KORN Familienchronik
Andreas U. Korn - Vorbemerkung: in den Manuskripten meines Vaters finde ich eine Beschreibung seiner Schulzeit in Mettmann im Gebäude des ehemaligen Preußischen Lehrerseminars, heute Rathaus der Stadt Mettmann, die ich hier zugänglich mache. (ak 27.5.2022; oben: Foto von mir im Mai 2022)
Karl Korn (2/1998): Erinnerung an die Schulzeit 1928-1934
„Benutz`die Zeit, sie geht von hinnen, doch Ordnung lehrt Dich Zeit gewinnen!“
Dieser markante Spruch stand auf der Wand des langen Flures im Erdgeschoss unserer Realschule im alten Seminargebäude, heute Rathaus. [1]
Im fortgeschrittenen Alter versuche ich, den Spruch zu beherzigen. Was hat sich im Laufe der Jahre an Schriftstücken angesammelt, die man als wichtig einstufte, doch für die neue Generation mangels Erinnerungen weggeworfen werden. So finde ich Bilder, die mich lebhaft an meine Schulzeit erinnern, die mich veranlassen, die damalige Zeit und die Verhältnisse auf der „Penne“ zu schildern.
In Mettmann kannte man den Begriff „Bürgerschule“, die einmal am Jubiläumsplatz beheimatet war, uns aber nicht mehr bekannt, weil sie auf dem Gelände der Nudelfabrik Koch stand. Doch wurde der Name „Bürgerschüler“ für die Realschüler immer noch gebraucht. Es gab sogar seitens der Volksschüler das Schimpfwort „ Bürgerbrezel“. Warum? Die früheren Bürgerschüler hatten besondere Schlägermützen, die mit Schnüren in Form eines Brezels verziert waren. . . Deshalb.
(Abb. Foto aus dem Familienarchiv, die “Quinta” 1929/30; Karl Korn vorne zweiter von links; im Hintergrund: Prof. Georg Kuhlmey, den mein Vater sehr schätzte und immer wieder in Familiengesprächen erwähnte)
Zu unserer Zeit gab es farbige Schirmmützen: für Sexta das hoffnungsvolle Grün, Quinta Rot, Quarta Braun, Untertertia Blau, Obertertia Violett, Untersekunda Weiß. Der Aufwand für deren Anschaffung, aber auch der Preis für die verschiedenen Unterrichtsbücher, vor allem das hohe Schulgeld von monatlich 20 Mark, belastete den Etat der Eltern sehr stark, wenn man Mietkosten von etwa 40 Mark damit vergleicht. Dementsprechend wurde ein strenger Maßstab für die Aufnahme in die Schule gelegt. Stipendien gab es nur bei besonders begabten Schülern, über deren Bewilligung die Elternvertretung mit der Schulleitung entschied.
Vor der Aufnahme bemühten sich die Volksschullehrer, die „Auserwählten“ fit zu machen. Wert wurde gelegt auf Rechnen, Schönschrift und auf besonders gute Noten in der Rechtschreibung. Vergessen habe ich nicht das Diktatthema bei der Prüfung: Ein alter Löwe lag kraftlos vor seiner Höhle und erwartete den Tod“.
Dann war es Ostern 1928 soweit: Voll Erwartung betraten wir 20 Schüler, von denen nur 4 von der katholischen Schule kamen, die heiligen Hallen, am Eingang von einer großen Schulglocke begrüßt. Erster Klassenlehrer war der Oberlehrer Eugen Kriesel, stadtbekannt als erster „Ententeich-Träger“. Der spitzbärtige Professor van Rensen bemühte sich als Französischlehrer uns mit „au clair de la lune mon ami Pierrot“ die Grundbegriffe in Französisch beizubringen. Mathematik unterrichtete Oberlehrer Fritz Thielmann, der aber oft durch seine Kriegsbeschädigung ausfiel. Studienrat Heinrich von der Stein, katholischer Geistlicher, gab neben dem Religionsunterricht zeitweise noch Deutsch und Geschichte. 1929 nach Essen-Borbeck versetzt, erhielt er durch die Nazi Lehrverbot und starb 1965 als Pfarrer von St. Suitbertus in Düsseldorf.
Lehrpersonen während meiner Schulzeit
(Die „alten“ Studienräte trugen noch den Titel „Professor“)
1 - Prof. Georg Kuhlmey; Deutsch, Geschichte, Literatur, Heimatarchiv
2 - Prof. Reuter (?)
3 - Prof. Dr. Johann Ontken Frieshammer; Verwaltung und Organisation der Schule, Unterricht
4 - Prof. Hermann van Rensen; Französisch, Latein, teilweise Evgl. Religion
5 - Prof. Heinrich Bach; Mathematik, Chemie, Biologie
6 - Kaplan Heubes (?)
7 - Prof. Thielmann (?)
