Tumgik
dclblog · 26 days
Text
Dream Scenario (O-Ton)...
Tumblr media
...erzählt die Geschichte eines unscheinbaren Biologieprofessors, dessen Leben komplett auf den Kopf gestellt wird, als plötzlich mehr und mehr Menschen auf der ganzen Welt anfangen, wortwörtlich von ihm zu träumen. Regisseur Kristoffer Borgli nutzt seine absurde Grundprämisse, um mit vielen ganz großen Themen gleichzeitig zu jonglieren, mal eine medial vereinnahmte Gesellschaft, mal die Hybris des Individuums unter die Lupe zu nehmen, mal klassisches Familiendrama und mal kompromisslose Groteske zu inszenieren und dabei durchgehend in schwindelerregendem Wechsel Szenen zu zeigen, die mal todkomisch, mal berührend und mal so finster sind, dass sie mich schaudern ließen - muss vielleicht dazu sagen, dass Träume bei mir ein sehr spezielles Ding darstellen, weswegen meine Reaktion vielleicht etwas arg subjektiv ausfiel.
Dieser theoretische Reichtum an Genres und Ideen könnte in der Praxis durchaus Gefahr laufen, zu einem verworrenen Etwas zu werden, was irgendwann schlicht implodiert. Aber Borgli hat mit Nicolas Cage einen Hauptdarsteller an seiner Seite, der es sichtlich nochmal wissen will und hier erneut zeigt, dass seine unglaublich brillante Performance in "Pig" kein positiver Ausrutscher war. Ja, er ist die Seele dieses Filmes, es ist nahezu unmöglich, seinen latent verlebten Paul nicht irgendwie trotz allem zu mögen, seiner Geschichte nicht gerne zu folgen, aber er ist noch viel mehr: gute Dramenspieler gibt es viele, aber Cage holt zudem auch noch da, wo es passt, ausreichend vom ihn auszeichnenden Wahnsinn aus der Werkzeugkiste, um die surrealen Momente des Filmes, und davon gibt es einige, zu einem Gänsehaut-Fest werden zu lassen. Wer ihn einmal grinsend aus dem Dunkel eines Flures auf die Kamera zurennen sah, braucht diese Szene nie wieder schauen - man wird sie immer sehen, wenn man die Augen schließt.
"Dream Scenario" ist ein faszinierender Mix verschiedenster Genres und Themen, der sich in alle voll und unapologetisch reinwirft und somit zu einem wilden Ritt wird, der wahrscheinlich deutlich weniger funktionieren würde, wäre sein Hauptdarsteller nicht einerseits so erprobt im Manövrieren durch die Welt des Absurden und andererseits nicht im zweiten Frühling seines Schaffens, in dem er noch einmal so richtig zeigt, was in ihm steckt.
Ja, die "Cageassaince" ist im vollen Gange und ich bin sehr glücklich darüber.
D.C.L.
0 notes
dclblog · 26 days
Text
Road House (2024, O-Ton)...
Tumblr media
...funktioniert immer dann am Besten, wenn er sich voll und ganz seiner obsoleten 80er-Prämisse hingibt und ungeniert albern, krawummig und so doof ist, dass es fast schon wieder clever wirkt. Während dieser Minuten, die allermeisten davon in der ersten Hälfte des Filmes anzufinden, überspielt der hier überbordend präsente Jake Gyllenhaal auch die gröbsten Quatschbommelmomente, ist die Action zwar etwas arg sichtbar CGI-unterstützt, aber im ganzen sehr spaßig und oft erstaunlich sympathisch und gehen einem die Figuren und ihre Kämpfe um ein bisschen Glück, versinnbildlicht durch eine Strandkneipe, wo nicht mittendurch, so doch zumindest nicht am Allerwertesten vorbei. Hätte Regisseur Doug Liman einfach darauf vertraut, ich hätte diese Mischung aus schwitzig schönen Menschen, Kurzkonzerten von Indie-Bands und Kneipenschlägereien mehr genossen, als ich sollte.
Aber nein, Gyllenhaals Figur muss irgendwann eine finstere Backstory bekommen, die ich offen gestanden immer noch nicht in voller Gänze geblickt habe, und der putzige Haudrauffilm widmet sich plötzlich Themen, die grob geschätzt acht Nummern zu groß für ihn sind. Ich sage nicht, dass eine narrativ-atmosphärische Drehung um 180 Grad nicht funktionieren kann, ich sage, dass "Road House" sich nie komplett ebendieser Drehung hingibt, er will alles auf einmal sein, spaßige Kurzweil, Melodram und brutaler Thriller, aber ihm fehlt die Finesse, dieses Kunststück wirklich zu vollbringen, wodurch sich alles gegenseitig zu negieren scheint.
Das wohl Faszinierendste an dieser zweiten Hälfte ist Conor McGregor, bei dem ich ums Verrecken nicht sagen kann, ob dies einer der größten Unfälle der Schauspielgeschichte oder nicht doch eher eine brillante Meta-Performance ist, die um ein Haar den Film rettet. Was auch immer ich weiter ob an Genres angedeutet haben mag, McGregor lebt, agiert, spricht und kämpft in seinem ureigenen, er grient sich durch diesen Film, als hätte man ihm vorher scherzhaft gesagt, er würde den Brutus in Popeye geben, und während des Drehs hätte sich niemand mehr getraut, ihm die Wahrheit zu stecken. Was er hier fabriziert ist jenseits von Gut und Böse - und vielleicht deswegen so schweineunterhaltsam.
Ändert leider nichts an meinem Fazit: ich hatte die erste Stunde über aufrichtig Spaß am Spökes und habe mich im zweiten Teil gepflegt gelangweilt.
D.C.L.
1 note · View note
dclblog · 1 month
Text
Bullet Train (O-Ton)...
Tumblr media
...ist genau die Art von Film, wie sie vor gut zwanzig Jahren als Antwort auf die Werke von Tarantino und Ritchie massenweise produziert wurden, ebenso ultrabrutale wie im Kern harmlose Werke, deren präpotente Art so massiv überzogen daherkam, dass es fast schon putzig anmutete, die so krampfhaft versuchten, alles ironisch augenzwinkernd wegzuinszenieren, dass ihnen jeglicher Sinn abhanden kam, deren Humor gerne edgy und krass gewesen wäre, aber inmitten einer Welt, in der absolut nichts wirklich auf dem Spiel zu stehen scheint, eher zum müden Lächeln und Augenrollen animierte.
