Tumgik
thestefanonline · 2 years
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Ayn Rand und was sie bei mir ausgelöst hat
Ich lese selten Bücher, die über 400 Seiten hinausgehen. Ayn Rand hat es geschafft, dass ich mir ihr 1.000 Seiten langes, extrem redundantes Werk „Atlas shrugged“ (Deutscher Titel: „Der Streik“) als Hörbuch von Anfang bis Ende zu Gemüte geführt habe und mit ihrem thematisch sehr ähnlichen Roman „Fountainhead“ (Deutscher Titel der Verfilmung mit Gary Cooper: „Ein Mann wie Dyamit“) zu beginnen. Auf das Werk der Autorin aus wohlhabender Familie, die vor den Schrecken der Kommunisten in der Sowjetunion floh bin ich durch ein Videospiel gestoßen. In „Bioshock“ geht es um eine künstlich angelegte utopische Welt unter Wasser namens Rapture, in der jeder so leben kann wie er es für richtig hält. Völlig frei entfesselter Kapitalismus. Das Spiel entpuppt sich sofort als Dystopie, in der ganz schnell Mord und Totschlag herrschten. Ein sehr stimmungsvolles, fesselndes Computerspiel, das sehr gut zeigt, dass diese Art von Spielen eine Kunstform auf Augenhöhe zu Literatur und anderen Gattungen sind und das dies die jüngste aller Künste ist und somit noch gar nicht ihr volles Potenzial ausgeschöpft hat.
„Atlas shrugged“ ist ein quälend langatmiges Buch. Es geht um eine intelligente Frau, die das Familienunternehmen leiten will. Ihr Bruder möchte diese Position ebenfalls innehaben und so kommt es zu Konflikten, wer denn nun die Eisenbahngesellschaft in die Zukunft führen soll. Im Kern geht es darum, dass es zwei Arten von Menschen gibt: die genialen, schöpferischen Unternehmer und die Plünderer, kommunistische Parasiten, die selbst nichts zustande bringen, aber andere bevormunden wollen und umverteilen wollen, indem sie die Leistungsträger bestrafen und die Faulenzer belohnen. Als Gegenmaßnahme treten nun all die genialen Erfinder, Künstler, Unternehmer – all die Schöpfer in den Streik. In Folge dessen bricht das System zusammen. Der Text macht durchaus Mut für wenig begabte und unerfahrene Autoren, den er ist wirklich nicht besonders gut geschrieben. Sehr platt, oft unfreiwillig komisch, wenig überzeugend. Die Titelheldin ist immer akkurat gekleidet, unterwirft sich gerne dem starken Mann (und wirkt immer etwas so wie ein naives BDM-Mädel, das in den Führer verliebt ist, wobei Ayn Rand eben keine Faschistin ist und ganz sicher auch keine Männer wie Donald Trump meint, wenn sie ihre Genies beschreibt). Rand gibt sich keinerlei Mühe wirklich zu schildern, was diese Schöpfer ausmacht, da bietet Thomas Mann in „Buddenbrooks“ deutlich mehr fundierte Einblicke in das Leben guter, ehrbarer Kaufleute. Bei der russischen Hollywoodautorin bleibt es platt, oberflächlich und fade. Allerdings gibt es dann eben doch einige treffende Beobachtungen, gute Gedanken und Ideen und wenn man erklären will, warum Rands Bücher bis heute Bestseller sind, dann wohl deshalb, weil sie dazu ermutigen, wie es Udo Lindenberg formulierte: „Mach Dein Ding! Ganz egal, was die anderen sagen.“. Das ist durchaus erfrischend, befreiend und erfreulich eigenständig. Eine Art Friedrich Nietzsche auf sprachlich und intellektuell ganz leicht konsumierbarem Niveau.
Bin ich nun ein Anhänger der US-Republikaner, ein Egoist, ein Rechter, ein Fürsprecher und Fan-Boy von Elon Musk, Jeff Bezos und Steve Jobs? Eher nicht. Aber ich finde es grundsätzlich gut sich mit anderen Ideen zu beschäftigen als mit denen, die man eh schon kennt. Ayn Rand hat Bücher geschrieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie selbst als Unternehmerin, Erfinderin oder Naturwissenschaftlerin erfolgreich gewesen wäre, dafür braucht es dann doch deutlich mehr Substanz, Fachwissen und Umsetzungskraft. Aber es ist doch bemerkenswert, was diese Frau erreicht hat.
Was also hat Ayn Rands Werk, zumindest der Teil davon, den ich bisher kenne, bei mir ausgelöst? Die Ermutigung selbst politische und wirtschaftliche Themen als Geschichten zu erzählen bzw. darin einzubringen. Den Beweis dafür, dass ein Buch mit 1000 Seiten, dem es so völlig an Humor, Selbstkritik, Selbstironie und Spannung fehlt und das im Grunde ohne Probleme auf 200 Seiten gekürzt werden kann, doch bis zum Ende gelesen bzw. gehört werden kann. Wobei ich viele Stunden davon klar als vergeudete Zeit empfinde.
Was für eine Welt finde ich ideal? Es ist doch spannend mal nicht, wie aus der Pistole geschossen zu sagen, „Star Trek: The Next Generation“. Soziale Marktwirtschaft – ist das denn wirklich unser System in Deutschland? Reden wir uns da nicht eigentlich eine im Grunde freie Marktwirtschaft schön? Was ist bitte sozial daran in Zeitarbeit beschäftigt zu sein, krank vor Sorge zu werden, weil es von einem befristeten zum nächsten befristeten Job geht. Es ist wunderbar leicht andere aufzufordern, gefälligst als Handwerker, Erzieher und Krankenpfleger zu arbeiten, wenn man für sich und seine Kinder bereits geklärt hat mit Wirtschafts-, Jura- oder anderem Studiengang niemals in die Lage zu kommen in Hartz-4 zu fallen, selbst Jahre auf dem Schlachthof oder als Klempner mit Fäkalien arbeiten zu müssen.
Vor der Lektüre von Ayn Rand fand ich den Altruismus als überragendes Ziel der Menschheit, quasi als den lebenswichtigen Kompromiss, auf den wir uns einigen müssen, wenn wir als Spezies überleben wollen, glasklar. Aber nun habe ich auch nicht den Schrecken von Diktatoren wie Stalin, Hitler, Mao oder der DDR miterlebt. Kommunismus waren für mich John Lennon und Star Trek, also durchaus sympathisch und einleuchtend. Nun werden solchen Utopien gerne von wohlhabenden, privilegierten Menschen erfunden und propagiert, Engels Papa war Fabrikbesitzer, Gene Roddenberry war ganz sicher nicht per Mindestlohn als Lagerarbeiter oder Paketbote beschäftigt und John Lennon war Multimillionär mit allen Freiheiten und Luxus.
Ich hätte jetzt Lust meine eigene, extrem viel kürzere Version von „Atlas Shrugged“ zu schreiben. Eine Ayn Rand-Story mit Herz und Hirn. Eine Zukunftsvision, die ich nicht bereits beim formuieren lächerlich finde. Was soll denn so toll daran sein, alle anderen zu übertrumpfen und ein unfassbar reicher Monopolist zu sein? Niemand ist eine Insel. Ein Jeff Bezos hat das Internet nicht erfunden und seine Trucks fahren auf den Straßen, die durch Steuergelder bezahlt wurden. Die Räder der Trucks hat er ebenfalls nicht erfunden. Wie wäre es mal mit etwas mehr Demut, weniger ekligem Egoismus, Gier und Ignoranz? Warum ist es so schwer die echte Welt in ihrer Widersprüchen und ihrer Komplexität auszuhalten?
Aber ich ahne es bereits jetzt: im Grunde bin ich kein Schöpfer, sondern nur einer der Faulenzer, denn warum sollte ich so eine Story schreiben? Wer würde sich schon ernsthaft dafür interessieren?
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thestefanonline · 2 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 22: Rezension „Love people use things“
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„Entrümpeln, bewusst einkaufen und mehr Zeit für das Wichtige“
2022. Ein neues Jahr,  und wieder Zeit für gute Vorsätze und einen Neuanfang. Da kommt die dtv-Neuerscheinung der beiden US-Amerikaner, Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus, genau zur richtigen Zeit. Es empfiehlt sich vorab die beiden sehr sehenswerten Netflix-Dokumentation über die beiden The Minimalists anzusehen und auch der Podcast lohnt sich, der z.B. bei Deezer verfügbar ist und welcher auf YouTube mit Videos flankiert wird. Die beiden Männer, beide Jahrgang 1981, sind Kindheitsfreunde, hingen in ihren Zwanzigern und Dreißigern dem „amerikanischen Traum“ von einem gut bezahlten Job, einem großen Haus, Autos, glücklicher Ehe und jeder Menge materieller Anschaffungen nach. Beides wird sehr pointiert im erste Netflix-Special dargestellt, in ihrem neuesten Buch geben die beiden Autoren, wobei Millburn 90 Prozent des Buchs geschrieben hat, weitere Details preis, die sie zu ihrem Umdenken und zur Neuausrichtung ihrer Leben brachten. Bei Nicodemus gipfelte der Frust und die innere Leere in Alkoholismus und Abhängigkeit nach Schmerzmitteln und bei Millburn war es eine tiefe Unzufriedenheit mit all dem angehäuften Krempel, der ihm um so sinnloser erschien als seine Mutter starb, er all deren Zeug entsorgen musste und dann auch noch seine Ehe scheiterte und er sich daran machte all die Schulden abzutragen, die er angehäuft hatte.
Das Buch ist wie ein Selbsthilfebuch zum Mitmachen angelegt und in sieben Kapitel unterteilt: Dinge, Wahrheit, Selbst, Werte, Geld, Kreativität und Menschen. Am Ende jedes Beitrags kommt Nicodemus zu Wort, um die Leser zum Ausfüllen von Fragebögen zur Selbstreflexion zu animieren und zum Handeln anzuleiten. Das liest sich, anders als das ansonsten sehr schön flüssig zu lesende Buch, etwas gewöhnungsbedürftig und erinnert durchaus an die Sesamstraße, wenn die Puppen zu den Kindern sprechen, nach dem Motto: So, Kinder, was haben wir denn heute schönes gelernt? Tatsächlich wirkt der Ratgeber weniger straff, gehaltvoll, euphorisierend und überzeugend als die Filme. Hier hätten gerne mehr Fachleute wie Psychologen, Soziologen, Ökonomen und andere Experten zu Wort kommen dürfen, so wie es bei den Podcasts auch der Fall ist. Dinge wie das bedingungslose Grundeinkommen, Tauschwirtschaft und das Reparieren statt Wegwerfen – es gäbe noch so viel mehr spannende Facetten, aber „Love people, use things“ richtet den Fokus auf die Grundlagen, wie im privaten Rahmen das Fundament für ein minimalistischeres Leben errichtet werden kann. Es ist kein Aufräum-Ratgeber, schreibt Millburn – wer das sucht ist wohl bei Marie Kondō besser aufgehoben oder bei Büchern wie „Simplify your life“.
Die beiden Minimalisten vermitteln sehr überzeugend, dass es nicht darum geht überhaupt nichts mehr zu kaufen oder zu konsumieren. Viel mehr geht es um ein bewusstes Leben und Einkaufen, um Achtsamkeit und um das Erkennen, wann es genug ist. Unbedingt neu ist nichts davon, das schreibt Millburn selbst. Ob griechische Antike oder Geistliche der Neuzeit, ob der Film „Fight Club“ oder Rapper Drake, immer wieder wird das Thema behandelt: wie wollen wir leben, was brauchen wir wirklich? So wie es auch der Hirnforscher Manfred Spitzer anschaulich schildert, empfehlen auch The Minimalists viel stärker auf Erlebnisse wie Konzerte oder Zeit mit Familie und Freunden zu verwenden statt für Ablenkungen wie Soziale Medien oder die Jagd nach der kurzfristigen Dopamin-Ausschüttung, wenn etwas Neues gekauft wird.
Millburn arbeitet nun seit zehn Jahren als Autor und betreibt gemeinsam mit Nicodemus zwei Unternehmen: eines für den Verkauf von Kaffee und The Minimalists. Ist das ein Widerspruch, Unternehmer und Minimalist zu sein? Die Autoren stellen sich auch selbstkritisch der ungeschönten Realität: sie besitzen Häuser und Autos und haben Freude an bestimmten Anschaffungen, alles andere wäre auch wohl kaum glaubwürdig, das lässt die Autoren sehr sympathisch und authentisch wirken. Minimalismus ist kein Kult, keine Sekte und der Ton ihrer Vorträge hat nichts belehrendes oder überhebliches.
Schon beim Lesen entfaltet das Buch seine positive Wirkung: nun wird, zumindest geht es mir so, noch viel gezielter überprüft, was ich eigentlich gerade tue, aber das ohne in einen pausenlosen Selbstoptimierungswahn zu verfallen. Lieber diesen oder jenen Internet-Clip nicht ansehen und tatsächlich Regeln anwenden wie die Kein-Überflüssiges-Zeug-Regel oder die „Sechs Fragen vor einem Kauf stellen“ – erläutert werden diese Themen auch im Podcast. Hier wäre im Übrigen ein Register hilfreich, um diese Inhalte schneller nachschlagen zu können. Tatsächlich sind hier zum Großteil einfach altbekannte Tipps dabei wie sie sich in „Wie spare ich mehr Geld“-Videos liefern, also z.B. vor einer großen Anschaffung erst 30 Tage warten oder vor einer kleinen Anschaffungen zumindest eine Nacht über die Entscheidung schlafen. Die Studie, welche im Buch, zu Spontankäufen unter Alkoholeinfluss genannt wird, ist ein gutes Warnsignal. Es hat schon gute Gründe, warum in den Spielcasinos in Las Vegas Alkohol verschleudert wird und es ist längst hinlänglich bekannt, wie unvorteilhaft der unreflektierte Konsum sozialer Netzwerke und Smartphones für unsere Gesundheit und unsere Finanzen sind. Die 18 Euro für „Love people use things...weil das Gegenteil nicht funktioniert hingegen bietet einen echten Mehrwert und viel mehr muss ein Produkt auch nicht sein und sollte auch nicht verklärt werden so wie es mitunter mit Markenwaren geschieht.
