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#a.e.i.o.u.
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A.E.I.O.U
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Der Dom
Der Dom zu St. Stephan
Meine klerikale Karriere begann in der 2a und gleich mit einem Höhepunkt: Mit der Totenmesse der Mutter meines Herrn Religionslehrers. Einer der Top-Jobs, den ein katholisches Knabeninternat für seine Zöglinge bereithielt, war der des Ministranten. Im Rahmen der Hl. Messe war ihm nur einer übergeordnet, der Chef der Show, der Priester. Vier Helferleins knieten vor dem Altar, einer davon war ich. Für mich bedeutete dies nicht weniger als die Inauguration in den inneren Kreis der Bubenbande der erzkonservativen Erziehungsanstalt. Die Sache hatte nur einen Haken: Von liturgischen Handlungen hatte ich (als einziger meiner Klasse) keinen Dunst. Das aber behielt ich für mich, keinesfalls durften die Kollegen Wind davon bekommen, und schon gar nicht mein Reli-Lehrer, der werte Hinterbliebene. 
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In den Katakomben
Messe-Novizen konnten sich damals ihre Position aussuchen, also wählte ich die des Linksverbinders, dort machte man am wenigsten falsch. Meine einzige Aufgabe bestand darin, zum richtigen Zeitpunkt der Eucharistiefeier vier miteinander verbundene Glöckchen zu schütteln. Schon Tage vor meinem Auftritt hatte ich beim bloßen Gedanken daran weiche Knie. Das große Ereignis kam, uns Ministranten wurden rote Messgewänder verpasst und wir zogen in einer Wolke von Weihrauch vor den Altar. Als zweiter von links kniete ich nieder und wartete auf meinen Einsatz. Wo sonst aber, wenn nicht im Angesicht des Herrn, steckt der Teufel im Detail. Vor lauter Angst den Zeitpunkt meines Geläutes zu verpassen, flüsterte ich während der Predigt meinem Nachbarn, einem versierten Diener Gottes, zu, mich zur rechten Zeit zu stupsen. Das tat er auch, allerdings zu früh, denn just als mein Religionslehrer die Monstranz hob, um einen Toast auf seine verstorbene Mutter anzubringen, griff ich nach den Glocken - zu heftig wohl, denn kaum brachte ich mein Requisit für den Einsatz in Position, erklang auch schon der dissonante Vielklang der Glocken. Auf dieses Zeichen schien die Trauergemeinde nur gewartet zu haben, denn kaum war das Kirchenschiff vom Höllenlärm erfüllt, sprangen alle von ihren Plätzen auf und lobten und priesen den Herrn, indes der werte Hinterbliebene erschrocken verstummte und dem Verursacher dieses Chaos einen alttestamentarischen Flammenschwert-Blick entgegenschleuderte. Mein Fehler war nicht wieder gut zu machen und er bedeutete des Ministranten Glück und Ende. Unnötig zu sagen, dass der Reli-Fünfer im nächsten Zeugnis mit stahlblauer Tinte festgeschrieben war.
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Die Untere Stadt
Im darauffolgenden Schuljahr sollte ich abermals mit der katholischen Kirche übers Kreuz kommen, wurde ich doch in eben dieser Kapelle für mein Vergehen von allerhöchster Stelle zur Rechenschaft gezogen: Kein Geringerer als der Wiener Erzbischof-Koadjutor war ausgerückt, um den Zöglingen die gesegnete Botschaft des Hl. Geistes zu überbringen. Da ich als Folge des Glöckchen-Skandals eine Zeitlang vom Religionsunterricht suspendiert war, konnte ich mir unter diesem Sakrament wenig vorstellen. Dennoch nahm auch ich, der Büßer, am Tag der ‚Reife‘ im Firmungsanzug unter dem gestrengen Blick meines Feindes vor dem hohen Herrn Kirchengesandten Aufstellung und, nachdem dieser ein paar heilige Worte gemurmelt hatte, landete auf meiner Backe die allerhöchste Strafe Gottes - eine mordstrumm Ohrfeige. Ich erschrak so sehr, dass ich die darauffolgende, rituelle Danksagung vergaß, was mir neuerlich einen Flammenblick, diesmal von erzbischöflicher Stelle eintrug. Wer bitte hätte ernsthaft damit gerechnet, an diesem feierlichen Tag der körperlichen Attacke eines Kirchenfürsten ausgesetzt zu sein? Längstens beim Anblick der für dieses Ereignis fälligen Godel-Uhr aber überwand meine frisch erleuchtete Wange den Schmerz, und so klang der Prater-Ausflug des Jungnovizen bei Zuckerwatte und Watschenmann einigermaßen versöhnlich aus.