Immerhin: der Cast hat eine sichtliche Freude an diesem Spökes, die sich irgendwann und sei es auch nur homöopatisch auf geneigte Zusehende überträgt, die Kämpfe kommen gelegentlich mit einer aufrichtig originellen Idee um die Ecke, und ganz selten geschieht ein Gag, der so unerwartet und hinterrücks zündete, dass ich kichern musste.
Das meiste von diesem Film hat mein Gedächtnis nach kürzester Zeit schon wieder verlassen, aber ich kann zumindest sagen, dass ich mich während der Sichtung kein einziges Mal gelangweilt habe.
Und das ist ganz unironisch durchaus eine Leistung für einen reinen Wiederkäuer längst vergangener Genreregeln.
D.C.L.
2 notes · View notes
dclblog · 1 month
Text
Dune: Part Two (O-Ton)...
Tumblr media
...steht, um das Beste an diesem Film gleich zu Beginn gebührend zu würdigen, seinem Vorgänger in Sachen visueller Brillanz in nichts nach, fast im Gegenteil: war schon Denis Villeneuves erster Teil ein Fest für die Augen, aber eher eines, welches mehr bewundert als emotional aufgesogen werden konnte, wird hier nicht nur die Haptik der verschiedenen Welten spürbarer, sondern auch ihre Atmosphäre, ihre Bedrohlichkeit, ihre subtextuelle Bedeutung für die Geschichte. Das Meisterstück bleibt dabei die Welt der Harkonnen, eine ebenso roh wie steril, technologisch überlegen wie barbarisch anmutende Hölle, die beklemmend und faszinierend, abstoßend und auf morbide Art anziehend wirkt. Es hilft freilich auch, dass in Part Two das Erzähltempo vom Fleck weg deutlich mehr Saft hat, was dazu führt, dass hier unterm Strich der deutlich süffigere, unterhaltsamere Film bei rumkommt. Es gibt so gut wie keine Längen in diesem überlangen Werk, dafür viel zu Sehen, Erleben und Staunen. Ereignisse überschlagen sich, der Plot schreitet so unaufhaltsam voran, wie sich die riesigen Sandwürmer durch die Wüste wühlen. Und das hat Folgen, die nicht nur erfreulich sind.
"Dune: Part Two" erzählt eine Geschichte von religiösem Fanatismus, der sich mühelos in das politische Pendant verwandeln kann, von imperialistischen Allmachtsphantasien, die alle überkommen, die nicht begreifen, dass es kein richtiges Leben im Falschen gibt, von dem Missbrauchen von Kultur für Kriegs-, Unterdrückungs- und Vernichtungsagendas. Das sind immens schwere Themen, mit denen man erst einmal erfolgreich jonglieren muss. So versiert, nicht selten virtuos Villeneuve im Inszenieren seiner diversen Actionsequenzen ist, so groß sein Gespür für Bilder gewachsen zu sein scheint, die eben nicht nur episch, sondern auch dräuend aufgeladen wirken, so selten kommt das, was er hier auf der rein inhaltlichen Ebene serviert, arg weit über holzhämmerische und grobschlächtige Schilderungen stark an der Grenze zur Zweidimensionalität hinaus. Mit Ausnahme von Timothée Chalamets Paul Atreidis, der zumindest noch so etwas wie einen halbwegs vielschichtigen, nachvollziehbaren Bogen vom Zweifler zum Despoten vollziehen darf, verkommen alle anderen Figuren zu reinen Sinnbildstatements ohne nennenswertes Innenleben. Javier Bardem ist nicht mehr Stilgar, sondern ein Gesicht mit der konstant darüber prangenden Überschrift "man kann Religion auch übertreiben", Josh Brolin fehlt ein Namensschild, auf dem "Gurney Radikalmilitarismus Halleck" geschrieben steht, Zendaya bekommt die spielerisch undankbarste Aufgabe, das besorgte Gewissen des Filmes darzustellen, welches fassungslos das Abgleiten ihrer Kultur in den faschistoiden Wahn betrachtet und sonst absolut gar nichts mehr zu tun hat und Rebecca Ferguson bleibt bis auf ein paar wenige Ausnahmen, in denen so etwas wie Charakterfleisch durchscheint, durchgehend die kulturelle Aneignung im Dienste der durchtriebenen Sache. Austin Butler zieht sich mit Abstand am Besten aus der Affäre, holt aus all seinen Szenen mit großer Lust am Drüber so viele absurde Vignetten aus seinem Schema F-Schurken heraus, dass es tatsächlich eine reine Freude ist.
Vielleicht erscheint meine Kritik an dieser Stelle unfair. "Star Wars" zum Beispiel ist auch voll von politischem Kommentar - und nein, gebührend respektierte YouTube und Twitter-Dödel, nicht erst, seit Disney alles ach so woke machte - und ich würde nie auf die Idee kommen, seinen latent plumpen Umgang mit großen Themen zu bemängeln. George Lucas hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er einen SciFi-Film als Verarbeitung des Vietnamkriegs machen wollte, und wer das weiß, kann es in der Originaltrilogie nicht übersehen - von der Riefenstahlschen Faschoästhetik des Imperiums ganz zu Schweigen. In der Umsetzung bleibt dann nicht viel, was über ein klassisches "Gut gegen Böse" hinausgeht. Der entscheidend große Unterschied dabei: Die Episoden IV-VI sind randvoll bevölkert mit Figuren, die Herzen gewinnen, die mich von ihrem ersten bis zu ihrem letzten Auftritt berührten und um sie bangen ließen. So sehr ich Villeneuves ersten "Dune" mochte, so unnahbar und fern blieben mir seine Charaktere. Das hat natürlich auch Methode, immerhin geht es um eine Upper Class, die einer anderen Upper Class den Krieg erklärt. Es erschwert nur in diesem zweiten Teil deutlich die Bereitschaft, irgendwas an dieser Tragödie wirklich tragisch zu finden. So wenig ich mich langweilte, so begeistert ich über viele inszenatorische Einfälle und die bomfazionöse Optik und den grenzgenialen Sound war, so insgesamt Wurscht war mir, was mit den Personen, die diese Welt und Geschichte bevölkern, geschehen würde.