Bewertung: 87 %
The Minimalists: Love people use things… weil das Gegenteil nicht funktioniert
400 Seiten, SC
dtv Sachbuch Deutsche Erstausgabe
Übersetzung: Bettina Lemke
ISBN 978-3-423-26312-2 22. Dezember 2021
18 Euro
Leseprobe: Love People, Use Things ... weil das Gegenteil nicht funktioniert : Joshua Fields Millburn, Ryan Nicodemus - Book2look
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thestefanonline · 3 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 21: Interview mit dem Philosophen Dr. Nicolas Dierks
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„Das Geschäftsmodell der ‚Erfolgsgurus‘ scheint mir mit Philosophie nicht kompatibel“
Menschen, die einem Ratschläge geben, seien sie nun gut oder weniger sinnvoll, finden sich schnell. In diesem Blog habe ich bisher zumeist meine Meinung zu Klassikern von Dale Carnegie, Bodo Schäfer und Co. kundgetan. Dieses Mal soll mit Dr. Nicolas Dierks ein Experte zu Wort kommen, der mit seinem akademischen Hintergrund sowie seiner angenehm unaufdringlichen Art und verständlichen Sprache so gar nichts gemein hat mit den zu oft an Marktschreier und Kaffeefahrten erinnernden Coaches mit zweifelhafter Ausbildung und fragwürdiger Kompetenz. Lassen wir also den Philosophen und Autor Dr. Nicolas Dierks einen fachkundigen Blick auf das Thema Ratgeber, Coaching und Lebenshilfe werfen. Außerdem geht es um Vorurteile über vermeintlich weltfremde Philosophie und um konkret anwendbares, seriöses Wissen für ein besseres Leben.
Die Idee zu dem Interview entstand, als Du meine Tweets zu Dale Carnegies Selbsthilfeklassiker "Sorge dich nicht, lebe!" kommentiertest. Du erkanntest sofort Zitate der Philosophen Epiktet und anderer. Ist diese vermeintliche relativ neumodische, US-amerikanische "Industrie" des Coachings, Positiven Denkens und der Selbsthilfe für Dich als Doktor der Philosophie ein alter Hut?
Dr. Nicolas Dierks: Tatsächlich gehörte die „Lebenskunst“ seit der griechischen und römischen Antike zur Philosophie und zur humanistischen Bildung ganz selbstverständlich dazu.
Allerdings ging vieles davon in Europa durch die Akademisierung der Philosophie seit der Aufklärung verloren. Man könnte mit einem Augenzwinkern sagen: Kant war schuld.
Insofern suchen Menschen heute auch auf anderen Wegen Zugang zur „Lebenskunst“ – durch Coaching, Therapieformen, Buddhismus…, dass das dort Gebotene schon früher Teil unserer kulturellen Überlieferung war, finde ich aber nicht so wichtig. Seine Berechtigung hat es, sofern es Leuten wirklich hilft.
In meiner Sammlung findet sich ein Buch namens "Seneca für Gestresste". Wie siehst Du es, wenn komplexe Philosophie in netten, leicht konsumierbaren Happen verkauft wird. Ist das die Verbreitung von gefährlichem Halbwissen oder zumindest ein Einstieg in die Materie?
Seneca selbst hätte vermutlich wenig gegen das Buch gehabt. So wie Marc Aurel oder später Michel de Montaigne kam es Seneca darauf an, dass philosophische Gedanken praktisch hilfreich sind. Wie wir heute sagen würden: „praxisnah“ oder „anwendbar“. Deshalb hat er Gedanken u.a. in kurzen Briefen verfasst.
Die Frage ist doch: Für wen soll das Buch was genau erreichen? Ist es für Menschen, die ein umfassendes Verständnis der stoischen Philosophie anstreben? Oder für Menschen, die einfach hilfreiche Gedanken in ihren stressigen Alltag einbringen wollen? Beides hat seine Berechtigung. Das Buch wäre danach zu beurteilen, wie gut es das erreicht, was es erreichen soll.
Philosophie haftet das Image an, ein weltfremdes, völlig unpraktisches Studium zu sein. Wäre es nicht schön, wenn nicht Jürgen Höller und Tony Robbins diese immense Aufmerksamkeit und die üppigen Seminargebühren kassieren würde, sondern Philosophen? Sind solche Coaches aus akademischer Sicht eher Gaukler und Scharlatane?
Nun, wenn wir an aktuelle Themen wie digitale Ethik, Demokratieverständnis oder Nachhaltigkeit denken, dann ist ein Philosophiestudium keineswegs weltfremd – nur eben keine Berufsausbildung. Und inzwischen hat ja auch die Philosophie Promis hervorgebracht.
Aber das Geschäftsmodell der „Erfolgsgurus“ scheint mir mit Philosophie nicht kompatibel. Das Versprechen schnellen, durchschlagenden Erfolges, verkündet durch charismatische Persönlichkeiten in Massen-Events… es mutet wie eine Vermischung des Neo-Religiösen mit dem Kommerziellen an. Dem stehe ich skeptisch gegenüber. Was nicht heißt, dass man sich mit den Inhalten nicht reflektiert auseinandersetzen könnte.
Sind Philosophie und Psychologie nicht oft unnötig kompliziert formulierter, gesunder Menschenverstand?
Häufig meinen Leute mit „gesundem Menschenverstand“ einfach die Denkweise, die ihrer eigenen entspricht.
Die Philosophie hat, wie andere Fachdisziplinen auch, Fachsprachen entwickelt. Und einen Kanon an Problemen, Methoden und Positionen. Vieles davon übersteigt bei Weitem das, was sich mit dem „gesunden Menschenverstand“ denken lässt.
Aber eines ist richtig: deutschsprachige Philosoph*innen neigen dazu, kompliziert zu formulieren. Kompliziertheit hat im deutschen Kulturraum sogar Tradition – von Bach oder Kant bis zu Thomas Mann oder dem deutschen Steuerrecht. Etwas mehr „Eleganz der Einfachheit“ wäre bisweilen wünschenswert.
Elegante Einfachheit entspringt in der Philosophie nicht simpler Intuition oder Inspiration, sondern harter Arbeit.
Du nennst in Deinem Blog zehn Tipps zur Lebensführung. Welche philosophischen Erkenntnisse findest Du außerdem für die heutige Zeit besonders wichtig und hilfreich?
Eine klarere Unterscheidung zwischen „Konformismus“ und „Gemeinsinn“ würde uns gut tun. „Gemeinsinn“ bedeutet die freiwillige Kooperation der Einzelnen für die maximale Freiheit und Gerechtigkeit aller.
Wir haben heute die technologischen Möglichkeiten, fragmentierte Perspektiven unserer Gesellschaft in einen Austausch zu bringen. In einer post-traditionellen, pluralistischen Gesellschaft produziert das Konflikte. Aber diese Konflikte sind notwendig für das moralischen Wachstum unserer Gesellschaft.
Wie wichtig sind materielle Werte, vor allem ein Einkommen, das zum Leben reicht, für ein zufriedenstellendes Leben und was kann man unternehmen, um Lösungen zu finden, wenn das Einkommen zu gering, die Kosten zu hoch und man eh schon gestresst und ausgelaugt ist?
Das hängt von der eigenen Vorstellung eines guten Lebens und der eigenen Lebensweise ab.
Aristoteles hat es in der „Nikomachischen Ethik“ gut herausgearbeitet: Wir Menschen sind auch materielle Wesen. Insofern können materielle Umstände unser Wohlergehen massiv einschränken. Aber wenn unsere grundlegenden Bedürfnisse erfüllt sind – etwa Kleidung, Nahrung, Wohnung, Wärme, Mobilität etc. – dann macht uns höherer Lebensstandard nicht mehr viel zufriedener.
Sind wir dennoch unzufrieden, hängt es mit unserer Lebensweise zusammen. Mein Buch „Luft nach oben“ handelt davon. Wichtig ist eine gute Einstellung dem gegenüber, was wir nicht beeinflussen können. Und dann sollten wir nicht nur vom besseren Leben träumen, es planen, uns ständig darauf vorbereiten. Wie wir das gute Leben führen, lernen wir, indem wir damit beginnen.
Du rätst dazu, sich mit anderen Meinungen zu befassen. Coaches wie Jürgen Höller und Tony Robbins wirken mitunter wie Sektenanführer. Verwirrt es Zuhörer eventuell, wenn die Ratschläge zu sehr von dem abweichen, was der Coach erzählt?
Erfolgs-Gurus brauchen einen großen Vertrauensvorschuss ihrer Adepten. Wenn widersprechende Überzeugungen mit guten Argumenten begründet werden, kann deutlich werden, dass auch die Erfolgs-Gurus nur mit Wasser kochen. Dann geht der Vertrauensvorschuss verloren. Und dann geht dem Motor der „Selbsterfüllenden Prophezeiung“ der Sprit aus.
Deswegen entwickeln manche Erfolgs-Gurus Strategien, sich gegen Kritik immun zu machen – wie bei der Einwandsbehandlung in Verkaufsgesprächen. Das wirkt auf Außenstehende sektenartig, weil diese „Logik“ nur für diejenigen plausibel wirkt, die dem Erfolgs-Guru vertrauen und möchten, dass er Recht hat.
Positives Denken ist manchen Menschen suspekt. Es wirkt mitunter wie Gehirnwäsche und Gleichschaltung. Wie würdest du einen Dialog herstellen?
Erstmal würde ich ermutigen, wohlwollend zuzuhören und zu fragen: „Wie müssten die Auffassungen des Positiven Denkens gemeint sein, damit ich ihnen zustimmen könnte?“ Vielleicht gibt es dort etwas zu lernen.
Und dann müssen wir genau hinschauen. Dabei sollten wir nicht binär urteilen, also uns nur dafür oder dagegen entscheiden wollen. Aristoteles hat in seiner Mesotes-Lehre tugendhaftes Handeln als „goldene Mitte“ zwischen zwei Extremen analysiert. Das ist ein brauchbares Vorgehen.
Wir sollten einerseits klären, was es heißt, zu wenig positiv zu denken – aber andererseits auch, was es heißt, zu sehr positiv zu denken. An welchem Punkt schlägt „Positives Denken“ in etwas Schädliches um? Wann würden wir es z.B. „naiv“, oder „leichtsinnig“, oder „blauäugig“ nennen? So können wir unser Urteil differenzieren.
Richard David Precht. Das Philosophische Quartett. Außerhalb von Arte, ZDF und ARD begegnet uns Laien Philosophie relativ selten. Der Begriff Philosophieren wird eher abfällig für zielloses Plaudern und Grübeln verwendet. Könnte Philosophie zielgerichteter und populärer sein als es bisher oft wirkte oder wäre das fatal? Oder aber ist Philosophie viel praxisorientierter als sie mitunter scheint?
Ernsthaftes Philosophieren ist nicht für jeden etwas.
Stellen wir uns zum Vergleich vor, dass einige Programmierer sich leidenschaftlich über die Vor- und Nachteile bestimmter Entwicklungen bei Programmiersprachen unterhalten. Wer die notwendigen Kenntnisse nicht hat, wird der Diskussion nicht folgen können. Auch wird unklar sein, wo Anwendungen liegen oder was die Diskussion überhaupt soll.
Ebenso in der Philosophie. Die für uns und unsere Gesellschaft derzeit wichtigen philosophischen Diskussionen brauchen Vorkenntnisse sowie die Fähigkeit und den Willen, sehr detailliert, konzentriert und ausdauernd zu diskutieren – und das wird mit großem Publikum selten gelingen.
Dennoch ist diese Diskussion für die Gestaltung unserer Zukunft und der nachfolgender Generationen wichtig – und hier kommt die schwierige Rolle von Experten und verantwortungsbewussten Journalisten als Vermittler ins Spiel. Immerhin gibt es hervorragende vermittelnde Formate wie „Sternstunde Philosophie“ im SRF, „Das philosophische Radio“ im WDR oder „Sein und Streit“ im Deutschlandfunk.
Es fühlt sich kurzfristig wunderbar an, positive Denkanstöße zu erhalten. Statt damit zu beginnen das Wissen praktisch anzuwenden, kann es verführerisch sein von Vortrag zu Vortrag, von Buch zu Buch zu springen ohne wirklich voranzukommen. Philosophie kann eine weitere Möglichkeit sein, um sich zu verzetteln. Wie findest du den Punkt, um zu stoppen, damit aus gezieltem Denken und berechtigten Hinterfragen kein endloses, destruktiven Grübeln und Verzetteln wird?
Dabei gibt es für mich zwei Wege:
Der erste besteht darin, klarer zu denken. Wenn ich merke, dass ich grüble und mich verzettle, dann habe ich entweder nicht konsequent genug weitergedacht. Oder ich betrachte das Problem insgesamt auf eine irreführende Art.