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Die Eingeweide der Habsburger
Dies als Introduktion meiner Recherche über das Wahrzeichen jener Stadt, in der sogar die Engerln auf Kurzurlaub vorbeisteppen. Da ich den Rundgang durch den Wiener Stephansdom, Anziehungspunkt von Gläubigen aus aller Welt, von Grund auf beginnen wollte, begab ich mich unter fachkundiger Anleitung in die Katakomben. Hier unten, im Maschinenraum des Kirchenschiffes, türmen sich Wagenladungen von Toten. Gewalt, Vergeltung, Rache. Die Hl. Schrift ist nicht zimperlich und die Gläubigen sind an die Omnipräsenz des ‚Kwikwi‘ (wienerisch: ‚Tod‘) gewöhnt. Das Ablassgeschäft blüht. 
In den Eingeweiden des Stephansdoms, in dem die Überreste von elftausend (!) Verstorbenen lagern, war das Verkehrsaufkommen seit je her hoch. Fünf Millionen Besucher entern alljährlich den Dom, nicht zuletzt der weit verzweigten unterirdischen Gänge wegen. Inventar wurde hier allerdings noch nie gemacht, man verlässt sich auf vage Schätzungen von Strafgefangenen, die im achtzehnten Jahrhundert als Teil ihrer Buße die Knochengebirge sichteten. Seither starren die zu pittoresken Türmen aufgeschichteten Totenschädel mit weit aufgerissenen Augenhöhlen die Vorbeikommenden an. 
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Das Kirchenschiff
Dem Massengrab der Gemeinen zunächst residiert die Haute Volée der Monarchie und des Kirchenstaates. Neben den Eingeweiden der Habsburger (ihre Herzen ruhen in der Kapuzinerkirche, die Körper in der Gruft darunter) werden die Verwalter Gottes bestattet, die ehrwürdigen Kardinäle und Bischöfe. Bei einem der Gräber stutze ich: ‚Dr. Franz Jachym, Erzbischof-Koadjutor‘. Wenn mich nicht alles täuscht, war das jener Herr, der mir anlässlich meiner Firmung den Backenstreich verpasste. ‚Man sieht sich im Leben immer zweimal‘, denke ich, „… sogar nach dem Tod“. 
 „Neulich bekamen wir einen Oberschenkel. Per Post“, flüstert mir mein Guide ins Ohr und sieht dabei etwas verschreckt aus. „Na sowas…“, sage ich, „Von wo denn?“ „Kanada.“ „Kanada?“ „Kanada. In den Siebziger Jahren gab‘s hier unten noch keinen Alarm und so manches Mitbringsel verschwand in so mancher Handtasche. Schlechtes Gewissen aber ist eine Strafe Gottes. Und die Post macht’s wieder gut.“ Der Mann rollt die Augen. „Wie kommt man auf die Idee, Knochen zu mopsen?“, frage ich. „Reliquienjäger. Rippen fanden sich als Lüsterarme wieder, Brustbeine als Bücherständer. Die Menschen lieben den Tod. Ich will gar nicht wissen, wo all die vielen kleinen Wirbelchen abgeblieben sind.“ Ich nicke dem Herrn Koadjutor ein letztes Mal zu, immerhin verdanke ich ihm nebst einer beeindruckenden Armbanduhr auch meinen ersten Wilde-Maus-Ritt, und verlasse die nachtschwarze Stätte. Ich will ganz nach oben, also drücke ich im Lift auf ‚H‘, wie Himmel. 
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Die Himmelsleiter
Oberhalb des mächtigen Tonnengewölbes befindet sich ein riesiger Dachboden, in dem das Kirchenschiff noch einmal bequem Platz hätte. Tauben flattern auf, nehmen hoch oben auf den Sparren Platz, starren zu mir herunter und verfolgen jeden meiner Schritte. Die Vögel vollführen einen aufgeregten Tanz, dessen scheinbarer Mittelpunkt ich bin. Ist das das Ritual einer sonst verborgenen Welt? Als Wesen der Luft haben sie Zutritt zur anderen Dimension. 
Mein Führer öffnet eine Bodenluke. Eine Ewigkeit weit unter mir krebsen Gläubige herum, es ist gerade Messe. Die Menschen erscheinen klein wie Kirchenmäuse. Angstschweiß, ich bin alles andere als schwindelfrei. Oh mein Gott, der du bist im Himmel. Ich kralle mich an meinem Guide fest, der dabei beinahe selbst das Gleichgewicht verliert, und so verharren wir als eine ineinander verkeilte Einheit, knapp unterhalb des Himmels, aber deutlich oberhalb der Erde, und ich danke dem Hausherrn, dass wir nicht fallen. 