Das ist aber am Ende alles Jammern auf wüstensturmhohem Niveau. "Dune: Part Two" ist ein aufregendes, von der ersten bis zur letzten Minute packendes Erlebnis, ein wuchtiges, wummerndes Stück Kino, welches natürlich auf der größtmöglichen Leinwand gesehen werden sollte. Dass es für mich aufgrund von mangelnder Figurentiefe nicht zum Meisterwerk reicht, tut meiner grundsätzlichen Begeisterung für diesen Trip keinen wirklichen Abbruch.
D.C.L.
2 notes · View notes
dclblog · 1 month
Text
Damsel (O-Ton)...
Tumblr media
...ist in der Rahmenhandlung ein sehr anschauliches Fallbeispiel dafür, woran es bei zu vielen Netflix-Eigenproduktionen krankt: ein aberwitzig hochkarätiger Edelcast (wann gibt es endlich ein Gesetz dagegen, Angela Bassett in zweidimensionalen Rollen zu besetzen?) müht sich tapfer durch altbekannte Klischees, Papier-Dialoge und Plottwists, die zehn Minuten vorher für alle klar waren, die jemals einen Spielfilm sahen.
Dieses Werk wäre also nicht der Rede wert, gäbe es nicht einen ausgedehnten Mittelteil, der um Welten besser als alles davor und danach ist, schickt er doch eine hier spielerisch aufwachende Millie Bobby Brown in das, was im klassischen Horrorfilm eigentlich das Finale wäre: wie Ellen Ripley, Sarah Connor oder auch der Arnie in "Predator" darf sie hier die meiste Zeit komplett alleine gegen ein übermächtiges Monster kämpfen, und das ist irgendwann wo nie an die großen Vorbilder ranreichend, so doch tatsächlich aufrichtig spannend und unterhaltsam. Es hilft, dass das Monster der wohl beste Drache ist, der in den letzten Jahren einen Bildschirm ausfüllte, was weniger an den zumindest in dieser Hinsicht patenten Computereffekten als am wohl besten voice casting seit langer Zeit liegt: wenn Shohreh Aghdashloo mit ihrer filterlosen Rot-Händle-Stimme loslegt und furchteinflößend, charismatisch, sexy, unerbittlich, brutal und mütterlich sanft zugleich wirkt, dann hebt sie den kompletten Film an diesen Stellen in ansonsten nie erreichte qualitative Höhen. Ich war wirklich schon ewig nicht mehr so wohlig schauerlich berührt von einem Filmmonster wie hier und das liegt einzig und allein an der Künstlerin, die ihm ihre Stimme und Seele leiht - ja, fuck AI.
Dass das alles danach dann wieder in mehr als vorhersehbare Schlusskonventionen mündet, hat mich letztendlich nicht mehr wirklich gestört. "Damsel" macht in seinen entscheidenden Minuten schlicht und ergreifend viel zu viel richtig, um in meinen Augen nicht unterm Strich einen wenn auch knappen Sieg nach Punkten zu erlangen.
D.C.L.
2 notes · View notes
dclblog · 1 month
Text
Thank you very much for translating!
All of us Strangers (O-Ton)...
Tumblr media
...ist eine Parabel über die Geister der Vergangenheit, die wir immer dann rufen, wenn wir etwas uns wichtiges verloren haben, oder uns auch nur verloren fühlen, in der Hoffnung, dass sie uns erhören, bei sich aufnehmen und noch einmal von der so tröstlich wärmenden wie bei Überdosierung gesundheitsgefährdenden Droge Nostalgie naschen lassen, ein Märchen über die Vampire, die manchmal vor unser aller Türen lauern, um uns zu verzehren, und die Sehnsucht nach Menschen, die diese Vampire vertreiben oder zumindest für ein paar Wochen, einen Tag, eine Nacht, einen flüchtigen Moment fern halten können, eine sehr persönliche Geschichte eines schwulen, einsamen Mannes und seine Erinnerungen und Sehnsüchte, eine sehr universelle Geschichte über unser aller Einsamkeiten, Erinnerungen und Sehnsüchte, welche die unterschiedlichsten Menschen, die ich sprach, an den unterschiedlichsten Stellen des Filmes so entdeckten, als sei ebendieser Film an ebendiesen Stellen ausschließlich für sie gemacht, ein Werk, das weniger von Verlust und Trauer erzählt, als davon was danach kommt und was davor war, und wie schlimm und wunderbar es sein kann, wenn wir dieses Davor und Danach zu etwas vermischen, von dem wir weder loskommen können noch wollen, eine Ode an die Liebe in all ihren Facetten, seien diese platonisch, familiär, romantisch oder ekstatisch, die dabei so ehrlich und offen ist, dass sich in einem selbst alles öffnet, bis man das Kino verlässt und auf dem Nachhauseweg heult wie noch nach keinem anderen Film zuvor.
Oder anders: "All of us Strangers" ist eines dieser filmischen Wunder, wie ich sie nur alle paar Jahre erleben darf und dann wieder weiß, warum ich dieses Medium so liebe.
Es ist mittlerweile einige Tage her, dass ich dieses unglaubliche Werk sah, und immer noch denke ich oft daran zurück und bin dann tief dankbar für all die Menschen, welche in meinem Leben für mich da waren, als die Vampire vor meiner Tür standen und mich verzehren wollten, und diese vertrieben oder zumindest für ein paar Wochen, einen Tag, eine Nacht, einen flüchtigen Moment fern hielten.
D.C.L.
21 notes · View notes
dclblog · 2 months
Text
The Zone of Interest...