Der zweite Weg besteht darin, das Primat des Praktischen vor dem Theoretischen anzuerkennen. Das haben übrigens auch Aristoteles, Kant, Nietzsche oder Wittgenstein getan. Es bedeutet: Für meine Überlegungen gibt es ein Zeitfenster, eine durch praktischen Sinn gestiftete Begrenzung. Bis zum Schließen des Zeitfensters muss ich eine Antwort geben – und das wird dann die beste Antwort sein, die ich eben geben kann.
Du beobachtest aktiv soziale Medien. Es gibt einen Gag in den Känguru-Grschichten von Marc-Uwe Kling Philosophie per SMS zu diskutieren, weil man sich dann kurz fassen muss und unnützes Geschwafel weglässt. Wie siehst du Twitter mit seinem Zwang zur kurzen Nachricht? Und wie sehr hilft bzw. behindern soziale Medien und Digitalisierung ein gutes Leben?
Der Zwang zur Kürze ist ein gutes Schreib-Training, gerade auch für deutschsprachige Philosoph*innen.  Aber für Diskussionen finde ich Twitter zu unübersichtlich. Dafür finde ich Facebook, LinkedIn oder Clubhouse geeigneter.
Doch auch Twitter kann den Horizont erweitern. Wenn ich ein Thema bearbeite und tweete „Was sollte ich als Philosoph beim Thema X dringend bedenken?“, dann bekomme ich innerhalb von zwei Tagen sehr viele hilfreiche Kommentare. Das hilft mir, die Perspektiven anderer einzubeziehen.
Was das gute Leben mit sozialen Medien angeht, so gibt es sowohl Vorteile als auch Gefahren. Ich handle nach der Devise: Gebrauche dein digitales Werkzeug besonnen, damit es nicht dich gebraucht.
Lieber Niclas, herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg für Dein aktuelles Buch „Mit Wittgenstein im Wartezimmer“!
Webseite von Nicolas Dierks - Autor | Speaker | Philosoph (nicolas-dierks.de)
Kurzbiographie
Dr. Nicolas Dierks, Jg. 1973, begeistert Menschen für neue Perspektiven – mit Vorträgen, Workshops und zuletzt dem SPIEGEL-Bestseller Was tue ich hier eigentlich? (Rowohlt 2014). Der promovierte Philosoph lebt in der Nähe von Lüneburg und gibt an der dortigen Leuphana Universität Seminare in Wissenschaftstheorie. Er berät Unternehmen zum Thema Innovation, trinkt gerne guten Espresso und vermittelt Philosophie mit Leidenschaft und Humor.
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thestefanonline · 3 years
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Passend zum  Advent erscheint der dritte Comicstrip von #ZweiMannProWitz Wir wünschen Euch schöne Feiertage & ein deutlich besseres Jahr 2021. Die Latte hängt ja echt tief. Idee & Text: @Stefan_Svik Zeichnungen: @TilmannWeigel
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thestefanonline · 3 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 20: „Geld im Kopf: Wie Ihr Gehirn mit Geld umgeht“ von Manfred Spitzer
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Menschen sind beim Geld um Ausgleich bemüht
Nach all den hysterischen Heilsversprechungen von „Money-Coaches“ ist es eine echte Wohltat zur Abwechslung mal ein Hörbuch über Geld aus der Perspektive des sehr renommierten Psychiaters Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer zu hören. Mit ruhiger, sanfter Stimme, trockenem Humor und zwischendurch von klassischer Musik unterbrochen, führt der 1958 geborene Lengfelder, der Medizin, Psychologie und Philosophie studiert hat, durch ein faszinierendes Thema.
Leider ist das Hörbuch mit nur 74 Minuten Laufzeit eher ein kleiner Wissenssnack und taucht nicht tiefer in die spannende Materie ein. Spitzer nimmt Rücksicht auf ein breites Publikum ohne weitreichendere Psychologie-Kenntnisse und bleibt jederzeit gut verständlich und unterhaltsam. Es werden verschiedene Studien und Experimente vorgestellt und belegt, dass es den Homo oeconomicus, also den rein wirtschaftlich denkenden Menschen, in der Realität gar nicht gibt – wenn überhaupt dann gibt es Affenarten, die diesem Verhalten nahe kommen. Die krude Idee, dass an alle gedacht ist, wenn nur jeder an seinen persönlichen Eigennutz denkt widerspricht der menschlichen Natur, denn Menschen sind soziale Wesen und um Ausgleich bemüht.
Spitzer berichtet viel Altbekanntes. Wirtschaft, etwa das Geschehen an der Börse, hat ganz viel mit Psychologie zu tun. So können dann etwa Blasen entstehen, die völlig abgekoppelt sind von Zahlen und Fakten, wie die Crashs von 2000 oder 2008 gezeigt haben. Wer übertrieben optimistisch ist, ist risikobereiter und wird sein Geld leichtfertiger verschleudern als ein Mensch, der kühl und rational denkt und handelt.
Die Bedeutung und die Vorteile von Geld schildert der Autor sehr einleuchtend: Mit höheren Einnahmen steigt die Lebensqualität, zumindest bis zu einer bestimmten Grenze, danach macht uns ein weiteres Einkommensplus nicht mehr zusätzlich glücklich. Mehr Geld bedeutet mehr Optionen, mehr Chancen für Absicherung und zur Absenkung von Ungleichheiten. Wer etwa nicht so hübsch ist, kann sich mit Geld einen Schönheitschirurgen leisten und somit die körperliche Ungleichheit zu seinen Mitmenschen beheben. Ohne Ungleichheiten wäre Geld überflüssig, so Spitzer. Das bedeutet auch, dass wir, je mehr Geld wir haben, um so weniger auf die Gunst und Unterstützung anderer Menschen angewiesen sind. Wer an Geld denkt, sei es auch nur unbewusst, der wird egoistischer und auch einsamer als ein weniger materiell fixierter Mensch.
Wichtig für den Umgang mit Geld ist das Wirtschaftssystem und die Kultur, in der Menschen leben. Spitzer nennt einen afrikanischen Stamm, bei dem es den Probanden im Ultimatum-Spiel wichtiger war nicht als käuflich zu gelten und es somit nicht ihre Priorität war, möglichst viel Geld anzuhäufen, mehr als ihre Mitmenschen.
Spannend sind auch Experimente, in denen die Teilnehmer lieber komplett leer ausgehen statt zu akzeptieren, dass ein anderer 99,9 Prozent der Belohnung und sie selbst nur den kümmerlichen Rest erhalten. Neid spielt hingegen deutlich weniger eine Rolle, wenn wir Deutschen das Gefühl haben, dass ein anderer aufgrund seiner Ausbildung, Fähigkeiten und harten Arbeit ein Einkommen auch tatsächlich verdient hat – im doppelten Wortstinn.
Kaufen macht durchaus glücklich, aber nur für ganz kurze Zeit, denn das Belohnungssystem reagiert erfreut, wenn es etwas Positives lernt, das uns vorher noch nicht bekannt war. Das geht natürlich auch ohne Geld, etwa durch das Lernen neuer Fähigkeiten etc.
Sehr kurz angerissen wird leider die unbewussten Beeinflussungen auf unser Kaufverhalten. In einem Experiment in einem Weingeschäft wurde wahlweise deutsche oder französische Musik gespielt. Die Testpersonen kauften anschließend eher den Wein aus dem Land, mit dessen Musik sie berieselt wurden. Tatsächlich gemerkt hat das nur ein einziger Proband.  
Erlebnisse machen oft glücklicher als materielle Dinge, die mit der Zeit immer weniger Nutzen und Freude spenden und am Ende auf dem Müll landen. Denn beim Erinnern an eine schöne Reise oder ein tolles Konzert, erleben wir die Freude nochmals, außerdem bieten diese Erlebnisse guten Gesprächsstoff und helfen somit uns mit anderen Menschen stärker verbinden zu können.
Interessant wäre noch gewesen zu erfahren, wie negativ sich Schulden, prekäre Jobs und Arbeitslosigkeit auf unsere Gesundheit und unsere Psyche auswirken – an anderer Stelle ist immer wieder zu hören, dass der Verlust des Arbeitsplatzes für Menschen ein ähnlich belastender Einschnitt wie der Tod eines nahestehenden Angehörigen bedeutet.
Als sehr positives Beispiel für ein soziales und vertrauensvolles Wirtschaften nennt Spitzer eine Unterkunft in Norwegen, die er in einem Urlaub besucht hatte. Dort kann jeder Gast übernachten, sich mit Lebensmitteln eindecken und völlig ohne Kontrolle den Geldbetrag für die Dienstleistung und Waren in einem Umschlag in einen Briefschlitz in der Hütte einwerfen. Offensichtlich funktioniert das System, denn ansonsten wäre es längst abgeschafft worden. Vertrauen ist somit ein besonders wichtiges Gut in der Wirtschaft und es kann erhebliche Kosten einsparen, aber eben auch zu großen Problemen führen, wenn das Vertrauen verloren gegangen ist.
Geld im Kopf: Wie Ihr Gehirn mit Geld umgeht
Autor: Manfred Spitzer.
Datum der Erstveröffentlichung: 5. November 2018.
Spielzeit: 74 Minuten.
Verlag: mvg Verlag, 11,99 Euro.
Hörprobe: Geld im Kopf Hörbuch sicher downloaden - jetzt bei Weltbild.de!
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thestefanonline · 3 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 19: Gedanken zum Buy Nothing Day
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„Nur der, der kauft, hat wirklich gespart“
Das Lied „Neun99zig“ von Rio Reiser ist ein passender Soundtrack zum Tag nach Thanksgiving, der wahlweise als Black-Friday, als Kauf-nix-Tag oder bei ganz normalen Menschen, die nicht auf jeden Singsang reagieren, schlicht Freitag heißt. Reisers Song bringt auf den Punkt, wer von einem Kaufrausch am meisten profitiert: der Verkäufer. Und brauche ich ein Produkt wirklich, oder lasse ich mir nur von einer, vermeintlichen oder tatsächlichen großen Preisreduzierung etwas aufschwatzen, was ich mit klarem Kopf gar nicht kaufen würde?
Ja, es ist hinlänglich bekannt, wir überstrapazieren den Verbrauch an Rohstoffen, Natur, Mensch und Tier. So geht es nicht weiter. Blöde Konsumschafe sind immer die anderen. Und wir sind eh viel besser und twittern mit unseren iPhones, Made in China, gegen die böse Globalisierung. Deshalb will ich auch kein Wort zum Sonntag verfassen, nicht heucheln und nicht belehren, sondern nur kurz mitteilen, was mir wirklich hilft, um viel Geld zu sparen und fast nur noch die Produkte und Dienstleistungen kaufe, die ich wirklich haben will, und an denen ich auch noch Monate und Jahre später Freude und von denen ich einen echten Nutzen habe.
Das Rad braucht nicht neu erfunden zu werden. YouTube ist voll von Videos mit Spartipps. Gut und wahr sind diese bewährten Tipps:
1. Mit Bargeld zahlen. Das schmerzt beim Ausgeben und im Gegensatz zu Kreditkarten geht der Überblick nicht so leicht verloren.
2. Alle Einnahmen und Ausgaben aufschreiben und am Ende des Monats summieren.
3. Ein festes Budget festlegen. Hartz-4 sieht vor, dass man von gut 130 Euro monatlich sämtliche Getränke und Lebensmittel kaufen soll. Ich schaffe das erfahrungsgemäß nie, wenn ich essen gehe, Wasser in Flaschen kaufe statt Leitungswasser zu trinken, Alkohol, zu viel Fleisch und zu viele Markenprodukte statt Handelsmarken zu kaufen.
4. Nicht hungrig einkaufen gehen, sondern einen Einkaufszettel schreiben und danach richten.
5. Größere Anschaffungen erst 30 Tage in Ruhe überdenken und statt Spontankäufen lieber mindestens 24 Stunden warten. Gedanken kommen und gehen, viele Bedürfnisse verfliegen über Nacht.
6. Kaufen, wenn man etwas wirklich braucht, haben will und dafür nicht in den Dispokredit rutscht. Vermeintliche Schnäppchen sind oft künstlich schön gerechnet und dienen oft nur dazu, die Lager von alter Ware zu befreien, damit die neuen Produkte Platz haben.
7. Mal einen Ausflug zum Wertstoffhof machen, alte Sachen beim Flohmarkt oder online verkaufen, das ernüchternd vortrefflich. Ein Hardcoverbuch, für 25 Euro gekauft, online zum Verkauf für wenige Cent plus 3 Euro Porto zu sehen, beweist eindrucksvoll: letztlich sind Waren immer nur so viel wert, wie jemand anders bereit ist, dafür zu bezahlen. Also: besser erst gar keinen unnützen Plunder anhäufen, dann braucht man später weniger wegwerfen.
8. Mindestens zehn Prozent des Einkommens sparen. Reserven bilden. Ein Notgroschen schützt vor überteuerten Krediten.
9. Lieber Schuhe für 100 Euro kaufen, die drei Jahre halten statt minderwertige Ware vermeintlich preiswert zu ergattern. Es stimmt: Wer billig kauft, der kauft doppelt.
10. Nutzen, was vorhanden ist. Der unfreiwillige Lockdown durch Corona brachte so viel Zeit mit sich. Warum für viel Geld ins Kino gehen, wenn zu Hause noch so viele ungelesene Bücher stehen. Werbung und Handel drängen zum gedankenlosen Überkonsum. Ist es nicht absurd, immer mehr anzuhäufen und dann gar keine Zeit mehr haben, all die Medienfluten anzusehen, zu hören, zu spielen etc.?