8 - Prof. Dr. Wilhelm Stöcker; Sport, Englisch, Französisch
9 - Prof. Eugen Kriesel; Zeichenlehrer, Werkunterricht, Kunst, Deutsch. Begabter Maler (Öl, Aquarell), Mettmanner Motive; u.a. Zeichnung des Weinbeckshaus am Markt 22 um 1954
(Foto um 1930, aus dem Familienarchiv von Karl Paul Korn; vermutlich in der Bibliothek im alten Preußischen Lehrerseminar, dem heutigen Rathaus; ich vergleiche einige Namen - mit Fragezeichen versehen - mit einer Aufnahme von 1925, die auf der Internetseite des Konrad-Heresbach-Gymnasium abgebildet ist)
Dr. Johann Ontken Frieshammer, seit 1925 Studiendirektor. Ihm oblag im Wesentlichen die Verwaltung und Organisation der Schule, stundenweise unterstützt von einer Schreibkraft. Vertretungsweise Übernahme von Unterricht.1935 führte er den einzigen Aspiranten zum Abitur. Seine Amtsräume befanden sich an der Stelle, wo heute der kleine Sitzungssaal im Rathaus ist.
Professor Hermann van Rensen, seit 1903. Französisch, Latein, teilweise Evgl. Religion., genannt, „Spitzbart“ a la Kaiser Wilhelm II.
Professor Heinrich Bach, seit 1903, Mathematik, Chemie, Biologie. Wegen seines verschlossenen Wesens nicht beliebt. Spitzname „Judas“. Dreitagebart.
Professor Georg Kuhlmey, seit 1903. Deutsch, Geschichte, Literatur, Heimatarchiv. Klein von Gestalt, mit dunklem Teint, überaus geduldig, war er den Gehässigkeiten seiner Schüler ausgesetzt, wobei ich auch unrühmlich beteiligt war. Trotzdem blieb ich mit ihm bis zu seinem Tode verbunden, indem ich ihn in der Mettmanner Archivarbeit unterstützen konnte. Sein Wesen war gezeichnet durch viele Schicksalsschläge: in den Jahren 1915 -1917 verlor er seine Frau und zwei Kleinkinder. Sein einziger Sohn war seit 1945 vermisst. [2]
Studienrat Dr. Wilhelm Stöcker, seit 1926. Sport, Englisch, Französisch. Guter Pädagoge der jüngeren Generation, aber sarkastisch und jähzornig.
Oberschullehrer Eugen Kriesel, seit 1925, später Studienrat. Zeichenlehrer, Werkunterricht, Kunst, Deutsch. Begabter Maler (Öl, Aquarell), Mettmanner Motive. Er war einer der Letzten, der noch unsere Kinder unterrichtete.
Veranstaltungen
Sportnachmittage fanden auf dem Sportplatz am Pfingstgarten, Schwimmen in der Badeanstalt im Stadtwald statt, jährliche Sportwettkämpfe auf dem Sportplatz am Benninghof. Die Schule verfügte über eine Aula, die sich besonders für festliche Veranstaltungen eignete, gab es in Mettmann außer dem „Weltspiegel“ nur noch den Saal des Kolpinghauses. Die Ausstattung war hervorragend: große Orgel mit vorgesetztem Podium, Konzertflügel.
An der rechten Seitenwand zwei große Wandgemälde des Düsseldorfer Malers Roth, darstellend:
1.) Jesus in der Synagoge, der Apostel Paulus, Sokrates mit Schülern.
2.) Melanchthon beim Unterricht, die Jungfrau von Orleans, Hamlet. Die Bilder befinden sich jetzt im Evangelischen Vereinshaus.
An der Rückwand die Ehrentafel für die im Kriege gefallenen Lehrer und Schüler, dem Zeitgeist entsprechend das Bild des „sterbenden Helden“, mit der Fahne bedeckt, im Hintergrund eine brennende Kriegslandschaft. So wurde uns das heldenhafte Sterben als Vorbild dargestellt, nicht ahnend, daß wir einmal das grausame Kriegsgeschehen ganz anders erleben sollten.
Elternabende
Einmal im Jahr wurden die Eltern eingeladen, sich ein Bild zu machen über den Stand ihrer Söhne in der Schulgemeinschaft. Für jede Klasse war ein bestimmtes Thema vorgesehen, in der Hauptsache waren es Deklamationen. So wurde ich 1932 von Prof. Kuhlmey ausersehen, die Ballade vom „Blinden König“ vorzutragen. In der Klassengemeinschaft überlegten wir, ob es nicht sinnvoller wäre, mit verteilten Rollen das spannungsgeladene Geschehen vorzutragen. Was Kuhlmey aber nicht vorausgesehen hatte, es wurde ein Schauspiel daraus:
Der blinde König steht am Meeresufer, umgeben von seinen Mannen fleht er den bösen Räuber an: „Gib Räuber aus dem Felsverlies die Tochter mir zurück!“ Mit Holzschwertergeklirr gelingt es dem Prinzen, (unser Kleinster in der Klasse) die Schwester zu befreien. Er erscheint mit „Gunhilde, der Befreiten“ auf der Bühne, dargestellt von mir, angetan mit einem Nachthemd meiner Schwester, auf dem Kopf eine Perücke, die ich der Puppe meiner Schwester geklaut hatte. Der Erfolg war überwältigend. Kuhlmey, der wohl eine andere Vorstellung hatte, wird uns wohl verziehen haben.