Tumblr media
...ist sich vollauf bewusst, dass die Verbrechen von Auschwitz weder emotional noch kognitiv auf irgendeine Weise jemals fassbar sein werden und versucht insofern erst gar nicht, optische Übersetzungen für etwas zu finden, für das Bilder niemals eine adäquate künstlerische Antwort sein können. Jonathan Glazer wählt den Weg der Diskrepanz und der Fallhöhe und zeigt uns stattdessen das idyllisch spießbürgerliche Leben der Familie Höß, welche direkt an der Mauer zum Vernichtungslager ein Leben führt, dessen Facetten uns vertrauter erscheinen, als es uns lieb sein mag. Was wir hier sehen, ist dabei weniger die Banalität, als die Alltäglichkeit des Bösen. Dass ein Mensch nicht 24 Stunden am Tag nur hassen kann, ist eine Binsenweisheit, und doch dreht sich der Magen wiederholt um angesichts dieser Menschen, welche die absolute Dehumanisierung vollstrecken und dabei lachen, weinen, Sehnsüchte, Wünsche und Ängste haben. Auf eine perfide Art sind die Momente, in denen die Ideologie der Vernichtung durchscheint, fast erträglicher, als bräuchten wir nicht nur unbedingt die Gewissheit, dass Monster real und verantwortlich für alles Monströse in der Welt sind, sondern auch die das Gewissen beruhigenden Momente, in welchen wir Aspekte in diesen schrecklich menschlichen Menschen finden, die uns derart abstoßen, dass wir uns beruhigend versichern können, dass das Monströse in uns nie einen Platz hätte - als würde die Menschheitsgeschichte im Allgemeinen und die Biografie der meisten unserer Großeltern nicht eine gänzlich andere Antwort auf die Frage: "Was wären wir in dieser Zeit gewesen?" geben.
Diese Schilderung der Hölle als nüchternem Alltag ist zumindest in der Theorie nicht in Gänze unproblematisch. So klar es zum Scheitern verurteilt sein muss, den Holocaust zu bebildern, so sehr könnte die Verdrängung des Horrors hinter die Mauer, die Andeutungen mit den lodernden Schornsteinen und dem Dampf der ankommenden Lokomotive in den jeweiligen Hintergründen etwas Verharmlosendes haben, wie ein Wimmelbild des Grauens, welches aber zu abstrakt ist, um das in seiner alles sprengenden Dimension einmalige Schrecken zumindest klar als solches zu benennen.
Und an dieser Stelle kommt der völlig zu Recht oscarprämierte Sound ins Spiel. Tondesigner Johnnie Burn stellte mit akribischer Recherche ein Jahr vor der Produktion und noch lange danach eine Tonbibliothek zusammen, in welchem er so genau wie irgend möglich das hörbar macht, was im Hößschen Garten zu ebendieser Zeit in ebendieser Entfernung zum Ereignis zu hören sein musste. Das Ergebnis ist von beklemmender Brillanz. Die Geräusche der kalten, effizienten Vernichtungsmaschinerie sind nicht selten komplett gegenläufig zum im Vordergrund Gezeigten, sie geben dem Horror, für den es keine filmischen Bilder geben darf, ein synästhetisches Gesicht. Sie verleihen dem weder emotional noch kognitiv Fassbaren eine künstlerische Form, die es transparent werden lässt, ohne ihm seine Unfassbarkeit zu nehmen. Sie sind das Puzzleteil, welches einen Film über ein nicht verfilmbares Thema nicht nur legitimiert, sondern ihn zu einem absoluten Meisterstück werden lässt.
D.C.L.
0 notes
dclblog · 2 months
Text
All of us Strangers (O-Ton)...
Tumblr media
...ist eine Parabel über die Geister der Vergangenheit, die wir immer dann rufen, wenn wir etwas uns wichtiges verloren haben, oder uns auch nur verloren fühlen, in der Hoffnung, dass sie uns erhören, bei sich aufnehmen und noch einmal von der so tröstlich wärmenden wie bei Überdosierung gesundheitsgefährdenden Droge Nostalgie naschen lassen, ein Märchen über die Vampire, die manchmal vor unser aller Türen lauern, um uns zu verzehren, und die Sehnsucht nach Menschen, die diese Vampire vertreiben oder zumindest für ein paar Wochen, einen Tag, eine Nacht, einen flüchtigen Moment fern halten können, eine sehr persönliche Geschichte eines schwulen, einsamen Mannes und seine Erinnerungen und Sehnsüchte, eine sehr universelle Geschichte über unser aller Einsamkeiten, Erinnerungen und Sehnsüchte, welche die unterschiedlichsten Menschen, die ich sprach, an den unterschiedlichsten Stellen des Filmes so entdeckten, als sei ebendieser Film an ebendiesen Stellen ausschließlich für sie gemacht, ein Werk, das weniger von Verlust und Trauer erzählt, als davon was danach kommt und was davor war, und wie schlimm und wunderbar es sein kann, wenn wir dieses Davor und Danach zu etwas vermischen, von dem wir weder loskommen können noch wollen, eine Ode an die Liebe in all ihren Facetten, seien diese platonisch, familiär, romantisch oder ekstatisch, die dabei so ehrlich und offen ist, dass sich in einem selbst alles öffnet, bis man das Kino verlässt und auf dem Nachhauseweg heult wie noch nach keinem anderen Film zuvor.
Oder anders: "All of us Strangers" ist eines dieser filmischen Wunder, wie ich sie nur alle paar Jahre erleben darf und dann wieder weiß, warum ich dieses Medium so liebe.
Es ist mittlerweile einige Tage her, dass ich dieses unglaubliche Werk sah, und immer noch denke ich oft daran zurück und bin dann tief dankbar für all die Menschen, welche in meinem Leben für mich da waren, als die Vampire vor meiner Tür standen und mich verzehren wollten, und diese vertrieben oder zumindest für ein paar Wochen, einen Tag, eine Nacht, einen flüchtigen Moment fern hielten.
D.C.L.
21 notes · View notes
dclblog · 2 months
Text
Argylle (O-Ton)...