Am Kauf-nix-Tag soll es nicht darum gehen, überhaupt nichts mehr zu kaufen. Selbstverständlich müssen die Grundbedürfnisse nach Nahrung, Wohnung, Kleidung etc. befriedigt werden. Es geht auch nicht ums Belehren. Natürlich kann es viel Freude bereiten, sich ein Smartphone zu kaufen, eine Reise zu buchen und ein Konzert zu besuchen. Und diese Freude wird um so größer, wenn man sie wirklich ganz bewusst auskostet. Der Blick zurück in die Kindheit hilft: Was wollte man da nicht alles für einen Mist haben?
Okay, das war nun doch etwas mehr Wort zum Sonntag als gewollt. Nun werden sich manche Leser wohl einen Schreib-nix-Tag herbeisehnen, aber ich gebe mir Mühe, beim nächsten Mal wieder ein unterhaltsames Thema zu präsentieren.
Schöne Weihnachtszeit und bleiben Sie gesund, liebe Leserinnen und Leser!
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thestefanonline · 3 years
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Der zweite Comic von #ZweiMannProWitz ist da!
Vorbilder heißt er, obwohl wir die ja gar nicht nötig haben...
#hommage #kleineKunstklasse #AufDenSchulternVonGiganten #comics
Idee & Text: @Stefan_Svik
Zeichnung: @TilmannWeigel https://t.co/RAsZ1B1hz8
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thestefanonline · 3 years
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Psychologie Folge 18: Rezension The Big Short
Podcast / Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
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Es lohnt sich, genau hinzuschauen!
Wenn etwas zu schön zu sein scheint, um wahr zu sein, dann ist es oft ein Grund besonders skeptisch zu sein: siehe Wirecard. Aber oft ist es zu mühsam, Zusammenhänge zu verstehen, gerade bei vermeintlich drögen Finanz- und Wirtschaftsthemen, siehe den Betrug mit CumEx. Doch es ist dennoch ratsam, wachsam zu sein. Der Film „The Big Short“ macht Mut zum Anderssein und zum Hinterfragen. Und er beweist, wie aus einem eigentlich relativ trockenen Thema ein spannender Thriller werden kann, der mit sehr viel Sarkasmus und gewitzten Ideen überaus viel Freude bereitet.
Es mangelt nicht an sehenswerten Kinofilmen über skrupellose Finanzjongleure, die sich parasitär am Gemeinwohl bereichern: „Wall Street“ über den Börsencrash von 1987, „Company Men“ und „Margin Call“ über die Immobilien- und Finanzkrise von 2007/2008 sowie im bedingten Umfang auch „The Wolf of Wall Street“ und „Hustlers“ erklären wie der Betrug funktioniert, wie naive Anleger mit schönem Schein getäuscht und um ihr Geld gebracht werden.
„The Big Short“ ist anders. Er ist lustiger, intelligenter, nicht so plump reißerisch, er glorifiziert das asoziale und kriminelle Verhalten nicht und bietet Stars wie Brad Pitt, Selena Gomez, Christian Bale, Margot Robbie und Ryan Gosling. Der Film geht dem Bankensystem so schmerzhaft und sarkastisch auf den Grund wie es etwa David Finchers „Fight Club“ mit der westlichen Konsumgesellschaft tat.
Die Story begleitet parallel vier Außenseiter und ihr Umfeld, den autistischen Michael Burry (Christian Bale), Mark Baum (Steve Carell) und sein Team, Jared Vennett (Ryan Gosling) von der Deutschen Bank und Ben Rickert (Brad Pitt) als Ex-Banker, der zwei Neulinge im Investmentbanking unter die Arme greift. Der Fan von lauter Metal-Musik Burry, gelernter Arzt und inzwischen sehr erfolgreicher Fonds-Manager, entdeckt zuerst, dass eine gewaltige Blase auf dem Immobilienmarkt entsteht. Selbst Arbeitslose ohne Einkommen oder Vermögen können inzwischen problemlos Häuser auf Pump kaufen. Geprüft wird nichts. Und wer sollte das auch tun, wenn die Mitarbeiter der Rating-Agenturen doch davon träumen, möglichst bald zu einer der Banken zu wechseln, die sie überwachen sollen, um dort dann noch mehr Geld zu verdienen.
Burry erkennt früh, dass der große Crash bevorsteht und lässt sich bei Instituten wie Goldman Sachs, Deutsche Bank und vielen weiteren ein eigenes Finanzprodukt auflegen, um gegen den Immobilienmarkt zu wetten. Daher kommt der Name des Films, der überdeutlich auf wahren Begebenheiten beruht, denn „shorten“ meint, dass auf fallende Kurse gewettet wird. Und das erscheint den überheblichen Bankern absolut lächerlich, denn wer würde die Hypotheken für sein eigenes Haus nicht bezahlen? Zum Beispiel eine Stripperin, die bereits acht Häuser gekauft hat, zum anderen Betrüger, die ohne Eigenkapital Häuser „gekauft“ haben und von ihren nichtsahnenden Mietern Geld kassieren.
Letztlich hatten die Banken nichts zu befürchten, weil klar war, dass sie „systemrelevant“ waren und somit mit Geld von allen Steuerzahlern gerettet wurden. Und am Ende wird eh immer Randgruppen wie Flüchtlingen die Schuld in die Schuhe geschoben, wenn Arbeitsplätze verloren gehen.
Beim Zuschauen durchläuft man ein breites Gefühlsspektrum von Wut über Lachen und Mitgefühl für die Opfer, all die Menschen, die ihre Jobs, ihr Erspartes und mitunter aus Verzweiflung auch ihr Leben verloren, weil sie keinen anderen Ausweg als den Selbstmord sahen. Aber es lässt sich auch viel Nützliches lernen: hinter der aufgeblasenen Fassade der Banker mit ihrer absichtlich verwirrend klingenden Fachsprache steckt deutlich weniger Substanz und Kompetenz als es den Schein haben soll. Um so wichtiger, dass es mit den Medien als vierte Macht im Staat wie z.B. „Finanztip“ oder „Financial Times“ und unkonventionellen Menschen wie Michael Burry Streiter für den normalen Verbraucher gibt. Um so bedenklicher, wenn sich der Staat lieber von Lobbyisten einlullen lässt und wie im Fall Wirecard die Warnungen der „Financial Time“ ignoriert wurden. Im Wesentlichen aber ist es der Verdienst von „The Big Short“ ein trockenes Thema lebendig, innovativ und äußerst unterhaltsam und gehaltvoll umzusetzen. Ebenso informativ wie lustig.
Bewertung: 90 %
The Big Short
Genre: Wirtschaftsthriller, Drama, Komödie
Spieldauer: 130 Minuten
FSK: ab 6 Jahren
Regie: Adam McKay
Basierend auf dem Buch von Michael Lewis: The Big Short: Wie eine Handvoll Trader die Welt verzockte
USA, 2016
Trailer: https://www.bing.com/videos/search?q=the+big+short+trailer&&view=detail&mid=D04DCE5E117A73627CD6D04DCE5E117A73627CD6&&FORM=VRDGAR
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thestefanonline · 4 years
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Der erste Comic von #ZweiMannProWitz
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thestefanonline · 4 years
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Rezension: QualityLand 2.0: Kikis Geheimnis
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Demnächst groß als TV-Serie, heute schon groß als Roman
„QualityLand 2.0: Kikis Geheimnis“ gibt es, anders als den Vorgänger, nicht mehr wahlweise in einer hellen oder dunklen Edition. Das passt, denn letztlich ist die Story ohnehin noch düsterer als der erste Teil. Betrachtet man dieses Buch als Teil der Känguru-Reihe, dann hat Marc-Uwe („Der Alte“) längst aufgegeben, das Känguru sorgt als Tablet-PC noch für etwas milde Anarchie, aber ansonsten haben alle resigniert. Richtig gut drauf sind nur noch die oberen Bürger, wie Hendryk Ingenieur, mit Level-99 ist der Boss von The Shop (und die offensichtliche Entsprechung von Jeff Bezos) aber auch etwas einsam, deshalb bietet er Peter Arbeitsloser seine Freundschaft an, um endlich mal keinen Schleimer und Ja-Sager um sich zu haben.
Der neue Status als Kumpel vom Tech-Genie beschert Peter einen Level-Anstieg und zieht damit Aufmerksamkeit auf sich, von seiner Ex, aber auch von dem mysteriösen kriminellen Puppenspieler. Peter arbeitet inzwischen als Therapeut für beschädigte Maschinen wie Dronen mit Flugangst und Kuschel-Roboter mit Ekel vor Berührungen. Auch außerhalb des Arbeitsalltags hat der gutmütige, aber etwas naive Held reichlich zu tun: es gilt zu ergründen, wer Kikis Eltern waren, was John of Us plante, um die Welt zu retten und nicht in Konflikte mit dem mächtigen Quantityland 1 (China) zu geraten.
Im neuen Roman ist alles deutlich direkter als im ersten Ausflug nach Qualityland, aus (überdeutlichen) Anspielungen werden nun klare Namensnennungen, so spielen Elon Musk und seine Pläne, den Mars zu besiedeln eine Rolle. Der undemokratische chinesische Überwachungsstaat wird klar thematisiert und der Frust über das Ignorieren des Klimawandels und die fehlende Bereitschaft sinn- und freudlose Jobs abzuschaffen und lieber ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. Das wirkt etwas platt, wiederholt schon wieder Themen aus den Känguru-Büchern, ist aber deutlich weniger lustig. Die Gags weichen ziemlich gut geschilderten Actionszenen, die Stimmung ist grimmiger und trotz vieler alberner Wortspiele tatsächlich spannend und sehr unterhaltsam.
Die erste Hälfte von „Qualityland 1“ wurde bereits als Comic adaptiert. Der zweite Roman strotzt wieder vor Bezügen zur Popkultur und voll Zeitgeist und die Leser können sich schon mal gedanklich ausmalen wie Figuren wie Ernie und Bert und Tom & Jerry aus dieser Geschichte im Comic und in der HBO-Fernsehserie aussehen werden.
Die Verwandlung Klings-Texte von kurzen, auf eine Pointe hinauslaufende, lustigen Geschichten zuerst für Poetry Slams und dann fürs Radio bis hin zu einer dystopischen SF-Serie ist bemerkenswert. Wer die alten Sachen mit dem Kleinkünstler und dem Känguru lieber machte, kann diese ja erneut lesen oder anhören. Für aufgeschlossene Kling-Jünger ist es aber eine Wohltat mit „Qualityland“ zu erleben, wie der Schriftsteller wächst. Bisher ist die Welt noch nicht ganz so phantasievoll und faszinierend wie „Star Trek“ oder „Futurama“ und der Stuttgarter hält gibt sich zu oft mit dem Naheliegenden zufrieden wie Anspielungen auf den „Terminator“, erfindet aber immerhin den Nachfolger des Smartphones: den Smarm, ein Gerät mit Display am Arm. Von solchen Ideen dürfte es gerne mehr geben, hoffentlich geht diese Reihe noch lang und Kling tobt sich so furios aus wie in den ersten drei Känguru-Büchern!
Wertung: 80 %
QualityLand 2.0: Kikis Geheimnis
Roman
Ullstein Hardcover
Hardcover
432 Seiten
ISBN: 9783550201028
Erscheint: 12.10.2020
Leseprobe: https://qualityland.de/
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thestefanonline · 4 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 17: Bodo Schäfer: „Die Gesetze der Gewinner“
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30 altbewährte und meist gute Ratschläge
Im März 2020 war die Dotcom-Blase geplatzt. Nun war es schwerer geworden noch leichtgläubige, sinnlos euphorisierte und gierige Menschen zu finden, die Aktien von Unternehmen kauften, deren Namen sie nicht mal richtig aussprechen konnten, geschweige denn, dass sie deren Geschäftsmodell verstanden. Nach „Der Weg zur finanziellen Freiheit – In sieben Jahren die erste Million“ legte Bodo Schäfer mit „Die Gesetze der Gewinner“ nach und wirkt deutlich demütiger, leiser und beinahe so väterlich und wohlwollend wie Dale Carnegie.
Das Buch ist gut gegliedert, verzichtet auf Illustrationen, wiederholt etliches aus Schäfers Vorgängerwerk und bietet erneut Wissen an, dass Philosophen vor Jahrtausenden herausfanden  und Coaches wie Dale Carnegie, Napoleon Hill und andere bereits Jahrzehnte zuvor verkauft hatten. Insofern ist das Buch nicht besonders originell oder eigenständig, aber das schmälert nicht den Nutzen.
