Lehrfahrt der Mystischen Akademie
Fall #0034.2023
16.04.2023
Wir (der Doktor und ich) wurden am frühen Nachmittag von der Schulleiterin der Mystischen Akademie kontaktiert. Sie wollte nicht mitteilen, warum sie anrief, und ließ uns lediglich wissen, das zwei Schulbusse vor dem Ministerium warteten, um uns auf getrennten Routen und mit verbundenen Augen zum Schulgebäude zu bringen.
(Frage an die Dienstleitung: Warum ist der geheime Ort des Schulgebäudes in den Akten im Gebäude der Kartonfabrik Weitin vermerkt? Der Eintrag muss geändert werden zu Folgendem: drei Fahrstuhlminuten unter der Kartonfabrik Weitin.)
Die Schulleiterin Frau Unwohl stellte uns nach unserer Ankunft unverzüglich (d.h. sofort) die betreffende Klasse vor. Was sie betraf, war uns weiterhin unklar. Auch nach einigen Minuten betretenden Schweigens zwischen uns und den Kindern war noch offen, ob das Problem an ihnen oder an uns lag.
Frau Unwohl und mehrere Personenschützerinnen eskortierten uns kurze Zeit später in das Lehrerzimmer. Ein äußerst steriler Ort, möchte ich hier lobend anmerken möchte.
Frau Unwohl erklärte uns dort den Sachverhalt:
(Gedächtnisprotokoll)
"Unsere Schülerinnen haben sich letzte Woche genug Nudelsternchen verdient, um ein Wandertagkontingent zu erwerben. Den Wandertag selbst gestalten zu dürfen, das haben wir natürlich abgelehnt. Ein Mitglied unseres Lehrkörpers erzählte mir von einem Schulvereins-Newletter, den sie regelmäßig und in ausgezeichneter grafischer und inhaltlicher Qualität erhielt, und der die Neueröffnung der Gemeinschaftspraxis für Potenzialentwicklung beworb. Die Praxis für Gemeinschaftswachstum erklärte sich sofort (d.h. unverzüglich) bereit, unseren Mündeln ihre Praxis und ihre äußerst wissenschaftlichen Methoden und Behandlungs-Therapien zu zeigen. Eine dreiminütige Fahrstuhlfahrt und 15 min auf der unsichtbaren Seilbahn zwischen AJZ Strand und Datzecenter trafen die Schülerinnen ein.
Was während des Besuchs in der Praxis für Porzellanentwicklung geschah, ist unklar, da die Begleitpersonen wie tariflich vereinbart im Bus blieben und den Busfahrerinnen Gesellschaft leisteten. Erst auf der Rückfahrt fiel daher auf, dass die Schülerinnen sich ungewöhnlich verhielten. Sie wirkten angefressen, enttäuscht und stellten keine klärenden Fragen. Sie zeigten sich entschieden, aber für was ist weiterhin unklar.
Zurück in der Schule erklärte die Ankunft der Klasse, warum wir den ganzen Tag im Sekretariat mit zwei unzugeordnete Schülerinnen zu kämpfen hatten. So sehr wir uns auch anstrengten, die zwei konnten einfach keiner Klasse zugewiesen werden. Auch sie wussten nicht, welche Klasse sie täglich besuchten (oder es vorgaben). Erst in dem Moment, in dem der Bus mit den Wandertagskindern zur Einrichtung zurückkehrte, rief sich ihre Existenz in unsere Erinnerung zurück. Sehen Sie, die Sicherheit unseres Nachwuchs ist das höchste unserer Anliegen an der Mystischen Akademie Neubrandenburg. Und was könnte sicherer sein, als die Existenz dieser Kinder mit dem Moment, den sie die Schule verlassen, zu vergessen? Daher benutzen wir einen Frequenzgesteuerte Artefakt, der das Areal unsere Gehirn, in dem die Erinnerung abgespeichert ist, gefährlich stark mit Sauerstoff unterversorgt. Er funktioniert auch über den Schacht hinaus in das umliegende Wohngebiet. Ich stehe übrigens in keiner Verbindung mit der Gemeinschaftspraxis für heilerische Vielfalt." Der Doktor merkte an, das wir das auch nicht gefragt hätten. Ich merkte an, dass Eindringlinge in die Einrichtung, die den Aufenthaltsort der betreffenden Klasse erfahren wollen, die anwesenden Mitarbeiterinnen bis zur psychischen Verwahrlosung foltern würde, ohne die Antwort zu erfahren.