Tumblr media
...ist nicht die von diversen Kritiken heraufbeschworene filmische Katastrophe zu enden alle filmischen Katastrophen, dafür sind Bryce Dallas Howard und Sam Rockwell ein zu putziges Duo, gibt es zu viele Momente, in denen die immer absurder werdenden Plottwists und die solide Action unterhalten, und achtet Regisseur Matthew Vaughn ausreichend genug darauf, gewisse sadistischen Einfälle, die andere edgy finden mögen, für mich aber meistens einfach nur bemüht garstig wirkten, so runterzudimmen, dass es den Charme, der gelegentlich an der Grenze zur Herzlichkeit durchscheint, nicht komplett killt wie in anderen seiner Filme.
Das größte Manko von "Argylle" liegt für mich in der Optik. Wäre es nur die unsagbar scheußliche Frisur von Henry Cavill, jo mei, nicht so schlimm. Aber mit jeder verstreichenden Minute wird die Diskrepanz zwischen den durchaus originellen, ambitionierten Action-Choreos und Effekten, welche nicht selten den Eindruck entstehen lassen, die "Spy Kids" seien noch keine zwei Jahrzehnte her, spürbarer, so unecht und greenscreenig wirkt das meiste.
Durchaus schade, denn mit ein bisschen raffinierterer Trickserei wäre aus einem echt mal gar nicht so schlechten Film womöglich noch ein guter geworden.
D.C.L.
9 notes · View notes
dclblog · 2 months
Text
Nimona (O-Ton)...
Tumblr media
...nimmt eine originelle Grundprämisse - was, wenn eine Gesellschaft technologische Fortschritte an der Grenze zu Star Trek machte, aber kulturell in der Ritterzeit hängenblieb? - und nutzt diese, um mit prächtiger Animation, die es schafft, vertraut und originell zugleich zu wirken, ein großes Königsdrama um Verrat, Schuld und Sühne mit herrlich albernem, fast durchgehend zündendem Slapstick sowie einer nicht direkt subtil versteckten, sehr berührenden Metaebene über die trans experience zu verknüpfen. Das Ergebnis ist eine flotte, grelle Achterbahnfahrt, die in der zweiten Hälfte in traumatische Abgründe mündet, wie sie der US-amerikanische Kinderfilm selten so erfreulich kompromisslos zulässt.
"Nimona" wäre um ein Haar von Disney beim Aufkaufen der entsprechenden Filmfirma auf den Müll geworfen worden, ein Grund, warum mich seine Oscarnominierung sehr freut. Der andere ist schlicht: das Ding ist sehr sehr gut.
D.C.L.
3 notes · View notes
dclblog · 2 months
Text
Nyad (O-Ton)...
Tumblr media
...erzählt die wahre Geschichte der gleichnamigen Extremsportlerin Diana Nyad, die mit über 60 einen dreißig Jahre alten Traum verwirklichen und von Kuba nach Florida schwimmen will.
Dass Elizabeth Chai Vasarhelyi und Jimmy Chin ihrer Hauptfigur dabei alle Ecken und Kanten belassen, ihre Hingabe und ihren Mut, aber auch ihre Hybris und ihren Egoismus an der Grenze zum Narzissmus offen und ohne große Wertung zeigen, ist ein großer Glücksgriff für diesen Film, gibt es doch der wie immer fantastischen Annette Benning die Möglichkeit, diesen plastischen, wunderbar widersprüchlichen Menschen in all seinen Facetten zu präsentieren und streut es doch in einen Plot, der ohne allzu große Überraschungen den typischen Inspirationsfilmgenreregeln folgt, Widerhaken ein, die ihn unterm Strich vielschichtiger, komplexer und nachhallender werden lassen. Dies ist nicht nur ein Film über die Größe und den Größenwahn des menschlichen Geistes, es ist auch ein Werk über echte Freundschaft und was diese einen Menschen kosten kann, über Verletzungen der Vergangenheit, deren Narben manchmal erst dann verblassen, wenn wir aufhören, an die eine große Heilung zu glauben und natürlich nicht zuletzt auch über die Vergänglichkeit und inwieweit es sinnvoll ist, ihr trotzig entgegenzutreten - "Nyad" nähert sich diesem letzten Thema erfreulich ergebnisoffen und empathisch. Getragen wird das alles von einem Edelcast, in welchem neben Benning vor allem Jodie Foster als vermeintlich unerschütterliche Trainerin und Freundin ganz groß aufspielt.
Packendes Biopic, dessen überaus menschliche Themen an Land fast spannender sind als das virtuos inszenierte Schwimmdrama im offenen Meer.
D.C.L.
0 notes
dclblog · 2 months
Text
The Marvels (O-Ton)...
Tumblr media
...ist für mich deswegen eine so frustrierende Angelegenheit, weil so viele Elemente in diesem Film für sich genommen absolut brauchbar und gut sind, er aber am Ende des Tages nicht mehr als okay bleibt.
Es gibt wunderbare Konzept-Ideen wie diejenige, dass die drei Heldinnen immer dann Plätze tauschen, wenn sie gleichzeitig ihre Superkräfte verwenden, aber jenseits von einem wirklich spaßigen und einem zu Tode computerisierten Haudichein mit der Schurkin und zuvor mit ihrem Anhang wird nicht viel mehr draus gemacht- wer sich an meine Enttäuschung erinnert, dass der letzte "Antman" so gar kein wirklicher Antman mehr war, versteht vielleicht meinen Kummer in dieser Hinsicht. Ein wirklich aufrichtig gutes, originelles, neues Konzept, und eine mutlose, eindimensionale Umsetzung, das ist ein Schema, welches sich durch das gesamte Werk zieht. Ein weiteres Beispiel dafür ist in meinen Augen der Planet, in dem ausschließlich gesungen wird - super Idee, und dann wird einmal getanzt, einmal gesungen, und - fin. Wie es auch gehen könnte, zeigt die wirklich saumäßig bescheuerte, in keiner halbwegs glaubwürdigen Welt Sinn ergebend Rettungs- und Räumungsaktion durch einen Haufen Alienkätzchen in einer Raumstation: zum Niederknien albern, putzig und garstig zugleich und so erfreulich unapologetisch durchgezogen, dass sich diese Szene sogar erlauben konnte, musikalisch den ollen Herrn Webber aus dem Schrank zu holen - mei, habe ich es gefeiert, nicht zuletzt auch deswegen, weil der sauwitzige Spökes im Gegensatz zu fast allen anderen Gimmicks nicht einfach nur ein solches blieb, sondern wirklich etwas zur Handlung beitrug. Leider zeigen diese wenigen Minuten, die locker zum Besten gehören, was das MCU in letzter Zeit zu bieten hatte, nur umso schonungloser, woran es beim Rest narrativ krankt.