Zu den besten Tipps der 30 Stück zählen wohl:
1. Gesetz: Treffe Entscheidungen.
2. Gesetz: Lerne und wachse konstant.
3. Gesetz: Erlebe den heutigen Tag bewusst.
7. Gesetz: Gehe richtig mit Stress um.
8. Gesetz: Lerne, Schwierigkeiten zu meistern.
9. Gesetz: Erfinde das Rad nicht neu.
12. Gesetz: Achte auf Deinen Körper.
13. Gesetz: Lass Dich von Ablehnung nicht entmutigen.
17. Gesetz: Setze Dir große Ziele.
18. Gesetz: Gib anderen, was sie brauchen.
19. Gesetz: Lass Dich nicht ablenken.
20. Gesetz: Sei ein produktives Vorbild.
22. Gesetz: Übernimm die volle Verantwortung.
23. Gesetz: Lerne, mit Angst umzugehen.
24. Gesetz: Konzentriere Dich auf Deine Stärken.
26. Gesetz: Gehe klug mit Deinem Geld um.
27. Gesetz: Errichte geduldig Dein Fundament.
Der Rest ist eher redundant und bietet hohle Phrasen wie „Sei ein Adler und keine Ente“ und „gib 110 Prozent“. Schäfer rät also zu: Achtsamkeit, Frustrationstoleranz, Gelassenheit, Disziplin, Selbstvertrauen, Affirmationen, Resilienz, realistischen Zielen, Glauben. Zu ausreichendem Schlaf. Und zu Humor, Lachen und Sport als Stressabbau. Alles Schlagwörter bei denen man beim Coaching-Bingo auf der sicheren Seite ist.
Möchte man gehässig sein, dann könnte man sagen: So ein Buch kann sich heute jeder mit Copy + Paste aus dem Internet zusammenstellen. Passenderweise bietet Schäfer sein „Millionär“- und das „Gewinner“-Buch inzwischen als kostenlosen Download an. Weil sein Ruf als genialer Coach angeschlagen ist und die Bücher nicht mehr gefragt sind? Aber sei‘s drum. Es ist hilfreich, diese 30 „Gesetze“ schnell zur Hand zu haben. Und sie sind mehr als nette Kalendersprüche. Selbstverständlich ist der Inhalt recht pauschal. Niemand soll glauben, dass so ein Buch eine Therapie oder ein individuelles Coaching ersetzt oder als konkrete Beratung zur Geldanlage taugt. Schäfer appelliert an den gesunden Menschenverstand, rät zum rationalen Denken, ohne dabei zu ernüchternde, kalte Ratschläge zu geben. Ein wenig Glauben an Wunder und eine Stärkung des Selbstwertgefühls und des Selbstvertrauens hat der Autor im Programm und das tut schon gut beim Lesen.
Ich selbst habe schon eine Coaching-Veranstaltung besucht, bei der ziemlich genau Passagen aus diesem Buchs vorgetragen wurden. Anschließend bekamen die Teilnehmer als „Geschenk“ (es war ja im Preis enthalten, den der Kunde dafür gezahlt hatte) einen kleinen Adler aus Plastik. Zur Erinnerung daran, dass man keine Ente sondern ein Adler ist. Seitdem und seit Tommy Jauds Parodie auf solche Trainer in dessen Roman „Millionär“, bei dem der Coach zusätzlich noch mit sächsischem Dialekt gesegnet ist, kann ich solche Veranstaltungen sowie Werbung für Network-Marketing nur noch als schlechte Witze wahrnehmen. Dennoch: inhaltlich ist viel schönes und hilfreiches dabei.
Bewertung: 86 %
Bodo Schäfer: „Die Gesetze der Gewinner“
256 Seiten, SC, dtv Verlagsgesellschaft 2003
9,90 Euro
Leseprobe: https://www.buecher.de/shop/mehr-erfolg/die-gesetze-der-gewinner/schaefer-bodo/products_products/detail/prod_id/11999888/
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thestefanonline · 4 years
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Podcast / Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 16: Bodo Schäfer: „Der Weg zur finanziellen Freiheit“
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Ich habe Bodo Schäfer durch seine Auftritte in  der Harald-Schmidt-Show kennengelernt. Das war in der Ära des Neuen Markts im Jahre 2000. Dabei blieb mir neben dem großspurigen Auftreten des Autors auch ein Aktientipp in Erinnerung:  „Yellow-Bubble“ war der Name, wenn ich mich recht entsinne. Schäfer musste später zugeben, dass diese Blase geplatzt war, was mich doch sehr an der Glaubwürdigkeit und Kompetenz des Autors zweifeln ließ. Bodo Schäfer erinnerte mich danach eher an eine Satire-Figur wie aus der Comedyserie „Stromberg“ denn an einen ernstzunehmenden Coach mit fundierten Finanztipps.
Mein Praxistest: Ich habe das Buch ca. 2000 gelesen, in aktiv gemanagte Aktienfonds-Deka-Sparpläne der Sparkasse investiert, die Telekom-Aktie gezeichnet, Nordex-, Plambeck- und EADS-Aktien gekauft und all das brachte unterm Strich plus minus null Euro Gewinn. Was ich von Schäfers Buch konkret gebraucht hätte, wäre der nützliche Tipp in ETF statt in überteuerte aktiv gemanagte Fonds zu investieren. Und was helfen die schönen Reden, wenn Arbeitslosigkeit und weitere Studiengänge und schlecht bezahlte Zeitarbeitsjob gar kein Geld übrig lassen, um zu investieren. In meinem Fall wäre es sinnvoller gewesen, Bafög zu beantragen und Germanistik, Geschichte und Anglistik auf Lehramt oder Psychologie, Technischer Redakteur oder Journalismus zu studieren statt mich von sehr unkonkreten Ratgeberbüchern eher noch mehr irritieren zu lassen. Aber natürlich sind das persönliche Fehlentscheidungen, an denen nicht reißerische Bücher schuld sind, sondern viel mehr unklare Ziele, mangelnde Disziplin und Frustrationstoleranz sowie schlechter Umgang mit Reizüberflutung und Ablenkungen.
Ratgeberbücher bringen eher noch mehr Frust, wenn man nichts damit erreicht. Vermutlich soll man in dieser Phase von Frust, Überforderung und Resignation dann die teuren Coachings buchen, um Unterstützung zu erhalten.
Gut war auch beraten, wer Schäfers Versprechungen von garantierten 12 Prozent Rendite nicht auf den Leim ging und nicht auf seine Empfehlungen hörte und Aktien von Karstadt und der Deutsche Bank kaufte. Ein Buch in einer Phase von Gier und Unwissenheit an den Mann zu bringen, als Unternehmen wie EM.TV mit den Rechten für die Formel 1 und Pokémon-Fernsehübertragungen als Superaktie inszeniert wurden, nur um dann krachend zu scheitern und in der selbst Amazon gehörig ausgebremst wurde, war wie Angeln in einem Aquarium voller Fische.
Trotz persönlicher schlechter Erfahrungen mit diesem „Wunder-Buch“ versöhnte mich das später folgende „Die Gesetze der Gewinner“ und wenn man die Emotionen bei Seite lässt, das Geschwurbel und die heiße Luft ignoriert, dann enthält das Buch durchaus einige brauchbare Tipps.
Das Buch ist gut gegliedert, Informationen lassen sich rasch finden und es lädt dazu ein, immer wieder darin zu blättern und aktiv damit zu arbeiten.
Kurz zusammengefasst rät Bodo Schäfer folgendes:
Zuerst sollte man seine Glaubenssätze überprüfen und sich ganz auf sein Ziel fokussieren. Geld verdirbt also mitnichten den Charakter, sondern es vergrößert die Optionen, auch die, mehr Geld spenden zu können und damit etwas sinnvolles für sich und andere zu leisten.
Wer Schulden hat, sollte diese schnell abbauen und nebenbei bereits Vermögen aufbauen. Mindestens zehn Prozent des Einkommens sollten gespart werden, am besten in Aktien und Aktienfonds.
Man soll sich große Ziele setzen. Selbst wenn man in sieben Jahren nicht eine Million (damals im Jahr 2000 waren damit noch Deutsche Mark gemeint) erreicht, so liegt der Fokus doch klar darauf, zu sparen und zu investieren. Und nach sieben Jahren 20.000 DM zu haben ist allemal besser als verschuldet zu sein.
Vermeide Schulden! Lass dich nicht vom Überkonsum unserer Gesellschaft dazu verleiten, Dinge, gerade auch keine Aktien, auf Kredit zu kaufen! Erst arbeiten und sparen und erst dann investieren und konsumieren.
Bilde dich weiter, erarbeite dir Beförderungen, nutze alle Chancen, um mehr Geld zu verdienen. Übernimm die volle Verantwortung für dein Handeln statt anderen die Schuld zu geben. Ignoriere Menschen, die dich herunterziehen wollen, umgib dich mit Vorbildern. Hab Geduld und nimm über lange Zeit deutlich mehr Geld ein als du ausgibst. Lebe mit 5 DM pro Tag (heute würde Schäfer wohl 5 Euro sagen, was etwas mehr ist als der tägliche Hartz-4 Satz für Ernährung ist).
Das alles wird recht salbungsvoll mit „Power-Ideen“ angepriesen. Alles nicht neu, alles nicht sehr tiefgründig. Aber als Qualifikation kann Schäfer laut Klappentext auch nur dies vorweisen: „Millionär, Autor und Geld-Trainer“. Das könnten auch Lotto-Gewinner, der Wirecard-Vorstand, Mike Tyson, Franck Ribéry oder andere über sich selbst sagen. Menschen mit abgeschlossenem Universitätsstudium und konkret nachweisbaren Leistungen wie Jeff Bezos und Bill Gates würde ich im Zweifelsfall eher vertrauen und lieber zuhören. Und Menschen wie Warren Buffet oder auch Harald Schmidt geben auf unterhaltsamere Weise bessere Tipps zu Aktien und Vermögensaufbau.
„Der Weg zur finanziellen Freiheit“ ist trotz des gewissen Trash-Faktors durchaus ein Überfliegen des Inhalts wert.
Bewertung: 70 %
Bodo Schäfer: „Der Weg zur finanziellen Freiheit“.
Genre: Ratgeber.
320 Seiten.
9,90 Euro.
Campus Verlag 2000.
Leseprobe: https://www.buecher.de/shop/kapitalanlage/der-weg-zur-finanziellen-freiheit/schaefer-bodo/products_products/detail/prod_id/11207711/
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thestefanonline · 4 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 15: Dale Carnegie: „Sorge dich nicht, lebe!“
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Zeitlose Lebenshilfe
Der US-amerikanische Kommunikations- und Motivationstrainer Dale Carnegie (1888-1955) hat mit „Sorge dich nicht – lebe!“ wohl eines der hierzulande bekanntesten Bücher über das Positive Denken geschrieben. Das es bereits 1948 erschien, fällt an der teils etwas altmodischen Sprache auf und an Beispielen von US-Unternehmern, die heute nicht mehr so bekannt sind. Der Text überzeugt durch seine freundliche, selbstironische Art und dank zeitloser Weisheiten von Philosophen und anderen klugen Menschen wie Aristoteles, Rudyard Kipling, Dr. Reinhold Niebuhr, C. G. Jung, Jesus, Epiktet u.v.m.
Vor gut 25 Jahren hatte ich es zum ersten Mal gelesen. Beim Wiederentdecken des Stoffs als Hörbuch wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, so ein Werk nicht nur einmalig zu lesen, sondern damit zu arbeiten und zumindest bestimmte Passagen immer wieder in Erinnerung zu rufen, zu üben und zu lernen. Das große, perfekte Wundermittel, welches sämtliche Probleme der Welt löst, kann weder dieses noch irgendein anderes, einzelnes Buch sein, doch Dale Carnegie bietet erstaunlich viel fundierte und konkrete Hilfe an!
Skeptiker erhalten gleich zu Beginn den Hinweis, dass dieser Ratgeber nicht unkritische Menschen erschaffen soll, die nicht mehr nachdenken und zu allem ja sagen. Es ist keine Gehirnwäsche, um zum Roboter zu werden, sondern erläutert ausführlich den Unterschied zwischen sinnvollem Nachdenken und Planen einerseits und negativem Dauergrübeln, destruktiver Angst, Dauerstress und unbegründeter Sorgen andererseits.
Der Autor gibt viele konkrete Beispiele aus seinem und dem Leben seiner Kursteilnehmer und eben von berühmten Personen wie US-Präsidenten und Unternehmern, Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, Menschen mit Krankheiten und anderen schweren Schicksalsschlägen, die Wege fanden, dennoch ein Leben ohne Sorgen zu führen. Religion, Philosophie, Psychologie – alles wird von Carnegie erfolgreich nach Tipps zur Lebensführung durchsucht, ohne sich dabei anzumaßen, sich zum sektenähnlichen, angeblich allwissenden Guru zu stilisieren. Wer will, der kann seine Zeit weiterhin mit Groll und Gedanken verschwenden, über Dinge, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nie passieren werden. Carnegie unterbreitet lediglich ein Angebot und gerade dadurch wirkt sein Ratgeberbuch so sympathisch. Der Autor hat sich im Vergleich zu „Wie man Freunde gewinnt“ deutlich gesteigert und bietet dieses Mal erheblich mehr Tiefgang und Inhalt fürs Geld.
Zu Beginn fordert der ehemalige Bauernjunge vom Lande zum aktiven Mitarbeiten auf, denn „nur angewandtes Wissen bleibt in Erinnerung“. Der Autor gibt „Hausaufgaben“ auf, wie das Führen eines Erfolgstagebuchs, um den Blick auf Positives zu lenken. Nicht in Angst und Sorge leben, sondern vernünftige Pläne für die Zukunft schmieden, aber ganz im Hier und Jetzt leben statt in der Vergangenheit oder der Zukunft, denn das muss zwangsläufig zur Überlastung führen. Der Autor riet also bereits 1948 zu dem, was heute schon fast inflationär als Achtsamkeit und Resilienz angepriesen wird, gerade so als wäre es eine ganz neue Erfindung.
Im Hörbuch sorgen Meeresgeräusche zwischen den Kapiteln für Beruhigung und nach jedem Themenbereich gibt es eine kurze Zusammenfassung.