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Von oben nach unten
Dann geht’s hinaus aufs Dach, in dessen Regenrinne ich einen Rundgang in schwindliger Höhe starte. Der Wind pfeift um die Ohren und ich taste mich vorwärts, indem ich die Befestigungen mittelalterlicher Wasserspeier als Haltegriffe benutze. Dabei vermeide ich den Blick nach unten. Zu meiner Linken bedecken zweihundertdreißigtausend bunte Flachziegel, aufgeschichtet zu einem spektakulären Schuppenkleid, eine Gesamtfläche von achttausend Quadratmeter Kirchendach. Jede der Platten wiegt etwa zweieinhalb Kilo und ist mittels Kupfernägel an den darunter liegenden Holzbalken befestigt. 
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Die Takelage des Kirchenschiffs
Schon wartet die nächste Attraktion: Eine Steigleiter, die bis zur Spitze des Südturmes führt, schlappe einhundertsiebenunddreißig Meter oberhalb des Straßenniveaus. Schon beim bloßen Anblick bürsten sich mir die Nackenhaare auf. An der Sandsteinfassade ist eine kleine Eisentüre angebracht, die nichts Gutes verheißt. Wagemutige keuchen gezählte dreihundertdreiundvierzig Stufen bis zur ‚Türmerstube‘ hinauf, in der lange Zeit einer der zentralen Überwachungsstellen der Wiener Feuerwehr untergebracht war. Für Mutige ist dort Schluss, für Wahnsinnige geht’s erst richtig los: Die kleine Türe nämlich führt hinaus an die frische Luft. ‚Angstloch‘ nennen die Freaks den Ausstieg, denn von dort aus klettern sie bis zur Turmspitze hinauf. Ich beschließe es gut sein zu lassen. Es ist ja gut.
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In der Rinne
Stattdessen inspiziere ich die ‚St.Stephans-Bienen‘, welche genau oberhalb des ‚Riesentores‘ in gut verpackten Holzkästen wärmeren Zeiten entgegendösen. Wenn im Prater alljährlich die Bäume wieder blühen, werden sie von hier aus ihre Dienstreisen beginnen, um mit prall gefüllten Pollenhöschen zurückzukehren und sich ans süße Werk zu machen. Der ‚Blütenhonig mit Lindeneinschlag‘ wird unten im Kirchen-Shop als Spezialität angeboten. Auch Kirchenmänner sind Naschkatzen. 
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Das Schuppenkleid
Neben dem Beichtstuhl verabschiede ich mich von meinem freundlichen Guide. Mich fröstelt. „A propos…“, frage ich, „Wie beheizt man eigentlich den Dom?“ „Mit Besuchern“, lautet die Antwort, „Und die Corona-bedingten Gesichtsmasken steuern nochmal ein bisschen Dampf bei.“ 
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Zwischen Himmel und Erde
Der Besuch der Stephanskirche, die mehr Kunstschätze aufweist, als manch anderer Touristen-Hotspot der Stadt, verhalf mir nicht nur zu einer Begegnung mit der Vergangenheit, er hielt auch eine Mutprobe der besonderen Art parat. Ich werde das Gotteshaus ab nun differenzierter sehen. Was prangt doch auf der, aus rotem Marmor gefertigten Begräbnisstätte des Dritten Friedrich, vorne, in Altarnähe? Die Inschrift: ‚A.E.I.O.U.‘ Die Buchstabenfolge gilt als Insignie der Habsburger. Man findet sie auf Bauwerken ebenso wie auf Tafelgeschirr, Gemälden oder Staatswappen: ‚Austria Erit In Orbe Ultima‘. Ich gestatte mir eine rustikalere Übersetzung: ‚Am Ende Is Ollas Umasunst‘. Was wäre der gutgläubige Wiener ohne seinen gesunden Zweckoptimismus?
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Die Bienen zu St. Stephan
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sinful-roxy · 2 years
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jikimo-world · 6 months
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Austria: A.E.I.O.U.