Ich mag den Cast wirklich ausgesprochen gerne, allen voran die wunderbare Iman Vellari, die mit überbordendem Charme und einer Energie, gegen die die gereifte Herrenriege des Ur-MCU nicht nur mittlerweile ziemlich alt aussieht alles an die Wand spielt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das ist umso beeindruckender, weil ihr das Drehbuch kaum Attribute gibt, die über ein "sie ist ein Fan von Captain Marvel" hinausgehen. Auch hier wieder nur ein Beispiel eines sich durchziehenden Systems: ein echtes Edelensemble müht sich mit Charakterzeichnungen und Motivationen ab, die größtenteils nicht mehr als Papier bleiben. Ich sehe Absicht und Ambition, aber es erreicht mich zu wenig emotional, um wirklich mitfiebern zu können. Das grob geschätzt 80 % der eigentlichen Handlung aus mittlerweile zu Klischees verkommenen Storylines der Scifi-Fantasys der letzten dreißig Jahre zusammengeklaubt zu sein scheint, ist dabei nicht wirklich eine Hilfe. Ich bin wirklich kein Filmnostradamus und wenn ich ganze Szenen, bisweilen Dialoge vorhersagen kann, stimmt schlicht im Kern etwas nicht.
Was "The Marvels" aber letztendlich komplett zum Sinken bringt, ist die grassierende Sequelitis des Franchises, in dem er zuhause ist. Hatte Marvel früher noch ein Händchen darin, eigenständige Filme zu drehen und darin Anspielungen auf die anderen, die vor ihnen im Kino gelaufen waren, einzustreuen, wobei es den Sehgenuss vergrößerte, wenn man sie gesehen hatte, man aber nicht komplett verloren war, wenn nicht, werden hier endgültig gute Konzepte, Ideen und Spielende unter einer Maschine zerrieben, die sichtbar nur noch daran interessiert zu sein scheint, das Schauen bereits existierender Disney+-Serien anzuregen und die nächste große Fortsetzung anzukündigen. Hier sehe ich dann auch die Hauptschuldigen: gierige CEOs, die glauben, wir wären von der längst vergangenen Blütephase eines Franchises so angefixt, dass wir alles fressen, was sie uns in den Rachen werfen.
Es ist wahrscheinlich kein Zufall, aber dadurch nicht weniger deprimierend, dass einmal mehr diejenigen dafür gerade stehen müssen, die ohnehin nicht auf der Gewinnertreppe eines immer noch tief rassistischen und sexistischen Business stehen. Was hat sich der twitter- und YouTube-Bodensatz begeistert darauf gestürzt, dass eine schwarze Frau mit "The Marvels" einen inkohärenten Marvelfilm gemacht hat - als hätte die seit 40 Jahren im Business werkelnden Kalkleiste Sam Raimi nicht kürzlich ähnlich große Probleme damit gehabt, seine Akzente durch einen Wust an "prevously on WandaVision" zu setzen.
Insofern tut es mir aufrichtig leid, dass es ausgerechnet dieser Film hier ist, bei dem ich entnervt die Reißleine ziehe und sage: ich mag nicht mehr. Ich habe das MCU aufrichtig gemocht, bisweilen gar geliebt und bin ihm durch fein und doof, durch toll und medioker gefolgt. Vielleicht ist es der Altersstarrsinn eines Typen, der sich der 40 seit einer Weile von der falschen Seite nähert, aber diese Form von turbokapitalistischer Content-Kreation stimmt mich traurig und wütend gleichzeitig. Und so wenig ich das diesem Film allein anlaste, so sicher ich auch weiterhin Machwerke dieses Franchises schauen und besprechen werde, so klar sage ich: ich bin kein Fan mehr.
Wenn das den Herren Feige und Iger mal keine schlaflosen Nächte beschert...
D.C.L.
1 note · View note
dclblog · 2 months
Text
The Creator (O-Ton)...
Tumblr media
...zeigt von Beginn an die eine wirklich große Stärke, die sein Regisseur bereits in "Rogue One" vorzuweisen hatte: Gareth Edwards ist nicht weniger als brillant im Erschaffen einer komplett glaubwürdigen Scifi-Welt, die fast ganz ohne jedes Erklärbären einfach IST statt zu scheinen, was umso beeindruckender wirkt, weil er hier nicht den Kanon eines seit Jahrzehnten fortlaufenden Franchises als Inspirationsquelle für ihn und Lückenfüller für uns an seiner Seite hat. Der mühelos wirkende Einsatz von Visuell Effects, die man fast nie als solche erspürt, die vermeintliche Beiläufigkeit in den Hinweisen darauf, wie diese Zukunftswelt funktioniert, weswegen dieselbe jenseits des Kamerafokus immer weiterzugehen scheint und eine gehörige Portion garstiger Rohheit, die wiederholt einen beklemmenden Naturalismus in diese wummernde Roboterhatz Einzug halten lässt: wäre mir als Zuschauer nichts wichtiger als gutes world building, dieser Film wäre wohl jetzt schon mein Film des Jahres. Es hilft freilich, dass er mit John David Washington einen Hauptdarsteller präsentiert, der den robusten Charme der 80er-Actionhelden so elegant mit echter Verletzlichkeit zu kombinieren weiß, dass er mich wie auch schon in "Tenet" irgendwann komplett entwaffnete. Washington schießt sich durch eine faszinierende Mischung aus technischer Utopie, die aus reiner Ignoranz an der Schwelle zur Dystopie steht. Edwards belässt es hier nicht bei zaghaften Andeutungen. Sein Antimilitarismus mag nicht von allen so begeistert aufgenommen werden wie von mir, aber angesichts eines filmischen Zeitalters, in dem über die Hälfte aller großen Blockbuster von der US Army gesponsert werden (looking at you, Marvel), finde ich eine künstlerische Abrechnung mit derselbigen nicht nur erfrischend, sondern überfällig.
