem Blanche als geheilt aus der Salpêtrière entlassen wurde - zusammen in dem Labor der Curie’s gearbeitet haben. Mit der Zeit wurden die beiden Frauen Freundinnen, die nicht nur die Vorliebe zur Wissenschaft teilten, sondern auch ein tiefes und treues Verständnis zueinander.
Das Buch ist wie eine Art Fragebogen, der von Blanche selbst verfasst wurde, aufgebaut. Sie beschäftigte sich damit die Liebe zu ergründen und ebenso die menschlichen Beziehungen um sie herum. Der Erzähler des Romans berichtet nun anhand dieses von Blanche geschriebenen Textes und „liest“ quasi aus ihren Erinnerungen vor. Diese Art des Erzählens ist sehr faszinierend, da zu Anfang viel verschleiert und symbolhaft dargestellt, zum Ende hin aber immer deutlicher wird.
Man könnte es sehr gut mit einem Tagebuch vergleichen. Enquist verwendet dabei eine sehr direkte, aber auch sehr mystische Sprache, die sich oft wiederholt und Symbole und Metaphern benutzt.
Problematisch fand ich, dass das Buch sich auf historische Personen stützt, seine Handlung jedoch alles andere als wahrheitsgemäß ist. Die Erzählung erweckt von Anfang an den Anschein, dass alles was geschildert wird, genau so passiert ist. Allerdings ist es eine Tatsache, dass sich Curie und Wittman nie über den Weg gelaufen sind, nie zusammen gearbeitet haben und auch sonst keinerlei Beziehungen miteinander pflegten. Da ich sehr wenig von Marie Curie wusste (und überhaupt nichts von Blanche Wittmann), war ich der Annahme, dass die Geschichte über die Beiden der Wahrheit entsprach. Umso mehr enttäuscht war ich, als sich am Ende das Meiste als Fiktion heraus stellte.
Ebenso tat ich mich mit der Charakterentwicklung schwer. Enquist versuchte die Fülle an menschlichen Emotionen und Regungen in seinen Figuren mit einfließen zu lassen. Das ließ die Personen allerdings oftmals unnatürlich sprunghaft und die meiste Zeit moralisch überhöht wirken. Eine richtige Beziehung konnte man deswegen nur schwerlich mit ihnen aufbauen.
Alles in allem war es ein Buch mit Höhen und Tiefen. Ich kann es jedem empfehlen, der Geschichten mit teilweise historischen Bezügen mag und sich gerne in mystischen Erzählweisen verliert. Allen anderen ist diese Geschichte vielleicht ein wenig zu überhöht dargestellt und verliert schnell an Reiz, sobald man erkennt, dass sich die beiden Frauen nie im wahren Leben begegnet sind.
Im Buch wird öfter Bezug auf ein Gemälde genommen, welches den Nervenarzt Charcot und Blanche Wittmann bei einem ihrer „Versuche“ zeigt. Dieses Bild existiert tatsächlich. Es wurde 1887 von André Brouillet gemalt und hängt heute in der Paris Descartes University.
Text: Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
1 note · View note
Text
John Tessitore - Ein Hauch von Nerz
Tumblr media
Inhalt:
Evelyn Timberlake scheint das Pech zu verfolgen. Nicht nur, dass sie seit längerem keinen Job mehr hat, sie wird auch noch regelmäßig beim Arbeitsamt von dem ekeligen Angestellten Mr. Beasley belästigt. Und als sie dann eines Tages auch noch von einer vorbeifahrenden Limousine, die rücksichtslos durch eine riesige Pfütze fährt, von Kopf bis Fuß nachgespritzt wird, verliert sie komplett die Geduld. Entschlossen will sie dem unmöglichen Rowdy die Meinung sagen, doch als sich heraus stellt, dass der Besitzer des Wagens der gutaussehnde Millionär Philip Shayne ist, verliebt sie sich Hals über Kopf in ihn. Was folgt ist eine verrückt, komische Jagd nach dem Herzen des eingefleischten und einflussreichen Junggesellen.
“That Touch of Mink” ist eine romantische Komödie von Regisseur Delbert Mann aus dem Jahr 1962. Im gleichen Jahr entschloss der Verlag Fawcett Publication den Film als Roman unter dem Label Gold Medal Books herauszubringen. John Tessitore wurde damit beaufragt, die Filmversion zu romanisieren. Heute weiß man leider nicht mehr, ob es Tessitore wirklich gab oder ob dies nur ein Pseudonym war, denn in der damaligen Zeit war es nicht ungewöhnlich, dass erfahrene Autoren unter anderem Namen Filme in Romane adaptierten.
Tumblr media
Meinung:
Der Roman wurde 1962 veröffentlich und beruht - wie schon in der ersten Anmerkung erwähnt - auf dem ebenfalls 1962 erschienenen Film “That Touch of Mink”. Diese Tatsache erwieß sich leider im Laufe der Geschichte als etwas hinderlich, da sich die liebenswürdige Situationskomik des Filmes nur bedingt in Textform wiedergeben lässt. Viele Szenen waren sehr unübersichtlich; sie wirkten gar wie eine stupide Abfolge von Drehbuchanweisungen. Auch hatte ich das Gefühl, dass die Erzählgeschwindigkeit zum Ende des Romans hin immer mehr zunahm, was der Geschichte viel an Atmosphäre und Übersicht einbüßen ließ. Leider wirkte das Buch auf mich - aufgrund dieser aufgeführten Erkenntnisse - wie eine sehr schnell produzierte Version, um möglichst effizient auf der Welle des Filmerfolges mit zu schwimmen.
Trotz dieser Kritikpunkte, hatte es aber auch einige gute Passagen, sowie auch lustige Charaktere und witzige Running-Gags. Der Schreibstil war sehr frech, was zu der verzwickt, komischen Geschichte gut passte und einen oftmals zum Schmunzeln brachte. An manche Gegebenheiten und Moralvorstellungen der 60er Jahre - auch wenn sie natürlich für eine Komödie überspitzt dargestellt wurden - musste ich mich erst gewöhnen (z.B. der ständige und große Konsum von Alkohol, der zu beinahe jeder Tages- und Nachtzeit stattfand, sowie auch die antiquirten Vorstellungen, die an Frauen in dieser Zeit gestellt wurden), dennoch konnte ich auch über viele aufs Korn genommene Eigenschaften der damaligen Großstadtmenschen lachen (z.B. die ständige Erwähnung von Psychotherapeut Dr. Gruber, als Anspielung auf die stets neurotischen New Yorker). Das Buch hat seine Stärken und Schwächen. Es ist eine seichte, kleine Geschichte, von der man nicht zu viel erwarten sollte, die man aber wunderbar an einem sonnigen, lauen Wochenende lesen kann.
Die Hauptfigur Evelyn Timberlake heißt in der englischen sowie der deutschen Filmverison Cathy Timberlake.
Text: Jongkind
Impressum: https://post-vom-buecherwurm.tumblr.com/post/620367072772407296/impressum
1 note · View note