Chibitalia: Ciuccia bestia che sei tu
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ssuzii · 7 months
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Supraviețuirea Habsburgilor se baza pe abilitatea oamenilor de a se căca pe întuneric, de a trage pe întuneric, de a se târî în întuneric, de a se masturba pe întuneric. A.E.I.O.U. - Austriae Est Imperare Orbi Universo, cu puști și cu bășici infectate, cu gulere țepene și căcați căzând cu un pleșcăit în latrine supraîncărcate, hărți și tunuri de câmp, manevre și scrisori cenzurate, curți marțiale și bere acră, ceruri limpezi de vară și pișat stătut. Ah, solidaritatea cu milioanele de soldați care au fertilizat solul Austriei, căcându-și fasolea și carnea de oaie hăpăite, orezul, pâinea și cafeaua neagră lungită cu brom, ca să le țină penisurile nesculate.
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doinggreat · 1 year
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5 & 16 😁
5: A song that needs to be played LOUD
back to last summer, whenever i would go on a road trip with my friend he would blast this song in his convertible and i cannot imagine listening to it any other way
16: One of your favorite classical songs
this is such a basic one lmao
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veryllizabel · 2 years
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A.E.I.O.U😄
#veryllizabel #ateveryl #verniceletizia #aterosa
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martendoc · 24 days
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Rätsel um Habsburger Motto A.E.I.O.U. bleibt wohl für immer ungelöst - Forschung - derStandard.de › Wissen und Gesellschaft
5 Buchstaben und 300 hermeneutische Versuchen, das Richtige im angedeutete einschlägig und einfältig herauszustellen; symptomale Lektüre symbolanalytisch auf ein unwiderlegbare Formel zu kompensieren hat ungefähr die gleiche Wirkung - Fazit: Alles Wissen ist Stückwerk.
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angelloverde · 2 months
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"Mo Soul" Player Playlist 5 March
DJ King Flow - She Knows What She Needs
Jazz Spastiks - On A Ruff Tip
JR Jarris Feat. E.Doza - Intimate
Jan Kincl & Regis Kattie - Funk Bleu (Instrumental Version)
Natural Self Feat. Elodie Rama - Midnight Sun
Red Astaire - Rollin' Stone
Erykah Badu - Cleva (Captain Planet's Smarter Samba Mix)
marva Whitney & Osaka Monaurail - I am What I am (Ronny Hammond Felling The Re-Groove)
Dave Mathmos - Your Love (Contemporary Soul Mix)
Di Melo - A.E.I.O.U.
Amp Fiddler - Slippin' On Ya Pimpin'
Moodymann - I Need You so Much
Cherokee - Take Care Of You
Zero 7 - When It Falls
Crazy P - Never Gonna Reach Me (Hot Toddy Remix)
If you really want to enjoy music and help musicians and bands, buy their lp’s or cd’s and don’t download mp3 formats. There is nothing like good quality sound!!!
(Angel Lo Verde / Mo Soul)
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nanan · 4 months
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A.E.I.O.U.は、ハプスブルク家の神聖ローマ皇帝フリードリヒ3世(1415年 - 1493年)が好んで用いた略語句。彼は建設したウィーナー・ノイシュタット城やグラーツ大聖堂などの建築物や自身の食器などあらゆるものにこの文字列を刻んだ[1]。1751年にウィーナー・ノイシュタットのテレジア軍学校の標語として採用され、現在まで用いられている。 フリードリヒ3世は、1440年にローマ王に選出される以前からこの標語を用いている。その意味を彼はほとんど説明しなかったが、死の直前に"全世界はオーストリアに属する"(ドイツ語: Alles Erdreich ist Österreich untertan[2])の略であると述べている。
A.E.I.O.U. (略語) - Wikipedia
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heavyhauler · 7 months
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Jim James - State Of The Art (A.E.I.O.U.)
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cometchasr · 2 years
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Quarterly, I tierced in fesse gu arg gu; II seme de lys azure or charged with a label gu; III gu charged with a cross or, in each quarter a cross couped or; IV quarterly, i gu charged with a tower triple towered yellow-ochre; ii and iii or, 4 endorses of gu; iv arg charged with a lion rampant purpure armed or crowned. mantling purpure and or make higher. crest royal crown make larger larger larger higher higher. supporters lion rampant tail forked saltire gu armed or crowned eastern crown or make higher higher higher higher. motto "A.E.I.O.U.". make higher higher higher
you will get something cursed if you put this into drawshield
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koreantunes · 4 years
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HOHYUN(호현) - A.E.I.O.U.
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prdzx · 4 years
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Jim James - State Of The Art (A.E.I.O.U)
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joellebatens · 4 years
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Thank you Fre for sending me this kind question! ❤ And yes, with great pleasure! 💕🌹 -x ( Art-work via Mima Museum)
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fhear · 5 years
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Jim James - State Of The Art (A.E.I.O.U.)
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