Narrativ mag das Ganze nicht immer gänzlich zufriedenstellend aufgehen, dafür sind manche Plotpunkte ein wenig arg vorhersehbar und dafür verstrickt sich dieser Film vor allem am Ende etwas zu sehr in ein Storykuddelmuddel, dessen Auflösung mit der Brechstange erfolgen muss, um noch halbwegs hinzuhauen.
Aber unter'm Strich überwiegt das Positive: "The Creator" ist eine visuell immer wieder atemberaubende Achterbahnfahrt mit ein paar durchaus schlauen Denkansätzen, knallender Action und einem sehr patenten Cast. Als alter Fan des Genres freut es mich sehr, einmal mehr einen eigenständigen Vertreter davon kennenlernen zu dürfen, der zudem auch noch echt was taugt.
D.C.L.
0 notes
dclblog · 3 months
Text
The Holdovers (O-Ton)...
Tumblr media
...erzählt die Geschichte eines vom Leben enttäuschten Lehrers, eines ungeliebten Schülers und einer trauernden Mutter, die zur Weihnachtszeit in den 70ern in einer Eliteschule bleiben und sich gemeinsam zusammenraufen müssen, um sich zunächst widerwillig, dann aber immer offener gegenseitig menschliche Wärme zu spenden.
Alexander Paynes entwaffnend charmante Außenseiterdramödie wirkt dabei nicht nur narrativ wie eine Filmgeschichte aus längst vergangenen Zeiten. Payne geht auch inszenatorisch komplett und kompromisslos zurück zu den Harolds und den Maudes, den Kuckucksnestern und den Stadtneurotikern, und das so virtuos und federleicht, dass es nicht eine Sekunde lang wie eine eitle Fingerübung wirkt, sondern zu einem immersiven Erlebnis wird, eine Zeitreise, bei der irgendwann selbst der kontemporäre Kinosaal um 50 Jahre zu altern scheint, so perfekt ist die Illusion.
Das alles wäre nur halb so wunderbar, wäre der Cast nicht so toll und involviert. Aber Paul Giamatti und Dominic Sessa spielen die beiden tief einsamen Typen, die von der jeweiligen Lebensstation bis hin zum Alter so viel trennt und die doch irgendwann Seelenverwandte und eine Vater-Sohn-Dynamik im Gegenüber finden, die keiner der beiden gesucht und doch unterbewusst ersehnt hat, mit so viel überbordendem Herz, dass es hin- und mitreißt. Und die famose Da'Vine Joy Randolph ist so mühelos ergreifend, dass die Tränen stetig, leise und durchgehend flossen, während ich sie beobachten durfte. Es gibt einen Moment, da geht sie in kürzester Zeit durch immens viele Facetten von Trauer hindurch, komplett wortlos, immens ergreifend. Allein für diese grob geschätzt zehn Sekunden hat sie für mein Dafürhalten dieses Jahr alle Preise verdient.
Was nicht heißen soll, dass "The Holdovers" nicht auch immens heiter sein kann - ich habe seit Jahren nicht mehr bei einem Film so unvermittelt, laut und komplett hilflos auflachen müssen wie in einer ganz bestimmten Szene (Stichwort: Weihnachtsgeschenk) - aber über allem liegt ein melancholischer Schleier, der aber anders als bei anderen Filmen eine immense Wärme entwickelt, in die man sich direkt einkuscheln möchte. Gar nicht kuschelig, aber immens wichtig sind hingegen die erfreulich direkten Auseinandersetzungen mit Vietnam, Arm-Reich-Gefälle und Privilegien. All diese Wahrheiten nehmen dem Film nicht seine Schönheit, im Gegenteil, sie erden eine Geschichte, die einen Zusammenhalt im Trotzdem zelebriert.
"The Holdovers" ist eine Film gewordene Umarmung, ein Cat Stevens-Song in bewegten Bildern. Ich möchte gar nicht so sehr hervorheben, wie gut dieses Werk ist - es ist in der Tat meisterhaft. Viel wichtiger ist mir aber klarzustellen: so etwas durch und durch Schönes habe ich schon sehr lange nicht mehr im Kino gesehen.
D.C.L.
1 note · View note
dclblog · 3 months
Text
Poor Things (O-Ton)...
Tumblr media
...bringt auf dem Papier alle Voraussetzungen dafür mit, ein präpotentes Kunstikunsti-Etwas zu sein, eine selbstverliebte Fingerübung, die eine Frankenstein-Fabel auf Speed erzählt und sich dabei mehr in skurrilen Settings als in echtem Mehrwert verliert.
Aber dies ist Yorgos Lanthimos, ein erprobter neuer Meister des Grotesken, der zwar seine Gilliams und Lynchs genau studiert hat und sich nie scheut, sie visuell wie narrativ ausgiebig zu zitieren, dabei aber mit so viel Herz und Herzblut inszeniert, ein solch traumwandlerisches Gespür für Pacing besitzt und zudem so klar seine Spielenden und ihr Spiel verehrt, liebt und fördert, dass dies im Ergebnis ein wundervolles, virtuoses Erlebnis für fast alle Sinne darstellt.