Frau Unwohl bemerkte, dass auch die Eindringlinge die Existenz der betreffenden Klasse vergessen würden, das sei diesbezüglich "praktisch".
Zu den zwei Schülerinnen erläuterte Frau Unwohl:
"Da die verbleibenden zwei Kindern, die nun der Klasse zugeordnet werden konnten, die sie täglich besuchten, und dessen Wandertag sie aufgrund religöser Beschränkungen nicht besuchen konnten. Eine brennende Kirche war auf der B149 aus Richtung Waren auf die Landstaße gestürzt und blockierte den Weg. Die beiden hatten es nicht pünktlich zur Abfahrt des Schulbusses aus Weitin geschafft und es hatte auch niemand durchgezählt. Stattdessen waren die Schützlinge, wie die Tradition vorschrieb, mit zufälligen Variablen versehen worden durch einen Kohlestrich auf der Stirn.
Die zwei Schülerinnen hatten keinen Kohlestrich, was sie als anders kennzeichnete. Die zwei Schülerinnen wirkten aufgekratzt, ängstlich und stellten viele klärende Fragen, was sie als normal kennzeichnete."
"Hatte der Vergleichswert der 'normalen' Schülerinnen einen positiven Effekt auf die Bestimmung des Grades an Paranormalität an den restlichen Schülerinnen?", fragte der Doktor.
Frau Unwohl überlegte, während sie nickte und nicht eine lange Zeit nicht blinzelte.
"Die beiden normalen Schülerinnen hatten einen wunderbaren Effekt auf die Bestimmung unnormaler Schülerinnen. Es wird sie überraschen, aber diese kognitive Leistung der Unterscheidung fällt vielen unserer Lehrerinnen leicht. Es fällt ihnen zu, fühlt sich natürlich an. Das heißt, sie sind geübt daran."
Wir machten an dieser Stelle bewusst keinen Kommentar zur Sache.
Nach der Mediation durch Frau Unwohl gingen wir zurück in die Klasse, um den Fall zum Schluss zu bringen. Die Vorhersage, uns sollten nun statt einer anonymen, homogenen Gruppe Jugendlicher zwei Gruppen grundsätzlich unterschiedlicher Menschen erscheinen, war mehr als ein praktisches Problem.
Es war ein philosohisches.
Sind die Dinge wie sie sind, oder sind sie, wie sie aussehen? Sind die Schüler*innen paranormal, weil sie in der Praxis für gemeinschaftliches Verhalten verdreckter Aura begegneten, oder weil ihnen die Schulleitung einen Drudenfuß auf die Stirn kratzte?
Wir begegneten den Jugendlichen mit der amtlich vorgeschriebenen Mischung aus Missgunst und Hoffnung. Nachdem wir die Entscheidung verkündete, die Kinder sich ihrer Sache selbst annehmen zu lassen, sofern sie rechtzeitig einen formlosen Antrag einreichten, besserte sich das allgemeine Gepöbel im Raum. Innerhalb weniger Stunden organisierten sich die Jugendlichen in Räten und Kammern, deren Diskussionen in das finale Produkt einflossen: ein erschreckend kurzes Manifest der Rachenahme, verfasst auf dem Kartonrückband eines College-Blocks.
Ihr Plan sah vor, fünf Mikrowellen in einem Pentagram um das Gebäude der Gemeinschaft der Phantasie zu platzieren, nachdem zuvor ein Kreis aus Salz gezogen war. Dann würden sie beginnen, schreckliche Choräle zu singen und die Mikrowellen für zwanzig Minuten mit den gesammelten Energien aus 50 Autobatterien zu betreiben.
Wir akzeptieren diese Bedingungen und wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft, so wie es die Dienstanweisung vorgibt.
Harriet Töpfer
Aussendienstmitarbeiter*än in der Abteilung für Paranormale Information und Selbstjustiz
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klau|s|ens sieht kein fußballspiel (hauptsächlich nur interviews und dazu berichte) – www.klausens.com
klau|s|ens, wenn diese fußballspiele kommen, dann wird hauptsächlich gequatscht.
gestern noch: U17, weltmeisterschaft. es fällt das 2:2 kurz vor schluss, deutschland nur mit 10 spielern, der RTL-kommentator-mann am mikrofon muss irgendwelche hinweise des senders durchgeben.
es ist wahnsinn, was während des spiels da abgelassen wird, allein verweise auf andere sendungen! das fußballspiel ist nur…
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