Wenn es auch meine persönlichen Erinnerungen sind, glaube doch, daß man in etwa die damaligen mit den heutigen Verhältnissen vergleichen kann.
KARL KORN, Februar 1998
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[1] Vgl. zur Geschichte der Höheren Jungenschule und zur Entwicklung des Konrad-Heresbach-Gymnasium die Internetseite: https://www.khgme.org/lebensort/die-schule/
[2] Es finden sich im Internet diese Angaben zu seiner Person: “Elisabeth Therese Franziska Nourney, * 14.2.1883, † 20.9.1917, ∞ Mettmann 7.9.1906 Georg Kuhlmey, Professor, Studienrat in Mettmann, * Eberswalde 16.2.1875, † Mettmann 25.9.1958; 3 Kinder.” https://forum.ahnenforschung.net/printthread.php?t=12985&pp=40&page=72; aufgerufen am 30.05.2022 Stichwort “9/1421″ oder “Kuhlmey”
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SCHÖNSCHRIFT
Schönschrift, Kalligraphie oder auch Lettering genannt. Wer kennt das aus der ersten Schulzeit noch?
Ein Schwungblock mit Wachsmalkreiden, ein erstes liniertes Heft mit Bleistift, ein anderes Heft mit dem ersten Füller benützen, um Aufschwung, Abschwung, Schlaufen und Absetzen und neu den Ansatz zu üben.
Zeile für Zeile, Seite für Seite wurde geübt, verbessert, schwungvoller und schneller die Schrift, oftmals nicht immer zur Pracht geratend, aber doch stolz der eigenen Handschrift zugeordnet.
Hatte es Ähnlichkeit mit der Handschrift von Mutti oder Papa? Hat es Ähnlichkeit mit einer Schrift, die ich bewundere? Hat es Ähnlichkeit mit einer Schrift einer Person, die ich mag, oder verehre? Hat es Ähnlichkeit mit der Schönschrift aus Büchern?
All diese Gedanken brachten mich zum Üben, veränderten mein Schriftbild, ließen mich das Schriftbild weiter üben und ausprobieren anders zu gestalten und doch blieb es trotz dieser Einübungen stets am Ende gleich:
Mein persönliches, der Stimmung und Befindlichkeit angepasstes, individuelles Schriftbild des Augenblickes, aber auch als Entwicklung über die Jahre zu meinem einen, unverkennbaren Schriftbild, das wie die Unterschrift stets neu erfunden werden kann, aber meist im alten, mir geläufigen Stil wieder ausfällt.
Trotzdem macht es mit Spaß mit eigenen, diversen Schriftarten und Stiften, sowie Federn und Pinseln, Kugeln und Fasern immer wieder zu üben, Briefe oder Festtagskarten in Druckbuchstaben oder Schreibschrift zu üben. Es hat etwas von Meditation und Kunst. Es ist kreativ, manchmal anstrengend, oft muss ich mich zu Ruhe und Langsamkeit zwingen, um zu entschleunigen oder auch abzuschalten und während des Schreibens zu träumen und in mir ausgeglichen zu ruhen.
Die andere Art zu Schreiben, statt schriftlich zu informieren, zu plakatieren oder nur festzuhalten.
Ähnlich zur Ruhe zwingen durch Tun und erholt und entspannt danach zufrieden in mir zu ruhen ist auch beim tunesischen Häkeln oder Zentangle/Doodle-Malen noch für mich möglich. Andere Dinge musste ich leider aufgeben. Kraft, Augen, Finger oder gar Schadstoffe machen es unmöglich.
Hast Du auch ein bewusst kreatives Interesse oder Hobby, das Dich ähnlich einer Meditation/Gebet etc. zur Ruhe bringt, ein Ritual, oder etwas gänzlich anderes wie Sammeln, Basteln, Radio hören, Handarbeiten, Räumen, Handwerken etc.?!
Was zieht Dich immer wieder an, es zu tun, auch wenn es schwierig erscheint oder ist, aber Dir ganz allein auch Ausgleich und Freude bereitet?
Oder suchst Du noch?
Probier Dich aus, bleib geduldig am Suchen und auch am für Dich stets anpassenden, stimmigen Wechseln.
Vielleicht liegt Deine Befriedigung sogar im steten Wechsel oder gleichzeitig im Tun zwischen allen Interessen und Hobbys oder gar bei Talent, Berufung oder bei diversen Begabungen?!
Es ist nicht die Bewegung des Körpers gemeint wie zum Beispiel ein Waldspaziergang oder Ausdrucks-Tanz, sondern das geistige Bewegen um auch nur da einmal zum guten Energie-Ausgleich zu kommen.
C. 💕🍀💕
©️®️CWG, 10.03.2021♈️🌳
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