Emma Stone brilliert sich durch eine Geschichte über Emanzipation und Empowerment, und das mit einer Mühelosigkeit, die zu dem Hauptmerkmal dessen führt, was ich persönlich als ganz großes Schauspiel begreife: die wahre Kunst besteht für mich NICHT darin, dass ich davor sitze und denke "Wow, spielt Emma Stone toll", sondern dass ich irgendwann komplett VERGESSE, dass dies Emma Stone ist, die mir etwas vorspielt. Für mich gab es nach wenigen Minuten nur die wunderbare Bella, vom Fleck weg eine meiner zehn Lieblingsfiguren in der Filmgeschichte, grob zusammengefasst ein Mensch ohne die falschen Schamkonstrukte, die die Gesellschaft uns allen, aber wenn wir ehrlich sind vor allem Frauen auferlegt, wobei sie ihre Unbekümmertheit, ihr strotzendes Selbstbewusstsein und ihr fröhlicher Hedonismus nie daran hindern, empathisch, offen und wo es angebracht ist auch empört und gerecht zornig über die Ungerechtigkeiten unserer Welt durch dieselbige zu schreiten. Stone spielt dies mit einer Verve, die so gar nicht nach großen Preisen schielt und deshalb umso beeindruckender ist. Wie sie beispielsweise ganz nebenbei und ohne es groß zu präsentieren langsam die englische Sprache wiedererlernt, das könnte so affektiert sein und ist doch so fein und glaubwürdig. Unterstützt wird sie von einem bomfazionösen Cast, allen voran Mark Ruffalo, dessen verlebter Gigolo eine so schillernde Figur ist, dass sie ein entsprechend extrovertiertes Spiel an der Grenze zur Charge nötig macht, dabei aber so durchgehend voll mit echtem Leben ist, dass sie ein Paradebeispiel für den Satz ist, den ich dereinst an der Schauspielschule lernte und erst viel später begriff: du kannst auf der Bühne oder vor der Kamera im Grunde machen was du willst, solange es gefüllt ist. Dass Willem Dafoe als schauerlich-putziger Ziehvater eine gewohnte Wucht ist, brauche ich glaube ich nicht näher zu erklären.
"Poor Things" zeigt uns ein Zerrbild unserer Welt und macht sie dadurch kenntlicher. Der Film scheut sich nie, den Blick auch auf systemische und humanistische Abgründe zu werfen, aber seine Liebe zu den Menschen ist dabei so groß, dass es durchgehend ein totkomisches, aufrichtig berührendes Erlebnis bleibt.
Eine meisterhafte Achterbahnfahrt durch eine schreckliche, schöne, schrecklich-schöne Welt.
D.C.L.
4 notes · View notes
dclblog · 3 months
Text
Priscilla (O-Ton)...
Tumblr media
...schildert die Geschichte des gleichnamigen Mädchens, welches vom damals größten Star des Planeten, Elvis Presley, nach Graceland geholt wird und dort über die Jahre viel an Erniedrigung zu erleiden hat. Es gibt viel Scheußliches in dieser zutiefst toxischen Beziehungsgeschichte, und Sophia Coppola scheut sich nicht, die Abgründe im Leben mit einem Narzissten zu zeigen. Gleichzeitig verliert sie dabei nie die Solidarität zu ihrer Hauptfigur, was zur Folge hat, dass wir als geneigte Zusehende natürlich als von außen Betrachtende die Disfunktionalität und das ungesunde Machtgefälle sehen, aber gleichzeitig voll und ganz verstehen und wichtiger: mitfühlen können, warum sich dieses junge Mädchen in diesen erwachsenen Mann verliebt, warum sie ihn trotz allem jahrelang die Treue hält und hin und wieder auch dem Reiz des Rausches, des Hedonismus, der totalen Dekadenz erliegt. Doch wo beispielsweise "Blonde" kürzlich nichts weiter zu erzählen hatte als die schleichende Vernichtung einer Frau, schildert Coppola hier zunächst schleichend, gegen Ende immer transparenter eine Geschichte von Emanzipation, von einem kathartischen Loslösen aus einer zutiefst unguten Konstellation, was deswegen so beeindruckend ist, weil das meiste davon nicht in der Handlung, sondern im unglaublich tollen Spiel von Priscilla-Darstellerin Cailee Spaeny liegt, die nicht nur die verschiedenen Lebensalter ihrer Figur so überzeugend spielt, dass ich zu Beginn glaubte, sie hätten wirklich ein Mädchen genommen und die eigentliche Schauspielerin würde erst später zum Einsatz kommen, sondern auch im Laufe von Szenen, die auf dem Papier nur von Gewalt durch Machtmissbrauch erzählen, mehr und mehr an Stärke, Selbstbewusstsein und gesundem Egoismus entwickelt, sodass der Befreiungsschlag am Schluss nur vermeintlich abrupt und unerwartet kommt. Andersherum schafft es Jacob Elordi, aus einem Elvis Presley, der ganz klar als der Antagonist des Filmes fungiert, so viele Nuancen herauszuholen, dass ich nach dem Kinobesuch nicht um den Gedanken herumkam: sie haben den falschen Elvis mit Preisen überhäuft. Den missverstandenen Helden kann fast jeder spielen, aber Elordi hat nicht nur Stimme und Manierismen seiner superbekannten Figur besser intus als alle die vor ihm kamen - sobald das Licht ein klein wenig gedimmter ist, ist die Illusion nicht weniger als perfekt - er gibt ihr auch so viele Widersprüche und Reibungen, ist überlebensgroß und winzig, charmant und brandgefährlich, selbstbewusst und jämmerlich, zart und unerbittlich, schlicht das volle Paket, dass ich wie auch bei Spaeny aus dem Staunen irgendwann gar nicht mehr rauskam. Ganz ganz große Schauspielkunst von beiden!
"Priscilla" erzählt vordergründig nur von einer toxischen Beziehung und ist dank des großen Vertrauens, welches Sophia Copolla ihrer fantastischen Hauptdarstellerin gegenüber mitbringt, still und leise durchdrungen von der nuancierten Schilderung einer Coming of Age und Empanzipationsgeschichte.
Habe schon lange keinen Film mehr gesehen, der im Einzelnen wenig Schönes zu erzählen hat und dabei im Großen und Ganzen doch so schön ist.
D.C.L.
0 notes
dclblog · 3 months
Text
Lift (O-Ton)...
Tumblr media
...ist auf dem Papier die übliche Netflix-Action-Einheitsware, wird aber in der Umsetzung durch ein erstaunlich patentes Gespür für das Kreieren von Suspense sowie durch einen Cast gerettet, der den Spökes sichtlich gut gelaunt trägt - allein schon Vincent D'Onofrio als schnuckeliges Schauspielchamäleon ist es wert, hier einen Blick zu riskieren.
In diesem Caper Movie werden weder Räder neu erfunden noch Momente kreiert, die lange im Gedächtnis bleiben, aber für kurzweilige, bisweilen erstaunlich spannende Unterhaltung reicht es allemal.
D.C.L.
0 notes