Carnegie verdeutlicht, warum es so wichtig ist, sich von unnützen Sorgen zu trennen. Denn Angst und Grübeln stört unsere Konzentration und Leistungsfähigkeit. Der Dauerstress begünstigt psychische und psychosomatische Krankheiten. Diabetes, Übergewicht, Magengeschwüre, Kopfschmerzen und anderes werden durch ständige Besorgtheit gefördert.
Gut für die Gesundheit sind besonders vier Dinge: Musik, Schlaf, Humor und Glaube. An anderer Stelle wird außerdem noch die positive Wirkung von körperlicher Aktivität genannt.
Ein Beispiel für das Bewältigen einer beängstigenden Situation sieht so aus: Ich sammle zuerst in Ruhe alle verfügbaren Fakten. Dann entscheide ich mich für die beste Lösung und überwerfe diese nicht durch nochmaliges Grübeln, sondern ich handle. Dafür beantworte ich mir folgende vier Fragen:
1. Was ist das Problem?
2. Was ist die Ursache?
3. Welche Lösungen gibt es?
4. Welches ist die beste Lösung?
Der Rhetoriklehrer Carnegie weist überzeugend darauf hin, dass Menschen in wirklich lebensbedrohlichen Situationen erstaunliche Kräfte mobilisieren. Naturkatastrophen, Kriege, Hungersnöte sind Probleme, die ganz akut nach einer konkreten Lösung verlangen und Menschen sind überrascht, dass sie diese tatsächlich lösen können. Im Alltag hingegen sind es eher Kleinigkeiten, die bedrücken. Ein falsches Wort und schon eskaliert ein Konflikt, der ähnlich der chinesischen Wasserfolter Stück für Stück und über lange Zeit immer unangenehmer wurde. Das Leben ist zu kurz für Kleinigkeiten, rät der Coach.
Finden wir uns mit dem Unvermeidlichen ab! Kämpfen, wenn man es kann, aber akzeptieren, wenn ein Kampf aussichtslos ist. Zählen sie die Geschenke in ihrem Leben und nicht die Probleme. Ebenfalls sehr hilfreich: Gelassenheit und Erholungspausen. Wer meint, die Mittagspause durcharbeiten zu müssen, leistet letztlich weniger als derjenige, der seinem Gehirn und Körper Zeit zur Regenartion lässt. 70 Stunden arbeiten, über jeden Kleinkram aufregen, Freude und Sinn auf später verschieben und mit 59 am Herzinfarkt sterben oder eine gesunde Balance aus Arbeit und Freizeit herstellen – jeder Mensch hat die freie Wahl.
„Sorge dich nicht, lebe!“ hat so einen freundlichen, gelassenen, selbstironischen und würdevollen Ton, das es eine helle Freude ist, es immer wieder zu lesen oder zu hören. Es ist so viel sympathischer und hilfreicher als die lauten, aggressiven Schreihälse, die so viel Öffentlichkeit auf sich ziehen mit ihren Vorträgen, in denen es oft nur darum geht, mehr Geld anzuhäufen, um damit protzen zu können und die innere Leere zu kaschieren. Carnegies Buch fühlt sich an wie ein Gottesdienst, bei dem jede Konfession und auch Freidenker willkommen sind und bei dem tatsächlich Relevantes mitgeteilt wird, ohne das vorher, währenddessen und hinterher der Klingelbeutel herumgereicht wird.
Wertung: 92 %
Dale Carnegie: „Sorge dich nicht, lebe!“
Laufzeit: 525 Minuten.
Gelesen von: Till Hagen, Stefan Kaminski.
Das Buch erschien erstmals: 1948.
Das Hörbuch erschien: Am 17.06.2016.
Das Hörbuch ist z. B. auf Deezer verfügbar.
Leseprobe: https://www.book2look.com/book/9783596512812
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thestefanonline · 4 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 14:  Das Dilemma mit den sozialen Medien
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Social Media: Neues Medium, Filterblase, Suchtmittel, Riesengeschäft
Was hat eine Dokumentation über Google, Facebook, Twitter und andere Tech-Unternehmen mit Psychologie und Tipps für ein gesünderes, erfüllteres und besseres Leben zu tun? Überraschend viel, tatsächlich erinnert „Das Dilemma mit den sozialen Medien“ an Manfred Spitzers kontrovers diskutiertes Buch „Digitale Demenz“, indem der Neurowissenschaftler und Psychiater erklärt wie sehr Smartphone-Nutzung und neue Medien unser Gehirn beeinflussen und zwar gerade bei Heranwachsenden. Andere Aspekte des Films erinnern stark an das Buch bzw. den Film „The Circle“, indem es um Chancen, zumeist aber um die Risiken der Tech-Revolution geht. Besonders relevant ist die Doku von 2020, weil ehemalige Mitarbeiter von Apple, Instagram, Facebook und Co. ausführlich zu Wort kommen. Interessant ist, dass Amazon und Netflix nicht explizit erwähnt werden, dabei gehören die genauso sehr dazu. Die Doku ist ein wichtiger Einstieg in Themen wie Neue Medien, Medienkompetenz und Künstliche Intelligenz, enttäuscht aber doch etwas.
Ein Verdienst des Werks ist die klare Benennung der negativen Aspekte der übermäßigen Nutzung der neuen Medien. Nicht wenige, gerade jüngere Menschen, leiden unter den falschen Schönheitsvorstellungen der bearbeiteten Fotos auf Instagram und anderswo. Psychische Störungen werden noch befördert, Ängste und Isolation verstärkt. Der permanente Vergleich mit anderen Menschen, die Gier nach Aufmerksamkeit und Zustimmung machen etwas mit uns. Junge Leute trauen sich weniger zu, riskieren weniger, haben seltener Dates, heißt es in der Sendung. Normalität und Fakten erscheinen offenbar vielen zu langweilig und irre Verschwörungstheorien binden nutzen länger auf den Seiten, was letztlich auch für Werbetreibende attraktiv ist. Menschen, die also eh schon Probleme haben, werden so gegebenenfalls noch tiefer in Wahnvorstellungen getrieben – im Film wird das dokumentiert: da will ein Mann in den USA mit seiner Waffe in den nicht vorhandenen Keller einer Pizzeria stürmen, um einen Kindesmissbrauch zu verhindern, der ihm im Internet eingeredet wurde.  Es wirkt schon wie ein großes, fieses Menschenexperiment, wenn leichtgläubigen Gemütern eingeredet wird, dass die Erde eine Scheibe ist und ihn noch anderen Unsinn eingeredet wird.
Was dem Film nicht gut steht sind die Spielfilmsequenzen zwischen den Interviews. Die scheinen von dem Disney-Film „Alles steht Kopf“ (2015) inspiriert zu sein, bei dem wir das turbulente Gefühlsleben eines kleinen Mädchens anhand von Figuren kennenlernen, die für bestimmte Emotionen stehen. Im Fall dieser Doku sind es sozusagen sprechende Computerprogramme, die sich Gedanken machen, wie sie die Nutzer noch länger binden, Daten von ihnen abgreifen und zielgerichtet mit Werbung beeinflussen können, um immer noch mehr Geld zu verdienen und die Welt ein kleines, aber bedeutendes Stück zu beeinflussen.
Es ist klar, dass der Film sich auf sein Thema konzentriert und aufzeigt, wie Technik dazu beiträgt die Gesellschaft immer mehr zu spalten. Der Trailer beginnt bereits mit einer der stärksten Erkenntnisse dieses Werks: Je nach Region und Zielgruppe liefern Google, YouTube, Facebook usw. unterschiedliche Inhalte. Wer an Verschwörungstheorien glaubt, bekommt immer mehr solche Inhalte. Mit Klicks und dem Folgen von Empfehlungen lernt das System immer mehr: über die Nutzer, über Chancen Werbung präzise zu schalten und Kunden immer länger zu binden. Alles wichtig, alles berechtigt. Allerdings vernachlässigt der Film völlig die anderen Aspekte, warum Menschen z. B. Donald Trump wählen, wieso viele, die sich abgehängt fühlen, Politikern und Medien nicht mehr trauen. Globalisierung, eine Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse, Zeitarbeit, das Auseinanderdriften von Armen und Reichen, ungelöste Probleme mit Zuwanderung, Klimawandel, massenhafte Jobverluste durch die Digitalisierung – auch wenn sich manche der Befragten und der Film im ganzen etwas sehr wichtig nehmen, es sind doch eher eine Vielzahl von Gründen, die unsere heutige Weltlage geformt haben als nur Twitter und Facebook. Allerdings sind soziale Medien eben mitunter der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt bzw. Wahlen beeinflusst.
Der Film liefert etliche Argumente dafür, dass die Monopolstellung der großen Tech-Unternehmen reguliert werden sollte und er ist geradezu ein Plädoyer dafür, kritisch zu denken, unabhängige Qualitätsmedien und öffentlich-rechtliche Medien zu nutzen. All das kostet Geld, aber wie bringt es einer der Redner treffend auf den Punkt? Wenn etwas nichts kostet, dann sind wir das Produkt.
Mitunter wird der Ton etwas polemisch. Das Warnen vor der unbestreitbaren Suchtwirkung von elektronischen Medien meistert die Doku eindrucksvoll. Wenn dann ganz pathetisch behauptet wird, dass lediglich in zwei Arten von Geschäften Kunden als „User“ bezeichnet werden, nämlich bei Drogen und Software, ist das natürlich totaler Quatsch. Es sei etwa an die wunderbare Doku „Super-size me“ erinnert. Darin werden treue Kunden von McDonalds, und das soll nicht unbedingt ein Wortspiel sein, als „heavy user“ bezeichnet.
Auch der Begriff „Überwachungskapitalismus“ wirkt etwas überzogen. Leider haben die Filmemacher die positiven Aspekte der neuen Technik praktisch komplett unter den Tisch fallen lassen. Ja, Google verdient sein Geld mit unseren Daten, aber Dienste wie eine Suchmaschine, YouTube als die Zukunft des Fernsehens, selbstfahrende Autos, Google Maps oder die Erforschung lebensverlängernder Maßnahmen sind nicht nur handfeste Produkte, sie sind sogar überaus nützlich. Ganz kurz kommt ein Kritiker zu Wort, der bemerkt, dass früher auch Innovationen wie Bücher, Zeitungen, Fernsehen, Videokassetten, Computerspiele, das Auto und gar die Eisenbahn beschuldigt wurden, nur Schlechtes in die Welt zu bringen. Allerdings folgen dann im Film gute Argumente dafür, warum diese völlig neue Verknüpfung von Hochleistungsrechnern in einem weltweiten Datennetz dann doch eine ganz neue Dimension und Herausforderung darstellen. Das Thema ist komplex, zu komplex für nur einen Film. Viele intelligente Menschen interessieren sich dafür, so findet sich im Publikum eines Vortrags, der im Film dokumentiert wird, sogar der berühmte „Steve“ Wozniak. Es lohnt sich die Themen weiter zu vertiefen, etwa mit der Doku „Cambridge Analyticas großer Hack“, ebenfalls auf Netflix. Und ja, damit dieser Text nicht genau das tut, wogegen er predigt: neben Netflix gibt es natürlich auch andere Streaming-Anbieter und Fernsehsender wie ARD und Arte, die wahrscheinlich einen ausgewogeneren Film fabriziert hätten. Und ansonsten gilt, nach wie vor der Rat von Peter Lustig: „Abschalten nicht vergessen!“. Im Abspann werden diverse Lösungsvorschläge unterbreitet. Niemand ist gezwungen sich bei Facebook und Konkurrenten anzumelden bzw. dort zu bleiben.
Sehr passend ist dann auch, dass der Spielfilm „Die Truman Show“ zitiert wird. Dieser kluge und lustige Film mit Jim Carrey nahm 1998 bereits vorweg, in welche Richtung sich die Welt verändern sollte.
Social Media wurde nicht von Kinderpsychologen für das Wohl von Kindern oder Erwachsenen erschaffen, sondern von hochprofitablen Unternehmen, die mit Jeff Bezos, Bill Gates, Mark Zuckerberg und Co. die reichsten Menschen in der Geschichte der Menschheit hervorbrachten. Einige der Befragten erzählen, dass sie den Alphabet-Konzern aus ethischen Gründen verließen, weil Google nicht mehr das war, was es in idealistischeren Anfangstagen für manche wohl war. Eine frühe Instagram-Mitarbeiterin findet es hohl, dass das Internet von heute zu einer Art riesigem Kaufhaus geworden ist. Sie sagt zu recht: „Da muss es doch noch mehr im Leben geben.“.
Wertung: 78 %
Das Dilemma mit den sozialen Medien
Seit 9.9.2020 auf Netflix.
Laufzeit: 1 Stunde, 34 Minuten.
Altersempfehlung: ab 6 Jahren.
USA, 2020.
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=uaaC57tcci0
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thestefanonline · 4 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 13: Dale Carnegie: „Wie man Freunde gewinnt“
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„Der Mensch will bedeutend sein“
Der US-amerikanische Kommunikations- und Motivationstrainer Dale Carnegie (1888-1955) hat mit „Sorge dich nicht – lebe!“ wohl eines der hierzulande bekanntesten Bücher über das Positive Denken geschrieben. Außerdem ist er der Autor des Ratgebers über das Schließen von Freundschaften, was auf manchen potenziellen Leser vermutlich etwas befremdlich wirkt, klingt es doch nach Manipulation und dem Erläutern einer Fähigkeit, die bereits fast jedes Kind instinktiv beherrscht.
Entstanden ist das Buch, so schildert es Carnegie, als er Kurse über Rhetorik hielt und dabei bemerkte, wie sehr es den Teilnehmern an grundlegenden sozialen Fähigkeiten mangelte. „Wie man Freunde gewinnt“ lehrt Empathie und ermahnt zu mehr Frustrationstoleranz und Geduld, Demut, Dankbarkeit, Respekt und Rücksicht mit seinen Mitmenschen. Es ist aber vor allem für oberflächliche Beziehungen, etwa im Verkaufsgespräch gedacht. Der Autor verrät ehrlicherweise, dass es kein allgemein gültiges Patentrezept gibt, um mit sämtlichen Menschen klarzukommen. Wer also Tipps gegen Mobbing und Hilfe bei tiefer gehenden Problemen sucht, wird in diesem Buch zwar Anregungen finden, aber damit allein nicht über bestimmte Grenzen hinauskommen. Es bleibt so oberflächlich wie das amerikanische „How are you?“, auf das nur eine einzige Antwort erwartet wird: „Fine. Thank you. How are you?“.
Das Buch ist schon sehr alt und es stammt aus den USA, das merkt man an den Beispielen, die Carnegie gibt: sehr gerne orientiert er sich an US-Präsidenten. Und statt von einer Psychiatrie spricht er von einer „Irrenanstalt“ und bezieht sich auf einen Arbeitsmarkt, der so völlig anders aussah als es 2020 der Fall ist, in dem eine abgeschlossene Berufsausbildung längst kein Garant mehr ist, um Arbeit zu finden.
Der Ratgeber ist in sechs Teile aufgeteilt. Im Grunde genommen enthält das Buch recht wenig Inhalt, der dafür dann ständig wiederholt wird. Die Sprache ist klar verständlich und die Beispiele sind trotz ihrer teilweisen Angestaubtheit gut gewählt und überzeugend. Als Hörbuch werden die Kapitel durch freundliches Vogelgezwitscher unterbrochen und der Sprecher fasst zusammen, was soeben gelehrt wurde. Wie bei jedem vernünftigen Ratgeberbuch gilt, dass es nicht am Stück konsumiert werden sollte. Besser immer wieder pausieren und aktiv mitarbeiten, etwa durch Notizen, um sich den Inhalt besser einzuprägen. Vor allem sollten die Lektionen in der Praxis umgesetzt werden, sonst bleibt es nur Berieselung und Zeitvertreib und dafür ist das Buch weder unterhaltsam genug noch sprachlich besonders erquickend.
Versetze Dich in andere Menschen hinein! Wer gerne Sahnetorte isst und dann zum Angeln geht, wird erfolglos bleiben, wenn er Fische mit Süßkram anlocken will, denn das schmeckt zwar dem Angler, aber die Fische sollten mit dem geködert werden, was sie mögen.
95 Prozent ihrer Zeit denken Menschen an sich selbst. Wieso sollten sie sich für uns interessieren, vor allem dann, wenn sie uns offensichtlich ebenfalls gleichgültig sind?
Höre anderen Menschen gut zu! Lass sie ausreden! Menschen lieben es, ihren eigenen Namen zu hören. Also ist es sehr vorteilhaft, wenn man sich ihre Namen merkt und ihnen Respekt zollt, indem man sie korrekt anspricht.
Menschen wollen ihr Gesicht wahren. Beginne Gespräche mit einem Kompliment oder mit Dingen, in denen ihr euch einig seid, sammle „Ja‘s“ ein, dann ist es leichter auch eine Zusage zu dem zu erhalten, was man eigentlich vom anderen möchte. Das habe bereits Sokrates begriffen, betont Carnegie.
Lobe und gib Vorschusslorbeeren statt zu tadeln, dann erreichst du viel eher dein Ziel.
Menschen wollen gerne etwas kaufen, aber sie wollen ungerne etwas aufgeschwatzt bekommen. Gib anderen die Möglichkeit zu glauben, dass sie selbst auf die Idee gekommen sind, die du ihnen suggeriert hast.
Einen Streit kann man nur gewinnen, indem man ihn gar nicht erst führt. Als Beispiel nennt Carnegie eine Party, bei welcher der Gastgeber darauf beharrte, dass ein Zitat aus der Bibel und nicht von Shakespeare stamme. Der Mann hatte Unrecht, der Gast ließ es auf sich beruhen. Der Klügere gab also nach. Hätte der Gast bewiesen, dass er im Recht ist, hätte er ganz kurz einen Triumph haben können, hätte dafür aber den Gastgeber blamiert und sich somit eventuell einen Feind gemacht. Tatsächlich weist Carnegie darauf hin, dass Diplomatie ratsam ist und reflexartige Reaktionen oft nicht empfehlenswert sind. Er schreibt aber auch, dass es besonders bei empfindlichen Menschen gut ist, sehr vorsichtig in der Wortwahl und beim Verhalten zu sein – das gilt aber eben nicht zwangsläufig im Umgang mit jedem Menschen. Glücklicherweise gibt es vertrauten Menschen, die Sarkasmus verstehen, die kritikfähig, selbstironisch und klug genug sind und bei denen nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss.
Bis hierher klingt Carnegies Buch wie eine extrem unsympathische Anleitung zur Schleimerei, zum Verbiegen und zur völligen Unaufrichtigkeit, und das im Grunde genommen nur mit dem banalen Ziel, anderen etwas zu verhökern oder sie für die eigenen Zwecke einspannen zu wollen. Doch dieser Eindruck ist nicht ganz richtig. Carnegie rät dazu, ehrlich zu loben statt unaufrichtig zu schleimen, denn Schleimer mag niemand! Die Sekretärin ist sehr unbeholfen beim Diktat? Aber was bewundert man an ihr aufrichtig? Carnegie nennt als Beispiel eine Szene, in der die Dame für ihre wundervolle Kleidung gelobt wird. Dann lässt man der Frau Zeit, das Kompliment auszukosten und schiebt hinterher, dass sie in Zukunft bitte besser auf die Zeichensetzung achten möge.
Gib deine eigenen Fehler zu. Interesse dich aufrichtig für andere Menschen und gewinne in zwei  Monaten mehr Freunde als andere, die zwei Jahre damit vergeuden, andere für sich interessieren zu wollen. Carnegie zitiert dazu viele Briefe aus dem Geschäftsleben und schildert Situationen mit mächtigen Unternehmern, gibt Beispiele, wie ein Streit perfekt deeskaliert wurde und am Ende noch größere Aufträge fürs eigene Unternehmen hereingeholt werden konnten.
Wenn du dich bewirbst, dann erzähle nicht nur von dir, sondern vermittle vor allem, welchen Nutzen du dem anderen bringst und wie du dem Unternehmen hilfst, mehr Geld zu verdienen.
Im Grunde ist es in jedem Kapitel immer das gleiche Spiel: Gib anderen Menschen zuerst das, was sie brauchen und fange Fliegen mit Honig statt mit Galle. Das alles ließe sich auch auf zehn Seiten in einem Zeitschriftenartikel etwa im „Spiegel“ oder in „Psychologie Heute“ unterbringen, aber Carnegie geht auf Nummer sicher und wiederholt seine Aussagen so lange, bis sie wohl jeder gehört hat. Nun gilt es nur noch, das Gelernte in die Tat umzusetzen.
Wertung: 75 %
Dale Carnegie: „Wie man Freunde gewinnt“
Laufzeit: 449 Minuten.
Gelesen von: Till Hagen, Stefan Kaminski.
Das Buch erschien erstmals: 1936.
Das Hörbuch erschien: Am 05.04.2012.
Das Hörbuch ist z. B. auf Deezer verfügbar.
Leseprobe: https://www.buecher.de/shop/mehr-erfolg/wie-man-freunde-gewinnt/carnegie-dale/products_products/detail/prod_id/32562329/
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thestefanonline · 4 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 12:  „Versicherungsvertreter – Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker“ & „Versicherungsvertreter 2 - Mehmet Göker macht weiter“
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„Alles nur Blenderei“
Filme können so viele Deutungen zulassen, gerade bei den beiden Dokumentationen über den Versicherungsvertreter Mehmet Göker wird das besonders deutlich. Für die einen ist der Film fast schon eine Parodie auf geldgierige, gewissenlose Sprücheklopfer, für andere ist es Werbung für den vermeintlich schnellen Ausweg aus prekären finanziellen Verhältnissen und dann ist es noch eine Geschichte darüber, wie gering die Aufstiegschancen und der Verdienst in seriösen Berufen wie im Callcenter ist, wahrscheinlich besonders für Migranten. Zu guter Letzt zeigt der Film auch, wie begeistert namhafte Unternehmen Bauernopfer wie den Deutschtürken Göker erst Riesengewinne erwirtschaften lassen und ihn dann wie eine heiße Kartoffel fallenlassen, wenn der ganze Betrug auffliegt. Eine Art Wirtschaftsdrama wie „The Wolf of Wall Street“ nur in der kleineren, provinziellen, piefigen deutschen Variante.
Es wird Zeit, dass es in diesem Blog deutlich mehr um positive Beispiele für Coaching und Lebenshilfe gibt und Texte dazu sind auch bereits in Arbeit. Aber diese beiden Dokumentarfilme zeigen so gut, wie wichtig es ist realistische Ziele zu setzen, nicht gierig oder gar kriminell zu werden, nur um das vermeintliche Traumleben zu erreichen.
Göker schmückt sich, ähnlich wie Jürgen Höller, mit selbstlosen Vorbildern, in seinem Fall ist Gandhi dabei. Vielleicht wäre Jesus auch hilfreich, gibt die Bibel doch folgendes zu bedenken: „Und welchen Nutzen hätte der Mensch, ob er die ganze Welt gewönne, und verlöre sich selbst oder beschädigte sich selbst?“. Aber Gandhi selbst sollte auch genügen, zumindest, wenn man seine Worte begreift: „Die Welt ist ausreichend für die Bedürfnisse des Menschen, aber nicht für seine Habgier.“.
Mehmet Göker ist inzwischen dazu gezwungen, in der Türkei zu leben, weil in Deutschland ein offenes Strafverfahren gegen ihn vorliegt, er ist an Krebs erkrankt, hat keinen Kontakt zu seinem Kind und dessen Mutter und hat in seinen Zwanzigern Millionen eingenommen, in dem er Menschen private Krankenversicherungen verkaufen ließ. Er gab Hunderte Menschen Arbeit und nahm ihnen diese Arbeit dann rasch wieder. Er häufte Millionen Schulden auf. Viel Show, kaum Substanz. Rasanter Aufstieg, tiefer Fall – damit lässt sich ein Publikum begeistern, einige werden sich angespornt fühlen, andere eine Mischung aus Faszination, Abscheu, Verachtung und Mitleid empfinden.
Der erste Film ist deutlich gehaltvoller als die Fortsetzung. Während Göker in Teil 2 vor allem krampfhaft versucht, das Image als Kämpfer und den Schein des erfolgreichen Geschäftsmanns aufrechtzuerhalten und dabei immer überdeutlicher als tragische Figur entmystifiziert wird, lässt er in Teil 1 noch ungehemmt den megalomanischen Grosskotz raus, eine groteske Yuppie-Parodie wie sie nur noch von Patrick Bateman aus „American Psycho“ übertroffen wird. Der völlig fehlgedeutete amerikanische Traum als Streben nach Ruhm, Reichtum, schönen Frauen und schnellen Autos. Neben dem oberflächlichen Geprotze kommen auch Finanzexperten zu Wort und Fußballexperte Günter Netzer oder die Repräsentanten namhafter deutscher Versicherungskonzerne dürften im Nachhinein ihre, im Film dokumentieren, warmen Worte über Göker und sein Unternehmen MEG bereuen. Während sich der zweite Film eher wie Nachtreten auf einen längst am Boden liegenden Mann anfühlt, nähert sich Teil 1 Göker ausgewogener.
Was die Filme hervorragend und authentisch wiedergeben sind der Gruppenzwang, der Leistungsdruck und das, wie es ein Ex-Mitarbeiter ausdrückt, Gefühl, Teil einer Sekte oder einer Bewegung wie im Jugendbuch „Die Welle“ zu sein. In Schulungen und stundenlangen Preisverleihungen werden die Mitarbeiter so sehr indoktriniert und unter Druck gesetzt, immer mehr zu verkaufen, dass es nicht verwundert, wenn dabei Vertragsabschlüsse zustande kommen, von denen die vermeintlichen Kunden gar nichts wissen. Das Wohl der Kunden ist Nebensache. Allerdings kommen eben auch Ex-Mitarbeiter zu Wort, die so nicht arbeiten wollten und rechtzeitig erkannten, dass das versprochene, schnelle, große Geld für die Mehrzahl eine Illusion blieb.
Manches in „Versicherungsvertreter“ erinnert an Erlebnisse, die wohl viele Menschen selbst kennen, die im Vertrieb gearbeitet haben. Im Gegensatz zu seriösen Unternehmen schmiss Göker aber offenbar viel zu viel Geld sinnlos aus dem Fenster und sabotierte somit selbst die Chance auf längere Sicht hohe Gewinne einzufahren. Ja-Sager wurden reich beschenkt. Es entstand ein Sog, der auch einen Ferrari-Händler erfolgreich blendete. In manchem Momenten wirkt Göker wie ein unreifer Junge, der sich mit Geld Freundschaft, Bewunderung, Anerkennung und Liebe kaufen will.
Wenn Göker sein altes Kinderzimmer zeigt, liebevoll mit seiner Mutter umgeht und davon erzählt, wie oft er angefeindet wurde, weil er ein Türke in Deutschland ist und wenn er voller Stolz erzählt, wie er sich aus kleinen Versicherungskaufmann zum Millionär hochgearbeitet hat, dann wäre das bin dahin eine so inspirierende und ermutigende Geschichte wie der Spielfilm „Das Streben nach Glück“, wobei die zu großspurige Art des Protagonisten, der offenbar gar nicht in der Lage ist zu reden, sondern lediglich brüllen kann, nicht unbedingt der ideale Held ist. Motivation, der unbedingte Wille zum Erfolg, Fleiß, Disziplin und Ehrgeiz können Wunder bewirken, aber dann geriet Göker offensichtlich auf einen komplett selbstzerstörerischen Weg. Tragisch, lehrreich und ein sehenswerter Film.
Am Ende des zweiten Films fragt Göker: „Wer motiviert eigentlich mich?“. Ich würde sagen: Vermutlich falsch verstandene Hollywoodfilme wie „Wall Street“ und „The Wolf of Wall Street“ und schlechte Einflüsse wie Gier, Sucht, Minderwertigkeitskomplexe und Geltungsdrang.
Versicherungsvertreter – Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker
Erscheinungsdatum: 2011 (Ersterscheinung)
Wertung: 80 %
Regisseur: Klaus Stern
Laufzeit: 1 Std. 19 Min.
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Versicherungsvertreter 2 - Mehmet Göker macht weiter
Erscheinungsdatum: 2015 (Ersterscheinung)
Wertung: 65 %
Regisseur: Klaus Stern
Laufzeit: 1 Std. 10 Min.
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Der Film ist aktuell  z. B. auf Netflix zu sehen.
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=vY_LqH_pb5o
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thestefanonline · 4 years
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Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
Folge 11:  Rich Dad Poor Dad: Was die Reichen ihren Kindern über Geld beibringen
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Der US-Amerikaner mit japanischen Wurzeln, Robert Kiyosaki, wuchs auf Hawaii auf. Sein Vater war Lehrer, ihn bezeichnet der Investor als „Armen Dad“. Die zweite prägende Vaterfigur in seiner Kindheit war der Vater seines Freundes Mike, ein Unternehmer ohne besondere Schulbildung, den der Vietnam-Veteran und Hubschrauberpilot seinen „Reichen Dad“ nennt. Zwischen diesen beiden Polen, dem soliden, vorsichtigen Vater und dem risikobereiten Unternehmer, pendeln die Ratschläge immer wieder hin und her in diesem sehr redundanten Buch.
Als denkender Mensch mit Berufs-, Lebens- und Investment-Erfahrung fällt es schwer, Kiyosakis Vortrag unvoreingenommen zu folgen, zu vieles klingt bei Weitem zu riskant, zu pauschal und ist schlicht falsch. Ein Beispiel: Der Autor rät dazu zwangsversteigerte Immobilien zu kaufen und diese später mit immensen Gewonnen zu verkaufen. Hunderte Anleger mit wertlosen Gebäuden in Ostdeutschland dürften bei solchen Weisheiten bitter auflachen. Tatsächlich kenne ich selbst den Käufer einer Immobilie in Westdeutschland, die seit dem Kauf vor mehr als zehn Jahre ungenutzt leersteht. Weiterer Unfug der Marke Kiyosaki: „Die Reichen lassen ihr Geld für sich arbeiten“ – das ist ein Euphemismus für: Die Reichen lassen andere Menschen für sich arbeiten, denn Geld ist ein Gegenstand und Gegenstände können nicht arbeiten. Schwachsinns-Tipp Nr. 3: Der Autor liebt es in so großen Dimensionen zu denken wie die Texaner. Die haben in Alamo zwar krachend verloren, aber Kiyosaki findet, wenn man schon pleite geht, dann nicht wegen einer Doppelhaushälfte. Wer so eine Philosophie tatsächlich toll findet, mag vermutlich auch die Filme „Versicherungsvertreter 1+2“ und „The Wolf of Wall Street“ (beide sind aktuell auf Netflix zu sehen). Und schon kommt der nächste Unfug: Statt breit und sicher zu streuen, etwa in ETF, solle man lieber einige, wenige Aktien kaufen, gerne von Pennystocks, so hält es jedenfalls Kiyosaki. Wirecard lässt grüßen. Gier frisst Hirn. Die nächste, nicht haltbare Behauptung: Menschen werden nicht reich, weil sie in der Schule nichts über Geld lernen. Das mag beim Autor so gewesen sein, ich hingegen hatte selbst in der Sekundarstufe 1 Wirtschaftsunterricht und lernte, wie man einen Haushalt führt und wie Unternehmen Geld für den Staat erwirtschaften.
Davon angesehen bietet das Buch einige wichtige Denkanstöße. Kiyosaki gibt zu, dass er das Schreiben nicht besonders gut beherrscht und das ist wahr. Zwar beginnt das Buch überraschend originell, indem der kleine Robert davon berichtet, wie er als kleiner Junge für seinen reichen Vater arbeitete, erst für einen Hunger- und dann für gar keinen Lohn, um zu lernen, wie wenig die Arbeit als Angestellter wirklich einbringt und das dieser Weg niemals zu großem Reichtum führen wird.
Im Laden entdeckte der kleine Robert dann, dass er nicht verkaufte Comics, deren Cover abgerissen und an den Vertrieb zurückgeschickt wurden, gratis mitnehmen durfte. So lernte Robert nicht für den Lohn zu arbeiten, sondern Chancen wahrzunehmen und selbst unternehmerisch zu denken und zu handeln. Der kleine Junge eröffnete kurzerhand einen Club, in dem seine Mitschüler für 10 Cent eine Stunde lang so viele Comics lesen durften, wie sie es schafften. Für die Kunden bedeutete das, für den Preis eines einzelnen Hefts locker drei oder vier Comics lesen zu können. Und Robert lernte: Für ehrliche Arbeit muss man sehr viel Steuern zahlen und Jahrzehnte mühevoll schuften und als Unternehmer ist es schwer, gute Mitarbeiter zu finden.
„Rich Dad, Poor Dad“ predigt im Kern folgendes:
Als Angestellter muss man so viele Steuern zahlen, dass es fast unmöglich ist, reich zu werden. Also sollte man die Steuervorteile nutzen, die einem ein Unternehmen bietet und selbst eines gründen.
Statt auf Gehaltserhöhungen zu hoffen und aus lauter Angst vor Arbeitslosigkeit selbst den lausigsten Job zu halten, sollte man schon früh in Finanzbildung investieren und sein Geld nicht für Konsumgüter wie Autos, Luxusartikel und anderes verschleudern, auch nicht für ein selbstgenutztes Haus, sondern stattdessen zuerst möglichst viel Geld investieren. Wenn die Aktien, vermieteten Gebäude und andere Investments dann Gewinne abwerfen, kann man sich davon Dinge kaufen wie Autos, Golfschläger und anderes, was rasch an Wert verliert und nicht mit einer Einnahmequelle verwechselt werden sollte. Im Notfall wird man für diese Gegenstände beim Verkauf erheblich weniger bekommen als man bezahlt hatte. Kurz gesagt: Lass dich nicht von Angst kontrollieren. Höre nicht auf deine Gefühle, sondern auf deinen Verstand, wenn du Entscheidungen triffst. Nutze das KISS-Prinzip (Keep it simple and stupid). Reiche sorgen für Vermögenswerte, Arme häufen Verbindlichkeiten an.
Eine gute Schulbildung und eine fundierte Ausbildung reichen längst nicht mehr, um vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg geschützt zu sein. Wozu in gute Bildung investieren, wenn man durch Digitalisierung und Globalisierung eh überflüssig wird? Also lieber frühzeitig lernen, für sich selbst zu sorgen, sich selbst zu erst bezahlen. Den Tipp hat sich der Autor, wie er selbst sagt, aus dem Buch „Der reichste Mann in Babylon“ geliehen. Weiterhin zitiert er aus Napoleon Hills Werk „Denke nach und werde reich“. Zu seinen Vorbildern zählen Bill Gates, Warren Buffet, Donald Trump und ihm gefällt Gordon Gekkos Zitat aus dem Film Wall Street: „Gier ist gut“. Wobei der Autor das relativiert und erklärt: es geht nicht um destruktive Gier, sondern um ein gesundes Eigeninteresse als Antrieb, um den Wunsch, Fortschritte im eigenen Leben zu erzielen. Außerdem beeindruckten ihn Ray Croc und McDonalds. Das Unternehmen stelle zwar nur durchschnittlich gute Hamburger her, haben dafür aber ein extrem erfolgreiches Geschäftsmodell, um Unmengen an Geld zu verdienen, gerade als Immobilienunternehmen.
Kiyosaki rät dazu, von Werbetextern zu lernen und stark in der Menschenführung, im Vertrieb und beim Marketing zu werden. Das Produkt sei weniger wichtig als das Image.
Steuern schaden den Armen und der Mittelschicht, die Reichen finden ohnehin Wege, um wenig oder gar keine Abgaben zu zahlen.
Nutze, zumindest am Anfang, Network-Marketing, um die Angst vor Zurückweisung zu verlieren und das Verkaufen zu lernen. Ein weiterer arg fragwürdiger Tipp. Stichwort: Herbalife und ähnliche Modelle, bei denen man am Ende unter Umständen sogar weniger Geld hat als zuvor, weil man Produkte erst kaufen muss, die dann eventuell verdorben sind, bevor sich ein Käufer findet.
Ein hoch spezialisierter Angestellter braucht eine Gewerkschaft und muss von einem eng begrenztem Gebiet sehr tiefes Fachwissen beherrschen. Ein Investor wie er, kann Gewerktschaftler sowie hohe Steuern nicht gebrauchen und benötigt sehr viel oberflächliches Wissen von ganz vielen Bereichen, meint Kiyosaki
Dann gibt es das übliche Coaching-Geseiere. Vorsichtige Menschen diffamiert der Autor als „Chicken Junior“, eine Strategie als defensiver Anleger wird als langweilig und durchschnittlich abgewertet und die Lösung zum Erfolg führt selbstverständlich über den Kauf von weiteren Büchern, den Besuch von mehtägigen Seminaren und gerne könne man doch auch das tolle Brettspiel kaufen, welches Kiyosaki entwickelt hat. Zusammen mit Angeberei, aus 5.000 Dollar in fünf Jahren über eine Million Dollar gemacht zu haben, wirkt diese Seite des Amerikaners extrem abschreckend und wenig seriös.
Sehr weise ist hingegen der Tipp, sich nicht in Aktionismus zu flüchten statt die wirklich wichtigen Aufgaben im Leben anzugehen. Da steigert sich etwa ein Manager in Überstunden hinein, verbringt selbst die Wochenenden mit Arbeit und fällt dann aus allen Wolken, wenn ihn seine Frau verlässt. Es wäre klüger an Eheproblemen zu arbeiten statt immer mehr Geld nachzurennen wie ein Pferd einer vorgehaltenen Möhre.
Am Schluss nennt der Autor zehn Schritte zum Erfolg, weist aber darauf hin, dass dies lediglich seine Vorschläge sind und die Leser fähig sind, sich ihre eigenen Regeln aufzustellen:
1. Ich brauche ein Motiv, das stärker ist als die Wirklichkeit.
2. Ich entscheide mich täglich. Die Macht der Wahl.
3. Wählen sie ihre Freunde sorgfältig aus.
4. Beherrschen sie ein Rezept. Und lernen sie dann ein neues. Die Macht des schnellen Lernens.
5. Bezahlen sie sich selbst zuerst. Die Macht der Selbstdisziplin.
6. Bezahlen sie ihren Makler gut. Die Macht des guten Rats.
7. Seien sie ein indianischer Geber. Die Macht, etwas umsonst zu bekommen.
8. Vermögenswerte kaufen Luxusartikel.
9. Der Bedarf an Helden.
10. Lehre und du wirst ernten. Die Macht des Gebens.
Kiyosaki erläutert diese Regeln, aber letztlich sind diese nur Wiederholungen des bereits zuvor Beschriebenen.
Passenderweise gibt der Autor uns noch die drei Mächte preis, welche die Japaner kennen: die Macht des Militärs, die Macht des Geldes und am wichtigsten, die Macht der Selbsterkenntnis. Kiyosaki rät uns, den Mut zu haben, Dinge in Frage zu stellen und anders zu handeln als die Masse. Das ist überaus angebracht bei einem Buch, das zu 50 Prozent Tipps enthält, die man keinesfalls nachmachen sollte. Kiyosaki wollte mit 40 finanziell frei werden, geschafft hat er es, nach eigenen Angaben mit 47 Jahren. Seit 1984 unterrichtet er über Finanzen, arbeitete für das US-Militär, für einen Büromaschinenersteller und verdiente mit Immobilien und einer Geldbörse mit Klettverschluss Geld. Das klingt nach mehr Qualifikation und Erfolgen als bei manch anderem Coach, aber es bleibt doch der fade Beigeschmack, dass der Autor vor allem mit Büchern über Erfolge Geld verdient, noch dazu mit etwas unausgegorenen.
Wertung: 65 %
Rich Dad Poor Dad: Was die Reichen ihren Kindern über Geld beibringen
Von Robert T. Kiyosaki
Produktion: FinanzbuchVerlag, Deutschland, 2015.
Laufzeit: 7 Stunden, 4 Minuten.
Erhältlich als Buch, Hörbuch und als Stream z.B. auf Deezer.
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